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Veröffentlicht am 11.12.2017

Handlicher Kalender mit Sinnsprüchen fürs ganze Jahr...

... durch's Jahr kommen
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".... durchs Jahr kommen" von Bernd Desinger erschien im Grupello-Verlag, Düsseldorf, 2013 und ist ein Sammelsurium vieler Sinnsprüche (365 an der Zahl plus einen für das Schaltjahr) und Aphorismen, die ...

".... durchs Jahr kommen" von Bernd Desinger erschien im Grupello-Verlag, Düsseldorf, 2013 und ist ein Sammelsurium vieler Sinnsprüche (365 an der Zahl plus einen für das Schaltjahr) und Aphorismen, die allesamt aus der Feder (und der Lebenserfahrung) des Autors stammen.


Format und Aufmachung finde ich schon sehr gelungen. Das Cover hat mich auch angesprochen, jedoch der Inhalt konnte mich leider nicht vollends überzeugen:


Das Büchlein ist wie ein Kalender mit 365 Tagen, bei dem es dem geneigten Leser möglich ist, jeden Tag hineinzublicken - und den jeweiligen Spruch zum Beispiel zum Tagesmotto zu bestimmen. Viele der Sinnsprüche fand ich grundsätzlich positiv, andere sagten mir ehrlich gesagt - überhaupt nichts.


Ich muss jedoch dazu sagen, dass ich seit Jahrzehnten Weisheiten und Sprüche (aus Literatur, Philosophie, Psychologie u.a.) sammle und diese zusammengetragenen Verse, Dichtungen, Aphorismen sehr mag. Dies war ein Grund für mich, mir dieses Büchlein genauer anzuschauen. Ich denke, das Sammeln von Weisheiten, sinnigen Sprüchen, die sowohl das Herz als auch den Verstand berühren, sind überaus spezifisch und sehr individuell.


Daher konnte ich leider meine Erwartungen an die Aphorismen nicht als erfüllt betrachten und dementsprechend nur 3 Sterne vergeben. Für Sammler und Liebhaber von Weisheiten und Aphorismen jedoch ist das Buch im handlichen Format einen Blick wert.

Veröffentlicht am 23.11.2017

Kirchberg - oder der Verlust der Worte

Kirchberg
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Hanna, eine Frau des Wortes, hatte einen Schlaganfall und kann nicht mehr sprechen. Erschöpft zieht sie sich in das Haus ihrer Großeltern zurück, in dem sie als uneheliches Kind aufgewachsen ist. Doch ...

Hanna, eine Frau des Wortes, hatte einen Schlaganfall und kann nicht mehr sprechen. Erschöpft zieht sie sich in das Haus ihrer Großeltern zurück, in dem sie als uneheliches Kind aufgewachsen ist. Doch nicht nur Hanna kommt in ihr altes Dorf, ihr altes Dorf kommt auch zu ihr. Patrizio, der Freund aus Jugendtagen, und ihre Nachbarin Sabrina suchen ihre Nähe. Wals als selbstgewählte Einsamkeit gedacht war, wird zu einer Erkundungsreise, die eng mit der Geschichte dieses Hauses auf dem Kirchberg verwoben ist. So eignet sich Hanna ihr Leben noch einmal an und vermag schließlich auch zu erkennen, wer ihr Vater ist. Dieses meisterhafte Buch entfaltet ein weites erzählerisches Panorama, das von den Kriegsjahren bis heute und morgen reicht. (Quelle: Klappentext)

Meine Meinung:

Der Roman beginnt mit der Ankunft Johannas (Hanna) in dem kleinen Dorf irgendwo im Schwarzwald, wo sie bei Katharina und Erich, ihren Großeltern, eine liebevolle Kindheit hatte und in dem Haus am Kirchberg aufwuchs. Ihre Mutter Maria schien überfordert und gab das kleine Mädchen zur Adoption frei; die Großeltern adoptierten Hanna daraufhin. Nach dem Abitur studiert Hanna und lebt in Berlin, wo sie sich mit Jessie, ihrer Freundin, eine Wohnung teilt. Sie ist eine Frau des Wortes und möchte ihren Habil fertigstellen, um ein Stipendium in Harvard zu bekommen. Oft unterwegs, hält sie Vorträge und referiert über historische Themen, als sie in New York den Saxophonisten Leo kennenlernt - und sich in ihn verliebt. Die Liaison wird für beide sehr leidenschaftlich, aber auch verzehrend. Hanna fällt es schwerer, geistige Arbeit zu leisten, da ihre Kopfschmerzen immer stärker werden....

Nach einer Operation und einem Schlaganfall ist es ihr nicht mehr - oder sehr schwer - möglich, an ihre Sprach- und Erinnerungsschätze heranzukommen: Verena Boos gelingt es hier überragend, auch emotional, die Psyche einer Frau auszuleuchten, der es die Sprache (durch den Schlag) sprichwörtlich verschlagen hat: "Da kratzt eine Erinnerung von unten am Eis" - als Beispiel: Diese Sätze machen die Ausdrucksstärke dieses Romans aus und drücken auch gleichzeitig die Kraft aus, die Anna innewohnt. Sie erkennt jedoch, dass sie ohne fremde Hilfe nicht auskommen wird, um das Haus winterfest zu machen und nimmt Hilfe von Nachbarn und Freunden an, die man im Romanverlauf kennenlernt: Eine sehr sympathische Figur ist hier Patrizio, der Hanna von Kindesbeinen an kennt und sie liebt; er und Daphne ziehen als temporäre Mitbewohner in Hannas Haus ein; Daphne hat hier einen Werkstattraum und Patrizio beschließt, seine italienische Familiengeschichte in Form eines Comics zu zeichnen und sich dafür eine Auszeit zu nehmen. Ein kleines Mädchen ist für mich auch heldenhaft gewesen, wenn es um die Hilfe für die behinderte Hanna ging: Lisa, die kleine Tochter der Nachbarin Sabrina.

In 10-Jahres-Schritten wird die Zeit seit der Geburt Hannas (1974) und ihr weiteres Leben bis in die Zukunft (2024) gezeichnet, in einer Weise, wie ich sie bisher noch nicht gelesen habe. Wenn es etwas heißt: "Sie (Hanna) war von Essays zu großen historischen Zusammenhängen auf Einkaufszettelniveau abgestürzt" (Zitat S. 247); diese realen statements gehen sehr unter die Haut, im Kontext mit der größer werdenden Hilflosigkeit, die der Sprachlosigkeit folgt und sich kommunikativ in Schnalzen äußert. Nicht zu lange Kapitel sind oftmals gleichbedeutend mit Zeitsprüngen, die diesen Roman sowohl inhaltlich als auch strukturell anspruchsvoll sein lassen: Bis zur Mitte des Romans hatte ich gewisse Schwierigkeiten mit der Sprache, die nüchtern, hölzern, gar sperrig klingt und ungewohnt zu lesen ist: In der zweiten Romanhälfte jedoch gab sich das und mir gefiel dieser sehr menschliche, auch etwas melancholische Ton durchaus.
Im Nachhinein würde ich sagen, dass die Sprache sehr im Kontext zur Handlung steht und gewollt teils sperrig daherkommt. Der Roman ist eine Art Zeitreise mit einer gesunden jungen Frau, die - ohne den Vater zu kennen und ohne Mutter - bei den sie sehr liebenden Großeltern aufwächst; Abitur macht, studiert und sehr große Lebenspläne verfolgt: Sich der Freundschaft von Patrizio immer gewiss sein kann, seine Liebe jedoch spät erkennt. Die durch einen Tumor und erlittenen Schlaganfall die Ziele ihrer Lebensreise ändern muss - und mit der Behinderung zu leben versucht. Letzteres ist Verena Boos sehr einfühlsam, emotinal und grandios gelungen, auch mit der Sprache konnte ich mich im Nachhinein durchaus versöhnen. Der Roman endet mit einer letzten Reise nach Venedig, wo sie mit Patrizio nach San Marco fährt, um den Löwen zu sehen.

Fazit:

Anspruchsvoll, stilistisch und sprachlich gewöhnungsbedürftig; im Nachhinein betrachtet jedoch sehr stimmig zur Romanhandlung: Der Leser wird entschädigt (und mehr als das) mit einem äußerst intensiven Einblick in das Leben und die Psyche einer noch recht jungen Akademikerin mit großen Plänen, die ihre Lebensreise nach einem erlittenen Schlaganfall völlig zu ändern gezwungen ist. "Kirchberg" lässt den Leser u.U. betroffen zurück, ist jedoch absolut lesenswert. Von mir 4 * und 89°/100 auf der Werteskala.

Veröffentlicht am 20.11.2017

E.K. - ein mysteriöser Fall

Der Fall Kallmann
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Vorausschicken muss ich, dass ich noch einige andere Romane von Hakan Nesser gelesen habe, mit dem "Fall Kallmann" jedoch zu einem absoluten Fan dieses mit einer außergewöhnlichen Erzählgabe ausgestatteten ...

Vorausschicken muss ich, dass ich noch einige andere Romane von Hakan Nesser gelesen habe, mit dem "Fall Kallmann" jedoch zu einem absoluten Fan dieses mit einer außergewöhnlichen Erzählgabe ausgestatteten Bestseller-Autors geworden bin.

Inhalt:

Leon Berger folgt einem Vorschlag einer früheren Studienkollegin, Ludmilla, sich in K., einer schwedischen Kleinstadt zu bewerben, und tritt als Nachfolger die Stelle des Lehrers Erich Kallmann an der Bengtsuna-Schule an. Leon versucht damit, nach einer schwierigen Zeit und dem tragischen Verlust von Frau und Tochter Judith einen Neuanfang zu starten und wieder als Schwedischlehrer tätig zu werden.

Im Schreibpult seines Vorgängers findet er Manuskripte, bei denen es sich um Tagebücher handelt und erhält aus dem Kollegium nur sparsame Informationen um Erich Kallmann, da dieser sehr introvertiert war und kaum soziale Beziehungen unter den Kollegen unterhielt. Lediglich Igor, ein Lehrer, der mit ihm zusammenarbeitete, erzählt Leon Erinnerungen der letzten Gespräche mit Kallmann, aus denen hervorgeht, dass dieser sich für Literaturgeschichte und Kriminologie (besonders unaufgeklärte Fälle) interessierte. Allem Anschein nach war Kallmann kurz vor seinem Tod über ein unentdecktes und ungeklärtes Verbrechen gestolpert und war kurz vor der Aufklärung - musste er deshalb sterben?

Meine Meinung:

Das perspektivische Erzählen der einzelnen Hauptprotagonisten (Leon Berger, Ludmilla Kovacs, Igor, Andrea Wester, Charlie Mattis) wechselt sich von Beginn an ab, wodurch der Leser immer mehr und sehr detaillierte Einblicke in die Romanhandlung, die fast ausschließlich an der Schule stattfindet, in der unterrichtet wird, durch die einzelnen Protagonisten erhält. So gibt es auch antisemitische und rassistische Drohungen gegenüber einer Lehrerin und einem Schüler, die ein Seitenhieb auf die rechtspopulistischen Entwicklungen sind, die auch vor Schweden nicht haltmachen und die ich als reale Sozialkritik verstehe. Im Eigentlichen geht es jedoch um die Gabe Kallmanns, der behauptet hatte, durch die Augen direkt in die Seele eines Menschen blicken zu können (weshalb er dies stets unterließ und auf Abstand ging). Was war Fiktion, was ist Wahrheit, die in den Tagebüchern zu finden ist, derer sich erst Leon, dann Leon und Ludmilla und schließlich das Dreierteam Leon, Ludmilla und Igor widmen? Was hat Andrea Wester und Charlie Mattis mit dem Fall Kallmann zu tun und in welchem Zusammenhang stehen beide zu dem Tod des bei den Schülern beliebten Lehrers?

Während die Polizei, in persona des Inspektors Marklund, die Akte Kallmann schnell beiseitelegt, forschen die Lehrer um Leon nach; auch Andrea und ihre Freundin Emma gründen ein Detektivbüro auf Zeit, um Nachforschungen anzustellen...
In einer Rückblende geht es in die 80er Jahre: Ulrika, die Mutter von Andrea Wester, unternimmt eine Reise nach England, wo sie sorglose und sehr verliebte Zeiten mit Flynn Branagan, einem etwas älteren Troubadour, verbringt und Ende Juni schwanger zurück nach Schweden fährt...

Die Hauptprotagonisten, allen voran Leon Berger, sind durch die Ich-Form sehr authentisch und ich empfand sie als sehr sympathisch und ihre Handlungen als nachvollziehbar. Ludmilla hilft Leon in einer schweren Zeit der Traumatisierung und sich selbst hinaus aus einer nicht mehr funktionierenden Ehe. Die Kapitel, in denen Andrea Wester (15) "erzählt", empfand ich als besonders erfrischend; ihre tiefgründigen, teils philosophischen Unterhaltungen mit Emma, ihrer besten Freundin, die einen ebenso scharfen Verstand aufweist wie Andrea selbst, besonders, als ein Junge, der als rechtsextrem gilt, an der Schule ermordet aufgefunden wird.

Jeder der Protagonisten gewährt dem Leser (im jeweiligen Augenblick der Handlung, der man mit Spannung folgt) einen Blick in seine Seele und seine Gedankenwelt, die sehr charakterisiert und den ich einfach großartig finde. Sicher spielt das Stilmittel der Ich-Form hier eine nicht unbedeutende Rolle; auch Ludmilla fiel mir da besonders positiv auf. Bei Andrea Wester ist es die Frische und Jugendlichkeit, ihre Intelligenz und auch soziale Kompetenz, die ich an dieser Figur mochte. Auch Charlie Mattis ist von Beginn an ein interessanter, kluger als auch überzeugend, authentisch wirkender junger Mann, der zum Ende hin eine Schlüsselrolle haben sollte: 20 Jahre sind vergangen und die Dinge "um den Fall Kallmann" beginnen sich zu klären; auch für all jene, die nochmal zusammengekommen sind und sich damals mit ihm beschäftigt haben. Schockierend, welche Sachlage sich zum Ende hin darstellt, die so nicht vorhersehbar war.

Fazit:

Subtile Spannung von einem Meister seines Fachs; stilistisch brillant umgesetzt: Ich kann diesen Roman, der starke Krimielemente aufweist, allen Hakan Nesser-Fans nur weiterempfehlen! Spannung, Unterhaltung auf höchstem Niveau halten sich durchaus die Waage. Von mir daher 4,5 * und 95° auf der "Krimi-Couch".

Veröffentlicht am 12.11.2017

Zauberhafter Winterschmöker mit viel Herz & auch Verstand ;)

Ein Winter voller Wunder
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Als ihr Mann nach über 30 Ehejahren stirbt, stürzt sich Bea in die Arbeit in ihrem Café in einem Stadtteil von Sydney, wo sie von Kim und Tait, zwei wundervollen Mitarbeitern, unterstützt wird. Ihren Sohn ...

Als ihr Mann nach über 30 Ehejahren stirbt, stürzt sich Bea in die Arbeit in ihrem Café in einem Stadtteil von Sydney, wo sie von Kim und Tait, zwei wundervollen Mitarbeitern, unterstützt wird. Ihren Sohn Wyatt hingegen sieht sie eher selten; die beiden haben ein eher distanziertes Verhältnis. Als es jedoch Probleme in der Schule für die Enkelin Flora gibt, wendet sich Wyatt doch an seine Mutter und die Familie sorgt erst mal für Abstand zwischen der 13jährigen Flora und ihren Eltern Wyatt und Sarah. Bea freut sich sehr über den Besuch der Enkeltochter und die beiden kommen sich näher: Man kommt überein, dass Flora nicht mit den Eltern in den Weihnachtsurlaub fährt, stattdessen jedoch eine spontane Reise ins entfernte Schottland mit Bea antritt.... Diese Entscheidung entpuppt sich als die beste, die die Familie je treffen konnte, denn es gibt ein Geheimnis, dem sich Bea nach Jahrzehnten endlich stellt und die mit einer verlorenen Liebe zu tun hat, über die sie stets schwieg...

Dieser Roman, der mich wirklich bezaubern konnte, behandelt die Themen Konflikte in der Familie, Geheimnisse und ein spätes zweites Glück, die Pubertät und das Älterwerden, moralische Vorstellungen gegenüber unverheirateten jungen Müttern gestern und heute, den Neuanfang und einiges mehr: Amanda Prowse hat mit Bea, Flora, Wyatt, Sarah und auch Mr. Giraldi sehr authentische Figuren in dieser wunderschönen und hoffnungsstimmenden Geschichte geschaffen, die mir sehr sympathisch waren. Ihr Stil ist sehr gut zu lesen, flüssig und klar und die Charaktere sind in all ihren Facetten schillernd dargestellt: Die Probleme der Familie wirken sehr realistisch und die Handlung ist spannend, emotional und sehr in die Tiefe gehend. Es gibt einige sehr weise und lebenskluge, auch lebensbejahende Sätze zu entdecken, die mir gut gefallen haben und inhaltlich sehr stimmig waren, etwa

"Wenn die Zeit sie (Bea) etwas gelehrt hatte, dann, dass die Welt ein schönerer Ort war, wenn man weder Bedauern noch Groll im Herzen trug" (Zitat)

Auch das bestickte Tuch von 1850 aus St. Andrews und die Botschaft der Stickerin fand ich sehr schön: Die erste Romanhälfte ist in Australien, Sydney verortet und die zweite Hälfte - nachdem Bea und Flora aufbrachen, spielt in Schottland/Edinburgh oder auch "Auld Reekie". Bea ist in England aufgewachsen und erstmals seit Jahrzehnten wieder im Königreich: Edinburgh in der Vorweihnachtszeit mit seinem allein architektonischen Zauber und die Stimmung Beas und Floras ist in einer Art beschrieben, dass man selbst große Lust empfindet, vor Weihnachten noch in diese tolle Stadt zu reisen. Ein elektronischer Briefkontakt führte im Grunde nach Edinburgh, der als solcher ebenfalls einige (witzige) Überraschungen bereithält.

Fazit:

"Ein Winter voller Wunder" von Amanda Prowse ist gerade jetzt in der trüben und dunklen Jahreszeit ein zauberhafter, sehr positiver Frauen- und Liebesroman, der mich sehr gut unterhalten konnte und nie trivial war: Ein richtiger "Wohlfühlroman" mit dennoch wichtigen Botschaften, Mut im Leben zu haben und einen Neuanfang zu wagen, wenn er angezeigt ist - auch jenseits der 50 ;) Mit einer absoluten Leseempfehlung vergebe ich die volle Punktezahl und 5*. Vielen Dank an den Piper-Verlag fürs Veröffentlichen und Anja Mehrmann für die Übersetzung!

Einzelbeurteilung:

Schreibstil: 5/5
Charaktere: 5/5
Spannung: 4/5
Ende: 5/5
Cover: 5/5

Veröffentlicht am 09.11.2017

Wenn etwas endet, beginnt etwas Neues

Das Geräusch der Dinge, die beginnen
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Im Alter von nur drei Jahren wird Ada von ihrer Mutter verlassen - und wächst bei Teresa, ihrer Großmutter auf, die sie abgöttisch liebt: Sie bringt dem kleinen Mädchen bei, auf das Geräusch der Dinge ...

Im Alter von nur drei Jahren wird Ada von ihrer Mutter verlassen - und wächst bei Teresa, ihrer Großmutter auf, die sie abgöttisch liebt: Sie bringt dem kleinen Mädchen bei, auf das Geräusch der Dinge zu achten, die beginnen. Achtsam zu sein und jedes Blatt am Olivenbaum zu sehen, dass neu gewachsen ist - und nicht übersehen werden sollte. Teresa tröstet sie, wenn sie wütend aus der Schule kommt und lehrt sie, dass es wichtig ist, sich von allem etwas zu bewahren - auch das Gefühl der Erwartung auf etwas Schönes.
Als Ada 27 ist, erkrankt Teresa unheilbar und Ada kümmert sich sehr liebevoll um ihre geliebte Großmutter. Im Krankenhaus gibt es noch eine Frau, die sich ebenfalls liebevoll um Teresa kümmert, der es immer schlechter geht: Giulia, eine Krankenschwester, mit der sich die introvertierte, sensible und zuweilen etwas zerfahrene Ada anfreundet. Eines Tages lernt Ada auch einen Mann kennen, der sie in der Cafeteria der Klinik in seinen Bann schlägt: Matteo...
Die beiden werden ein Liebespaar und Ada ist ob ihrer mangelnden Lebenserfahrung unsicher, sie vertraut sich daher Giulia an, die ihrerseits kurz vor der Hochzeit steht....
Matteo, der einzige männliche Protagonist in dem Roman, der sehr einfühlsam und sanft die einzelnen Charaktere zeichnet, spielt eine besondere Rolle: Sein Hauptanliegen ist es, niemanden zu verletzen - doch eine Entscheidung zu treffen, ist für ihn sehr schwer. Ada und Giulia sind zwei sehr unterschiedliche Frauen: während Ada sehr in ihren Traum- und Märchenwelten gefangen scheint, wirkt Giulia sehr lebenserfahren, geradlinig und pragmatisch. Sie ist - im Gegensatz zu Ada - auf der Sonnenseite des Lebens aufgewachsen, in einer wohlbehüteten und gutsituierten Kindheit mit sie sehr liebenden Eltern. Ada hingegen hatte nur ihre Großmutter, die sie mit eigenen Defiziten infizierte; etwa damit, dass sie niemals Fragen stellen sollte und alles als gegeben hinnehmen solle. Teresas 'zurückstecken können' entstand durch die Benachteiligung gegenüber ihren Brüdern und so lernte sie bereits "in den Kinderschuhen", dass sie an zweiter Stelle kam: Allerdings bewahrte sie sich ein tiefes Gefühl für "die kleinen Glücke" und rebellierte auf ihre Art: Zwei Dinge spielten für sie eine wesentliche Rolle: Ihr Lippenstift und ihre Tanzschuhe.
Während Teresa ins Koma fällt, wird Adas Beziehung zu Matteo obsessiv, ihr Abhängigkeitsverhältnis größer: Sie fürchtet um den unweigerlichen Verlust der Großmutter, der unweigerlich bevorsteht. Dieser Verlust und die Momente nach dem Tod Teresas werden von Evita Greco sehr authentisch und nahegehend (so man dieses erlebt hat, was bei mir der Fall ist) beschrieben und Ada hält sich trotz eines weiteren Schicksalsschlages sehr tapfer.
Am unsympathischsten fand ich die Figur von Matteo - er nutzt die Kraft und die Stärke beider Frauen für sich selbst, wenn er auch wohl auf seine Art beide liebt: Am Romanende gibt es unvorhersehbare Wendungen, die mich teils überraschten und die ich mir etwas anders gewünscht hätte - im Falle von Ada. Andererseits endet er sehr positiv und das fortwährende "Lächeln" steht für eine positive Zukunft, die ich nach dem Zuklappen dieses lesenswerten und auch mitunter nachdenklich stimmenden Romans Ada sehr wünsche. Ergreifend und lebensklug fand ich den Brief Teresas - der Ada über ihren Tod hinaus Kraft gibt. Stellenweise erinnert mich das Ganze aber auch an eine Art Soziogramm, auf das man sich als LeserIn einlassen sollte.

Fazit:
Ein Roman der leisen Töne, der doch tiefe und starke, sehr authentische Gefühle der drei (mit Teresa vier) Hauptprotagonisten "offenlegt"; der an Schmerzgrenzen geht, aber all' das Schöne, Verstehende zwischen Menschen (und in der Liebe) nie aus dem Blick verliert, diese zum Zentrum erklärt und zur Kernbotschaft der Lebensreisen von Ada, Matteo und Giulia macht. Von mir gibt es mit einem Dankeschön an den Thiele-Verlag 4* und 89° von 100 auf der Werteskala der "Belletristik-Couch".