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Veröffentlicht am 15.01.2024

Öde

Kingdom of the Wicked – Der Fürst des Zorns
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Emilia und Vittoria sind Zwillingsschwestern, die sich unglaublich nahe stehen. Gemeinsam beschützen sie zwei Amulette, die ihnen ihre Großmutter geschenkt hat. Sie wachsen auf mit Geschichten von Dämonenfürsten ...

Emilia und Vittoria sind Zwillingsschwestern, die sich unglaublich nahe stehen. Gemeinsam beschützen sie zwei Amulette, die ihnen ihre Großmutter geschenkt hat. Sie wachsen auf mit Geschichten von Dämonenfürsten und warnenden Worten, doch wie alle Kinder schenken sie dem ganzen wenig Aufmerksamkeit. Doch dann wird Vittoria ermordet und Emilia macht sich auf einen Rachefeldzug...






Eigentlich wollte ich dieses Buch gar nicht lesen. Ja, es ist viel gehypt worden und ja, es hat einen wunderhübschen Buschschnitt, aber ich habe ein Italien-Trauma von meiner Abi-Fahrt und verbinde mit dem Land nicht viel Gutes. Doch ich habe für Piper Maniscalcos Erstling "Stalking Jack the Ripper" beurteilt und mochte ihn. Außerdem kennt Trin mich und mein Faible für hübsche Bücher und Hexen und hat es mir geschickt, also will ich nicht Nein sagen.

Wo SJTR mit Gedärmen loslegt und eindeutig an ein erwachseneres Publikum gerichtet ist, merkt man hier die Young-Adult-Ausrichtung. Ja, es gibt auch Blut und Tod, aber das Mädel ist eindeutig noch nicht ganz so weit, ihr Hirn einzuschalten. Beide sind hingegen historische Fantasy.



Leider hat es die Kinderkrankheit, die bisher jedes Buch hatte, das in dem Wissen geschrieben wurde, dass es eine Trilogie wird: Viel Exposition, wenig Fortschritt. Wir treffen vier der sieben Dämonenfürsten, es geht viel hin und her, neue Erkenntnisse, falsche Erkenntnisse, schwierige Entscheidungen.

Normalerweise liebe ich das Enemies-to-Lovers-Trope, weil es dann witzige Schlagabtäusche gibt und knisternde Spannung. Das kam hier leider irgendwie nicht rüber. Emilia ist aggressiv und angriffslustig und bemerkt keinen der wichtigen Hinweise, die ihr gegeben werden. Blind rennt sie einem Bruder nach dem anderen in die Fallen und merkt es nicht mal. Wrath versucht ihr zu helfen, wird aber ausgeschlossen.

Da sie aber so mit Kopflos-Rumrennen beschäftigt ist, bleibt es natürlich spannend, immer ist was los, jemand wird bedroht, ein Geheimnis will gelüftet, eine Mission abgeschlossen werden.



"Merkwürdig, dass wir [Hexen] böse genannt wurden, obwohl es doch die Menschen waren, die uns brennen sehen wollten."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Venedig

Lagunenrauner
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Marco (15) lebt um 1500 in Venedig - allerdings in einem magischen Venedig, in dem die Lagune eigene Gesetze hat, Häuser verschwinden und Zimmer den Naturgesetzen widersprechen.

Eines Tages geschieht ...

Marco (15) lebt um 1500 in Venedig - allerdings in einem magischen Venedig, in dem die Lagune eigene Gesetze hat, Häuser verschwinden und Zimmer den Naturgesetzen widersprechen.

Eines Tages geschieht etwas Schreckliches: Das Wasser fließt aus allen Kanälen und wird von einem schwarzen Nebel ersetzt. Wer ihn berührt, stirbt - der "Schwarze Tod" greift um sich.

Marco macht sich auf die Suche nach der Ursache - und gerät dabei in einen Strudel aus Verrat, Tod und der ersten Liebe.

Der Klappentext ist allerdings etwas irreführend - ich hatte die Erwartung, dass Marco und Chiara gleichberechtigte Hauptrollen haben und gemeinsam ihr Abenteuer erleben. Dies ist jedoch nicht so, Chiara ist zumeist in ihrem Maskenladen und Marco rennt durch die Gegend und veranlasst plotrelevante Ereignisse. Erst auf den letzten 150 Seiten tun sie sich zusammen.



Wie schon erwähnt, habe ich diesen Monat irgendwie Lust auf Bücher, die nicht in meinem üblichen Genre liegen. Dazu gehörte der "Luftgitarrengott" und nun auch der "Lagunenrauner" - da versuche ich, weniger Großbritannien-Bücher zu lesen und dann ist der Autor Schottland-Fan. Ha! Mit dem Luftgitarrengott bin ich nicht richtig warm geworden, aber der Lagunenrauner konnte mich durchaus verzaubern. Auch wenn es als jemand, der sich in Venedig nicht auskennt, etwas knifflig war, zu verstehen, was in so einer Lagunenstadt als normal und realistisch gilt.

Einziges Manko war der zu nahe Bezug zur aktuellen Wirklichkeit mit dieser seltsamen Pest, Masken und Quarantäne-Inseln. Gruselig. Ansonsten hat dieses Buch alles, was man erwarten würde und braucht: Meer, versteckte Gassen, eine großangelegte Verschwörung, Karneval - oh, und hatte ich erwähnt, dass Marco Hilfe von Leonardo da Vinci selbst erhält?! Wie cool ist das denn!



Dieses Buch wurde bereits einmal mit erheblich jugendlicherem Cover bei Thienemann veröffentlicht und erschien nun zum 1600. Geburtstag Venedigs beim Monika Fuchs Verlag. Dafür wurde es auch extra-hübsch gestaltet: mystisches neues Cover, blutrotes Lesebändchen, schwarze Vorsatzpapiere, Innenillustrationen und eine ausklappbare Landkarte im Umschlag, sodass man alles mitverfolgen kann.



Falls ihr also dringend einen geistigen Ausflug ans Wasser braucht, seid ihr hiermit gut beraten.



"Eine Gasse ist eine Gasse, überall auf der Welt, außer in Venedig.

In Venedig ist sie eine Herausforderung, ein Geheimnis, ein Versprechen."



"Vernunft war ein Luxus für Leute mit Optionen."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Mathe

KRYONIUM
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Der Erzähler dieser Geschichte befindet sich an einem seltsamen Ort: in einem Schloss, neben einem magischen Wald, auf einer Insel, von der keiner fliehen kann, weil ein Monster im See (?) alle verschlingt, ...

Der Erzähler dieser Geschichte befindet sich an einem seltsamen Ort: in einem Schloss, neben einem magischen Wald, auf einer Insel, von der keiner fliehen kann, weil ein Monster im See (?) alle verschlingt, die es versuchen.

Da er nicht mal weiß, wer er selbst ist, stellen sich dem Leser zunächst seeehr viele Fragen, die so schnell nicht beantwortet werden. Wie sind die Schlossbewohner dahin gekommen? Wieso weiß er nichts über sich selbst? Und wenn alle anderen außer ihm einen Namen haben, wer ist dann der Identitätslose? (Wir wissen das Geschlecht der erzählenden Person nicht, aber im Klappentext steht Erzähler, daher bleibe ich zur Einfachheit dabei.)



Das Buch ist etwas anstrengend zu lesen. Zunächst all die unzähligen Fragen, die auf Antwort warten und dann die Faszination des Autors für Palindrome und Rätsel, die sich mehrmals wiederholen. Auch das Genre ist schwer zu bestimmen - zunächst High Fantasy mit Gnomen und einer Hexe und Drache, dann wird es immer mehr zu einem Escape-Room-Abenteuer/Computerspiel mit Rätseln und mehreren Leveln. Man muss sich also zunächst von allen Ideen und Erwartungen, die man an dieses Buch hat, frei machen und sich ganz auf den Wahnsinn des Erzählers (und des Autors) und seiner Umgebung einlassen.

In der Mitte war mir eindeutig zuviel Mathe, das ist ja so gar nicht meine Welt. Als der Protagonist dann 1001 Schneekugel-Rätsel lösen soll und nur noch 150 Seiten übrig sind, habe ich mich schon gefragt, ob wir die jetzt alle vorgesetzt bekommen und wie man das auf so wenig Platz noch bewältigen will - aber keine Sorge, wir müssen nicht durch alle durch und am Ende gibt es einen ordentlichen Abschluss ohne offenen Enden.



Insgesamt wirkte mir das Buch mehrmals zu konstruiert, durch die Wiederholung der Palindrome im Turmzimmer wurde ich immer wieder rausgerissen und habe mich mehr mit den Begriffen beschäftigt als mit der Handlung. Nach der dritten Auflistung habe ich dann nur noch quergelesen. Das liegt natürlich an der Entstehungsgeschichte des Buches und der Vergangenheit des Autors (mehr dazu hier), hilft mir aber auch nicht weiter.

Dennoch ein ziemlich irrer Trip und mal was völlig anderes - falls ihr euch auf das Abenteuer einlassen wollt und Ablenkung vom aktuellen Weltwahnsinn braucht, seid ihr hier richtig!

Veröffentlicht am 15.01.2024

Irre!

Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle
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"Agatha Christie meets Und Täglich Grüßt das Murmeltier"



Die Hauptperson dieses Buches, aus deren Sicht wir alles erleben, erwacht eines Tages in einem Körper, der nicht der ihre ist, hat keinerlei ...

"Agatha Christie meets Und Täglich Grüßt das Murmeltier"



Die Hauptperson dieses Buches, aus deren Sicht wir alles erleben, erwacht eines Tages in einem Körper, der nicht der ihre ist, hat keinerlei Erinnerungen und muss den noch stattfindenden Mord an der Tochter des Herrenhauses aufklären. Das Problem - bzw. der Vorteil -: Er wacht jeden Tag im Körper eines anderen Hausgastes auf und kann so den Tag aus allen Perspektiven erleben. Als wären ein fremder Körper und ein Mord nicht genug Probleme, versucht auch noch jemand, ihn umzubringen.



"Dieser Tag wird sich acht Mal wiederholen und Sie werden ihn durch die Augen acht verschiedener Wirte sehen.

(...)

Wenn ich Sie wäre, dann würde ich mich ein wenig beeilen. Sobald Sie eine Antwort haben, bringen Sie sie um elf Uhr abends zum Ufer des Sees, zusammen mit Ihren Beweisen."



Wow, was für ein absolut irrer Trip! Dieses Buch ist mir wegen dem abstrusen englischen Titel aufgefallen, der es leider nicht ganz aufs deutsche Cover geschafft hat. Wie das umgekehrte R des Autors auf dem Cover ist auch der Inhalt dieses Romans völlig abgedreht.

Wenn wir schon beim Cover sind: In der untersten Treppenstufe wird dieses Machwerk nüchtern als "Kriminalroman" betitelt, was meiner Meinung nach eine viel zu enge Schublade für diesen Irrsinn ist. Es ist mindestens ein Fantasykrimi, mit all dem Körpergetausche und den Hintergründen, aber keine High Fantasy und auch nicht wirklich Urban Fantasy. Es wird zwar am Ende einiges aufgeklärt, was da vor sich geht, aber nicht genug, um dem Leser ein Bild von der Welt zu geben, in der es spielt.

Zwischendurch tauchen immer wieder fast lyrische Sätze und Passagen auf, die so gar nicht in das Bild des schnöden Krimis passen wollen:



"Zeit vergeht. Ich kann unmöglich sagen, wie viel. Es ist nicht diese Art von Zeit."



Um dem Leser bei all dem Gewusel etwas zu helfen, ist der Vorsatz als Landkarte des Anwesens gestaltet, so kann man alle Schritte nachverfolgen. Auf der ersten Seite erhält man auch eine Einladung zu dem Ball mit einer Personenübersicht - so ist man dem Erzähler manchmal einen Schritt voraus, aber nie für sehr lange.



Wie ihr vielleicht merkt, bin ich noch total geplättet und völlig geflasht von diesem Leseerlebnis. Wer mich kennt, weiß, dass das dritte Bild oben eigene Aussagekraft hat: Je mehr Pagemarker, umso besser. Die Lektüre hat mir richtig Spaß gemacht und ich konnte es auf der Arbeit kaum abwarten, endlich weiterlesen zu können!

Falls ihr also Zeit und Muße habt, euch auf dieses Abenteuer einzulassen, dann tut es! Sonst lese ich ein Buch einfach und lasse alles auf mich zukommen, doch hier macht wahnsinnig Laune, hin und her zu blättern, mitzurätseln und eigene Ideen zu entwickeln.



"Wut ist greifbar, sie hat ein gewisses Gewicht. Man kann mit den Fäusten darauf einschlagen. Doch Mitleid ist ein Nebel, in dem man sich nur verirren kann."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Wunderschön

Briefe vom Weihnachtsmann
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Ein Geständnis: Eigentlich mögen wir hier Tolkien gar nicht richtig. Ich liebe Mittelerde und seine Kreativität, ganz zu schweigen von dem Sprachwahnsinn und den Oxford-Bezügen. Doch Adam und ich haben ...

Ein Geständnis: Eigentlich mögen wir hier Tolkien gar nicht richtig. Ich liebe Mittelerde und seine Kreativität, ganz zu schweigen von dem Sprachwahnsinn und den Oxford-Bezügen. Doch Adam und ich haben beide versucht, "Herr der Ringe" zu lesen und sind beide wegen dem langwierigen Schreibstil dabei eingeschlafen. Aber: Wenn man Tolkien davon abhalten könnte zu schwafeln, beispielsweise, weil er sich dem Format eines kurzen Briefes anpassen muss, wäre das doch ideal, oder? Glücklicherweise veröffentlichte die Hobbit Presse zum 25-jährigen Jubiläum dieses Jahr eine besonders hübsche Sonderausgabe von Tolkiens "Briefe vom Weihnachtsmann", eine Zusammenstellung all der Briefe, die Tolkien beinah jedes Jahr seinen Kindern schrieb. Sogar Illustrationen gab es dazu und die Briefumschläge und die Briefmarken hat er auch bemalt! Wie das mit der Zustellung funktionierte, hat bis heute niemand herausgefunden.

Faszinierenderweise haben die Kinder scheinbar immer brav geantwortet - auch wenn es im Lauf der Jahre, wenn die Kinder langsam erwachsen wurden, immer weniger wurden. 1943 kam dann schließlich der letzte Brief, als die kleine Priscilla 14 war.



Insgesamt befinden sich in dieser umwerfend schönen neuen Ausgabe im roten Schuber, mit glitzernden Foliensternen auf dem Cover und richtiger Briefmarke, von 1920 bis 1943, 32 Briefe - mal vom Weihnachtsmann, mal vom Polarbär und mal vom hilfreichen Elfensekretär geschrieben. Eine fast perfekte Anzahl, um sich bereits ab November jeden Abend auf Weihnachten einzustimmen. Die liebevolle Gestaltung (von den Illustrationen abgesehen gibt es außerdem unterschiedliche Handschriften für alle Beteiligten und Geheimschriften!), die herzigen Inhalte, das umwerfend schöne Äußere und natürlich die weihnachtliche Gesamtstimmung ergeben das perfekte Geschenk - auch für eine*n selbst ;)



Zwei Hinweise:

~ Die Kinder sind John, Michael, Christopher und Priscilla.

~ Am besten hört man nach dem lustigen Gedicht von 1938 auf zu lesen, denn sonst erfährt man, dass dem Weihnachtsmann wegen "dem schrecklichen Krieg" die Geschenkvorräte ausgehen und seine Elfenboten bei der Geschenkübergabe sehr lange nach vertriebenen Menschen suchen müssen und dass die Bücher der Autorin, die sich die kleine Priscilla gewünscht hat, leider alle verbrannt wurden. Und dann muss man heulen und schläft schlecht.



"Mára mesta ni véla tye ento, ya rato nea."

(Nein, ich bin nicht auf der Tastatur eingeschlafen, das ist arktisch!)