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Veröffentlicht am 09.04.2025

Schmales Büchlein mit riesiger Sogwirkung

Die Frau im lila Rock
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Inhalt:
Die vorerst namenlose Protagonistin geht still und ganz für sich einem unscheinbar wirkenden Alltag nach und fällt nur durch ihren lila Rock und die besondere Fähigkeit auf, wie eine Eiskunstläuferin ...

Inhalt:
Die vorerst namenlose Protagonistin geht still und ganz für sich einem unscheinbar wirkenden Alltag nach und fällt nur durch ihren lila Rock und die besondere Fähigkeit auf, wie eine Eiskunstläuferin durch Menschenmengen zu gleiten. Beobachtet wird sie von einer Frau, die es gut mit ihr zu meinen scheint, die stets eine gelbe Strickjacke trägt und die verdächtig viel über den Alltag der Frau im lila Rock weiss.

Meine Meinung:
Das Buch ist mir irgendwo bei Instagram begegnet und hat mich nicht mehr losgelassen, weshalb ich es unbedingt auch lesen wollte. Das schmale Büchlein ist fast zu dünn, um Roman genannt zu werden, aber es steckt voller Handlung. Zwei Frauen begegnen sich, wovon eine die andere genau beobachtet, vielleicht sogar verfolgt, ihr zu einem Job verhilft und sich wie ein Schatten an ihre Fersen heftet. Doch warum fühlt sich die Frau mit der gelben Strickjacke für die Frau im lila Rock verantwortlich? Warum ist es ihr so wichtig, selber aufzufallen und dennoch nicht erkannt zu werden?

Aufbau und Schreibstil:
Erst im Verlauf der Geschichte wird klar, wer die beiden Frauen sind, aber viele Fragen bleiben. Leerstellen wollen gefüllt werden und die Gedanken kreisen auch noch lange nach dem Lesen der letzten Seite um die Geschichte.
Natsuko Imamura hat - wie ihre Protagonistin - als Zimmermädchen in einem Hotel gearbeitet und lässt hinter die Kulissen der Hotelindustrie blicken. Sie zeigt schönen Schein, harte Arbeitsbedingungen, Spannungen zwischen den Mitarbeiterinnen und eine brodelnde Gerüchteküche aber auch Figuren, die ihrer Arbeit gerne und gewissenhaft nachgehen sowie Chefs, welche ihre Machtpositionen ausnutzen.
Dies gelingt mit wenigen Worten, kurzen Sätzen, prägnanten Dialogen und einer Sogwirkung und einer düsteren, fast schon ein wenig bedrohlichen Atmosphäre, die mich das Buch kaum aus den Händen legen liessen.

Meine Empfehlung:
Natsuko Imamura könnt ihr euch merken, diese Frau kann schreiben und Stimmungen erzeugen, Figuren mit wenigen Worten skizzieren und tief in ganz unterschiedliche Lebensrealitäten entführen. "Die Frau im lila Rock" ist ein spannendes Lesevergnügen mit eher offenem Ende, das ganz viel Lust nach mehr geweckt hat.

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Veröffentlicht am 08.04.2025

Eindringlich und brutal hält dieses Buch uns einen Spiegel vor

Als wir Schwäne waren
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Inhalt:
Ein Junge aus dem Iran kommt in Deutschland an und beginnt, sich inmitten von heruntergekommenen Wohnungen, Armut, Gewalt und Verzweiflung ein neues Leben aufzubauen. Die Abschlüsse der Eltern ...

Inhalt:
Ein Junge aus dem Iran kommt in Deutschland an und beginnt, sich inmitten von heruntergekommenen Wohnungen, Armut, Gewalt und Verzweiflung ein neues Leben aufzubauen. Die Abschlüsse der Eltern werden in der neuen Heimat nicht anerkannt, Drogen und Markenklamotten dominieren die Schulhöfe und nur, wer weiss, wie man sich einflussreiche Freunde verschafft, wird in Ruhe gelassen.
Seine Eltern verstehen nicht, in welche Kreise ihr Sohn geraten ist und welche Methoden ihm helfen, seinen Platz in diesem von Gewalt dominierten Viertel zu behaupten. Und er versteht nicht, wie sehr die Erinnerungen an den Iran seine Eltern jeden Tag am Leben halten.

Meine Meinung:
Das Buch habe ich von Jamie zum Geburtstag/zu Weihnachten bekommen und ich wäre ohne sie nie darauf aufmerksam geworden. Zum Glück hat sie es mir geschenkt, zum Glück habe ich die kraftvolle, drastische Sprache von Behzad Karim Khani kennenlernen dürfen, zum Glück hat mir dieses Buch immer mal wieder einen Spiegel vorgehalten.
Das Ankommen des jungen Protagonisten in Deutschland ist nicht einfach und es dauert ein Weilchen, bis er seine neue Heimat zu verstehen lernt. Dass es unterschiedlich beliebte Gruppen geflüchteter Menschen gibt, dass Roma immer noch ein wenig schlechter dastehen, als Iraner, dass es immer und überall möglich ist, an Drogen heranzukommen.

Schreibstil und Aufbau:
Während der Protagonist Reza im ersten Teil vor allem davon erzählt, wie fremd er sich in Deutschland fühlt, ist er im zweiten Teil mitten in einer Spirale aus Angst, Gewalt und Macht angekommen, die schneller und schneller dreht. Im dritten Teil dann sucht er nach Lösungen und Auswegen und kapselt sich dabei immer stärker von seinen Eltern ab. So fremd, wie das neue Land im anfangs war, so fremd sind ihm nun auch seine Wurzeln, sein Vater, der gebildete Menschenfreund, wird immer verschlossener, seine Mutter, die anfängliche Optimistin, immer verzweifelter.
Behzad Karim Khanis Sprache ist oft brutal und derb und berührt dennoch mit einer fast poetisch wirkenden Zartheit, wenn sie die Zerrissenheit der Figuren, die Trauer über den Verlust von Identität und Würde beschreibt. Das mag plakativ wirken, dennoch hat mich dieser Aufbau tief beeindruckt.

Meine Empfehlung:
Auf das Buch muss man sich einlassen und ja, Gewalt dominiert, die geschilderten Brutalitäten haben es in sich. Aber ich bin tief beeindruckt von dieser eindrlinglichen Geschichte und der immer mal wieder auch sehr poetischen Sprache des Autors, der einer ganzen sich auf ihren Privilegien ausruhenden Gesellschaft den Spiegel vorhält.

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Veröffentlicht am 06.04.2025

Ein wenig gar konstruiert, aber dennoch sehr unterhaltsam

Am Horizont wartet die Sonne
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Inhalt:
Nach einer Trennung ist die Hamburger Autorin Katrin dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. Aber ausgerechnet mit dem Schreiben klappt es gerade nicht so, wie es sollte. Sie beschliesst, sich ...

Inhalt:
Nach einer Trennung ist die Hamburger Autorin Katrin dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. Aber ausgerechnet mit dem Schreiben klappt es gerade nicht so, wie es sollte. Sie beschliesst, sich eine Auszeit zu nehmen. Gemeinsam mit ihrer Cousine Julia reist sie einer ganz einzigartigen Spur nach: einem Liebesbrief mit unvollständiger Adresse, welchen sie am Flughafen gefunden hat. In einem kleinen Küstenstädtchen in Portugal angekommen sind aber plötzlich unvorhergesehene Gefühle und Komplikationen im Spiel.

Meine Meinung:
Zum ersten Mal spielt ein Buch von Meike Werkmeister nicht mehrheitlich in Deutschland und an der Nordsee. Vielmehr verreist die Protagonistin nach Portugal und verbringt dort einen folgenschweren Urlaub im kleinen (fiktiven) Küstenstädtchen Marinal. Besonders gut gefallen hat mir, dass nicht nur Katrins Hund Murmel eine prominente Rolle einnimmt, sondern dass die Hauptfigur und die Menschen in Marinal auch ein Herz für Strassenhunde haben.
Auch Katrins Cousine Julia erlebt ihre eigenen Abenteuer. Ausgerechnet ein junger Surfer hat es ihr besonders angetan. Kann sie ihm vertrauen, oder gehört es zum Sport dazu, dass er sich regelmässig auf deutsche Touristinnen einlässt?

Schreibstil und Aufbau:
Die Beschreibungen haben mich begeistert, ich habe die Meerluft gerochen und den Sand zwischen meinen Zehen gespürt. Auch liess Werkmeister mir mit ihren kulinarischen Experimenten immer wieder das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Weniger passend und somit auch weniger glaubwürdig sind allerdings die vielen konstruiert wirkenden Zufälle sowie das doch sehr verdächtig glückliche Ende gestaltet. Ausgerechnet die realistischen Schilderungen von Freundschaften, Beziehungen und dem Leben selbst sind es, welche mir in den anderen Romanen der Autorin so gut gefallen haben. Aber in diesem Buch wurde die Handlung leider immer unrealistischer. Trotzdem habe ich die Geschichte sehr gerne gelesen und mich mit grosser Freude an den schönen portugiesischen Strand entführen lassen.

Meine Empfehlung:
Dieser Roman der Autorin hat mich zwar nicht ganz überzeugen können, der Schreibstil und die schönen Beschreibungen haben mich aber trotzdem sehr gut unterhalten und mich ein wenig in den portugiesischen Sommer entführt.

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Veröffentlicht am 31.03.2025

Beklemmend, geschickt und klug erzählt

Seltsame Sally Diamond
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Inhalt:
Die kindlich wirkende Ich-Erzählerin Sally Diamond verliert ihren Vater und erhält plötzlich sehr viel mediale Aufmerksamkeit, als sie seinen letzten Wunsch erfüllt und seine Leiche zu verbrennen ...

Inhalt:
Die kindlich wirkende Ich-Erzählerin Sally Diamond verliert ihren Vater und erhält plötzlich sehr viel mediale Aufmerksamkeit, als sie seinen letzten Wunsch erfüllt und seine Leiche zu verbrennen versucht. Alles nur ein Missverständnis? In der Nachbarschaft werden Gerüchte laut und schnell stellen internationale Zeitungen eine Verbindung zu einem längst vergangenen Kriminalfall her. Doch wie die Dinge wirklich liegen, erfährt Sally Diamond erst nach und nach.

Meine Meinung:
Auf dieses Buch aufmerksam geworden bin ich bei Judith und als auch noch Maria es in ihrer Literatursprechstunde als "Thriller mit Tiefgang" empfohlen hat, war es um mich geschehen. Von der ersten Seite an war ich mitten im Geschehen, habe schnell bemerkt, dass die kindlich wirkende aber schon längst erwachsene Protagonistin mehr als nur seltsam ist und als nach dem ersten Drittel die Perspektive wechselte (praktischerweise ist jedes Kapitel mit Jahreszahl und Namen überschrieben), traute ich meinen Augen nicht mehr, so gut und überraschend, beklemmend und unendlich intelligent wurden die unterschiedlichen Ebenen und Figuren miteinander verknüpft.

Schreibstil und Aufbau:
Nach dem Tod ihres Vaters muss Sally Diamond, die lange isoliert gelebt hat, erst lernen, mit anderen Menschen als ihren Eltern zu interagieren und diese Entwicklung ist einfühlsam und manchmal sogar ganz humorvoll erzählt. Dass Sally aber zu ihrem Schutz so abgeschottet leben musste, wird spätestens klar, als sie die Aufzeichnungen ihres Vaters findet, Briefe aus weiter Ferne sie erreichen und als die Presse sich auf Sally stürzt. Dies alles geschieht im ersten Abschnitt und im zweiten Abschnitt wird dann zumindest ein wenig klarer, vor wem Sally all die Jahre versteckt werden musste, nur um im dritten Abschnitt noch einmal ganz neu zu erfahren, dass die Dinge doch anders liegen (könnten) als vermutet.
Nugent schafft es, die Beklemmung stets zu intensivieren und ihre Protagonistin dennoch einfühlsam durch diese vielen Phasen der Erkenntnis zu begleiten. Sie gibt ihr eine handvoll Menschen an die Seite und lässt uns immer wieder aufatmen, wenn wir Sally in guten Händen wissen.

Meine Empfehlung:
Einen solchen Krimi/Thriller habe ich noch nie gelesen und so brutal und abgründig der Inhalt auch war, ich möchte mehr davon. Nugent Erzählstil ist einzigartig, sie versteht ihr Handwerk und hat Ideen, die ich mir nicht einmal in meinen dunkelsten Träumen hätte ausmalen können. Wenn ihr mit heftigen Themen umgehen könnt, empfehle ich euch dieses Buch unbedingt weiter.

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Veröffentlicht am 24.03.2025

Spannender Einstieg, sehr zäh

Lazarus
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Rezension zum Hardcover, das hier leider nicht mehr gelistet ist:

Inhalt:
Vladimir Brick stösst auf die Geschichte des jungen jüdischen Einwanderers Lazarus Averbuch, der 1908 in Chicago hinterrücks von ...

Rezension zum Hardcover, das hier leider nicht mehr gelistet ist:

Inhalt:
Vladimir Brick stösst auf die Geschichte des jungen jüdischen Einwanderers Lazarus Averbuch, der 1908 in Chicago hinterrücks von Polizisten erschossen worden ist. Beim Versuch, den Mord zu vertuschen, ist über Averbuch verbreitet worden, er sei eine Gefahr für die Demokratie gewesen. Brick möchte auf den Spuren des Mannes in die Vergangenheit reisen und nimmt seinen Freund Rora, einen in den 1990er Jahren aus dem belagerten Sarajevo geflüchteten Fotografen, auf einen sonderbaren Roadtrip mit. Auf zwei Zeitebenen erzählt Hemon, wie Rora und Brick sich in der Gegenwart von Chicago aus in den Osten Europas aufmachen und dabei alten Geschichten, Feinden und Verbündeten sowie ihren eigenen Wurzeln begegnen und wie in der Vergangenheit überlebende Freunde und Verwandte von Lazarus um ihn trauern, befragt werden und ihn vermissen.

Leseeindrücke:
Hemons Erzählungen schwanken stets zwischen Traum und Wirklichkeit, Wunsch und Realität und wie bei Roras Geschichten wird auch in Hemons Roman selten klar, was nun wirklich stimmt, und was der Fantasie des Erzählers entsprungen ist. Ganz so, wie es halt immer ist, wenn ein Bosnier eine Geschichte erzählt.
Immer wieder werden die bosnischen Comicfiguren Mujo und Suljo bemüht, immer wieder stoppen aber auch tragische und gewaltvolle Kriegserinnerungen den Erzählfluss. Zarter bis derber Humor und die Brutalität des Alltags in Krieg treffen dabei ungebremst aufeinander.
Der Einstieg in die Geschichte ist mir leicht gefallen, dann wurde diese aber leider sehr zäh und auch wenn ich mich mit vielen der historischen und politischen Hintergründe auskenne (was sich definitiv lohnt), wurde mir irgendwann alles zu theoretisch und die philosophischen Geplänkel zwischen Rora und Brick haben die eigentlich spannende Handlung zu sehr in den Hintergrund gedrängt.

Fazit:
Das Buch beinhaltet zwar immer wieder äusserst unterhaltsame Szenen, es ist gekonnt erzählt und die tragischen historischen Hintergründe, welche es thematisiert, sind wirklich spannend in die Geschichte integriert. Insgesamt war mir das alles aber ein wenig zu zäh erzählt, weshalb das Buch einen Platz in einem offenen Bücherschrank finden darf.

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