René Anours "Der Doktor und der liebe Mord" ist ein unterhaltsamer Tierarzt-Krimi, der mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Severin, seines Zeichens friedliebender ...
René Anours "Der Doktor und der liebe Mord" ist ein unterhaltsamer Tierarzt-Krimi, der mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht hat.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Severin, seines Zeichens friedliebender Tierarzt. Dessen Chef hat Geld veruntreut und will dies Severin in die Schuhe schieben. Durch die Verkettung unglücklicher Umstände tötet Severin seinen Chef versehentlich. Die Tötung zu vertuschen, ist eine Sache, den Gnadenhof und somit die geliebten Tiere zu retten, eine andere. So gewinnt der zunächst absurd erscheinende Vorschlag, ausgerechnet er möge sich als Auftragsmörder verdingen, eine reizvolle Dimension. Aber es ist natürlich alles einfacher gesagt als getan...
Es ist viel zu oft so, dass Prämissen gut klingen, dann aber schlecht oder mäßig umgesetzt werden. René Anour hat jedoch eine wirklich gute Geschichte mit einer guten Dosis Humor abgeliefert. Mit Severin hat er zudem einen Protagonisten abgeliefert, den man irgendwie mögen muss. Mein Liebling war allerdings Tristan - seines Zeichens neuer Tierarzthelfer -, der zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, eine bewegte Vergangenheit vorzuweisen hat, dafür aber das Herz am rechten Fleck hat.
So sehr Severin und Co. auch allerlei Klischees bedienen, so scheinen doch immer wieder Facetten durch, die man so nicht erwartet hätte. Mir hat das sehr gefallen.
Natürlich ist ziemlich schnell klar, wer der Bösewicht ist, aber wie der Bösewicht überführt wird, was ihn zum Bösewicht macht, das wird auf so unterhaltsame und humorvolle Weise (und sehr viel Liebe) erzählt, dass ich mich ehrlich gefreut habe, dieses Buch zu lesen. Ich habe sogar die Naivität Severins ertragen können und mich nicht geärgert, dass er blind für das Offensichtliche ist. Das gehörte für mich in diesem Fall zum Roman dazu und war vollkommen okay.
Das Erzähltempo ist durchweg gut gewählt, die Pointen sitzen und auch wenn "Der Doktor und der liebe Mord" nicht unbedingt spannend ist, macht es einfach Spaß, den Charakteren, Verwicklungen und "Ermittlungen" beizuwohnen. Ich hoffe sehr auf einen zweiten Teil, denn im Verlauf sind mir Severin, Tristan und Co. ans Herz gewachsen und ich bin gespannt, ob und wie sich deren Zweit-Profession entwickeln wird.
Paul Richardot ist Parfumeur und versucht sich nun auch noch als Schriftsteller. Sein Debüt "Der Duft" wird beworben als Thriller. Ich weiß nicht, wer meint, dieses Werk sei ein Thriller. Dafür ist der ...
Paul Richardot ist Parfumeur und versucht sich nun auch noch als Schriftsteller. Sein Debüt "Der Duft" wird beworben als Thriller. Ich weiß nicht, wer meint, dieses Werk sei ein Thriller. Dafür ist der Roman schlicht zu spannungsarm. Auch als Krimi überzeugt dieser Roman nicht, weil zu wenig ermittelt wird.
Die Prämisse von "Der Duft" ist an sich klasse: Die Firma Fragancia (so auch der Originaltitel des Romans) stellt individuell auf seine KundInnen zugeschnittene Düfte her, die zu therapeutischen Zwecken Erinnerungen wach rufen sollen. Der junge Mann Hélias ist mit einem großen Talent gesegnet und wird deshalb von seinem Fragancia-Mentor Alain von Le Mans zum Hauptquartier von Fragancia geschickt, um dort eine Ausbildung zu beginnen. Gleichzeitig unterstützt Nora, die rechte Hand der Fragancia-Gründerin und -Leiterin, die Polizei bei Ermittlungen in einem Vergewaltigungfall.
Sowohl die Einordnung des Romans als Thriller als auch die Titelerweiterung "Er führt dich ins Paradies. Oder in die Hölle." suggerieren ein spannendes Leseerlebnis. Leider kann von Spannung nicht die Rede sein. "Er führt dich ins Paradies" wird durchaus ausführlich im Buch thematisiert. "Er führt dich in die Hölle." wird kurz im Roman als mögliche Nebenwirkung erwähnt.
Leider blieb "Der Duft" in so gut wie allen Bereichen hinter meinen Erwartungen zurück. Paul Richardot ergeht sich in langen Beschreibungen von Duft-Zusammensetzungen. Die dürften angesichts seiner Profession Hand und Fuß haben. Leider sind sie auf Dauer furchtbar öde und nehmen insgesamt zu viel Raum ein.
Die "Ermittlungen" im Vergewaltigungsfall laufen eher am Rande. Im Prinzip geht der leitende polizeiliche "Ermittler" von einem ganz spezifischen Täter aus und will durch Frangancia lediglich eine Bestätigung per Duft-Sitzung. Ermittlungen sehen anders aus. Und leider ist es unspannend erzählt.
Hinzu kommt, dass Paul Richardot es nicht einmal schafft, die Orte, an denen der Roman spielt, zum Leben zu erwecken. Le Mans taucht als Name auf, man erfährt einen Straßennamen und das wars. Das ist mir zu wenig. Hätte Richardot seine Ausführungen zu Düften nicht so exorbitant in die Länge gezogen, hätte er ein bisschen mehr Raum für anderweitige nützliche Beschreibungen gehabt.
Zu allem Überfluss sind viele Aspekte innerhalb des Romans und insbesondere in Bezug auf das Unternehmen Fragancia nicht schlüssig. Das Unternehmen investiert unglaublich viel Geld in Entwicklung, Sicherheit, Geheimhaltung und so weiter, man wird nur Kunde, wenn man wohlhabend ist und zwei Empfehlungen durch bereits vorhandene KundInnen vorweisen kann, muss dann aber pro Sitzung lediglich 200 Euro bezahlen, zumal es nur sehr wenige Olfakteure gibt, so dass man auch nicht auf unzählige Sitzungen kommen kann, die das Geld reinspülen. Gleichzeitig ist das Unternehmen angeblich so mächtig, dass es selbst von der Regierung bzw. Behörden "geschützt" wird. Für mich ist das nicht nachvollziehbar bzw. es wird im Roman nicht nachvollziehbar erläutert.
Mit Hélias hat der Autor einen sympathischen Protagonisten erschaffen. So sehr ich mich über dessen Entwicklung im Roman freue, so überhastet erscheint sie mir - gerade im Vergleich zum Rest - der Handlung allerdings.
Insgesamt empfinde ich den Roman als unausgegoren: Das Erzähltempo ist meistens langatmig, teilweise werden ohne erkennbaren Grund zeitliche Sprünge gemacht, die wenig Sinn ergeben und für mich teilweise nicht nachvollziehbar waren. Immer wieder war nicht klar, ob ein Tag, mehrere Tage oder gar mehrere Wochen vergangen sind.
Inhaltlich wird der Fokus sehr stark auf Duft-Zusammensetzungen gelegt, die übrige Handlung plätschert vor sich hin. Abgesehen von Hélias macht keine der Figuren eine nennenswerte Entwicklung durch. Die Leiterin von Fragancia wird immer wieder erwähnt, taucht aber nie direkt auf, was merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass angeblich immer wieder Menschen mit ihr gesprochen haben (insbesondere ihre rechte Hand Nora).
Paul Richardot hat einen mittelmäßigen Roman vorgelegt. Die Einordnung seitens des Verlages als Thriller sowie die Titelerweiterung halte ich für unklug gewählt, weil sie falsche Erwartungen weckt und am Ende bei vielen LeserInnen für Enttäuschung sorgen dürfte. Das ist schade, denn die Geschichte hätte Potential gehabt.
"Freiheit ist kein Geschenk, sie wird erkämpft. Ich hatte das verdrängt, weil ich es mir leisten konnte, in Sicherheit zu leben."
Anfang des Jahres 2014 überfiel Russland die ukrainische Krim und annektierte ...
"Freiheit ist kein Geschenk, sie wird erkämpft. Ich hatte das verdrängt, weil ich es mir leisten konnte, in Sicherheit zu leben."
Anfang des Jahres 2014 überfiel Russland die ukrainische Krim und annektierte diese. Im Februar 2022 startete Russland den Angriffskrieg auf den Rest der Ukraine. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Die UkrainerInnen wehren sich standhaft. Derweil reden wir in Deutschland.
Wenn ich mich zwischen Krieg oder Frieden entscheiden müsste, würde ich mir natürlich Frieden wünschen. Die Idee des Pazifismus ist selbstverständlich wunderbar und ich kann verstehen, dass man sich selbst als Pazifist sieht. Jedoch - und das arbeitet Artur Weigandt in "Für euch würde ich kämpfen" auf sehr persönliche und gut nachvollziehbare Weise heraus - sind Frieden und Freiheit Privilegien und keine Selbstverständlichkeiten. Das bekommen in Europa gerade vor allem die UkrainerInnen zu spüren: Natürlich wollen sie auch in Frieden leben. Sie haben keinen Krieg begonnen. Sie wurden allerdings von Russland angegriffen und schon war es das mit dem Frieden und der Freiheit.
"Pazifismus bedeutete nicht nur, gegen Krieg und Gewalt zu sein - sondern auf der Seite zu stehen. Auf der Seite der Guten, der Verletzlichen."
Artur Weigandt erzählt aus seiner Sicht und sehr persönlich. Da gibt es nichts Abstraktes, sondern viel Handfestes - was die Erfahrungen, die Weigandt beschreibt, für uns LeserInnen sehr viel nachvollziehbarer macht. Er erzählt von seinem pazifistischen (jüngeren) Ich und ich würde wetten, dass sich viele Menschen, vor allem solche, die sich eher links positionieren, gerade diese Passagen sehr gut nachvollziehen können. Zumindest mir ging es so. Aber dann der Cut durch den russischen Angriff auf die Ukraine und damit einhergehend die Fragen: "Was würde ich tun? Würde ich kämpfen?"
Weigandt entschied sich, als Dolmetscher zu arbeiten, als Ukrainer in Deutschland an Panzern geschult wurden. Was er dort erlebt hat, hat offensichtlich Spuren hinterlassen. Er hat Bekanntschaften mit den Soldaten geschlossen, hat erlebt, wie sie mit der Bedrohung - keine abstrakte, sondern eine ganz konkrete - umgehen. Es sind diese Passagen - die Passagen, in denen die betroffenen Menschen dank Weigandt ein Gesicht bekommen -, die mir besonders nah gegangen sind. Denn es sind ganz normale, die einfach nur in Frieden leben woll(t)en, die durch Russlands Angriff aus ihrem "normalen" Leben gerissen wurden, die nicht mehr in Frieden leben können, sondern stattdessen in einem Krieg, den sie sich weder gewünscht noch begonnen haben. Menschen wie du und ich.
"Die Ukraine zeigt uns, was passiert, wenn ein Land keine Wahl hat. Sie kämpft, weil Kapitulation Auslöschung bedeutet."
Wie zynisch ist es, wenn selbsternannte PazifistInnen oder PolitikerInnen von der Ukraine fordern, doch bitte endlich aufzugeben, damit wieder Frieden einkehren kann? Ist das noch Pazifismus oder ist es nicht eher Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit unter dem Deckmantel des Pazifismus? Und was ist ein Frieden wert, der faktisch eine Kapitulation vor den Russen darstellt? Wollen wir wirklich, dass die UkrainerInnen einmal mehr der potenziell tödlichen Willkür russischer Besatzer ausgesetzt sind? Und selbst wenn man zynisch genug ist, dies zu bejahen, glaubt wirklich irgendjemand, dass Russland dann zufrieden wäre? Nach allem, was Putin und Konsorten geäußert haben, wird Russland NICHT aufhören, wenn es sich die Ukraine einverleibt hat.
Mir hat sehr gut gefallen, dass Artur Weigandt eben NICHT blinde Kriegstreiberei, sondern einen "wehrhaften Pazifismus" fordert. Soll heißen: Nein, wir wollen keine Kriege beginnen. Wir wollen Kriege verhindern. Aber wenn es darauf ankommt, verteidigen wir unsere Freiheit mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln: mit Worten, mit Taten und - wenn es nicht anders geht - auch mit Waffen. Mehrfach weist Weigandt in seinem Buch darauf hin, dass Pazifismus vom lateinischen Pax (Frieden) und facere (machen) kommt, dass man also Frieden macht. Insofern ergibt die Idee des wehrhaften Pazifismus auch Sinn.
"Ich frage mich, ob er nicht recht hat - und ob das, was wir so oft als Friedensliebe bezeichnen, in Wahrheit oft nichts anderes ist als fehlende Verantwortung."
Am Ende geht es auch um Wertschätzung. Wie wichtig ist mir Freiheit? Wie wichtig ist mir Frieden? Ehrlich gesagt: Mir sind Freiheit und Frieden wichtig. Sie sind für mich nicht nur Worte, sondern sie sind für mich essentiell. Ich gönne jedem Menschen Frieden und Freiheit und ginge es nach mir, gäbe es keine Kriege (mehr). Nur manchmal ist es so, dass Worte mit Leben gefüllt werden müssen. Genau da setzt "Für euch würde ich kämpfen" an. Weigandt lässt uns teilhaben an seiner Suche nach Antworten, er erweckt die Menschen, denen er begegnet, zum Leben, macht sie und ihre Schicksale für uns nah- und erlebbar.
Wer nach der Lektüre dieses Buches immer noch meint, Pazifismus schließe (militärische) Unterstützung für die Ukraine aus, der hat meiner Meinung nach kein Herz, kein Mitgefühl und hat das Wesen des Pazifismus und der Freiheit nicht verstanden. Wer dem sich wehrenden Angegriffenen Kriegstreiberei vorwirft, weil dieser partout nicht aufgeben will, dem geht es nicht um die Sache (Frieden und Freiheit), sondern darum, die Augen zu verschließen, um weiter in seiner selbstherrlichen Blase schwimmen zu können.
Wir leben in schwierigen Zeiten. "Für euch würde ich kämpfen" ist ein wichtiges Buch, das zum Nachdenken anregt. Das Leben ist eine Reise. Manchmal muss man Überzeugungen (und ihre Motive) zumindest hinterfragen, gegebenenfalls anpassen oder sogar über Bord werfen. "Für euch würde ich kämpfen" ist eine Einladung, die Realität anzuerkennen. Man muss nicht zu den gleichen Schlüssen gelangen wie Artur Weigandt, aber zumindest mal nachzudenken, ob das, was in dem Buch geschrieben steht, nicht seine Berechtigung hat, ist meiner Meinung schon viel wert.
"Solange du noch entscheiden kannst, ob du kämpfst oder fliehst - bist du frei. Aber wenn du es nicht mehr kannst, wenn der Krieg dich einholt, egal wo du bist - dann bleibt dir nur noch eins: Dann kämpfst du für deine Freiheit."
"Bis zum 7. Oktober 2023 glaubte ich, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien die letzten Ereignisse, die abweichende Überzeugungen und Meinungen in einer moralischen Gemeinschaft des Mitgefühls noch ...
"Bis zum 7. Oktober 2023 glaubte ich, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien die letzten Ereignisse, die abweichende Überzeugungen und Meinungen in einer moralischen Gemeinschaft des Mitgefühls noch zusammenbringen könnten."
Die Erschütterung, die Eva Illouz und Jüdinnen/Juden weltweit am 7. Oktober 2023 und vor allem in den Wochen danach - als Menschen weltweit das Massaker nicht nur rechtfertigten, sondern vielmehr bejubelten und feierten (darunter viele, die sich als progressive Linke identifizieren) -, kann ich mir nicht einmal ansatzweise vorstellen.
Eva Illouz nimmt die Mitleidlosigkeit insbesondere der progressiven Linken gegenüber den Opfern des Massakers zum Anlass, nach Gründen für die neue Form des Antisemitismus zu suchen, die sie unter anderem - meiner Meinung nach treffend - als einen "sich tugendhaft gebenden Hass" bezeichnet. Dabei bedient sie sich vor allem soziologischer, historischer und theoriegeschichtlicher Argumente.
Der Essay ist nicht ganz einfach zu lesen, aber ich habe die Ausführungen sehr spannend gefunden und das Buch geradezu verschlungen. Auch dank seiner Kürze hat man den Text schnell gelesen, aber er hallt im besten Sinne nach und ich werde das Büchlein sicher öfter in die Hand nehmen. Ich für meinen Teil hätte gefühlt jeden zweiten Absatz markieren können (würde ich Sätze oder Absätze markieren), um sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf mich wirken zu lassen.
"Leider haben wir keinen Grund zu der Annahme, die kulturellen und intellektuellen Eliten seien in Bezug auf sich selbst weniger selbstgefällig und blind als die wirtschaftlichen Eliten."
Wie das bei Essays oft der Fall ist, bleibt auch dieser teilweise oberflächlich. Ich hätte mir an einigen Stellen mehr Tiefgang gewünscht. Auch kann ich zwar Eva Illouz' rationalen Ansatz verstehen, sie wird dadurch aber meiner Meinung nach antisemitische Linke (oder generell Antisemiten) leider nicht überzeugen oder zumindest zum mehr Selbstreflexion animieren.
"Der Hass beschädigt und macht unglaubwürdig."
Alles in allem empfehle ich den Text sehr. Trotz der Kürze werden ungemein viele interessante Aspekte angesprochen, so dass ich ihn insgesamt als Bereicherung empfunden habe. Man muss nicht mit allen Schlussfolgerungen einverstanden sein, aber interessiert und offen an Illouz' Ausführungen heranzugehen, erweitert den Horizont allemal.