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Veröffentlicht am 31.10.2022

Leider nicht ganz rund

Wintermeer und Bernsteinherzen
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Inhalt:
Finja ist Heilpraktikerin und knapp bei Kasse. Ihre Praxis läuft nicht, wie sie sollte und deshalb kehrt sie über den Winter in ihren alten Job als Maklerin zurück. Die Suche nach einer ganz bestimmten ...

Inhalt:
Finja ist Heilpraktikerin und knapp bei Kasse. Ihre Praxis läuft nicht, wie sie sollte und deshalb kehrt sie über den Winter in ihren alten Job als Maklerin zurück. Die Suche nach einer ganz bestimmten Immobilie für einen wählerischen Kunden führt sie in den malerischen Küstenort St. Peter-Ording, wo Erinnerungen geweckt werden und Freundschaften neu entstehen.

Meine Meinung:
Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich "Friesenwinterzauber" von Tanja Janz gelesen und mich in den gemütlichen Ort St. Peter-Ording und die Herzlichkeit der von Janz geschaffenen Figuren verliebt. Dabei habe habe ich mir überlegt, die ganze St. Peter-Ording-Reihe nach und nach zu lesen.
In "Wintermeer und Bernsteinherzen" habe ich Finja angetroffen, die eigentlich als Heilpraktikerin arbeitet, aber aus finanziellen Gründen zeitweise in ihren alten Job als Maklerin zurückkehrt. Leider kommt es aber durch ihre eigentliche Berufung immer wieder zu sehr esoterisch angehauchten Szenen. Finja ist also nicht nur von der nachweisbaren heilenden Wirkung von Kräutertees bei Erkältungen überzeugt, sondern auch vom Handauflegen. Sie glaubt an die Kraft von Steinen und erwähnt einige Male, dass die Natur halt die beste Medizin sei. Erst im Verlauf der Geschichte - als sie einem attraktiven Zahnarzt näherkommt - räumt sie ein, dass wohl alle Formen der Medizin ihre Berechtigung hätten...schwierig.
Was mich aber noch mehr gestört hat: Finja soll für einen Kunden der Makerfirma, für die sie über den Winter arbeitet, ein Haus am Meer mit eigener Düne finden. Sie reist also nach St. Peter-Ording, findet sofort eine passende Immobilie und verbringt mehrere Tage damit, nach deren Besitzer zu suchen, um ihm ein Angebot zu machen, ohne jedoch wirklich zu arbeiten. Um endlich einmal in einem regionalen Immobilienverzeichnis nachzuschauen oder mit den Menschen, welche die Vorbesitzer des Hauses kannten, zu sprechen, braucht sie Tage. Vielmehr lernt sie die Leute im Ort kennen, nimmt Reitstunden und freundet sich mit einigen Hotelgästen an. Mir ist bewusst, dass solche Romane oft oberflächlich bleiben und manchmal ein wenig konstruiert daherkommen, aber für Finjas Aufenthalt im Küstenort hätte man sich doch sicher eine realistischere Geschichte aus den Fingern saugen können... Ausserdem baut sich die Romanze sehr langsam auf und die ganze Geschichte endet ganz überstürzt. Als hätte am Schluss ein Abgabetermin oder eine bestimmte Seitenzahl eingehalten werden müssen. Dabei habe ich die eigentlich so gemütliche Geschichte mit den tollen Nebenfiguren, die ich teilweise bereits aus "Friesenwinterzauber" kannte, immer wieder sehr gerne gemocht.

Erzählsprache:
Janz beschreibt einfach wundervoll. Die Landschaften, die Stallungen des Pferdehofs, die kleinen Weihnachtsdekorationen oder Momente der Stille, welche Finja sich manchmal gönnt sowie vor allem die herzensguten Nebenfiguren sind wirklich alle vor meinem inneren Auge aufgetaucht und zum Leben erweckt worden. Es ist sehr schade, dass die Handlung nicht ganz rund ist und dass ich Finja manchmal nicht so gerne mochte, denn eigentlich habe ich immer wieder ein wenig Weihnachtszauber gespürt.

Fazit:
Obwohl mir die Geschichte ein wenig zu esoterisch angehaucht und - was mich viel mehr gestört hat - vom Handlungsaufbau nicht ganz stimmig ist, habe ich die schöne Winteratmosphäre in St. Peter-Ording geniessen können. Vor allem die Nebenfiguren haben es mir angetan. Jetzt bin ich mir aber nicht sicher, wie ich mit der weiteren Reihe verfahren soll. Wie würdet ihr das machen? Oder kennt ihr vielleicht sogar einige der anderen Bände?

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Veröffentlicht am 28.10.2022

Atmosphärisch und eindringlich erzählt

Vor dem Frost
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Inhalt:
Menschen verschwinden und tauchen wieder auf, Tiere brennen und eine seltsame Gemeinschaft formiert sich zu einem Kult. Ausserdem wohnt Linda Wallander mittlerweile bei ihrem Vater Kurt Wallander ...


Inhalt:
Menschen verschwinden und tauchen wieder auf, Tiere brennen und eine seltsame Gemeinschaft formiert sich zu einem Kult. Ausserdem wohnt Linda Wallander mittlerweile bei ihrem Vater Kurt Wallander und wartet darauf, dass sie endlich als Polizeianwärterin in Ystad beginnen darf. Sie wird persönlich in den Fall involviert und darf - bereits vor ihrem eigentlichen Arbetisantritt - mit den Ermittlungen beginnen.

Meine Meinung:
Die Wallander-Reihe und ich, eine Liebesgeschichte. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: mein Vater und ich lesen und lieben die Bücher und Filme, das war und ist immer unser gemeinsames Ding und einen Wallander zu lesen ist immer mit eine wenig Nostalgie verbunden. Alle Bücher der Wallander-Reihe - mit Ausnahme von dem gerade beendeten "Vor dem Frost", "Mord im Herbst" und "Der Feind im Schatten", wobei ich mir bei letzterem nicht mehr ganz sicher bin - habe ich mindestens einmal gelesen und ausnahmslos alle habe ich mehrmals als Film gesehen, weshalb das Lesen dieser letzten Bände noch einmal ganz besonders ist. Vielleicht lese ich die Reihe sogar einmal chronologisch und freue mich schon sehr, weitere Zusammenhänge und Hinweise zu entdecken.
Ich liebe übrigens auch die anderen Bücher von Henning Mankell und freue mich immer, wenn ich wieder einmal einen seiner Romane entdecken darf.
Was mir in "Vor dem Frost" aufgefallen ist: dieses Buch ist zwar bereits über zehn Jahre alt, aber in meinen Augen sehr fortschrittlich, vor allem was Lindas Figur anbelangt. Ihre Ängste, als Frau im Polizeicorps nicht ernstgenommen zu werden sowie die spezielle Beziehung zu ihrem Vater werden sehr realistisch thematisiert. Sie und ihr Vater werden verletzlich, aufbrausend und immer mal wieder versöhnlich und sehr humorvoll gezeigt und einmal mehr habe ich über Mankells Fähigkeit, zerbrechliche Familienbande äusserst realistisch darzustellen, gestaunt.
Der Fall an sich thematisiert menschliche Abgründe, Abhängigkeit, Glauben und Verlust. Die ruhige Entwicklung der Geschichte lässt tief in die Gedanken und Gefühle der ermittelnden Figuren und der Täter blicken. So entsteht ein einmal mehr hervorragend aufgebauter, spannende und sehr poetisch erzählter Krimi.

Schreibstil:
Henning Mankells Erzählsprache ist gewohnt ruhig, wer durchgehend Action und schnelle Szenenwechsel erwartet, ist mit einem Mankell schlecht beraten. Dafür ist Mankell nahe an seinen Figuren dran, wir erfassen die Emotionen und Gedanken von Linda und Kurt Wallander, werden in Überlegungen miteinbezogen und jede Szene ist äusserst atmosphärisch gestaltet. So kommt Spannung auf und die detaillierten aber für meinen Geschmack nie überladenen Beschreibungen lassen die Geschichte wie ein poetisch inszenierter Film vor dem inneren Auge vorbeiziehen.

Meine Empfehlung:
Einmal mehr hat mich Henning Mankell begeistert und vor allem hat mir gefallen, wie roh und authentisch die schwierige Tochter-Vater-Beziehung zwischen Linda und Kurt Wallander sowie Lindas Entwicklung zur Polizeianwärterin beschrieben werden. Die politische Aktualität der Handlung und die fesselnde Atmosphäre dieses Krimis haben mich definitiv überzeugt, weshalb ich ihn euch auch sehr herzlich empfehle.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Kurzweilig, emotional, unterhaltsam

Liebesperlen
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Inhalt:
"Liebesperlen", das sind neun Erzählungen voller flüchtiger Gefühle, Zärtlichkeit, Leidenschaft, Verlassenwerden, Glück und Liebe in all ihren Facetten. Manchmal süss, manchmal zartbitter, manchmal ...

Inhalt:
"Liebesperlen", das sind neun Erzählungen voller flüchtiger Gefühle, Zärtlichkeit, Leidenschaft, Verlassenwerden, Glück und Liebe in all ihren Facetten. Manchmal süss, manchmal zartbitter, manchmal tragisch.

Meine Meinung:
"Liebesperlen" habe ich mir vor zwei Wochen aus einem offenen Bücherschrank mitgenommen, weil mich "Was man von hier aus sehen kann" von Mariana Leky sehr, sehr begeistert hat. Die neun kurzen Erzählungen haben mich wunderbar unterhalten, immer mal wieder zum Nachdenken angeregt und auch sehr berührt. Irgendwie ist es Leky gelungen, auf wenigen Seiten immer ganz neue Figuren und Szenen zu zaubern, die mich sofort in ihren Bann gezogen haben. Alle diese neun Ich-Erzählungen sind stets aus der Sicht einer einzigen Frau, die auf ihr Leben zurückblickt und am Ende in ihrer Kindheit ankommt, geschrieben. Die Kapitel sind aber nicht aufeinander aufbauend und höchstens lose zusammenhängend. Die Erzählerin wird manchmal mehr, manchmal weniger detailliert beschreiben, aber die anderen Figuren, Eltern, ein Bruder, ein Hund, ein Liebhaber oder auch ein Zahnarzt werden durch wenige Beschreibungen ganz fassbar und die teilweise ziemlich skurrilen, manchmal tragischen oder ein wenig ekelhaften Szenen wirken schwerelos und spontan skizziert.

Meine Empfehlung:
Natürlich transportieren diese neun Erzählungen kein "Was-man-von-hier-aus-sehen-kann-Gefühl", aber die kurzweiligen, unterhaltsamen, nachdenklich stimmenden und insgesamt sehr unterschiedlich aufgebauten Szenen sind mitten aus dem Leben gegriffen und lassen sich wunderbar zwischen und neben anderen Lektüren geniessen.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Einige Längen, aber aufrüttelnder Inhalt

Das Patriarchat der Dinge
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Meine Meinung:
Dieses Buch ist mir schon einige Male begegnet und vor allem von Ronja von oceanloveR empfohlen worden. Im Buch werden zahlreiche Gegenstände und Orte aus unserem Alltag auf ihre Tauglichkeit ...

Meine Meinung:
Dieses Buch ist mir schon einige Male begegnet und vor allem von Ronja von oceanloveR empfohlen worden. Im Buch werden zahlreiche Gegenstände und Orte aus unserem Alltag auf ihre Tauglichkeit für Menschen jeglichen Geschlechts geprüft und mit zahlreichen Statistiken und Hintergrundinformationen trägt Endler zusammen, weshalb viele unserer täglich genutzten technischen Geräte, Sanitäranlagen, Medikamente, Fahrzeuge und Gebäude alles andere als inklusiv gestaltet und konzipiert sind. Dabei wird auch beleuchtet, inwiefern Frauen (respektive FLINTA generell, aber beispielsweise auch Menschen mit einer Behinderung und natürlich BIPoC) absichtlich oder versehentlich aus einem gemeinsamen, für alle zugänglichen Alltag und damit im schlimmsten Fall von lebensrettenden Massnahmen oder Geräten ausgeschlossen werden.
Endler hat eine aus dem Alltag gegriffene Sammlung mit einem umfassenden Quellenverzeichnis und viel Statistik zusammengestellt und vor allem am Anfang des Buches wird der Fliesstext mit zahlreichen sehr humorvollen (und auch zynischen) Fussnoten ergänzt, welche den enorm konzentrierten Text auflockern und leichter zugänglich machen. Dies steigert den Unterhaltungswert des Buches enorm, obwohl der Inhalt eigentlich alles andere als unterhaltsam, sondern äusserst tragisch ist.
Im Verlauf des Buches wurde mir die Angelegenheit ein wenig zu trocken und insgesamt habe ich wenige komplett neue Dinge erfahren, was aber natürlich daran liegt, dass ich bereits einige feministische Bücher gelesen habe.

Meine Empfehlung:
Trotzdem empfehle ich euch dieses Buch dringendst als Nachschlagewerk zum Verschenken und Erweitern des eigenen Horizonts weiter. Nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Querverweise und dem grossen Quellen- und Literaturverzeichnis ist dieses Buch die wohl bisher grösste Sammlung von Texten, die sich mit der Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, respektive der bewussten und unbewussten Diskriminierung aller nicht weissen cis Männern dieser Welt, befasst. Zumindest in meinen Regalen.

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Veröffentlicht am 25.10.2022

Anspruchsvoll und erschütternd

Unorthodox
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Inhalt:
Deborah wächst als chassidische Jüdin in Williamsburg auf. Dort erfährt sie am eigenen Leibe, wie sehr die strengen Gesetze der Satmar-Gemeinde - eine ultraorthodoxe Sekte - sie als junge Frau ...

Inhalt:
Deborah wächst als chassidische Jüdin in Williamsburg auf. Dort erfährt sie am eigenen Leibe, wie sehr die strengen Gesetze der Satmar-Gemeinde - eine ultraorthodoxe Sekte - sie als junge Frau einschränken und sie mit täglichen Geboten und vor allem Verboten an die Gemeinde und ihre Familie fesseln. Vom Aufwachsen bei ihren strenggläubigen Grosseltern, über die Zwangsheirat, bis hin zur Entdeckung einer ganz neuen Freiheit erzählt Deborah Feldman schonungslos ehrlich aus einer Parallelwelt, die für einige Menschen immer noch Alltag ist.

Meine Meinung:
Gemeinsam mit Jamie vom Blog Librovore habe ich dieses Buch gelesen und immer wieder besprochen und diskutiert und wir sind uns dabei nicht immer ganz einig geworden, waren beide aber entsetzt von Deborah Feldmans Schicksal, den strengen und vor allem frauenfeindlichen Sitten und Gebräuchen der ultraorthodoxen Satmar-Gemeinde und dem blinden Vertrauen, das die Mitglieder der Gemeinde ihren Rabbis entgegenbringen.
Ich habe die unterschiedlichen Kapitel jeweils förmlich inhaliert und der Glossar im Hintergrund sowie die Anmerkungen zur Übersetzung haben mich die ganze Geschichte und alle Zusammenhänge noch besser nachvollziehen lassen. Bewusst sind nämlich einzelne Wörter aus dem Jiddischen und Hebräischen aus Authentizitätsgründen nicht übersetzt worden, was ich persönlich als sehr passend empfunden habe. Auch habe ich mich in den vergangenen Jahren bereits mit einigen Dokumentationen, Reportagen, Artikeln und Büchern rund um das (orthodoxe) Judentum befasst, weshalb mir zum Glück nicht alles total fremd war.

Erzählsprache:
Vor allem am Anfang der Geschichte war ich noch total gefangen in Deborahs Alltag in ihrer Welt und habe sie sehr gut nachvollziehen können. Der Schluss des Buches war mir aber ein wenig zu nüchtern und vor allem zu schnell erzählt. Da hätte ich mir noch mehr Hintergründe und Nahbarkeit gewünscht. Ich kann aber nachvollziehen, dass gerade die Kapitel rund um den Austritt aus der Gemeinde sich nicht so leicht haben schreiben lassen, weshalb ich diese eher distanzierte Erzählhaltung der Autorin durchaus verstehen kann, schliesslich hat sie beim Schreiben dieser Geschichte alle Erinnerungen noch einmal durchleben müssen.

Meine Empfehlung:
Dieses Buch ist sehr anspruchsvoll und vor allem erschütternd. Ich empfinde es aber genau deshalb als um so wichtiger. Diese Geschichte, die zwar tief bewegt, die aber eine Erfolgsgeschichte ist, macht Mut und klärt auf, weshalb ich euch "Unorthodox" sehr herzlich empfehle.

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