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Veröffentlicht am 13.07.2019

Schräge Schweden-Oma

Meine Oma badet in Kaffee
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Eine wundbar erfrischende Feriengeschichte mit Hund und Oma, aber ebenso über Freundschaft, Zusammenhalt und das Sich-Verlieben
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Die neunjährige Ellie aus Berlin verbringt schon seit Jahren immer ...

Eine wundbar erfrischende Feriengeschichte mit Hund und Oma, aber ebenso über Freundschaft, Zusammenhalt und das Sich-Verlieben
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Die neunjährige Ellie aus Berlin verbringt schon seit Jahren immer einen Teil der Sommerferien bei ihrer agilen und liebenswürdigen verwitweten Oma in Schweden. Doch dieses Mal haben die Ferien einen hohen Abenteuerwert. Als erstes darf sich Ellie ein Hundewelpen beim Nachbarn Herrn Jensson ihrer Oma aussuchen: Ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk. Wolke soll er heißen. Und dann lernt Ellie auch noch den etwa gleichaltrigen Erik kennen, der der Enkel des Nachbarn Herr Jensson ist. Auch Erik bekommt einen kleinen Hund, Titus. Schnell freunden sich die beiden Kinder an und erleben mit ihren jungen Hunden gemeinsam unbeschwerte und aufregende Tage in dem kleinen schwedischen Ort.
Für Ellie ist Erik nicht nur nett, nein, er ist auch 'süß'. Auch ihre Oma sieht in Herrn Jensson auf einmal nicht nur den Nachbarn, nein, sie verliebt sich in ihn. (Herrlich!)
Und wir sind hier in Schweden! Hier sind die Tage im Sommer noch mal um einiges länger sind als bei uns. So freut sich jeder auf das „Midsommar-Fest“, für das jeder Bewohner etwas anderes vorbereitet. Leider aber wird die Feierlaune etwas getrübt, denn Wolke und Titus geraten in Gefahr. Aber zum Glück gibt es die pfiffige Oma, die schnell zur Hilfe ist.

Die Geschichte über Ellies Ferienerlebnisse bei ihrer lustigen, liebenswürdigen und schrägen Oma ist in einer frischen und zeitgemäßen kindgerechten Sprache geschrieben. Das Buch ist mir einem Umfang von 120 Seiten ideal für Leseanfänger. Aufgrund der kurzen Sätze kann man flüssig lesen und sich bestens auf den Inhalt konzentrieren. Es wird aus der Perspektive von Ellie geschrieben, so dass man eine irre Nähe zu dem quirlig-munteren Mädchen entwickeln kann. Die 18 relativ kurzen aufeinander aufbauenden Kapitel helfen, Lesepausen sinnvoll anzusetzen. Das Buch bewirkt aufgrund der vielen treffenden, prägnanten und netten Dialoge ein hohes Grad an Lebendigkeit und Authentizität. Die Charaktere sind sehr gut gezeichnet, so dass man leicht Sympathie-Punkte verteilen kann. Und die Oma ist echt der Knüller, so eine Power-Oma ist doch der Traum eines jeden Enkelkindes. (Das meine ich jedenfalls.) Und was das mit dem 'Baden in Kaffee' auf sich hat – das sollt Ihr selber lesen.

Das Buch ist eine absolute Sommerleseempfehlung. Schon im Prolog lädt Ellie den Leser ein, mit ihr nach Schweden zu fahren. Und so ist man als Leser quasi mit dabei, wenn Ellie die Zeit um den „Midsommar“ in Schweden erlebt. Es ist ein Buch über Freundschaft und zarte Liebe im Alter und in jungen Jahren. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da ich zudem „Kopfkino“ erleben konnte. Auch der Schluss stimmte mich sehr zufrieden, denn was wäre Schweden ohne Elche!
Deshalb: Unbedingt schmökern und Schwedenfeeling 'erlesen'!

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Veröffentlicht am 10.07.2019

Auf Augenhöhe mit Ziege, Kuh und Hund

Bergsommer
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Kein Kitsch, nicht spektakulär – einfach nur das Leben (er)leben, wie es kommt, einfach wunderbar!
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Katharina Afflerbach ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau in einem Unternehmen, bei dem ...

Kein Kitsch, nicht spektakulär – einfach nur das Leben (er)leben, wie es kommt, einfach wunderbar!
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Katharina Afflerbach ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau in einem Unternehmen, bei dem der Alltag von ständigen Terminen wie Meetings, Konferenzen und Geschäftsreisen diktiert wird. Als ihr eines Tages dieses „Hamsterrad“ zu viel wird, beschließt sie radikal auszusteigen. Nachdem sie schon immer gerne Urlaub in den Alpen gemacht hat, beschließt sie, das Leben auf einem Bergbauernhof kennenzulernen und dort als Sennerin vier Monate in der Sommersaison zu arbeiten. 2014 kündigt sie ihre Stelle als Marketingdirektorin einer Hotelkette, ihre Wohnung in Köln sowie ihren Yogakurs-Vertrag. Nachdem sie das Bauernleben auf einem Bauernhof in Südtirol getestet hat, kommt sie schließlich zur fünfköpfigen Familie Aeby, die eine Alp, die Salzmatt, auf 1640 Meter Höhe in der Schweiz bewirtschaftet.
Katharina wird nun in voll in den Arbeitsalltag eingebunden und lernt, dass das Leben hier in erster Linie von äußeren Bedingungen vorgegeben wird: Wind und Wetter, aber ebenso die Tiere. Planbar? Vergiss es: „Mier luege denn!“ - So könnte die jeweilige Tagesüberschrift lauten.
In ihrem Buch beschreibt sie sehr anschaulich und verständlich, wie sie melkt, die Ställe ausmistet, Kühe und Ziegen auf die Weiden treibt und wieder in die Ställe zurücklotst, wie sie Zäune repariert und Zaunpfähle für die nächste Saison zurechtschneidet. Sie hilft beim heuen und holzen, aber auch Gäste zu bewirten. Es wird so warmherzig beschrieben, dass man das Gefühl hat, mir ihr über die Wiesen zu gehen, den kalten Regen ins Gesicht zu bekommen und / oder den Schweiß auf Stirn und Rücken zu spüren. Man merkt bei jeden Satz, dass sie mit Herz, Seele und Körper ganz bei der Sache ist, dass sie auf die Alp gehört. Die Liebenswürdigkeit und Herzenswärme der Familie ist beeindruckend und beneidenswert.
Auch wenn die Arbeit ihr sehr viel abverlangt, sehr anstrengend ist, findet sie zu sich selbst und empfindet ganzheitliche Zufriedenheit. Es ist ein äußerst befreiendes und befriedigendes Gefühl, da das, was man tut, quasi sofort sichtbar ist. Sie stellt fest, „man muss niemanden etwas beweisen, weil es immer nur um die Sache geht“ (S. 95). Und vieles geht einfach nur gemeinsam – keine Konkurrenz!
Die Naturnähe / Naturverbundenheit, die zentrales Thema in ihrem tagebuchähnlichen Erlebnisroman ist, lehrt sie Ehrfurcht, Demut und Dankbarkeit.
Das mit der Natur und mit sich selbst im Einklang zu sein, ermuntern sie, einen zweiten und einen dritten Sommer auf der Salzmatt mit und bei Familie Aeby zu verbringen, da die Alp zu einem zweiten Zuhause geworden ist.
Der Schreibstil ist authentisch, erfrischend und tiefsinnig zugleich. Dass Katharina in den Monaten auf der Alp eine besondere, innige und freundschaftliche Beziehung zu den Tieren entwickelt, ist in den emotional beschriebenen Episoden zu lesen, die einen oftmals zu Tränen rühren – sei es die Geburt eines Kälbchen oder der Tod einer kleinen Ziege.
Auch wenn sich viele Arbeitsbeschreibungen wiederholen, es wird nie langweilig!
Ich habe mich öfters beim Lesen erwischt, dass ich Katharina um so viele Momente auf der Alp beneidet habe, wenn es z.B. um das warmherzige gesellschaftliche Beisammensein ging, oder wenn sie die Schönheit der Natur beschrieben hat und sich einfach nur frei gefühlt hat: „Mein Geist ist wie in süße Watte gehüllt. Träge schaukelt er auf der Hängematte des Alpsommers“ (S. 165).
Beim Lesen kommt man dem Alltag auf der Alp ganz nah. In der Buchmitte sind einige Seiten mit wunderbaren Fotos zu finden, die die gelesen Eindrücke wunderbar visualisieren und staunen lassen.

Ich bewundere Katharina Afflerbach, da sie den Spagat schafft, auf der einen Seite eine in der Natur körperlich arbeitende und mit der Natur verbundenen Sennerin zu sein, und auf der anderen Seite eine im Büroalltag eingebundene 'kopfarbeitende' freiberufliche Marketingexpertin ist. Gegensätze, die sich doch irgendwie ergänzen und voneinander profitieren.
Das Buch hat in meinen Augen einen echten Sternenhimmel verdient. Unbedingt lesen, denn das Buch ist eine Bereicherung und regt zugleich an, eine Auszeit im Alltag zu suchen und entdecken zu können.

Der Wunsch, den die Mutter der Autorin ihrer Katharina mit auf den Weg gegeben hat, hat mir so gut gefallen, dass ich abschließend dem Leser diesen ebenfalls ans Herz legen möchte: „Ich wünsche dir, dass du an jedem Tag deines Lebens tatsächlich lebendig bist“ (S. 91).

Veröffentlicht am 10.06.2019

Schwaben und Schweden

Helle Tage, helle Nächte
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Wenn man ein Geheimnis / eine Lüge nicht mit ins Grab nehmen will, dann muss man sich der Vergangenheit stellen...
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Anna Albinger, seit einigen Jahren bereits im Ruhestand, lebt in einer kleinen ...

Wenn man ein Geheimnis / eine Lüge nicht mit ins Grab nehmen will, dann muss man sich der Vergangenheit stellen...
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Anna Albinger, seit einigen Jahren bereits im Ruhestand, lebt in einer kleinen Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb. Sie ist an Krebs erkrankt. Mit dem Gedanken, womöglich bald sterben zu müssen, kommt eine innere Unruhe in ihr auf. Sie lebt und hadert mit einer Lebenslüge, die sie nicht mit ins Grab nehmen will. Sie möchte mit sich und vor allem den Menschen, die ihr wichtig sind, im Reinen sein. Sie bittet ihre Nichte Frederike (Anfang 50 Jahre), um die sie sich seit dem frühen Tod derer Eltern gekümmert hat, einen wichtigen Brief persönlich nach Lappland, einem Frederike unbekannten Petter, zu bringen. Frederike, frisch geschieden und auf der Suche nach einem Neufang, ist zwar wenig begeistert, macht sich aber dennoch mit ihrem roten VW-Bus allein auf den Weg. Jetzt kann sie sich revanchieren; schließlich war es Anna, die für sie seit ihrer Kindheit immer da gewesen ist.

Der Roman "Helle Tage helle Nächte" von Hiltrud Baier ist eine schöne, warmherzige, drei Generationen übergreifende Geschichte. Anna, deren Nichte Frederike und deren Tochter Paula (um die 20 Jahre) werden durch den Brief mit einer aller betreffenden Wahrheit konfrontiert, mit der jede auf ihre Art und Weise fertig werden muss. Allein der Titel verrät, dass der Schwerpunkt der Geschichte nördlich des Polarkreises spielen muss, denn wo sind denn auch die Nächte hell? Der Gegenwarts-Zeitraum erstreckt sich über knapp drei Monate, von Ende April bis Mitte Juni, in dem man viel über die einzelnen Protagonisten und ihr soziales Umfeld erfährt. Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Anna und Frederike erzählt, so dass man beiden Personen in ihrem Denken, Handeln und Fühlen sehr Nahe ist. Um die Gegenwart zu verstehen, gibt es auch immer einen Exkurs in die Vergangenheit, was dem Roman eine beeindruckende Tiefe verleiht und die Personen sehr lebendig wirken lässt.
Diese Vielschichtigkeit des Romans macht ihn realistisch, man kann sich in jede Person hineinfühlen. Der Schreibstil ist einfach gehalten, aber das macht ihn zu einer (sommer-)leichten Lektüre, die man gut und unbeschwert im Urlaub lesen kann. Der Roman macht Lust auf Lappland; schließlich fühlt/spürt man beim Lesen die atemberaubende Weite Lapplands, die Hiltrud Baier aufgrund ihrer Landeskenntnis extrem gut beschreibt.
Ich könnte mir eine Verfilmung des Buches gut vorstellen, da die Geschichte von menschlichen Charakteren, aber auch von landschaftlichen Schönheiten - sei es Schweden oder der Schwäbischen Alb - lebt.
Eine Geschichte, die zum Nachdenken über die Bedeutung von Lüge und Wahrheit anhält.
Zum Entschleunigen und Entspannen absolut geeignet!

Veröffentlicht am 10.06.2019

'Neue' Liebe heilt 'alte' Wunden

Der wilde Schmerz in mir
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Said muss in einem Altenheim Sozialstunden ableisten. Mirjam, Stationsleiterin der Station 2, auf der viele demente alte Menschen leben, soll ihn unter seine Fittiche nehmen. Schon die erste Begegnung ...

Said muss in einem Altenheim Sozialstunden ableisten. Mirjam, Stationsleiterin der Station 2, auf der viele demente alte Menschen leben, soll ihn unter seine Fittiche nehmen. Schon die erste Begegnung beider Protagonisten bewirkt verwirrende Gefühle bei beiden. Einerseits erleben sie ein Anziehung, andererseits aber auch eine Abneigung. Mit diesem Gefühlschaos weiß keiner so recht umzugehen. Beide sind noch aufgrund des Todes geliebter Menschen verschlossen und verletzt, so dass sie sich in diesem Schmerz vergraben und gefangen sind. Sie können noch nicht loslassen und können eine eine andere – diese „besondere Nähe“ (noch) nicht zulassen.
Geschickt versteht es die Autorin Ada Mea den inneren Dialog – geprägt von Zweifel und Sehnsüchten - den Said als auch Mirjam mit sich selbst auskämpfen darzustellen. Der Roman ist raffiniert aufgebaut. Die einzelnen Kapitel sind stets in der Ich-Perspektive geschrieben. Jeweilige Gegebenheit werden mal aus der Sichtweise von Said, mal aus der von Mirjam sehr detailliert beschrieben. Auch wenn der Verlauf der Geschichte absehbar ist – sie verlieben sich und finden letztendlich doch zu einander -, wird die Geschichte durch die sprachliche Verarbeitung zum Herzens-Erlebnis. Die Darstellung einzelner Liebesszenen ist der wahre Hammer, da hier schonungslos, ohne eine Blatt vor dem Mund zu nehmen, genau das beschrieben was die einzelnen Protagonisten fühlen / empfinden.

Die Geschichte ist wunderbar eingebettet in den Arbeitsalltag im Altenheim. Dem Leben und dem Charakter einzelner alter Menschen wird ebenfalls Bedeutung geschenkt.
Es ist schön zu lesen, wie viele Mitmenschen Said und Mirjam Mut machen, wieder an sich und andere zu glauben.

Fazit:
Eine tolle emotionale Liebesgeschichte, die es schafft die innersten, intimen Wünsche und Sehnsüchte aber auch Ängste und Selbstzweifel eines Menschen offenzulegen. Der flüssige und zugleich wortgewaltige Schreibstil lässt einen wunderbar in die Geschichte eintauchen.
Ein Roman, der zeigt, dass Liebe so stark sein kann, die Wunden, die der Tod hinterlassen hat, zu lindern bzw. zu heilen.
Ein echtes Leseerlebnis!

Veröffentlicht am 10.06.2019

Geheimdienst – Gemein-Dienst

Slow Horses
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River Cartwright, einst M15-Agent, hat einen Einsatz im Bahnhof von King's Cross vermasselt und ist daraufhin auf einen niedrigen Posten – quasi aufs Abstellgleis – in eine untere Abteilung versetzt worden, ...

River Cartwright, einst M15-Agent, hat einen Einsatz im Bahnhof von King's Cross vermasselt und ist daraufhin auf einen niedrigen Posten – quasi aufs Abstellgleis – in eine untere Abteilung versetzt worden, wo er mit niedrigeren Arbeiten beschäftigt wird, wie Müllsäcke nach Beweismaterial zu durchforsten oder abgehörte Telefonate aufzuschreiben. Und wäre nicht sein einflussreicher Großvater – Ex-Agent – gewesen, wäre River sogar ganz ausgeschieden. River ist ehrgeizig, er möchte zurück zum M15. Als er durch ein Video erfährt, dass ein pakistanischer junger Mann öffentlich im Internet geköpft werden soll, nimmt er die Ermittlungen auf eigene Faust auf und versucht mit Hilfe einiger Kollegen den Entführten zu retten. Dabei stößt er auf viele Ungereimtheiten.

Der Agenten-Thriller „Slow Horses“ ist der erste Roman der Agentenserie um den Agenten-Chef Jackson Lamb, Kopf der „ausrangierten“ M15-Agenten, die ins sogenannte „Slogh House“ als „Slow Horses“ (lahme Gäule) abgeschoben wurden.
In englischer Sprache gibt es mittlerweile fünf Bücher dieser Serie, in denen Mick Herron London als Hauptschauplatz dieser Agenten-Einsätze gewählt hat. Mick Herron legt dabei aber auch viel Wert auf die Darstellung der Personen, die im Roman eine wichtige Rolle spielen, da auch ihre persönlichen Eigenschaften die Handlung tragen. Sie sind meist an individuellen Problemen gescheitert (Alkohol, Drogen, Ehe zerrüttet etc.) und müssen mit diesen zurecht kommen. Gleichzeitig werden sie aber auch mit gesellschaftlichen Problemen (politische und soziale Miseren, Terroranschläge) konfrontiert, die es ebenfalls zu lösen gilt. Ein schwieriger Spagat!

„Slow Horses“ ist ein komplexer Roman, dessen Handlung nicht unbedingt gradlinig verläuft. So gibt es immer wieder neuwachsende Spannungskurven. Wenn man sich in der politischen Welt etwas auskennt, erleichtert es das Verstehen der Handlung.
Gleich am Anfang wird der Leser Zuschauer des verpatzten Einsatzes von River Cartwright. Anschließend erfolgt ein Schnitt und man findet sich im „Slough House“, ein runtergekommendes, altes und unscheinbares Gebäude, wieder, wo River mit seinem Chef Jackson Lamb und sieben weiteren Kollegen und Kolleginnen eher Handlangerarbeiten erledigen als sich großen Dingen zu widmen. Damit man weiß, wer dorthin abgeschoben wurde und warum es zu dem tiefen Fall kam, werden die Charaktere detailliert beschrieben und der „Faux Pas“ erläutert. Dies hat zwar nicht direkt mit der Handlung zu tun, zeigt aber, dass nicht nur Personen für die Handlung wichtig sind, sondern dass Individuen mit ihren persönlichen Schwächen und Stärken von Bedeutung sind und somit Persönlichkeiten sind.

Im „Slough House“ teilen sich die Ex-Agenten meist zu zweit ein Büro, aber jeder ist im Prinzip ein Einzelkämpfer. Erst als das besagte Video im Internet auftaucht, in dem angekündigt wird, dass ein pakistanischer Jugendlicher in 48 Stunden öffentlich im Internet enthauptet werden soll, werden die „Slow Horses“ wachgerüttelt. Auf einmal entwickelt sich so was wie ein Wir-Gefühl. Mehrere der „Lahmen Gäule“ schließen sich zusammen und versuchen die Entführer und das Opfer zu finden. Sie wollen die Katastrophe verhindern aber gleichzeitig möchten sie dem Team der M15-Agenten zuvorkommen, um selbst als Helden dazustehen.
Bei der Auflösung des Falls werden immer mehr und größere Verschwörungen aufgedeckt. Es zeigt sich, dass unter den Mitarbeitern von Jackson Lamb Maulwürfe weilen, die eher für die Chefin des M15 arbeiten und gegen Lamb agieren. Aber auch in die andere Richtung ist das Vertrauen gestört. Selbst Politiker tauchen auf, denen ein Fair-Play fremd ist und die Opposition durch widrige Aktionen ins schlechte Licht rücken wollen. Somit wird deutlich, dass die Entführung letztendlich eine Inszenierung ist. Aber dennoch ist die Abwendung aufgrund der Involvierung verschiedenster Personen nicht weniger gefährlich und spektakulär, da alles irgendwie aus dem Ruder läuft.

Beim Lesen der Geschichte stellt sich immer wieder die Frage: Wer kann hier wem noch trauen? Wer arbeitet für und mit wem? Gegen wen werden Intrigen geplant, um jemanden zu schaden? Und Das ist gut gelungen! Es zeigt, dass oft miese Wege recht sind, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die Handlung ist sehr verstrickt/verwoben, so dass man den Thriller konzentriert lesen muss und am besten auch ohne große Pausen lesen sollte, damit man aufgrund der Komplexität den Faden nicht verliert. Dass besonders Wert auf die Beschreibung der einzelnen Charaktere gelegt wird, erzeugt beim Leser Nähe zu den Protagonisten und schafft Sympathien, aber auch Antipathien.
Die Handlung springt häufig von der Gegenwart in die Vergangenheit, was den gradlinigen Handlungsverlauf beeinträchtigt und vom Geschehen ablenkt. Den Schreibstil würde ich nun nicht als flüssig bezeichnen. Einige Stellen musste ich häufiger lesen, um nicht aus dem Geschehen rauszufallen.

Die Idee, ausrangierte Agenten in den Mittelpunkt einer Roman-Serie zu stellen, gefällt mir gut, da nun nicht nur die Top-Leute, die „Super-Cops“ im Mittelpunkt stehen, sondern Menschen, die Fehler gemacht haben und begehen. Somit sind sie fast schon auf einer Augenhöhe und nahbar.
Das Ende der Geschichte, wieder ein Blick auf das „Slough House“ ist ein ruhiger Ausklang, was auch durch den sanften Schreibstil unterstrichen wird. 'Diese' Arbeit der „Slow Horses“ ist zwar beendet, aber die Arbeit geht weiter, aber wie? Der Roman beinhaltet eine in sich geschlossene Handlung, macht aber neugierig auf weitere und neue Einsätze der „Lahmen Gäule“ um den Leiter Jackson Lamb.
Meine Quintessenz die ich nach dem Lesen des Romans habe: Trau schau wem! Und: Traurig, dass die Welt so verlogen ist und Gemeinheiten – ohne Rücksicht auf Verluste - an der Tagesordnung sind, wenn es darum geht, auf der Karriereleiter schnell und weit nach oben zu kommen.