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Veröffentlicht am 09.09.2020

Gefallene Helden auf Bewährung

Die Tote von Dresden
2

Klar, wer arbeitet macht Fehler. Man kann es aber auch übertreiben. Er verschlampt eine Ermittlung, so dass ein Mörder und Vergewaltiger vor Gericht ungestraft davon kommt, sie verprügelt im Dienst einen ...

Klar, wer arbeitet macht Fehler. Man kann es aber auch übertreiben. Er verschlampt eine Ermittlung, so dass ein Mörder und Vergewaltiger vor Gericht ungestraft davon kommt, sie verprügelt im Dienst einen Zuhälter, schlägt ihn krankenhausreif.

So finden sich die beiden gefallenen Helden der Dresdener Kripo strafversetzt im Keller einer Kleinstadtwache an der tschechischen Grenze wieder, wo sie einen uralten Cold Case aufklären sollen. Es geht um die Verschleppung in Zwangsprostitution und den Tod einer Dresdener Familienrichterin, der nie aufgeklärt wurde.

Autor Julius Kron arbeitet sehr schön heraus, wie sich zwei Kripo-Kommissare, die unterschiedlicher kaum sein könnten, langsam annähern: Frank Haberking, nach seinem Karriereknick nur noch wenig ambitioniert und streng an den Vorschriften orientiert; Anna-Maria Slakow, ehrgeiziger Wirbelwind mit Comeback-Ambitionen und bestenfalls am äußersten Rand der Vorschriften unterwegs.

Nachdem zunächst recht ausführlich die Hintergründe der handelnden Personen beleuchtet werden, nimmt der Roman im Verlauf deutlich an Fahrt auf und biegt dann in eine völlig neue Richtung ab.
Musste man zunächst davon ausgehen, dass die im sächsischen Prostitutionsgewerbe vorherrschende Serben-Mafia hinter Entführung und Missbrauch der Richterin steckt, öffnet sich nun ein völlig neues Tat-Umfeld.

Offensichtlich sind massenhaft Urteile der Richterin auf kriminelle Weise manipuliert worden. Ein Psychologe erstellt gegen Bezahlung falsche Gutachten und die Richterin spricht - bewusst oder irrtümlich, weil sie auf die falschen Gutachten hereinfällt - die gewünschten Urteile.

Das nährt den Verdacht, Opfer dieser Fehlurteile könnten sich an der Richterin gerächt haben. Aber wie kommt dann die Serben-Mafia ins Spiel?
Und woher kommt das plötzliche Interesse von Politik und Staatsanwaltschaft, diesen alten Fall nach so langer Zeit wieder aufzurollen?

Spannende Fragen.

Leider kann der Roman die Erwartungen, die in dem sehr guten Mittelteil geweckt werden, zum Ende hin nicht ganz erfüllen. Es gelingt nicht, die Spannung bis zum Schluss unverändert hoch zu halten, zumal der Autor im gestreckten Galopp auf die Zielgerade geht. Das wirkt zum Ende hin alles etwas hastig.
Auch die im Klappentext angekündigten „ungeahnten politischen Dimensionen“ halten sich dann doch sehr in Grenzen. Hinzu kommt, dass das Buch offenbar nicht sonderlich gründlich lektoriert wurde. Die ein oder andere Unstimmigkeit wäre bei etwas mehr Sorgfalt sicher vermeidbar gewesen.

Sollte es eine Fortsetzung geben, wäre der zu wünschen, dass sie etwas ausgereifter daherkommen möge.


„Die Tote von Dresden“ wird es sicherlich nicht in die Bestsellerlisten schaffen. Dennoch ist das Buch durchaus lesenswert und das Ermittler-Duo Haberking/Slakow ein Team, von dem man gerne gelegentlich wieder etwas lesen würde.

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  • Charaktere
  • Handlung
Veröffentlicht am 27.05.2020

Keine leichte Kost

Die Wahrheit
3

„Die Wahrheit“ kommt ganz schön heftig daher.
Leichte Kost ist dieses Buch nicht.

Für Freunde des guten Buches ist es nicht ganz leicht zu ertragen, dass in diesem Roman systematisch eine bedeutende ...

„Die Wahrheit“ kommt ganz schön heftig daher.
Leichte Kost ist dieses Buch nicht.

Für Freunde des guten Buches ist es nicht ganz leicht zu ertragen, dass in diesem Roman systematisch eine bedeutende Bibliothek nach der anderen frevelhaften Brandstiftern zum Opfer fällt.

Noch schlimmer: Nicht nur Bücher, die von der Vergangenheit zeugen, werden vernichtet, sondern auch unschuldige Menschen: Wissenschaftler die sich mit dem historischen Unrecht an Menschen befassen und Zeitzeugen, die noch aus eigenem Erleben von den unfassbaren Greueln berichten können, die Millionen von Menschen im Namen von verrückten Idealen und wahnsinnigen Despoten angetan wurden.

Dabei ist das Buch bedauerlicherweise sehr aktuell: Rechte Gesinnung, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus sind wieder auf dem Vormarsch. Das „Nie wieder“ verblasst zusehends.

„Die Wahrheit“ ist nicht das, was der Krimi-Leser üblicherweise erwartet.
Über weite Strecken kommt es eher wie ein politisches Manifest, denn als ein Thriller daher.

Natürlich gibt es auch Elemente traditioneller Thriller-Kost.
Wesentlicher Kern aber ist ein politisch, philosophischer Diskurs über Wohl und Wehe der Wahrheit. Amnesie als politisches Konzept. Alternative Fakten verdrängen die Wahrheit.

Hinreißend die schonungslose Abrechnung des Ex-Chefstrategen McNamara mit - dem namentlich nicht genannten- Donald Trump, dem großartigen Helden aus dem gleichnamigen Tower.

Schließlich kommt das Buch dann aber doch noch in den Thriller-Modus.

In punkto Spannung bleibt „Die Wahrheit“ ein Stück weit hinter dem Vorgänger-Roman „Der Präsident“ zurück. Ein Page-Turner ist dieser Thriller zwar nicht, aber das Thema ist hochinteressant und gut dargestellt, das Buch von daher auf jeden Fall mehr als lesenswert.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Handlung
  • Thema
  • Spannung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 25.12.2019

„Hier gilt unser Gesetz“

Nebeljagd
1

Eigentlich hat Johannes Haug überhaupt keine Chance.
Für ihn gilt die Unschuldsvermutung nicht, er eignet sich perfekt zum Sündenbock für die Dorfbewohner, die schon immer gewusst haben wollen, dass dieser ...

Eigentlich hat Johannes Haug überhaupt keine Chance.
Für ihn gilt die Unschuldsvermutung nicht, er eignet sich perfekt zum Sündenbock für die Dorfbewohner, die schon immer gewusst haben wollen, dass dieser Mann durch und durch böse sei.

Polizei und Staatsanwaltschaft hauen in dieselbe Kerbe: Für sie ist die Sache so klar, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, nach anderen Verdächtigen für den Doppelmord in Ochsenwang zu suchen.

Linn Geller, die dem Verdächtigen als Pflichtverteidigerin zur Seite gestellt wird, kann mit diesem Fall offensichtlich keinen Blumentopf gewinnen. Zu dicht und schlüssig scheint die Beweiskette, die die Staatsanwaltschaft gegen Johannes Haug in der Hand hat.

Obwohl auch sie nicht an die Unschuld ihres Mandanten glauben mag, sichtet sie die von der Polizei vorgelegten Beweise und Indizien unvoreingenommen. . . Und stößt schon bald auf Ungereimtheiten.

Linn gelingt es, Haug aus der U-Haft herauszuholen, nicht wissend, welche Gefahren sie unter Umständen damit heraufbeschwört. Haug hat inzwischen Vieles erzählt, seine Geschichte klingt durchaus plausibel.
Andererseits ist die Indizienlage weiterhin erdrückend.

Aber für Linn ist Haug längst nicht mehr der einzige Verdächtige. Im Laufe der Handlung stellt sich Christian Beckmann, Vater eines der Opfer, immer stärker als echt fieser Charakter heraus. Hat er seine Tochter ermordet, um ein dunkles Geheimnis zu wahren? Veranstaltet er die Hetzjagd auf Haug, um von sich selbst abzulenken?

Zunehmend hoch verdächtig verhält sich auch Dorfpolizist Hartmut Rösch. Ist er wirklich nur ein grottenschlechter Polizist oder hat er richtig Dreck am Stecken?

Julia Hofelich hetzt uns von einem Rätsel zum nächsten. Das Buch ist flüssig und spannend geschrieben, die Handlung überrascht immer wieder mit neuen Details und Wendungen.

Ein Ausspruch von Christian Beckmann zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman: „Hier gilt unser Gesetz“
Und so scheint es zu sein: Eine Dorfgemeinschaft, die sich zu Hass und Hetze zusammenschließt und sich immer wieder hart am Rande der Selbstjustiz bewegt, ein Dorf-Sheriff, der auf die Rechtsstaatlichkeit pfeift und ein Richter in Stuttgart, in dessen Verhandlung es zugeht wie auf dem Jahrmarkt.

Nachdem uns die Autorin im gestreckten Galopp durch die überaus spannenden 400 Seiten gejagt hat, kommt es zu einem wirklich überraschenden Finale.

Julia Hofelich hat einen Roman vorgelegt, den zu Lesen mal wieder richtig Spaß gemacht hat.

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Veröffentlicht am 27.11.2019

Ungleiches Duo

Die perfekte Strafe
1

„Die perfekte Strafe“ ist der dritte Roman von Helen Fields um das ungleiche Edinburgher Ermittler-Duo Luc Callanach und Ava Turner.

Das Cover zeigt einen schönen Schmetterling, leider mit einem abgerissenen ...

„Die perfekte Strafe“ ist der dritte Roman von Helen Fields um das ungleiche Edinburgher Ermittler-Duo Luc Callanach und Ava Turner.

Das Cover zeigt einen schönen Schmetterling, leider mit einem abgerissenen Flügel.
Das deutet auf grausames Töten hin, allerdings - wie schon der Klappentext verrät - nicht an Tieren, sondern an Menschen begangen.

Gleich zu Beginn präsentiert uns Helen Fields dann auch die beiden ersten Leichen. In beiden Todesfällen gehen die ermittelnden Beamten zunächst von Selbstmord aus.

Zumindest im Fall der jungen Lily ist der Leser der Polizei um Einiges voraus, denn aus dem Kontext wird gleich zu Beginn klar, dass Lily ermordet wurde.

Anders beim vermuteten Selbstmord des ehemaligen Polizeichefs Begbie.
Hier tappt der Leser genauso im Dunkeln wie DCI Ava Turner.

Die Situation spitzt sich zu, denn das Sterben geht weiter. . . .
Und es bleibt spannend.

Dass Ava und Luc eine ziemlich ekelhafte Chefin haben, macht die Sache nicht leichter. Zumal auch der zeitliche Druck ständig zunimmt.
Luc und Ava müssen einen Mörder stellen, der sich nicht nur am Leid seiner Opfer, sondern auch an der Trauer der Angehörigen weidet.

Wie schon In den beiden vorherigen Bänden ist das Verhältnis zwischen Ava und Luc erneut sehr ambivalent.
Persönlich und privat stehen sich die beiden erheblich näher, als jeder sich eingestehen will. Beruflich aber sind sie zuweilen so weit auseinander, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit kaum noch möglich ist.

Luc Callanach gerät unter Druck. Er muss nicht nur den Mord an Lily aufklären, sondern hat auch mit seiner privaten Vergangenheit zu kämpfen: Das schwieirge Verhältnis zu seiner Mutter setzt ihm zu.

Ava Turner will helfen, mischt sich ein, hat aber selbst genug Probleme zu bewältgen.
Sie wird ein wenig zur tragischen Figur des Romans.
Nicht nur, dass sie sich bei ihrem Alleingang zur Aufklärung des Todes ihres Mentors Begbie hoffnungslos verstrickt, auch am Tod eines Zeugen ist sie nicht ganz unschuldig.

Helen Fields ist wieder ein spannender, flüssig und unterhaltsam zu lesender Krimi gelungen.

Hat Spaß gemacht. Gerne mehr davon.


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Veröffentlicht am 14.10.2019

Stimmiges Portrait

Schuldacker
0

Mord und Todschlag in Westerwick, einem beschaulichen Dorf im Münsterland.

Kriminalrat Heinrich Tenbrink, ein schon etwas älteres Semester und Münsterländer Sturkopf, wie er typischer nicht sein könnte, ...

Mord und Todschlag in Westerwick, einem beschaulichen Dorf im Münsterland.

Kriminalrat Heinrich Tenbrink, ein schon etwas älteres Semester und Münsterländer Sturkopf, wie er typischer nicht sein könnte, ermittelt zusammen mit seinem aus Magdeburg zugezogenen Partner Maik Bertram in einem spannungsgeladenen Umfeld:

Da gibt es eine strenggläubige Familie, die der erzkonservativen Glaubensgemeinschaft der Täufer angehört. Und im Dorf mit Argwohn betrachtet wird.

Keine Sympathien bringen die Einheimischen auch den zahlreichen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern entgegen, obwohl die schon seit ewigen Zeiten im Dorf leben.
Sie werden immer noch als Flüchtlinge betrachtet, ebenso wie die, die erst mit der aktuellen Flüchtlingswelle ins Dorf gespielt wurden.

Dann gibt es da noch eine kleinkriminelle einheimische Jugend-Clique und natürlich die angestammten, überwiegend älteren Münsterländer, denen das Multikulti-Umfeld überhaupt nicht passt.

Letztere schließen sich unter Führung des rechtspopulistischen Lokalreporters Gerd Nollmann zur einer „Landwehr“ zusammen, der es vordergründig um Recht und Ordnung geht. Dahinter aber verbirgt sich kaum verhohlene Ausländerfeindlichkeit.

So ist es für Tenbrink und Bertram nicht leicht, zwischen ernstzunehmenden Zeugenaussagen und bloßen Vorurteilen zu unterscheiden.

Aber was war geschehen?

Im Dorf hatte Paul Winterpacht, Heranwachsender aus einer wenig angesehen, sozial schwachen einheimischen Familie, einen Jugendlichen aus der „Täufer-Familie“ im Streit derart heftig gegen den Kopf geschlagen, dass der an den Folgen verstarb.

Es kommt zum Gerichtsverfahren, bei dem Paul mit einer lächerlich geringen Strafe davonkommt: 18 Monate auf Bewährung.

Die Volksseele kocht: Da wurde ein Mensch erschlagen, und der Täter muss nicht einmal einen einzigen Tag im Gefängnis sitzen.

Kurz darauf wird Paul Winterpacht ermordet im nahe gelegenen Wäldchen aufgefunden.

Hat sich die Familie des Opfers gerächt? Hat die „Landwehr“ für „Recht und Ordnung“ gesorgt? Oder gibt es einen ganz anderen Grund für den Mord?

Dies herauszufinden sind Tenbrink und Bertram aus Münster nach Westerwick gekommen. Aber noch während die beiden Beamten ermitteln, geschieht ein weiterer Mord. . .

Vor dem Hintergrund dieses Kriminalfalls zeichnet Autor Tom Finnek detailliert und liebevoll ein stimmiges Portrait des Münsterlandes und seiner Menschen.
Da er selbst von dort stammt, macht es ihm keinerlei Schwierigkeit, regelmäßig Münsterländer Plattdeutsch einfließen zu lassen. Zum Kummer des zugereisten Kommissars Maik Bertram, der immer wieder die Dolmetscherdienste seines Vorgesetzten, Heinrich Tenbrink, in Anspruch nehmen muss.

Das alles ist sehr gelungen. Dabei verwendet Finnek, einen ruhigen, unaufgeregten Erzählstil, passend zur Mentalität der Region.

Nicht ganz so gut kommt der Krimi weg. Ihm mangelt es an Spannung.
Während die beiden Ermittler erfolglos von einer toten Spur zur nächsten hüpfen, will sich beim Leser so recht kein Nervenkitzel einstellen.

Schließlich kommt der Kriminalfall zu einem durchaus überraschenden, aber nicht sehr glaubhaften Ende.

Im Untertitel von „Schuldacker“ heißt es: Ein Münsterland-Krimi.

Für Fans des Münsterlandes, denen der Krimi nicht ganz so wichtig ist, ist das ein schönes, lesenswertes Buch; sicherlich auch für alle, die Land und Leute auf diese Weise besser kennenlernen wollen.

Für den hartgesottenen Krimi-Fan, den der regionale Aspekt nicht so sehr interessiert, drängt sich das Buch nicht unbedingt auf.

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