Kleine, feine Novelle
Sh*tshowEine kleine, feine Novelle/Parabel auf die USA kurz nach der Wahl von Trump. Der Erzähler und seine Frau, pensionierte, gut situierte und gebildete Demokraten, verstehen ihre Welt nicht mehr. Mit ihren ...
Eine kleine, feine Novelle/Parabel auf die USA kurz nach der Wahl von Trump. Der Erzähler und seine Frau, pensionierte, gut situierte und gebildete Demokraten, verstehen ihre Welt nicht mehr. Mit ihren (eigentlich gleich denkenden) Freund*innen beklagen sie sich über den Wahlausgang und die drohende Zukunft - und auch in diesem eigentlich geschützen Umfeld werden schnell erste Vetrauensverluste deutlich. Doch das ist nur der Anfang, denn nachdem Unbekannte menschliche Fäkalien im Whirlpool des Paares hinterlassen haben, geht die wörtliche und titelgebende "Shitshow" erst so richtig los.
Die Metaphorik ist von Beginn an da, laut und unübersehbar, doch dieses Buch hat mehr und vor allem Nuancierteres zu bieten als die sprichwörtlich dampfende Kacke. Das Gefühl der Entfremdung, des Verlassens, des einsamen Zurückbleibens und nicht (mehr) Verstehens zieht sich bei dem Protagonisten, mehr sogar noch bei seiner Frau, durch alle Lebensbereiche und Gefühlsebenen: Das ganze Land hat sich mit der Wahl gegen sie gestellt, die Tochter als Produkt ihrer Erziehung ist bereits vor längerer Zeit in demokratischere Gefilde abgewandert (und selbst dieser "sichere Ort" zeigt Risse - oder?), die Freundschaft zu den anderen Paaren scheint ebenso zu bröckeln und ist mehr und mehr von Eifersucht, Wetteifern und Vertrauensverlust geprägt (die Argwohn ist seit längerem spürbar, nach der Wahl umso mehr), und schließlich wird das Haus durch die ungebetenen Gäste und ihre Hinterlassenschaften zu einer No-Go-Area. Dass sich diese Ansammlung von Unsicherheit und Angst an/mit sicher geglaubten Orten und Menschen auch auf die Beziehung der beiden zueinander auswirkt, scheint unumgänglich.
Richards Russos doch erstaunlich kurze Geschichte ist schnell gelesen, fast ebenso schnell wie sich die Welt der Personen darin verändert. Allerdings verändert sich die Welt außerhalb des Buches fast noch schneller - in Zeiten von Covid-19 und dem, nun ja, "Umgang" des Präsidenten mit der Pandemie erscheinen die Auswirkungen der ersten Monate seiner Amtszeit im Rückblick geradezu unfassbar mild. Man mag sich gar nicht ausmalen, welch unappetitliche Metaphorik sich der Autor für eine aktuell angepasste Parabel à la Shitshow 2.0 benötigen würde...oh je!