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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.10.2025

Erhellend

Der 8. Oktober
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"Bis zum 7. Oktober 2023 glaubte ich, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien die letzten Ereignisse, die abweichende Überzeugungen und Meinungen in einer moralischen Gemeinschaft des Mitgefühls noch ...

"Bis zum 7. Oktober 2023 glaubte ich, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien die letzten Ereignisse, die abweichende Überzeugungen und Meinungen in einer moralischen Gemeinschaft des Mitgefühls noch zusammenbringen könnten."

Die Erschütterung, die Eva Illouz und Jüdinnen/Juden weltweit am 7. Oktober 2023 und vor allem in den Wochen danach - als Menschen weltweit das Massaker nicht nur rechtfertigten, sondern vielmehr bejubelten und feierten (darunter viele, die sich als progressive Linke identifizieren) -, kann ich mir nicht einmal ansatzweise vorstellen.

Eva Illouz nimmt die Mitleidlosigkeit insbesondere der progressiven Linken gegenüber den Opfern des Massakers zum Anlass, nach Gründen für die neue Form des Antisemitismus zu suchen, die sie unter anderem - meiner Meinung nach treffend - als einen "sich tugendhaft gebenden Hass" bezeichnet. Dabei bedient sie sich vor allem soziologischer, historischer und theoriegeschichtlicher Argumente.

Der Essay ist nicht ganz einfach zu lesen, aber ich habe die Ausführungen sehr spannend gefunden und das Buch geradezu verschlungen. Auch dank seiner Kürze hat man den Text schnell gelesen, aber er hallt im besten Sinne nach und ich werde das Büchlein sicher öfter in die Hand nehmen. Ich für meinen Teil hätte gefühlt jeden zweiten Absatz markieren können (würde ich Sätze oder Absätze markieren), um sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal auf mich wirken zu lassen.

"Leider haben wir keinen Grund zu der Annahme, die kulturellen und intellektuellen Eliten seien in Bezug auf sich selbst weniger selbstgefällig und blind als die wirtschaftlichen Eliten."

Wie das bei Essays oft der Fall ist, bleibt auch dieser teilweise oberflächlich. Ich hätte mir an einigen Stellen mehr Tiefgang gewünscht. Auch kann ich zwar Eva Illouz' rationalen Ansatz verstehen, sie wird dadurch aber meiner Meinung nach antisemitische Linke (oder generell Antisemiten) leider nicht überzeugen oder zumindest zum mehr Selbstreflexion animieren.

"Der Hass beschädigt und macht unglaubwürdig."

Alles in allem empfehle ich den Text sehr. Trotz der Kürze werden ungemein viele interessante Aspekte angesprochen, so dass ich ihn insgesamt als Bereicherung empfunden habe. Man muss nicht mit allen Schlussfolgerungen einverstanden sein, aber interessiert und offen an Illouz' Ausführungen heranzugehen, erweitert den Horizont allemal.

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Veröffentlicht am 20.10.2025

Gut geschrieben, unbequem, bereichernd

Freiheitsaufgaben
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Marko Martin war mir ehrlich gesagt - und es ist mir peinlich, das zugeben zu müssen - bisher kein Begriff. Klar, ich hatte mitbekommen, dass da ein Festredner am 7. November 2024 Bundespräsident Steinmeier ...

Marko Martin war mir ehrlich gesagt - und es ist mir peinlich, das zugeben zu müssen - bisher kein Begriff. Klar, ich hatte mitbekommen, dass da ein Festredner am 7. November 2024 Bundespräsident Steinmeier verärgert hatte. Aber ich schenkte der Berichterstattung und dem Namen des Redners keine große Beachtung.

Dann fiel mein Blick auf das Büchlein "Freiheitsaufgaben". Mir gefielen die Mehrdeutigkeit des Titels, aber mehr noch die Inhaltsangabe - und ich wurde nicht enttäuscht.

Ausgehend von seiner Rede am 7. November 2024 (auf die Marko Martin im Vorwort ausführlich eingeht) schreibt der Autor ein Essay, das im besten Sinne unbequem ist.

Mir hat die Mischung gefallen, denn Marko Martin schreibt nicht nur rein theoretisch über Freiheit, sondern greift immer wieder auf eigene Erlebnisse zurück, auf Einflüsse durch Dissidenten und Denker, so dass die Ausführungen auch für mich sehr erlebbar waren.

Seine Ausführungen sind teilweise unangenehm zu lesen, zumindest für diejenigen LeserInnen, die sich (möglicherweise) in seinen Ausführungen wiedererkennen. Mir ging es jedenfalls teilweise so. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen empfinde ich "Freiheitsaufgaben" als Bereicherung. Denn Martins Ausführungen mögen oberflächlich betrachtet einseitig wirken, aber im Verlauf des Essays werden so viele wichtige Dinge angesprochen, so viele Mechanismen, in denen wir es uns bequem gemacht haben, aufgearbeitet, dass am Ende ein sehr vielseitiges Essay abgeliefert wurde.

Das Wichtigste ist aber: Da schreibt ein Mann, dem Freiheit im besten Sinne des Wortes wichtig ist und der aus seiner persönlichen Erfahrung ausführt, was sie wert ist und wie sie verteidigt werden kann und muss. Man muss nicht nicht allem einverstanden sein, was Martin schreibt, lohnend ist die Lektüre allemal.

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Veröffentlicht am 16.10.2025

Wie immer toll

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code (Die Mordclub-Serie 5)
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Diese Serie hat es mir angetan. Die Mischung aus liebenswerten Charakteren, Humor, Tragik und interessanten Fällen ist Cody-Krimi auf höchstem Niveau. Ich lieb's!

Diese Serie hat es mir angetan. Die Mischung aus liebenswerten Charakteren, Humor, Tragik und interessanten Fällen ist Cody-Krimi auf höchstem Niveau. Ich lieb's!

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Veröffentlicht am 14.10.2025

Spannende und gruselige Unterhaltung

Gänsehaut in Hovenäset 1. Flammenrad
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Kristina Olsson ist eine bereits etablierte Thriller-Autorin. Nun hat sie ihren ersten Kinder- bzw. Jugendroman geschrieben. Es handelt sich dabei um eine Art Krimi-Spuk-Geschichte für Kinder ab einem ...

Kristina Olsson ist eine bereits etablierte Thriller-Autorin. Nun hat sie ihren ersten Kinder- bzw. Jugendroman geschrieben. Es handelt sich dabei um eine Art Krimi-Spuk-Geschichte für Kinder ab einem Alter von 11 Jahren.

Vorweg: Ich rate Eltern, das Buch entweder vorab oder gemeinsam mit dem Kind zu lesen, denn es ist wirklich sehr spannend und streckenweise sehr gruselig. Eltern sollten also erst einmal schauen, ob das Buch für ihr Kind geeignet ist.

Ich habe den Roman gemeinsam mit meinem elfjährigen Sohn gelesen. Es war sein erster richtiger Spannungs-Grusel-Roman. Er hat ihn super gefunden, hat aber relativ früh entschieden, dass er ihn lieber nachmittags und nicht abends kurz vor dem Schlafengehen lesen möchte. Dazu war es dann doch zu aufregend.

Meinem Sohn und mir hat sehr gefallen, dass ganz viele Themen quasi nebenbei Eingang in die Geschichte finden: Die Protagonistin Heidi ist ein Scheidungskind, die neue Freundin/Frau ihres Vaters ist schwanger, ihre Mutter ist nach Deutschland gezogen und ihre Oma ist dement.

Die Geschichte beginnt damit, dass ihre Eltern einen Untermieter namens Bill bei sich aufnehmen. Der scheint ein netter Typ zu sein. Er hat ein Riesenrad dabei, das er auf dem Campingplatz aufbaut. Heidi freut sich sehr darüber, zumal sie dort auch ein bisschen helfen und Geld verdienen darf. Allerdings trübt sich bald der gute Eindruck, denn ihre demente Großmutter spricht kryptische Warnungen bezüglich des Riesenrads auf. Außerdem ereignen sich nachts unheimlich Dinge in Heidis Zimmer.

Unheimlich sind die Ereignisse in der Tat. Teilweise habe sogar ich mich ganz schön gegruselt. Mein Sohn war manchmal hin und her gerissen, ob er nun weiterlesen soll oder nicht. Letztlich hat immer die Neugierde gewonnen.

Mein Sohn konnte sich gut mit den Kindern des Romans identifizieren. Er fand es super dass sie gemeinsam daran arbeiten, die Rätsel rund um Bill und das Riesenrad zu lösen. Es gab ein paar Momente, in denen er die Spannung kaum aushalten konnte, Momente der Erleichterung, aber definitiv keine Langeweile!

Alles in allem ist der Roman für ihn eine mitreißende Erfahrung gewesen. Die Kombination aus Kinder-Detektiv- und Spukgeschichte hat ihm sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 14.10.2025

Ganz großes Kino!

Evermind. Sie kennt dich
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Melissa C. Hill hat mit "Evermind: Sie kennt dich" eine gelungene Dystopie für Jugendliche geschrieben. Sie ist aber - und das hat mich besonders gefreut - auch für Erwachsene eine spannende Lektüre.

Im ...

Melissa C. Hill hat mit "Evermind: Sie kennt dich" eine gelungene Dystopie für Jugendliche geschrieben. Sie ist aber - und das hat mich besonders gefreut - auch für Erwachsene eine spannende Lektüre.

Im Jahr 2044 wird eine KI gestartet, die das Überleben der Menschheit gewährleisten soll. Ungefähr 200 Jahre später findet das Leben der Menschen unterirdisch statt. Alles wird von der KI berechnet und geregelt. Livia - die Protagonistin und Ich-Erzählerin des Romans - ist einer dieser Menschen. Bisher hat sie die KI und deren Entscheidungen nicht infrage gestellt. Das ändert sich jedoch, als sie den von der KI vorgegebenen Job in der Krankenstation antritt und dort ihrer ehemaligen Betreuerin Mathea begegnet.

Der Roman richtet sich wie bereits erwähnt an Jugendliche. Empfohlen wird der Roman LeserInnen ab dem Altern von ca. 14 Jahren. Ich schließe mich dieser Einschätzung an.

Es gibt sehr viele Aspekte, die ich super fand: Das Worldbuilding ist meiner Meinung nach gelungen. Anfangs bekommen wir sehr viele Informationen, aber auch im weiteren Verlauf des Romans tauchen immer wieder weitere Details geliefert, die mal mehr und mal weniger subtil die unterirdische City lebendig werden lassen.

Viel wichtiger ist aber, dass die Autorin es wirklich gut schafft, ihre verschiedene Charaktere zum Leben zu erwecken. Es gibt zwar auch einige ziemlich zweidimensionale Charakter (das gilt insbesondere für die menschliche Antagonistin), es gibt aber auch sehr viele facettenreiche Menschen. Es gibt eben nicht nur gute und schlechte Menschen, sondern ganz viel dazwischen. Dass Melissa C. Hill dies in ihrem Roman so einarbeitet, trägt viel dazu bei, dass mir die verschiedenen Personen, dass Handlungsweisen meistens für mich nachvollziehbar waren. Und mir sind einige der Charaktere echt ans Herz gewachsen sind, so dass ich das Buch irgendwann nicht mehr beiseite legen konnte, weil sich so mitgefiebert habe!

Super ist die Einbindung aktueller gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen in den Roman. Ja, sie sind teilweise dramatisch überspitzt, aber dass vieles von dem, was im Roman thematisiert wird, den Kern in unserer Gegenwart hat, macht die Kaltherzigkeit der KI nur umso nachvollziehbarer und erschütternder. Vor allem aber regt "Evermind: Sie kennt dich" zum Nachdenken an.

Es gibt viel, worüber es sich nachzudenken lohnt: In was für einer Gesellschaft möchte ich leben? Ist ein komplett berechnetes Leben tatsächlich erstrebenswert? Was macht Menschen und Menschlichkeit aus? Was ist Freiheit? Was bin ich bereit zu opfern? Diese und noch viel mehr Fragen werden auf spannende und sehr unterhaltsame Art in den Roman eingewoben.

Dass es nicht für die volle Punktzahl gereicht hat, liegt an einigen wenigen Punkten, die für mich nicht nachvollziehbar waren: das Fehlen eines autarken Notstromaggregats, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich meine, die Menschen leben unterirdisch und unter anderem auf Luftzufuhr in mindestens drei Ebenen angewiesen. Auf Backups in Form von Notstromaggregaten zu verzichten, erscheint mir fahrlässig.

Insgesamt ist Melissa C. Hill eine großartige, spannende und teilweise herzzerreißende Dystopie gelungen, die die Grausamkeit eines Systems, das ausschließlich auf Berechnungen und Effizienz beruht, toll herausgearbeitet hat. "Evermind: Sie kennt dich" ist ein absolut empfehlenswerter Roman.

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