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Veröffentlicht am 15.01.2024

Irre

Willkommen in Night Vale
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Wo fängt man da am Besten an... also: Mitten in der Wüste der USA gibt es eine kleine Stadt namens Night Vale in der die Uhren anders ticken und überhaupt alles nicht ganz so "normal" ist wie im Rest der ...

Wo fängt man da am Besten an... also: Mitten in der Wüste der USA gibt es eine kleine Stadt namens Night Vale in der die Uhren anders ticken und überhaupt alles nicht ganz so "normal" ist wie im Rest der Welt. Zum Beispiel gibt es Engel, an die man aber nicht glauben darf. Auch der Glaube an Berge wird nicht unterstützt.

In dieser Stadt lebt Jackie, die Besitzerin einer Pfandleihe. Eines Tages bekommt sie einen Zettel verpfändet, auf dem "King City" steht und kann ihn nicht mehr aus der Hand legen. Sie wirft ihn weg, verbrennt ihn, aber er taucht immer wieder in ihrer Hand auf.

Am anderen Ende der Stadt lebt Diane, die ihren Sohn Josh (der ein Teenager ist und daher täglich seine Form ändert) vermisst. Und auch sie findet einen Zettel...

Gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geheimnis von King City zu ergründen. Aber wie kommt man in eine Stadt, zu der keine Straße führt? Wo findet man Informationen in einer Stadt, die jegliches Denken verbietet? Wie findet man einen Jungen, der jede erdenkliche Form angenommen haben könnte?



Es ist verrückt, es ist völlig abgedreht und es ist einfach fabelhaft. 2012 als Podcast gestartet, hat Night Vale inzwischen internationale Aufmerksamkeit in der Nerdgemeinde erlangt, nicht zuletzt, weil der örtliche Radiomoderator und sein Lebensgefährte das Hauptthema bei Fanfictions sind.

Für alle, die sich jetzt denken: "Da versteh ich ja eh nix!" kann ich Entwarnung geben: ich bin kein großer Freund von Podcasts und habe sie mir vorher nicht angehört, und ich habe alles verstanden. Naja, das was man nicht versteht tut man sowieso als weiteren Tropfen auf den verrückten Stein ab. Da der Podcast genauso unaufgeregt und nüchtern ist, wie das Buch geschrieben wurde, fällt es etwas schwer, zuzuhören, man muss sich wirklich konzentrieren (zumal er auch nur auf englisch ist). Aber das ist das Gute an dem Buch: man kann jeden Satz direkt nochmal lesen und wenn man ihn dann immer noch nicht versteht, dann ist es halt der Irrsinn, der Night Vale grundsätzlich innewohnt.



Ich sage auf der Startseite, dass ein Buch nur 5 Blätter erhält, wenn es mich wirklich umgehauen hat. Das hat Night Vale: es fühlt sich an, wie "Der Club der nackten Wahrheiten", ein Buch, das ich heute noch gerne lese. Ich habe letztes Jahr im Februar gesagt, "September" ist das beste Buch, das ich 2015 lese und ich sage heute, "Night Vale" ist jetzt schon das beste Buch 2016.

Und am Ende ergeht es einem wie Jackie: man kann dieses Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. Entschuldigt mich, ich muss einen Podcast hören gehen.



"Wie soll man herausfinden, ob man schüchtern ist, wenn man nie Zeit hat, neue Leute kennenzulernen?"



"Die Vorstellung, sich zu verlieben, war für Jackie so fern wie die Vorstellung, später einmal berühmt zu werden oder ein Schloss zu besitzen oder sich Mufflonhörner wachsen zu lassen. Das alles sind erreichbare, realistische Ziele, doch indem sie sie zu schieren Fantasien erklärte, sparte sie sich die Mühe, sie erreichen zu müssen."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Kräuterhexe

Verbena
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Alraune und ihre Ziehtochter Verbena (mal ehrlich, wer seine Kinder so nennt, will sie doch auf dem Scheiterhaufen sehen, oder?!) leben außerhalb eines Dorfes im Wald. Dort pflegen sie die Kranken, verarzten ...

Alraune und ihre Ziehtochter Verbena (mal ehrlich, wer seine Kinder so nennt, will sie doch auf dem Scheiterhaufen sehen, oder?!) leben außerhalb eines Dorfes im Wald. Dort pflegen sie die Kranken, verarzten Fremde und helfen bei Geburten in der Gegend.

Doch in letzter Zeit gehen im Land die Hexenjäger um, die nach allem Ungewöhnlichen und "Magischen" suchen. Und eines Tages im Wald begegnet Verbena ein kleiner Marder, mit dem sie kommunizieren, aber nicht zähmen kann - nicht gerade hilfreich dabei, unauffällig zu bleiben. Als dann auch noch ein Fremder überfallen wird und langfristig Hilfe von den beiden Frauen braucht, wird ihr ruhiges Leben vollends auf den Kopf gestellt...



Der Fabulus Verlag ist mir erst dieses Jahr durch die Nicht-LBM begegnet und ich bin wirklich traurig, dass ich nicht schon vorher von ihm gehört hatte - denn fast alle Bücher dort sind irgendwie verziert, mit Lesebändchen, Farbschnitt etc. Genau das richtige für Fans schöner Bücher!



Auch Verbenas Geschichte zählt zu diesen wunderschönen Bänden (siehe Fotos unten), doch es ist auch innerlich ein wunderbares Buch - super spannend; ich war immer so versunken, dass ich total zusammengezuckt bin und grummelig wurde, wenn Adam was wollte. Leider ist es der erste Band in einer geplanten Trilogie und so hat es ein offenes Ende. Wir erfahren auch nicht wirklich viel über den Hintergrund unserer Hauptcharaktere - der Fantasynerd riecht da noch eine Origin-Story... Das Teenie-Liebesdrama hätte ich mir sparen können, aber die Kräuter waren interessant und die Sprache war nicht so modern, das war sehr angenehm und half beim eingesogen-werden.

Ich kann also nicht sagen, dass es schlecht war, ganz im Gegenteil, ihr müsst euch halt nur drauf einstellen, auf den nächsten Band warten zu müssen - der ist noch nichtmal angekündigt, aaahhh!!!



Schaut mal, wie schön das Buch aufgemacht ist, ein echtes Schmuckstück: Hardcover mit Spotlackverzierung, Kräuter-Farbschnitt und eine Landkarte als Vorsatz!

Veröffentlicht am 15.01.2024

Murmel

Der Wolkenphönix
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Mireia Mabel führt einen bezaubernden kleinen Laden. Böse Zungen würden sagen, für Kramsch - doch ihre Kundschaft findet dort immer genau das, wonach sie sucht.

Eines Tages findet Madame Mabel eine Murmel ...

Mireia Mabel führt einen bezaubernden kleinen Laden. Böse Zungen würden sagen, für Kramsch - doch ihre Kundschaft findet dort immer genau das, wonach sie sucht.

Eines Tages findet Madame Mabel eine Murmel und daraufhin findet Arian Galeno sie.

Er erzählt ihr eine märchenhafte Geschichte von einer verlorenen Liebe und einer Mission, bei der sie ihn unterstützen soll. Gemeinsam machen sich die beiden auf in ein Abenteuer jenseits aller Vorstellungskraft.



Bitte, lest diesen ersten Satz. Falls ihr dann nicht verzaubert seid, brauchen wir gar nicht weiter zu reden:



"Das Mädchen, das mit dem vollen Mond an der Leine spazieren ging, betrachtete fasziniert den Regentropfen, der in ihrer kleinen Hand lag."



Unerschütterliche Hoffnung, Liebe jenseits aller Grenzen und eine zarte Freundschaft, die sich auf einer gefährlichen Mission sofort beweisen muss - spannend und ans Herz gehend verzaubert Fabienne für 200 Seiten unsere Wirklichkeit. Auch durch die wunderschöne Gestaltung mit Illustrationen und Initialen trägt dazu bei.

Falls ihr die magische Sprache von Neil Gaiman mögt und eure Realität dringend eine Prise Magie braucht, dann seid ihr hier genau richtig - lasst euch verzaubern!



"Träume - nichts brach leichter, wenn man von Hoffnungen und menschlichen Herzen absah."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Super

Lemmy Lokowitsch
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Lemmy Lokowitsch, seines Zeichens semi-erfolgreicher Journalist, gerät eines Tages an einen Fall, der sonst nicht seine Kragenweite wäre.

Die Schwester seiner Ex, Clayda, bittet ihn um Hilfe, weil in ...

Lemmy Lokowitsch, seines Zeichens semi-erfolgreicher Journalist, gerät eines Tages an einen Fall, der sonst nicht seine Kragenweite wäre.

Die Schwester seiner Ex, Clayda, bittet ihn um Hilfe, weil in Senabri'il indigene Bewohnerinnen verschwinden - spurlos. Eigentlich mehr auf sein eigenes Wohl bedacht, reizt Lemmy der Fall eher wenig - doch dann entdeckt er Hinweise, die nach einer skandalträchtigen Story riechen.

Gemeinsam mit Clayda macht er sich also auf in fremde Lande, um denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können...



Die Erzählweise hat mich direkt angesprochen - wie in alten schwarz-weiß-Filmen murmelt Lemmy seine Erzählung in seinen Bart und wirft dabei selbstverständlich mit all den Fachbegriffen und Ortschaften seiner Welt um sich - zunächst gewöhnungsbedürftig, aber nachdem man es akzeptiert hat, auch nicht seltsamer als sich irgendeine Großstadt vorzustellen.



Lemmy und Clayda sind ein großartiges Team und auch wenn Lemmy zunächst als der abgebrühte Eigenbrötler rüberkommt, taut er im Lauf der Geschichte doch immer mehr auf - allerdings nicht gegenüber Clayda, hier gab es mal keine unvermeidbare Liebesgeschichte zwischen Protagonisten, sehr erfrischend. Um Sheldon Cooper zu zitieren: "Sie ist zu stolz, er hat zu viele Vorurteile - es ist perfekt!"



Die Storyline über die Ureinwohnenden, die von Großkonzernen auf ein Lebens-Minimum beschränkt wurden, in Armut leben und Polizeitkorruption ausgesetzt sind, hinterlassen einen äußerst realistischen Nachgeschmack - da muss jede
r selbst schauen, ob das Thema was ist. Wem das ggfs. alles zuviel ist, findet am Ende des Buches auch Trigger Warnungen, sehr hilfreich.



Die Action ist breit gestreut, ständig passiert was neues und Clayda & Lemmy bekommen kaum eine Atempause - falls doch, betreiben sie wichtige Recherche. Und während man dem Lemmy so dabei zuliest, wie er von einem Chaos ins andere gerät, kommt man nicht umhin zu denken: Jap, der ist wirklich etwas "loco"!





Ich habe mal freimütig oben "1." hingeschrieben, allerdings ist dieser Band komplett in sich abgeschlossen und bisher gibt es wohl auch nur grobe Pläne für einen zweiten. Ich würde mir aber durchaus noch mehr Abenteuer mit Lemmy ansehen wollen. Falls ihr also dringend dem regnerischen Deutschland entfliehen wollt - wieso nicht eine Reise nach Senabri'il?



"Vom inflationären Gebrauch des Wortes 'Scheiße' wird es auch nicht besser."

Veröffentlicht am 15.01.2024

Nicht so

Fauler Zauber
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Neben unserer Realität existiert eine Realität mit Drachen, Greifen, Zauberern und anderen Fabelwesen. Der gewiefte Mr. Chesney hat vor Jahrzehnten einen Pakt mit einem Dämon geschlossen, der einmal im ...

Neben unserer Realität existiert eine Realität mit Drachen, Greifen, Zauberern und anderen Fabelwesen. Der gewiefte Mr. Chesney hat vor Jahrzehnten einen Pakt mit einem Dämon geschlossen, der einmal im Jahr ein Portal in diese Welt öffnet, damit schnöde Sterbliche wie wir mal ein echtes Fantasy-Abenteuer erleben können - natürlich gegen entsprechende Gebühr.



Doch nicht nur wir Sterblichen müssen für dieses "einmalige" Erlebnis blechen - die fantastische Welt leidet stetig unter dem Touristenstrom: Bei Schlachten werden Felder und Dörfer unwiderruflich verwüstet, ganz zu schweigen von den Toten! Wo soll das alles noch hinführen?



Dieses Jahr muss der naive Hobbybastler Derk (er bastelt mit Vorliebe fliegende Kreaturen wie Schweine, Pegasi oder Greifen) die Touren organisieren, doch das ist schwerer als gedacht, denn alle haben sich gegen Mr. Chesney verschworen und wollen die Touren nicht länger dulden. Von vorne bis hinten geht alles schief, keiner ist da, wo er auftreten soll und ungeplante mordende Horden ziehen durch die Lande. Oh weia!



Was eigentlich ziemlich witzig und kreativ klingt, hat mich mit einem etwas durchwachsenen Eindruck zurückgelassen. Da es aus der Perspektive von Derk erzählt wird, erleben wir aus erster Hand das Chaos und den Stress und die Machenschaften hinter den Kulissen. Das ist natürlich alles gar nicht so spaßig - und dann kriselt es auch noch mit der Ehefrau...

Das Thema Übertourismus geistert immer wieder durch die (sozialen) Medien - hier zB ein Beitrag von Fräulein Draußen und hier ein Kommentar zum immer beliebteren Steinestapeln - und wird hier von der Seite der ausgebeuteten, exotischen Welt beleuchtet.



Dennoch strotzt diese Welt vor fantastischen Ideen und kreativen Eindrücken und ich verstehe, wieso Neil Gaiman Diana Wynne Jones mag und wieso sie in einen Topf mit Terry Pratchett geworfen wird (falls nicht, sollte es so sein!) - die Welt ist fabelhaft und ja, ich gebe zu, ich würde gerne mal dort Urlaub machen - allerdings respektvoll-zurückhaltend und nicht zerstörerisch...