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Veröffentlicht am 19.02.2025

Panama in tiefen Atemzügen

Der große Riss
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Ein Riss geht durch Paname. Der physische wächst von beiden Ufern des Landes jeden Tag ein Stück bis der Panamakanal als neues Nadelöhr der Schifffahrt entsteht. Der zweite Riss, viel feingliedriger, dringt ...

Ein Riss geht durch Paname. Der physische wächst von beiden Ufern des Landes jeden Tag ein Stück bis der Panamakanal als neues Nadelöhr der Schifffahrt entsteht. Der zweite Riss, viel feingliedriger, dringt viel subtiler und dennoch viel schneller voran. Er geht durch die Gesellschaft, durch Familien, teilt diejenigen, die im Bau des Panamakanals eine Chance für eine blühende Zukunft sehen und diejenigen, die die bisherige Suveränität Panamas und das lokale Lebensgefühl bedroht sehen. Gleichzeitig bringt er auch Klassenkämpfe in ein Land, dass bisher Rassismus nicht in solch einer Form gekannt hat.

Die Geschichte dreht sich nicht so sehr um den Bau des Kanales, die technischen Details, Baufortschritt und die wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten. Viel mehr begleiten wir eine Reihe an Menschen, die in irgendeiner Form mit dem Bau in Berührung kommen bzw. nach Panama gekommen sind. Arbeiter aus anderen tropischen Gefielden, die hier unter harschen Bedingungen schuften müssen, ein Bauwerk entstehen lassen, für dass sie letztendlich keinerlei Ruhm, Dank und Anerkennung bekommen, oder aber die Frau eines amerikanischen Forschers, der versucht die grassierende Malaria auszurotten, aber es nicht schafft aus seinem Schatten auszubrechen und ihr eigenes Leben zu leben. Aber auch die lokale Bevölkerung, die sich eigentlich nicht mit dem Bau auseinandersetzen will, bis die eigene Heimat oder Familie betroffen ist.

Die Autorin ist dabei sehr gut darin, die verschiedenen Protagonist:innen authentisch, interessant und vor allem tiefgründig und vielschichtig erscheinen zu lassen. Auch wenn wir viele verschiedene Personen durch die Geschichte begleiten wird einem einerseits nie langweilig, außerdem steht jede der Figuren so stark für sich alleine, dass man nicht das Gefühl hat, dass sich mehrere Personen charakterlich sehr stark ähneln. Ängste, Träume und vor allem die Hintergründe, was die Personen dazu gebracht hat, meist alleine aufzubrechen, um nach Panama zu reißen, werden detailiert erkundet. Es fällt einem nicht schwer, nicht mit den Protagonist:innen mitzufiebern, und auch bei denjenigen, die meines Erachtens nach als schlechte Menschen konzipiert wurden, regen Mitgefühl und es stellt sich heraus, dass es einen Grund gibt, warum sie tun, was sie tun und von uns als bösartig wahrgenommen werden.

Die Handlungsstärnge ziehen sich nur über einen recht kurzen Zeitraum von mehreren Monaten. Kurz gerade im Hinblick darauf, dass wir Beginn und Fertigstellung des Baues nur in kurzen Annektoten geschildert bekommen. Jede der Personen geht nach diesem Zeitraum - sofern möglich - wieder ihre eigenen Wege, ich hätte mir aber Interaktion über einen längeren Zeitraum gewünscht. Ich glaube zwar, dass das Buch dadurch zu lange gestreckt worden wäre und nicht mehr so kurz und kompakt funktioniert hätte. Es fühlt sich ein wenig wie ein tropischer Fiebertraum an, aus dem man erwacht, weil man muss, aber gerne wieder zurück eingetaucht wäre.

Und so zeichnet sich das Buch durch sein histroisches Wissen zu den Anfangsjahren Panamas und bunte, vielschichte Erzählweise aus. Ein kurzer, prägnanter Eindruck von Menschen und Land, bei dem man sich gewünscht hätte, er möge noch ein Stückchen weitergehen.

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Veröffentlicht am 06.02.2025

Racism is quirky

Belmont Park
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Südstaatenromane sind ja so ein Thema. Vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, ich lese sie dennoch recht gerne - unter der Bedingung, dass sie nicht zu schnulzig sind und ein Mindestmaß an Kontextualisierung ...

Südstaatenromane sind ja so ein Thema. Vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, ich lese sie dennoch recht gerne - unter der Bedingung, dass sie nicht zu schnulzig sind und ein Mindestmaß an Kontextualisierung von Sklaverei und Rassismus stattfindet. Dementsprechend kommt es leider recht selten vor, gerade bei Unterhaltungsromanen aus dem 20. Jahrhundert, dass ich so einen Roman finde, der mich von vorne bis hinten begeistert.

In diesem Roman geht es um das Eheleben der Lavinia DeLong, die in die Reiche Pflanzeraristokratie South Carolinas einheiratet. Aufgewachsen als Tochter eines Anwalts aus Boston entspricht sie nicht den Wünschen ihrer Schwiegermutter und muss auch erst in der Gesellschaft erst einmal ihren Platz erkämpfen. Die Handlung erstreckt sich dabei über gut 30 Jahre bis in die Rekonstruktionsära, den Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg.

Schreibstiltechnisch hat mich Ashley Carrington überzeugen können. Der Roman ließt sich leicht und locker, keine sonderlich literarische Sprache, erzeugt dennoch genug Atmosphäre, um in die Geschichte und in Glanz und Glorie des alten Südens einzutauchen. Die namensgebende Plantage Belmont Park und die Pracht Charlestons werden schön beschrieben, und vor allem vom gesellschaftlichen Ritus, Veranstaltungen und dem städtischen Leben der Pflanzeraristokratie bekommt man sehr viel mit.

Die Protagonist:innen konnten mich leider wenig überzeugen. Bei den Dingen die Lavinia tut reicht es bei mir von Genervtheit und Unverständnis hin bis zu Verachtung. Sie ist unglaublich naiv, rachsüchtig, und vor allem ein Paradebeispiel der Doppelmoral. Im ersten Teil des Buches geht es vornahmlich darum, dass Lavinia versucht sich gegen ihre Schwiegermutter zu beahupten, die als richtiger Besen und Antagonistin vermarktet wird. Machtkämpfe, Weinen, wie unfair sie doch behandelt wird, und Bibelzitat-Wettkämpfe enden damit, dass irgendwann Waffenstillstand geschlossen wird, und sich das Buch einem neuen Thema zuwenden muss. Und so übernimmt Lavinia die Herrschaft über Belmont Park. (Die Möglichkeit, hier tiefer in den Alltag einer Frau einzutauchen, die ein ganzes Herrenhaus managen muss, wird hier schön übersehen.) Und im Endeffekt stellt sich heraus, dass Lavinia genau die gleiche Pisgurn wie der Drachen ist, gegen den wir beim Lesen alle mitfiebern hätten sollen.

Was mir aber mitunter am meisten aufgestossen ist, ist die Tatsache, dass Lavinia in Boston, in New England, in der Hochburg des Abolitionismus und der Free Soil Bewegung aufgewachsen ist. Noch dazu als Tochter eines Anwaltes gerade zu derjenigen gebildeten Bevölkerungsschicht gehört, die eine sehr Starke Meinung zur Thematik der Sklaverei hat. Nicht so Lavinia. Die Guteste versucht in ihrer Naivität einem Sklavenjungen das Lesen beizubringen und bekommt bekommt die dementsprechende rüde Zurechtweisung. Ihr wird dann erklärt, wie gut es den Sklaven im Süden geht, und dass diese nicht dafür gemacht seien zu lesen, frei zu sein und Bildung zu bekommen. Das hier, meine Damen und Herren, war dann auch schon die einzige Auseinandersetzung, die Lavinia mit der "besonderen Institution hat. Ich hatte ja erwartet, dass neben dem Kampf der heiligen Lavinia gegen den Schwiegerdrachen (der ironischerweise Georgina heisst), der zweite tonangebende Plot eine Auseinandersetzung mit Sklaverei als Konsequenz des AUfeinanderprallens zweier Welten sein wird. Nicht so mit Ashley Carrington. Unser guter Autor denkt sich: "Racism is quirky" und macht seine Hauptfigur zur Vorkämpferin des Reaktionsismus. Immer wieder kann man sich anhören, wie gut es die versklavten Menschen im Süden im Vergleich zu den Lohnarbeitern in den Industriebetrieben des Nordens hätten. Durchaus ein valider Point, Selbstreflexion wäre dennoch angebracht. Der Gipfel der Gefühle wird dann aber mit dem Ende des Buches erreicht: Lavinia muss mit ihrer klugen Art und Wortgewandtheit die Plantage vor der Zerstörrung durch brandschatzende Yankees retten! Emotional wird darüber Lamentiert wie gut es die Sklaven hier haben - dazu passendes Bildmaterial wird herumgereicht - , und dass sie persönlich und die Leute von Belmont Park persönlich den USA keinen Krieg erklärt hatten. Der guten Lavinia kommt es nicht in den Sinn, dass sie als Teil der Bevölkerungsschicht, die mit ihrer politischen Geltungssucht und wirtschaftlich eklatanten Defiziten den gesamten Süden in den Krieg gestürzt hat, eventuell nun die Konsequenzen zu tragen hätte. Dannach wird weitergemacht wie bisher. Cotton is King, Pflanzeraristokratie forever. Lavinia bzw. der Autor haben dann sogar noch die Frechheit, mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Südens und der Rekonstruktionsära, dem wirtschaftliche und sozialen Leid, dass die weiße Bevölkerung durchmachen muss, den eigenen Rassismus gegen die nun befreite dunkelhäutige Bevölkerung rechtzufertigen.

Nicht nur das Lavinia Sklaverei geil findet, auch beim Autor hatte ich dieses Gefühl zeitenweise. So spielen dunkelhäutige Personen im Buch höchstens eine Statistenrolle, die zeigen soll, den Sklaven auf Belmont Park geht es Besser als dem Rest der Welt. Schleimend, lächelnd, buckelnd. Außer natürlich die zeitweilige Kammerdienerin Lavinias, die ganz dem Narativ entspricht, Schwarze wären faul, hinterhältig und gemein.

Den Satz an Nebenfiguren kann man leider auch vergessen: Lavinias Mann ist uninteressant und rückgradlos, bei Onkel Stuart wird immer wieder angedeutet, dass er einen etwas anderen Blick auf die Sklaverei hat, was leider nie weiter aufgegriffen wird, und die beiden Tanten sind sich so ähnlich, dass sie sich nur darin unterscheiden, dass die eine die ganze Zeit Bibelzitate bringt und die andere irgendwann stirbt. Dann gibt es eine Reihe von Freundinnen, die immer wieder mal durchs Bild rauschen, aber keinen wirklichen Beitrag zur Handlung haben und auch eine Brieffreundin, von der man aber nichts mitbekommt, außer dass sie existiert und man sich Lavinias Briefe an sie durchlesen darf. Sterben ist bei den ganzen Randfiguren generell so eine Sache. Nachdem man lange nichts mehr von ihnen gehört hat, taucht plötzlich als Randnotiz auf, dass sie verstorben sind. Man hätte hier definitiv sich auf wenigere Nebenfiguren konzentrieren können, diese facettenreicher gestalten und stärker in die Geschichte miteinbinden können, und vor allem nicht alle umbringen!

Verabschiedet haben sich auch Logik und Konsistenz der Handlung. Immer werden kleine Handlungsstränge oder nur einzelne Episoden in die Geschichte miteingebunden, die dann nie wieder aufgegriffen werden und auch so absolut keine Relevanz für die Handlung haben. So hatte Lavinia eine Kammerzofe, die mit ihr aus Boston hierhergekommen war, irgendwann den Aufseher der Plantage geheiratet hatte, und mit ihrer Familie bei Ausbruch des Krieges in die Ferne zog. Never to be mentioned again. Abgeseh davon wurde scheinbar kein neuer Aufseher eingestellt. Oder auch hat Lavinia ganz am Anfang ihrer Zeit in Belmont Park das Garteln für sich entdeckt, macht es dann nie wieder oder auch ihr dringender Wunsch reiten zu lernen verspricht zwar neue Handlungsmöglichkeiten, wird dann aber nie wieder erwähnt.

In Teilen war das Buch interessant und unterhaltsam, die Figuren haben allerdings ihren Teil dazu beigetragen, warum mir das Buch als widerwertig in Erinnerung bleiben wird.


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Veröffentlicht am 05.11.2024

weihnachtliche Liebesgeschichte für junge Leute

Luis & Dima - Forever our beginning
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Dima kommt zusammen mit seiner Mutter neu in das Städtchen Fontainbridge. Schnell stellen die beiden fest, dass sich hier scheinbar alles um Weihnachten zu drehen scheint. Und so sind auch die Winters, ...

Dima kommt zusammen mit seiner Mutter neu in das Städtchen Fontainbridge. Schnell stellen die beiden fest, dass sich hier scheinbar alles um Weihnachten zu drehen scheint. Und so sind auch die Winters, die Nachbarfamilie, fanatische Weihnachtsfans und Luis, der Sohn der Familie meldet sich rasch als Tourguide, um Dima in die weihnachtlichen Traditionen der Stadt einzuweihen. Schnell kommen die beiden sich näher, doch während Luis mit sich und seiner Identität im Reinen ist, scheint Dima noch ein wenig in der Selbstfindungsühase festzustecken.

Gerade habe ich viel Stress rund um mich herum und habe dringend was gebraucht, was mich leicht unterhaltet und wo ich den Kopf ausschalten kann. Einfach etwas fürs Herz. Und in diesem Roman findet man sehr gut auch soetwas. Nur bin ich wahrscheinlich schon ein wenig zu alt für die Geschichte. So hat mir das Setting leider nicht ganz so gut gefallen. Es war mir viel zu viel Bling-Bling und Weihnachtskitsch. Nußknacker-Dekorier-Wettbewerb und andere Wettbewerbe, die nicht das Weihnachten repräsentieren, dass ich persönlich feiere und mich dementsprechend auch kaum in Weihnachtsstimmung versetzen konnten. Auch hätte die Kleinstadt abseits von Weihnachten ein wenig mehr Charakter und Substanz vertragen, denn sie war für mich ansonsten nur recht schwer greifbar.

Das gleiche gilt auch für den Großteil der handelnden Figuren. Dima und Luis sind ganz okay, einigermaßen gut beschrieben und gerade Dima macht auch eine interessante Charakterentwicklung durch. Aber der Rest der Figuren war für mich zu sehr ein Einheitsbrei, bzw. manche insbesondere Hannah und Alec, die besten Freunde Luis' waren für mich zu klischeehaft und teilweise ein wenig nervtötend. So richtige Besties aus Jugendfilm und -buch, mit denen im echten Leben aber glaube ich kaum jemand großartig etwas anfangen könnte.

In der Mitte des Buches fand ich die Geschichte auch ein wenig zäh, der Autor hat stellenweiße Spannungspotential verschenkt. Gerade aber das Ende war dann doch sehr angenehm und wohltuend, und hat ein paar Überraschungen, manche mehr manche weniger erwartbar mitgebracht.

Insgesamt ein tolles Buch für die kuschelige Weihnachtszeit und gerade für Teenager sehr zu empfehlen. Ich habe mich halt alterstechnisch nicht mehr ganz angesprochen gefühlt.

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Veröffentlicht am 02.10.2024

Zwiegespalten

Antichristie
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Durga, halb Inderin, halb Deutsche, hat gerade ihre freiheitsliebende Mutter verloren, als sie nach London kommt, um an einer Neuverfilmung eines Poirot-Filmes mitzuarbeiten. Dieser soll ganz im Zeichen ...

Durga, halb Inderin, halb Deutsche, hat gerade ihre freiheitsliebende Mutter verloren, als sie nach London kommt, um an einer Neuverfilmung eines Poirot-Filmes mitzuarbeiten. Dieser soll ganz im Zeichen des Postkolonialismus und der Aufarbeitung rassistischer Stereotype stehen. Für viele der Brit:innen, die gerade den Tod ihrer Queen zu betrauern haben, kommt nun dieser vermeindliche Angriff auf ihre geheiligte Agatha Christie wie ein Angriff auf ihr Leben selbst. Und so muss sich Durga nicht nur mit ihrer eigenen Trauer auseinandersetzen, sondern auch mit Menschen, die kaum dazu bereit sind, über die porblematischen Aspekte ihres Kulturgutes zu diskutieren. Doch plötzlich findet sie sich im Jahr 1906 wieder, im India House, umgeben von Kämpfern für die indische Unabhängigkeit.

Ich fand die Idee ganz hervorragend, die heutigen Diskussionen über Kolonialismus bzw. Postkolnialismus den Vorstellungen und Sichtweisen der Freiheitskämpfer, die noch mitten in diesem Kolonialismus feststecken, gegenüberzustellen und so die Möglichkeit zu schaffen, diese direkt zu vergleichen. Vor allem weil der Klappentext gerade was die Handlung in der Vergangenheit angeht, durchaus rasant und handlungstechnisch spannend zu versprechen scheint. Allerdings hat gerade die erste Hälfte des Buches ein ganz substanzielles Problem. Die Handlung dreht sich nur um die Vorstellung von mehr oder minder wichtigen Figuren, vor allem im kolonialen Handlungsstrang, und aus sehr vielen Diskussionen über Indien, die richtige Form des Widerstandes, die Frage nach Identität und Religion und noch viel mehr. Zu lesen durchaus interessant, da einerseits neue Aspekte zum indischen Freiheitskampf und vor allem auch zu dessen postkolonialer Entwicklung, insbesondere des Hindutva thematisiert werden. Allerdings fehlte es an sonstiger Handlung, ganz einfach. Man handelt sich quasi von Podiumsdiskussion zu Podiumsdiskussion, hin und her zwischen Indiahouse, 1906 und den Drehbuchautor:innen 2022. Die Autorin versäumt hier definitiv die Gelegenheit, der Geschichte mehr Tiefe zu geben, neben dem informierenden Aspekt auch noch Spannung miteinzubauen. Das sie es kann, beweist sie ja in der zweiten Hälfte des Romanes. Hier bekommt gerade der historische Handlungsstrang Fahrt und ein Ziel, auf dass er zuzusteuern scheint. Über das ganze Buch erstreckt sich aber meine Verwirrung, bzw. abwartende Haltung, wie sich der Zusammenhang zwischen Handlung in den Jahren 2022 und 1906, und Durgas Mutter ergibt. Diese spielt zwar immer wieder eine Rolle und wird von Durgas Gedanken- und Gefühlswelt immer wieder aufgegriffen, das Buch hätte meiner Meinung nach aber auch sehr gut ohne der Mutter funktioniert.

Neben der inhaltlichen Einseitigkeit hatte ich allerdings auch die eine oder andere Schwierigkeit mit den Figuren. Egal ob im India House oder im Kollegium Durgas, wir begenen zwar ständig den gleichen Figuren, allerdings musste ich immer wieder am Ende des Buches in den Personenbeschreibungen, oder dem Cast, wie es hier kreativ genannt wird, nachzuschauen, mit wem ich eigentlich gerade interagiere. Denn leider verschwimmen diese bis auf wenige Ausnahmen recht stark zu einem Einheitsbrei. Und so habe ich mir durchaus die Frage gestellt, ob nun ein Mangel an charakterlicher Tiefenzeichnung durch die Irrelevanz für die Handlung oder mangelnde Fähigkeiten der Autorin gegeben sind. Wie dem auch sei, mit Durga, bzw. ihrem Pendant im Jahr 1906 wurde ich auch nicht so richtig warm. Stellenweise kommt sie mir dann doch sehr naiv vor und hat mich zeitenweise doch ziemlich genervt. Dadurch, dass sie die Hauptfigur ist, haben wir jedoch deutlich mehr Substanz, als bei den anderen Protagonist:innen, gerade dadurch, dass wir einen mehr oder minder starken Prozess der Reflektion erleben. Und auch den Leser:innen wird vor Augen geführt, wie Theorien zur Revolution und damit einhergehenden moralischen Aspekten auf die Probe gestellt werden. So stellt sich sicherlich nicht nur Durga die Frage, ob pazifistischer Widerstand nicht gerade dadurch menschenverachtend und falsch ist, dass er ein mindestmaß an menschlichen Kollateralschäden erfordert.

Ansonsten maschieren mehr oder minder bekannte Persönlichkeiten der Geschichte, der Literatur und der damaligen gesellschaftlichen Bewegungen durch das Bild. So machen wir Bekanntschaft mit Ghandi, Sherlock Holmes und den Suffragetten. Manchmal cringe, aber insgesamt ziemlich amüsant und auflockernd.

Insgesamt hört sich das ganze jetzt ziemlich negativ an, trotz all der Mängel hat das Buch dennoch sehr stark zum Nachdenken angeregt und mich gerade in der zweiten Hälfte auch sehr gut unterhalten. Und am Ende, nachdem ich das Buch zugeklapt und beiseite gelegt habe, hat ein gutes und angenehmes Gefühl nachgehallt. Und auch wenn ich einige Abstriche machen musste, so kann ich das Buch gerade wegen dem Inhalt sehr empfehlen, muss allerdings sagen, dass ein wenig Vorwissen zum Hindutva oder auch zu den Versuchen der indischen Unabhängigkeit vor dem Ersten Weltkrieg sehr von Vorteil sind.


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Veröffentlicht am 31.08.2024

Eine Durststrecke

Die Hexe von Nassau
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Hexenverfolgung ist ein Subgenre innerhalb der historischen Romane, das vor gut 10 Jahren zu Hauf ausgeschlachtet wurde, und auch wenn ich nicht besonders viel dazu gelesen habe, war dennoch dieser Roman ...

Hexenverfolgung ist ein Subgenre innerhalb der historischen Romane, das vor gut 10 Jahren zu Hauf ausgeschlachtet wurde, und auch wenn ich nicht besonders viel dazu gelesen habe, war dennoch dieser Roman für mich immer eine Art aushängeschild. Darüber hinaus vertraue ich dem Knaur-Verlag sehr was deren Verlagsprogramm bezüglich historischer Romane anbelangt. Und dementsprechend hatte ich mehr oder minder die Erwartung, einen absoluten Banger vor mir zu haben.

Leider musste ich aber schon auf den ersten 100 Seiten erkennen, dass dem nicht so war. Langeweile ist es, was mir am stärksten missfallen hat. So würde man meinen, dass Hexenverfolgung, Folter und Mord, und auch der Hauch einer aufblühenden Liebe genug Spannung in die Geschichte bringen würden. Dem ist aber weit gefehlt. Die Autorin hält sich bei Beschreibungen von Hinrichtungen und Folter zurück, soweit nicht so schlimm, wenn es die Protagonistin geht, wird aber drei mal hintereinander die gleiche Szene gebracht, ohne dass sich auch nur ansatzweise irgendetwas ändern würde. Die Langeweile wurde mir dann zu viel und ich pausierte das Buch für mehrere Monate, um letztendlich festzustellen, dass die zweite Hälfte nicht viel spannender ist, als die erste. Ansonsten passieren noch ein paar Iny-Lorentz-Stile Zufallsbegegnungen und Schicksalserrettungen, von denen ich zwar kein Fan bin, die aber dennoch gut in einen Roman dieses Genres passen können. Hier war mir das ganze dann aber ein wenig zu viel.

Neben der Langeweile hatte ich auch mit den Protagonist:innen zu kämpfen. Die Autorin verzichtet nämlich großzügig darauf, diese mit einem interessanten Wesen und einem facettenreichen Charakter auszustatten. Katharina sticht aus der Langeweile nur heraus, dass sie nervig und naiv ist, die beste Freundin hätte man getrost weglassen können, und bei einem Teil der Protagonist:innen war ich mir nie gerade sicher, um wen es sich eigentlich gerade handelt, weil diese sich einfach so sehr ähnelten, dass sie zu einem Einheitsbrei verschwammen.

Kurzum, Langeweile und schlechte Charaktere auf 640 Seiten. Die Zeit kann man definitv besser investieren.

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