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Veröffentlicht am 05.11.2020

eine fantastische, durchweg spannende Fortsetzung, mit der es Christelle Dabos definitiv mehr als einmal gelingt den Leser zu überraschen

Die Spiegelreisende 3 - Das Gedächtnis von Babel
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Mit Die Spiegelreisende – Das Gedächtnis von Babel hat die französische Autorin Christelle Dabos erneut eine fantastische Fortsetzung geschrieben, die auf jeden Fall mit den beiden großartigen Vorgängern ...

Mit Die Spiegelreisende – Das Gedächtnis von Babel hat die französische Autorin Christelle Dabos erneut eine fantastische Fortsetzung geschrieben, die auf jeden Fall mit den beiden großartigen Vorgängern mithalten kann, obgleich man Thorn während seiner Abwesenheit schmerzlich vermisst, ebenso wie einige der anderen lieb gewonnenen Nebencharaktere vom Pol sowie der Arche Anima, die im dritten Band nur ausgesprochen selten auftauchen und somit eigentlich viel zu kurz kommen, was sich im finalen vierten Band dann hoffentlich wieder ändern wird. Dafür kommen mit Blasius, Ambrosius und Octavio aber immerhin ein paar neue interessante Charaktere hinzu, die im Verlauf der Geschichte für die eine oder andere Überraschung gut sind und Ophelia in Babel zu Seite stehen. Nachdem ihre Freunde Ophelia die Flucht von Anima ermöglicht haben, hat sie nämlich beschlossen allein dorthin zu reisen und sich dort unter falscher Identität auf die Suche nach Thorn zu begeben, in der Hoffnung, dass er bei seinen Recherchen zu dem gleichen Schluss gekommen ist und dort ebenfalls noch Antworten sucht, wobei es Ophelia mindestens genauso sehr – wenn nicht sogar noch mehr – darauf ankommt Thorn zu finden wie Gottes Geheimnisse zu enthüllen.
Zwischen den letzten Ereignissen des Vorgängers und dem Beginn des dritten Bandes liegen mehr als zwei Jahre, die Ophelia zwar bei ihre Familie, jedoch vor allem mit heimlichen Nachforschungen verbracht hat. Viel mehr erfährt man über diese Zeitspanne nicht und aufgrund der wenigen Ereignisse ist es vermutlich sogar ganz gut, dass die Autorin diese Phase überspringt und stattdessen erst in dem Moment ansetzt, in dem die Handlung ziemlich schnell wieder Fahrt aufnimmt. Dank der einführenden Zusammenfassung der bedeutsamsten bisherigen Ereignisse sowie des Umstands, dass Christelle Dabos eingangs noch einmal auf die wichtigsten Aspekte eingeht, kommt man als Leser ohne Probleme wieder gut in die Geschichte hinein und ist vom ersten Moment an wieder so gefesselt, dass die Seiten nur so dahin fliegen.

Mit ihrer Entscheidung allein zu einer fremden, ihr völlig unbekannten Arche zu reisen, um dort nach Thorn zu suchen und Gott die Stirn zu bieten, beweist die Protagonistin Ophelia erneut viel Mut und Entschlossenheit. Trotz aller Widrigkeiten lässt sie sich nie unterkriegen und hält tapfer durch, wofür man sie einfach lieben muss. Auf der anderen Seite ist sie manchmal aber auch ziemlich naiv, wenn sie glaubt so leicht an die gewünschten Antworten zu gelangen – Optimismus ist dafür gar kein Ausdruck.

Mit der Arche Babel kommen ein neuer Schauplatz und eine völlig neue, fremde Kultur hinzu, die sich kaum stärker vom Pol oder Anima unterscheiden könnte. Auf Babel gibt es nahezu für alles strenge Vorschriften, selbst eine allgemeingültige Kleiderordnung. Gewalt wird hart bestraft, sodass Unfälle und Krankheiten als die einzigen Todesursachen gelten. Die meisten Bewohner halten sich peinlich genau daran und betrachten sich als so moralisch unfehlbar, dass sie offensichtliche Verbrechen als unglückliche Zufälle abtun, weil das Gegenteil schlicht nicht zu ihrem Weltbild passt. Sie sind demzufolge extrem leichtgläubig und hinterfragen oder zweifeln nie an etwas. Das macht sie zum Teil sehr unfreundlich sowie selbstbezogen und sorgt für eine große Kluft zwischen den verschiedenen Menschen, die mehr oder weniger in Bürger und Gabenlose unterteilt werden. Jene mit Gaben sehen unfairerweise beinahe ausnahmslos auf letztere herab, obwohl man keinerlei Einfluss darauf hat.

Gottes Handlanger sind auch auf Babel aktiv dabei geschichtliche Wahrheiten zu manipulieren und die Überbleibsel des vergangenen Krieges auszumerzen. Schon allein das Wort „Krieg“ steht auf dem Index, darf daher also nicht verwendet werden, und die Zensoren berauben die Menschen Stück für Stück ihrer Vergangenheit. Der Familiengeist Pollux scheint ebenfalls nichts weiter als eine Marionette zu sein. Auf Helene trifft das hingegen nicht zu, allerdings ist sie nur schwer zu durchschauen, sodass man letztendlich nicht sicher weiß, auf wessen Seite sie wirklich steht.

Erzählt wird der dritte Band die meiste Zeit aus Ophelias Sicht. Daneben gibt es jedoch auch ein paar einzelne, anfangs gewöhnungsbedürftige Szenen aus der Perspektive von Viktoria, die kurze Einblicke in die Ereignisse auf dem Pol gewähren sowie in Gottes dortige Machenschaften. Im Finale könnte die Tochter von Berenilde und Faruk dann vielleicht sogar eine noch größere Rolle spielen, das Ende lässt dies zumindest vermuten.

Auf das Wiedersehen zwischen Thorn und Ophelia muss man relativ lange warten, zudem ist es leider völlig anders als erhofft. Statt mit Nähe wird man mit einer scheinbar unüberwindlichen Distanz konfrontiert und die beiden brauchen aufgrund einiger Missverständnisse sehr lange, um diese schließlich zu überbrücken. Sein Starrsinn und ihre Unfähigkeit offen über ihre Gefühle zu sprechen verhindern somit lange, dass sie zusammen finden, obwohl sie einander längst lieben. Am Ende wird man für dieses ewige Hin und Her aber zum Glück entschädigt und im vierten Band sind die beiden hoffentlich sowohl ein Paar als auch ein gutes Team.

Was die eigentliche, durchweg mitreißende Handlung betrifft, so überschlagen sich die Ereignisse im letzten Viertel geradezu und Ophelia findet tatsächlich endlich ein paar Antworten. Als Leser ist man hinterher allerdings nicht wirklich schlauer, sondern eher verwirrt, weil man viele Informationen noch nicht richtig einzuordnen vermag. Man kann nur hoffen, dass Die Spiegelreisende – Im Sturm der Echos diesbezüglich dann etwas Licht ins Dunkel bringt. Vielleicht hat die Autorin das genau so beabsichtigt, um den Leser bis dahin auf die Folter zu spannen.

Am Ende erwarten einen schließlich zwei gewaltige Cliffhanger, die einen sprachlos zurücklassen und das Warten auf das große Finale nahezu unerträglich machen. Man hat also kaum Gelegenheit sich über eine gewisse positive Entwicklung zu freuen, da die letzten Seiten das Herz fast zum Stillstand bringen, weil man kaum fassen kann, was gerade geschehen ist und man sich darüber hinaus so sehr um das Wohl einer bestimmten Figur sorgt. Insofern ist man direkt froh darüber, dass der vierte Band sogar noch einhundert Seiten mehr umfassen soll, denn von dieser faszinierenden Welt und ihren Charakteren kann man einfach nicht genug bekommen.

FAZIT
Die Spiegelreisende – Das Gedächtnis von Babel ist eine fantastische, durchweg spannende Fortsetzung, mit der es Christelle Dabos definitiv mehr als einmal gelingt den Leser zu überraschen. Das Ende verschlägt einem wirklich die Sprache und es scheint ein vielversprechendes, aufregendes Finale bevorzustehen, dessen Erscheinen man nun kaum noch erwarten kann.

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Veröffentlicht am 05.11.2020

der fesselnde Beginn eines ereignisreichen, düsteren Weltraumabenteuers

Die Krone der Sterne (Comic). Band 1 (von 3)
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Die Krone der Sterne – Nachtwärts ist der Auftakt zu einer packenden Space Opera mit interessanten Charakteren und kosmischem Setting, auf deren weiteren Verlauf man am Ende definitiv schon sehr gespannt ...

Die Krone der Sterne – Nachtwärts ist der Auftakt zu einer packenden Space Opera mit interessanten Charakteren und kosmischem Setting, auf deren weiteren Verlauf man am Ende definitiv schon sehr gespannt ist.
Der Graphic Novel beginnt mit einer kurzen Einführung in die Welt, in der Geschichte spielt, wobei zwei Seiten in diesem Fall tatsächlich zu wenig sind, um alle Zusammenhänge zu verstehen. Man bekommt also nur einen sehr groben Überblick geliefert, der zahlreiche Fragen aufwirft bzw. offen lässt, dadurch aber zugleich auch sehr neugierig macht. Nach und nach lassen sich immer mehr Puzzleteile zusammenfügen, doch das Gesamtbild hat am Ende noch immer einige Lücken, sodass man nach wie vor mehr über diese interstellare Welt erfahren möchte. Das gilt nicht unbedingt für die technischen Feinheiten bezüglich der Raumschiffe oder Ähnlichem, diese sind einem im Zweifel genauso egal wie dem Autor, sondern für die Welt als solche, die Gesellschaft, die Machtstrukturen, die Völker, etc., denn da kratzt man bislang nur an der Oberfläche.

Die Hauptfiguren, darunter Iniza und Shara, sind einem nicht unsympathisch oder gleichgültig, eine richtige Bindung kann man zu ihnen in diesem ersten Band allerdings noch nicht aufbauen. Dafür weiß man einfach noch zu wenig über ihre Motive, Hintergründe und Charakterzüge. Schön ist insofern aber auf jeden Fall, dass bislang gleich zwei starke weibliche Figuren eine tragende Rolle spielen. Die beiden brauchen zwar auch manchmal Hilfe von anderen, sind jedoch gewiss keine Jungfrauen in Nöten, die auf ihren Prinzen auf einem weißen Pferd warten, der sie rettet.

Der erste Band umfasst nur knapp fünfzig Seiten und ist damit ziemlich kurz, weshalb der Auftakt insgesamt nur recht wenig Handlung bietet. Das Buch fühlt sich daher eher wie die erste Folge einer längeren Staffel einer Serie als wie der erste Film einer mehrteiligen Reihe an. Im Prinzip sind die Figuren die ganzen Zeit über nur auf der Flucht, was zwar spannend mitzuerleben ist, aber nicht genügend Stoff für ein fundiertes Urteil über die Geschichte bietet, da die eigentliche Handlung auf der letzten Seite erst zu beginnen scheint. Um weiterlesen zu wollen, reicht dieses erste Kapitel jedoch durchaus, zumal am Ende unzählige Fragen offen bleiben, deren Antworten man gern noch herausfinden möchte.

Illustriert wurde der Graphic Novel von Ralf Schlüter, der sich unter anderem an den Zeichnungen von Jens Maria Weber, dem Illustrator der Romane, orientiert hat. Sein Stil ist detailliert, aber eher maskulin als filigran, insbesondere im Hinblick auf die Darstellung der Charaktere. Farblich ist die gesamte Geschichte sehr dunkel gehalten, was wiederum gut zu der von zahlreichen Kämpfen geprägten düsteren Atmosphäre passt. Die Erbarmungslosigkeit der Welt, die Kai Meyer hier erschaffen hat, spiegelt sich also sowohl inhaltlich als auch optisch in dieser Adaption wieder.

Den Abschluss bilden sechs Seiten mit Bonusmaterial, bestehend aus verschiedenen Skizzen sowie einem interessanten Interview mit dem Autor über die Die Krone der Sterne Trilogie, was ihn dazu bewegt hat sie zu schreiben und welche Zielgruppe er damit ansprechen möchte.

FAZIT
Die Krone der Sterne – Nachtwärts ist der fesselnde Beginn eines ereignisreichen, düsteren Weltraumabenteuers, das einen in eine faszinierende Welt entführt und einen am Schluss gespannt erwarten lässt, was diese Serie wohl noch so alles für den Leser bereit hält.

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Veröffentlicht am 05.11.2020

ein ungewöhnlicher Graphic Novel, der von wenigen einleitenden sowie abschließenden Sätzen abgesehen ganz ohne Worte auskommt

Haunter of Dreams - Die Legenden von Yria
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Haunter of Dreams ist ein ungewöhnlicher Graphic Novel, der von wenigen einleitenden sowie abschließenden Sätzen abgesehen ganz ohne Worte auskommt und daher eher einem Artbook oder dem Storyboard eines ...

Haunter of Dreams ist ein ungewöhnlicher Graphic Novel, der von wenigen einleitenden sowie abschließenden Sätzen abgesehen ganz ohne Worte auskommt und daher eher einem Artbook oder dem Storyboard eines Films ähnelt. Lässt man sich auf diese Besonderheit unvoreingenommen ein, bekommt man ein bildgewaltiges, farbenprächtiges Erlebnis geboten, das seinesgleichen sucht und inhaltlich ein wenig an Sieben Minuten nach Mitternacht von Patrick Ness erinnert – im besten Sinne.
Man begleitet darin den kleinen Jungen Yon, dessen wunderschöner Traum sich langsam in einen echten Albtraum verwandelt, aus dem er tapfer einen Weg hinaus sucht. Zum Glück gibt er nicht auf und sein mutiges Herz hilft ihm schließlich dabei die Schrecken zu überwinden, die ihm aus der Realität in seine Traumlandschaft gefolgt sind, um sie dort in seinem Unterbewusstsein zu verarbeiten. Anfangs rätselt man vielleicht noch, worauf die Autorin hinaus will und was einem die Geschichte nun sagen soll, doch die rührende Auflösung bringt am Ende Licht ins Dunkel, sodass die verschiedenen Elemente der Handlung schließlich ein stimmiges Gesamtbild mit dazugehörigem Aha-Erlebnis ergeben. Plötzlich kann man die Hinweise entschlüsseln und die Zusammenhänge begreifen, die einem bis dahin verborgen geblieben sind.

Im Anschluss an die eigentliche Geschichte klärt Claudya Schmidt den Leser darüber auf, wer Yon ist und welche Rolle er eigentlich in der Welt von Yria spielt, was man der bloßen Geschichte so nicht entnehmen kann, ebenso wenig wie viele der anderen Bezüge, die sie als Erschafferin dieser faszinierenden Welt im Nachwort herstellt. Verbindungen zu Myre bzw. Die Chroniken von Yria sind also zwar vorhanden, aber selbst auf den zweiten Blick und für Leser der Reihe sind diese ohne die abschließenden Erläuterungen allenfalls zu erahnen. Es zeigt jedoch, wie viel die Autorin im Detail über diese komplexe Welt weiß, von der sie mit dem Leser bisher nur kleine Bruchstücke geteilt hat.

Doch am beeindruckendsten ist natürlich wie gehabt das grandiose, unvergleichliche Artwork, dessen Detailreichtum und Farbenvielfalt einen immer wieder in Staunen versetzen. Es ist wahrlich kein Wunder, dass die Arbeit von Claudya Schmidt an jedem einzelnen Werk so lange dauert, aber das Warten lohnt sich allemal. Vermutlich hätte man sogar ganz ohne dahinter stehende Geschichte noch Freude daran sich diese atemberaubenden, absolut sehenswerten Illustrationen anzuschauen.

FAZIT
Wahnsinnig schönen Bilder mit leuchtenden Farben und viel Liebe zum Detail sowie eine rührende Geschichte sind das, was den Graphic Novel Haunter of Dreams ausmachen, in dem man Yon auf einer abenteuerlichen Reise durch seine Traumlandschaft begleitet.

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Veröffentlicht am 05.11.2020

eine süße, unterhaltsame, nicht allzu tiefgründige Liebesgeschichte für zwischendurch

Never Too Close
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Never Too Close ist ein solider New Adult Roman, der zwar nicht unbedingt zu den besten Werken des Genres gehört, abgesehen von kleineren Kritikpunkten jedoch durchaus gut zu unterhalten vermag.
Violette ...

Never Too Close ist ein solider New Adult Roman, der zwar nicht unbedingt zu den besten Werken des Genres gehört, abgesehen von kleineren Kritikpunkten jedoch durchaus gut zu unterhalten vermag.
Violette und Loan sind zwei sehr liebenswerte Protagonisten, mit denen man sich meistens gut identifizieren kann. Sie ist tollpatschig und redet manchmal wie ein Wasserfall, ohne vorher nachzudenken, hat aber auch ein konkretes Ziel vor Augen und arbeitet sehr zielstrebig darauf hin. Er ist überaus charmant, bodenständig und zur Abwechslung kein Bad Boy, sondern ein Good Guy.

Insbesondere über Violette muss man manchmal allerdings ganz schön den Kopf schütteln. Dass ihre Jungfräulichkeit ihr trotz ihres eigentlich noch vergleichsweise jungen Alters von gerade einmal neunzehn Jahren bereits zu schaffen macht und sie diese daher als Last empfindet, kann man noch ganz gut nachvollziehen, auch wenn die ganze Problematik vielleicht besser zum Tragen gekommen wäre, wenn man sie gute zehn Jahre älter gemacht hätte. Dass sie schließlich ihren besten Freund Loan bittet diesbezüglich Abhilfe zu schaffen, kann man ebenfalls verstehen. Dafür, dass sie diese alles andere als gewöhnliche Bitte ständig als kleinen Gefallen abtut und vehement behauptet, dass es keine große Sache sei, hat man dann jedoch keinerlei Verständnis mehr. Zwischen einem simplen freundschaftlichen Gefallen und der eigenen Entjungferung liegen wirklich Welten.

Statt seine erste Antwort zu akzeptieren, setzt sie Loan daraufhin ziemlich unter Druck, noch dazu mit unfairen Mitteln. Hinzu kommt, dass sie währenddessen eigentlich schon mit Clément in einer mehr oder weniger festen Beziehung ist. Wie könnte Sex mit Loan da kein Betrug sein? Es ist immerhin nicht so als würde man mit jemand anderem mal eben üben Walzer zu tanzen, um sich auf einer Hochzeit nicht zu blamieren. Dass sie Clément nicht genug vertraut, um diesen Schritt mit ihm zu wagen, zeigt also nur umso mehr, dass er offensichtlich nicht der Richtige für sie ist. Dem Leser ist er aufgrund diverser sexistischer Äußerungen ohnehin extrem unsympathisch, sodass man sich mehr als einmal fragt, was Violette überhaupt an ihm findet. Darüber hinaus ist Vio in seiner Nähe nie wirklich sie selbst, worauf Loan sie letztlich hinweist, was sie aber natürlich nicht hören will. Sie macht sich selbst etwas vor, braucht jedoch lange, um das einzusehen.

Generell ist die innige Beziehung zwischen Violette und Loan allerdings der größte Pluspunkt des Romans. Die beiden sind unfassbar süß zusammen und können sogar wortlos miteinander kommunizieren. Als Leser weiß man schon lange vor den Hauptfiguren, dass sie füreinander bestimmt sind und sie sich zudem längst wie ein Paar verhalten, nur dass sie anfangs (noch) keinen intimen Körperkontakt haben. Selbst wenn man grundsätzlich nicht zu den Menschen gehört, die meinen, dass Männer und Frauen nicht miteinander befreundet sein können, kann man in diesem speziellen Fall also gut verstehen, dass Loans Ex-Freundin und Violettes Ex-Freund sowie ihr neuer Verehrer Probleme mit dieser „Freundschaft“ haben. Sie sind eindeutig mehr als nur Freunde und das spiegelt sich ebenso in ihrem Umgang miteinander wider: Sie schlafen regelmäßig in einem Bett und kuscheln eng umschlungen auf der Couch. Es dauert relativ lange bis bei ihnen der Groschen fällt und noch länger bis sie einander ihre Gefühle gestehen könne, doch sobald Loan bewusst wird, wie sehr er sich auch körperlich zu Vio hingezogen fühlt, kann er ihr und der spürbaren Anziehung zwischen ihnen kaum noch widerstehen. Als Leser fragt man sich hingegen die ganze Zeit über amüsiert, wie sie nur so blind sein konnten

Erzählt wird die Geschichte, die gelegentlich von Rückblenden unterbrochen wird, dank derer man erfährt, wie Loan und Violette zu Freunden wurden und was sie schon zusammen durchgestanden haben, abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Protagonisten. Dadurch erhält man einen intensiven Einblick in die Gefühlswelt beider Figuren und kann zum Beispiel miterleben, wie sehr Loan nach Vios Bitte mit sich hadert, weil er weiß, dass es im Grunde falsch ist, sich aber gleichzeitig stark zu ihr hingezogen fühlt und es ihm daher sehr schwer fällt ihr diesen Wunsch abzuschlagen. Infolgedessen werden die meisten der ansonsten durchaus ansprechenden, erotischen Szenen, die im Verlauf des Buches zum Glück nicht überhand nehmen, von einem schlechten Gewissen begleitet.

Zu Beginn verläuft die Handlung noch etwas schleppend, die vielen Missverständnisse und ein dramatisches Ereignis machen das Buch jedoch spätestens ab dem Moment, in dem Vio Loan ihr unmoralisches Angebot unterbreitet, durchgängig fesselnd. Die Geschichte um Loan und Violette ist in sich abgeschlossen, endet zur Überraschung des Lesers allerdings nicht mit dem typischen Happy End wie aus dem Bilderbuch, sondern ist mit einer Portion Wehmut verbunden. Der abschließende Epilog, der ein paar Jahre in der Zukunft spielt, zaubert einem aber sofort wieder ein Lächeln aufs Gesicht.

Durch Loans traumatische Kindheit sowie ein einschneidendes Ereignis in Violettes Jugend, was beide nachhaltig geprägt hat und in der Gegenwart noch immer belastet, versucht Morgane Moncomble außerdem ihrem Roman noch etwas mehr Tiefgang zu verleihen. Insgesamt schenkt sie diesen Aspekten jedoch zu wenig Aufmerksamkeit und handelt die damit verbundenen Probleme am Ende zu oberflächlich ab. Von dem eigentlich idealen Setting – Paris gilt immerhin als die Stadt der Liebe – bekommt man leider ebenfalls kaum etwas mit. Dafür heben sich die Charaktere durch ihre beruflichen Tätigkeiten bzw. Ziele zumindest ein wenig von der Masse ab: Violette und ihre Freundin Zoe studieren Mode, wohingegen Loan überhaupt nicht studiert, sondern Feuerwehrmann ist. Auch der Zusammenhalt im gesamten Freundeskreis ist, trotz diverser Eigenarten mancher Charaktere, die nicht zu ihren besten Eigenschaften gehören, schön zu beobachten. Zoe und Jason sind zudem zwei interessante Nebenfiguren, die dann im nächsten Band in den Mittelpunkt rücken werden.

Der Schreibstil der Autorin bleibt nicht nachhaltig in Erinnerung, lässt sich aber angenehm und flüssig lesen. Ihr Humor ist stellenweise allerdings fragwürdig, sodass man eine Szene weniger als witzig und vielmehr als anstößig empfindet. Für einen solchen „Witz“ fehlt einem absolut jedes Verständnis, sodass das Lektorat diese ohnehin völlig überflüssige Passage besser hätte streichen sollen, denn mit schwarzem Humor hat das nichts mehr zu tun.

FAZIT
Never Too Close ist vielleicht kein unvergessliches Highlight, dafür jedoch eine süße, unterhaltsame, nicht allzu tiefgründige Liebesgeschichte für zwischendurch, deren Fortsetzung man sich früher oder später ebenfalls widmen wird, auch wenn diese dann nicht mehr von Loan und Violette, sondern von Zoe und Jason handelt.

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Veröffentlicht am 05.11.2020

ein sehr gelungener Graphic Novel, mit dem der moderne und eindringliche Klassiker von Margaret Atwood gekonnt in ein neues Medium übertragen wurde

Der Report der Magd
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Der Report der Magd ist ein sehr gelungener Graphic Novel, mit dem der moderne und eindringliche Klassiker von Margaret Atwood gekonnt in ein neues Medium übertragen wurde. Trotz der Reduktion auf das ...

Der Report der Magd ist ein sehr gelungener Graphic Novel, mit dem der moderne und eindringliche Klassiker von Margaret Atwood gekonnt in ein neues Medium übertragen wurde. Trotz der Reduktion auf das Wesentliche, wie es für diese Form erforderlich ist, muss man weder das Original noch die verschiedenen, filmischen Adaptionen des Werkes kennen, um der Geschichte folgen zu können. Sollte man den Roman noch nicht gelesen haben, wird man allerdings spätestens nach der Lektüre des Graphic Novels den Wunsch haben dies nachzuholen, um noch tiefer in diese düstere Zukunftsvision einzutauchen.
Insbesondere als Frau wird man während des Lesens von der ersten Seite an von einem sehr beklemmenden Gefühl erfasst. Man möchte unter keinen Umständen mit der Protagonistin tauschen und kann sehr gut nachvollziehen, warum so viele Frauen in Gilead den Tod einem Schicksal als Magd oder überhaupt einem Leben in diesem Staat vorziehen. Diese beunruhigende Wirkung wird durch das Wissen verstärkt, dass die dystopische Geschichte weder in der Vergangenheit noch in irgendeinem fiktiven Land spielt, sondern Gilead vielmehr eine zukünftige, zutiefst beängstigende Version der USA darstellt, in der die Demokratie von einer fanatischen, patriarchalischen Militärdiktatur abgelöst wurde, die Furcht verbreitet und vor allem Frauen massiv unterdrückt sowie objektifiziert. Dass so etwas tatsächlich geschehen könnte, möchte man sich nicht ausmalen.

Fruchtbare Frauen werden dort auf ihre biologische Fähigkeit neues Leben auszutragen reduziert und erbarmungslos als Gebärmaschinen missbraucht. Der alleinige Zweck und der einzige Wert der Mägde bestehen darin schwanger werden zu können und Kinder auf die Welt zu bringen, die man ihnen dann sofort nach der Geburt entreißt und anderen Frauen anvertraut. Man beraubt sie ihrer eigenen Identität, indem man sie wie „Desfred“ nach dem Vornamen des Mannes benennt, der sie einmal im Monat vergewaltigen „darf“. Wird die Magd daraufhin nicht schwanger, macht man sie dafür verantwortlich und lässt ihr bei mehrmaligem „Versagen“ gegebenenfalls ein noch schlimmeres Schicksal zuteilwerden, indem man sie in die Kolonien schickt, denn ein Mann könne nach Ansicht der Machthaber Gileads niemals zeugungsunfähig und damit die Ursache für eine ausbleibende Empfängnis sein. Werden die Frauen jedoch dabei erwischt, wie sie aus Angst vor den Konsequenzen versuchen auf anderen Wegen schwanger zu werden, droht ihnen sogar die Todesstrafe.

In gelegentlichen, kurzen Rückblenden wird gezeigt, welche einzelnen Veränderungen zu dieser drastischen Entwicklung von einer Demokratie zu einer theokratischen Diktatur geführt haben, die einen in der Realität dann hoffentlich dazu veranlassen würden das eigene Land fluchtartig zu verlassen. Erschreckenderweise waren weder eine besonders lange Zeitspanne noch sonderlich viele Maßnahmen notwendig, um diesen Wandel zu vollenden. Noch perverser wird das Ganze durch den Umstand, dass Touristen, darunter sogar Frauen, allen Ernstes nach Gilead reisen, um sich das „neue System“ anzuschauen, worüber man nur fassungslos den Kopf schütteln kann. Welcher vernünftige Mensch bzw. welche Frau, die nicht selbst in einer ähnlicher Gesellschaft aufgewachsen ist, würde freiwillig in ein solches Land reisen?

Das Einhalten der strengen Regeln wird dadurch sichergestellt, dass man permanent befürchten muss von anderen bespitzelt zu werden und Verstöße außerordentlich hart bestraft werden. Für die Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit bleibt keinerlei Raum und da man zumindest als Magd oder Martha weder Kontakt zu Freunden noch Familie hat, bleibt einem im Grunde nichts, was das Leben weiterhin lebenswert machen würde. „Desfred“ hält somit lediglich die Hoffnung aufrecht, ihre Tochter eines Tages wiederzusehen.

Insgesamt ist die Protagonistin „Desfred“ einem hier nicht unbedingt sympathisch, was vor allem daran liegt, dass man nicht so ganz nachvollziehen kann, warum sie all das – im Gegensatz beispielsweise zu ihrer Freundin Moira – nahezu widerstandslos erduldet. Doch man hat in jedem Fall großes Mitleid mit ihr sowie den anderen Mägden, sodass sie einem zumindest auch nicht egal ist und man ihr wünscht irgendeine Möglichkeit zu finden diesem Leben wieder zu entkommen. Das Ende ist allerdings relativ offen gehalten, wodurch man letztlich nicht sicher weiß, was aus „Desfred“ geworden ist.

Die Illustrationen von Renée Nault sind grundsätzlich bunt, abgesehen von den schon allein optisch viel freundlicheren Rückblenden sind aber die Farben Rot, Grün, Blau und Schwarz vorherrschend, wobei die ersten drei klar erkennbar den unterschiedlichen „Kategorien“ von Frauen zuzuordnen sind: Mägde, Marthas und Ehefrauen. Trotz der Verwendung dieser Farben wirken die Zeichnungen sehr düster, was zur erdrückenden Atmosphäre des Graphic Novels passt. Darüber hinaus sind sie sehr schlicht gehalten, die Hintergründe wurden entweder einfarbig gestaltet oder es wurde gleich gänzlich auf sie verzichtet. Trotzdem sind die Illustrationen stets eindrucksvoll und aussagekräftig.

FAZIT
Renée Nault gelingt es die düstere, unvorstellbar schreckliche Zukunftsvision von Margaret Atwood eindrücklich in Szene zu setzen, sodass der moderne Klassiker Der Report der Magd seine beklemmende Wirkung auch als Graphic Novel problemlos entfalten kann.

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