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Veröffentlicht am 29.03.2018

Lockerleichte Collegeromanze mit Versteckspielen & ganz viel Football.

Forever in Love - Das Beste bist du
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Der Klappentext klingt nach einer lockerleichten, aufregenden Collegeromanze mit ein bisschen Versteckspielen und ganz viel Football und genau das bekommt man als Leser auch. Leider aber nicht mehr.

Cora ...

Der Klappentext klingt nach einer lockerleichten, aufregenden Collegeromanze mit ein bisschen Versteckspielen und ganz viel Football und genau das bekommt man als Leser auch. Leider aber nicht mehr.

Cora Carmack hat einen angenehmen Schreibstil und einen Humor, der mich regelmäßig zum Schmunzeln gebracht hat. Vor allem das Kennenlernen der Protagonisten bereitet viel Freude, weil sie sich auf ungewöhnliche Weise kennenlernen und auf Anhieb erfrischend ehrlich und unkompliziert miteinander umgehen.

Nachdem Dallas auf einer Party ein Gespräch mitanhört, demzufolge Silas Moore nur mit ihr flirtet, weil er sie ins Bett bekommen will, schreit sie wutentbrannt ihren Frust von einem Balkon in die Nacht hinaus. Carson McClain, der seinen neuen Footballkollegen aus dem Weg gehen möchte, sitzt währenddessen unten im Garten und beobachtet das Spektakel amüsiert. Er macht auf sich aufmerksam und kommt nicht drumherum, mit ihr zu flirten, da er den Rotschopf auf Anhieb interessant findet. Noch interessanter wird sie ihm, als sie ihm verbietet, mit ihr zu flirten, und auf der Flucht vor Silas geradewegs von dem Balkon in seine Arme springt ...

Zwischen den beiden fliegen sofort die Funken, was auch bis zum Leser durchdringt. Leider scheint es für die beiden keine Zukunft zu geben, da eine Beziehung zur Tochter des Coaches Carsons Platz im Team gefährden könnte und Dallas sich ohnehin geschworen hat, nie wieder etwas mit einem Footballspieler anzufangen, wurde sie doch vor Jahren einmal sehr von einem verletzt. Es beginnt also eine Zeit des Ankämpfens gegen ihre Gefühle, des Annäherns, des Versteckspielens ... Diesbezüglich liefert das Buch keine Überraschungen und auch nichts Neues.

Ich habe das Buch schnell durchgelesen und hatte viel Spaß dabei, weil ich Dallas und Carson schnell ins Herz geschlossen habe. Dallas ist eine starke, direkte Protagonistin und Carson ist ... perfekt. Er sieht unglaublich gut aus, ist witzig und ein verdammt lieber Kerl, der Dallas zuhört und sie nicht unter Druck setzt. Leider hinterlässt das Buch aber keinen bleibenden Eindruck, weil das Potential zur Tiefe nicht genutzt wurde und die Handlung nicht heraussticht. Die Baustellen, die es bei Dallas als auch bei Carson gibt, werden zwar angesprochen, aber nicht richtig thematisiert - das Beseitigen dieser Probleme wird einfach übersprungen und dem Leser vorenthalten. Dadurch reiht sich der erste Band der "Forever in Love"-Reihe leider nur zu den College-Liebesromanen ein, die man mal zwischendurch lesen kann.

Fazit

Bereitet durchaus viel Spaß, sticht aber leider nicht heraus, weil die nötige Tiefe und die Besonderheiten in der Handlung fehlen. Dennoch zwei sehr sympathische Protagonisten, die super zusammenpassen und dem Leser ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Ich vergebe 3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 27.03.2018

Großartiger Schreibstil und eine Protagonistin mit trockenem Humor - ein klasse Auftakt!

Fire & Frost, Band 1: Vom Eis berührt
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Worum geht es?

Ruby wurde ihr Leben lang von ihrer Mutter eingetrichtert, ihre Gabe zu unterdrücken. Denn sie ist eine gefürchtete und von den Untergebenen des Frostkönigs gehasste Fireblood, die die ...

Worum geht es?

Ruby wurde ihr Leben lang von ihrer Mutter eingetrichtert, ihre Gabe zu unterdrücken. Denn sie ist eine gefürchtete und von den Untergebenen des Frostkönigs gehasste Fireblood, die die Macht über das Feuer hat, während die Frostbloods das Eis beherrschen. Und doch tauchen eines Tages Soldaten in ihrem Dorf auf, die ihrer Mutter das Leben und sie gefangen nehmen. 6 Monate verrottet sie im Gefängnis, halb verhungert, halb erfroren, als zwei geheimnisvolle Frostbloods bei ihr auftauchen und ihr einen Ausweg bieten: Sie schenken ihr die Freiheit, wenn sie ihnen dabei hilft, den Eisthron des Frostkönigs zu zerstören. Darüber muss sie nicht lange nachdenken, denn auch, wenn sie den Frostbloods Argwohn und Misstrauen entgegenbringt, ist die Aussicht auf Freiheit zu verlockend. Doch um die ihr gestellte Aufgabe bewerkstelligen zu können, muss sie erstmal lernen, ihre Gabe unter Kontrolle zu bringen. Und der mysteriöse Arcus, der sein Gesicht stets unter einer Kapuze verborgen hält, stellt sich als einer ihrer Lehrer als sehr ungeduldig heraus, was sie nicht selten aneinandergeraten lässt...

Meine Meinung

Mit „Fire & Frost – Vom Eis berührt“ hat Elly Blake einen fantastischen Reihenauftakt geschaffen, der seine Zeit brauchte, um mich abzuholen, mich dann aber auf ganzer Linie überzeugte.

Ganz besonders imponiert hat mir der Schreibstil der Autorin. Sie hat eine wundervolle, bildhafte Art, die Eislandschaft, den Palast, den Thron – einfach die Umgebung im Allgemeinen – anschaulich zu beschreiben, sodass sich beim Leser ein ständiges Kopfkino einstellt. Ihr Schreibstil lässt einen frösteln, wenn der Frostkönig seine Hand hebt und eine Eisschicht über den Boden zieht, und wärmt, wenn Ruby ein Feuer entfacht (und sich dabei manchmal selbst in Brand setzt). Unglaublich interessant wird beschrieben, wie Ruby von ihrer Gabe Gebrauch macht, wie sie die Hitze in sich aufbaut und zu einem späteren Zeitpunkt auch bestimmte Tricks vollführt – diese inneren Vorgänge, die dabei in ihr vorgehen, ziehen den Leser ins Buch, als wäre man ein Teil davon. Es war dieser Schreibstil, der mich von Anfang an beim Lesen gehalten hat.

Trotz des genialen Schreibstils und der überzeugenden Leseprobe war ich die ersten 100 Seiten aber eher skeptisch. Während ich die Protagonistin wegen ihres trockenen Humors sofort als sympathisch empfand, brauchte der männliche Gegenpart länger, um mein Wohlwollen zu gewinnen. Statt geheimnisvoll und mysteriös wirkte Arcus auf mich nur unnötig unfreundlich und großkotzig, weshalb ich der Liebesgeschichte nicht gerade entgegenfieberte. Nach den besagten 100 Seiten änderte sich mein Eindruck von ihm jedoch von Grund auf und die Autorin kriegte definitiv noch die Kurve. Er wurde zugänglicher, sympathischer und durch seine Vorgeschichte endlich auch interessant. Gerade diese Vorgeschichte war es auch, die mich dann auch für die Liebesgeschichte vereinnahmte, denn Arcus hat ein paar Unsicherheiten, denen Ruby entgegenwirken muss. Dadurch gibt es neben den vielen hitzigen und überaus amüsanten Schlagabtäuschen auch einige berührende Momente zwischen den beiden, die einen mitfiebern lassen.

Auch andere kleinere Schwachstellen, die auf den ersten 100 Seiten noch ein bisschen den Lesespaß zurückhielten, waren schließlich kein Thema mehr – die Autorin pendelte sich ein. Der Humor überzeugte immer mehr, die Figuren wirkten authentischer und sympathischer, die Liebesgeschichte wurde fesselnder und die Geschichte schlug eine Richtung ein, die sie immer mehr von dem üblichen Ablauf eines Fantasy-Romans wegführte. Es gab einige unerwartete Wendungen, die ich so nicht habe kommen sehen, und die dem Buch die nötige Besonderheit gegeben haben.

Die Entwicklungen haben mir unglaublich gut gefallen, vor allem, weil sich alles sehr authentisch und in realistischem Tempo ereignet. Ruby mutiert nicht von einem Tag auf den anderen zur Fireblood-Meisterin, sondern lernt nur gemächlich, auch wenn sie unverkennbar begabt ist. Sie muss sich im Laufe der Geschichte immer wieder bewähren, entwickelt sich weiter und wird stärker. Manches Mal hat mich die Handlung an „Das Reich der sieben Höfe“ erinnert, denn wie auch dort gibt es einige Elemente, die ich in Büchern besonders liebe. Beispielsweise Arenakämpfe …

Das Ende des Buches war für mich absolut zufriedenstellend. Anfangs wurden einige Hindernisse für mich zu schnell und einfach aus dem Weg geschafft, aber auch das handhabte die Autorin schließlich viel besser, sodass das Ende nochmal einiges an Spannung bereithielt. Ich möchte jetzt definitiv weiterlesen und bin froh, dass wir nur bis September warten müssen, denn der Klappentext des Folgebandes verspricht wieder einiges.

Fazit

Für mich ein anfangs schwacher, dann absolut überzeugender Auftakt eines neuen Fantasy-Abenteuers mit starken, sympathischen Protagonisten, einer packenden Liebesgeschichte und einem großartigen Schreibstil, der den Leser sofort in diese hitzig-frostige Welt entführt. Ich hatte sehr viel Spaß und vergebe 4,5 Sterne. Wem „Das Reich der sieben Höfe“ gefallen hat, könnte auch „Fire & Frost“ klasse finden.

Veröffentlicht am 25.03.2018

Ein Page-Turner mit unerwartetem Ende - für mich ein Highlight 2018!

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
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Ich bin ohne große Erwartungen an diesen Thriller herangegangen – das ist meiner Meinung nach auch das Beste, was man bei einem Buch machen kann. Nur so kann man wirklich überrascht werden. Und in Bezug ...

Ich bin ohne große Erwartungen an diesen Thriller herangegangen – das ist meiner Meinung nach auch das Beste, was man bei einem Buch machen kann. Nur so kann man wirklich überrascht werden. Und in Bezug auf „The Woman in the Window“ ist „überrascht“ völlig untertrieben. Ich glaube, ich werde leider nie wieder ohne große Erwartungen an ein Buch von A. J. Finn herangehen können.

Denn: WOW. Dieser Thriller ist für mich bisher die größte Überraschung 2018. Ein wahres Highlight, ein neues Lieblingsbuch!

A. J. Finn hat sich von dem Hitchcock-Thriller „Das Fenster zum Hof“ inspirieren lassen. Er erzählt die Handlung aus der Sicht der Kinderpsychologin Anna Fox, die nach einem traumatischen Erlebnis unter Agoraphobie, der Angst vor weiten Räumen, und Depressionen leidet. Sie kann seit Monaten nicht ihr Haus verlassen und beobachtet aus Langeweile ihre Nachbarn, bis sie eines Tages mitansieht, wie ihre Nachbarin erstochen wird. Sie versucht, ihre Angst zu überwinden und der Frau zu Hilfe zu kommen, erleidet aber auf halbem Weg einen durch ihre Angst verursachten Ohnmachtsanfall. Am nächsten Tag heißt es, der Mord hätte nie stattgefunden, sie würde sich das ausdenken oder gar fantasieren, bei den Pillen, die sie schlucken muss, und dem vielen Alkohol, den sie konsumiert. Niemand glaubt ihr … und bald weiß sie selbst nicht mehr, ob sie ihrem eigenen Verstand noch trauen kann.

Und genauso ergeht es auch dem Leser. Wir begleiten Anna auf ihrer Suche nach der Wahrheit, leiden mit ihr, weil sie dabei nicht das Haus verlassen kann, und auch wir haben Momente des Zweifels. Es werden immer wieder neue Fährten ausgelegt, bei denen der Leser reichlich Gelegenheiten hat, mitzurätseln und Verdächtigungen anzustellen. Es ist kein Thriller, der mit viel Action aufwartet (außer im großen Showdown), trotzdem ist die Handlung die ganze Zeit fesselnd und spannend, gerade auch deshalb, weil man nicht weiß, inwieweit man Annas Wahrnehmung trauen kann. Noch dazu gibt es unglaublich viele Wendungen – einige, die man erwartet, und andere wiederum, die einen völlig kalt erwischen. Vor allem das Ende, dieses fantastische Ende, habe ich nicht ansatzweise kommen sehen. So erschreckend, so überraschend, so durchdacht!

Zum Schreiben dieses Buches entschloss sich der Autor, nachdem ihm selbst eine bipolare Störung diagnostiziert wurde. Sicher gelingt es ihm auch deshalb so gut, Annas Innenleben zu beschreiben. Er hat ein Händchen dafür, uns Annas Gefühlswelt näherzubringen und sie authentisch darzustellen. Dadurch gibt es nicht nur viele spannungsgeladene, sondern auch zahlreiche bedrückende und berührende Momente, die uns helfen, Annas Situation besser zu verstehen.

Es fiel mir zunächst schwer, Anna vollkommen sympathisch zu finden, weil sie auf mich zu Anfang eher merkwürdig wirkte. Sie trinkt wirklich viel und verhält sich nicht immer nachvollziehbar. Je mehr wir jedoch von den Umständen erfahren, die sie diese Phobie entwickeln ließen, und je mehr Szenen es gibt, in denen sie mit den Menschen in ihrem Umfeld interagiert, desto mehr habe ich sie ins Herz geschlossen. Sie ist ein Mensch, der helfen möchte, sei es der Frau, deren Tod sie glaubt, mitangesehen zu haben, oder anderen unter Agoraphobie leidenden Menschen, mit denen sie in einem Chatroom kommuniziert. Sie ist eine Protagonistin, mit der man richtig mitfiebern kann, mit der man leidet, mit der man sich über andere Charaktere ärgert und die sich auch völlig auf sich allein gestellt behaupten kann. Sie ist ein richtig starker Charakter. Auch wegen ihr hat mir das Buch so unglaublich viel Spaß gemacht.

Fazit

„The Woman in the Window“ ist ein absoluter Page-Turner, den man wirklich gelesen haben sollte. Handlungstechnisch ist er eher ruhig, verliert aber zu keinem Zeitpunkt an Spannung. Man rätselt und fiebert die ganze Zeit mit – und dieses Ende! Ich bin immer noch völlig geplättet. Die nächsten Bücher, die ich lese, werden es schwerhaben, das zu toppen.
Selbstverständlich gibt es hier die volle Punktzahl und eine hundertprozentige Leseempfehlung. Ich freue mich auf die Verfilmung!

Veröffentlicht am 20.03.2018

Ein fesselnder Roman über eine beeindruckende Frau!

Die Revolution des Mondes
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Historische oder biografische Romane sind normalerweise nicht mein Beuteschema, eigentlich gehe ich ihnen sogar aus dem Weg. Als ich jedoch den Klappentext zu diesem hier las, war mein Interesse sofort ...

Historische oder biografische Romane sind normalerweise nicht mein Beuteschema, eigentlich gehe ich ihnen sogar aus dem Weg. Als ich jedoch den Klappentext zu diesem hier las, war mein Interesse sofort geweckt und ich habe dem Genre doch mal eine Chance gegeben.

Und ich habe es nicht bereut. Vielmehr habe ich mich beim Lesen sogar mehrmals dabei ertappt, wie ich an den Seiten klebte, unbedingt weiterlesen wollte und mit dieser eindrucksvollen Frau, deren Geschichte Camilleri hier erzählt, mitfieberte.

Camilleri hat hier einen Roman geschaffen, der unter Umständen auch für Nicht-Fans des Genres interessant sein dürfte, insofern zumindest ein kleines Interesse an Geschichte und starken Frauenfiguren besteht.

Das war bei mir der Fall, sodass ich schon auf den ersten Seiten gut in die Geschichte hineingefunden habe. Dort lernen wir zunächst den Vizekönig Don Angel kennen, der - seit eine mysteriöse Krankheit an ihm zehrt - zu allen betrügerischen, eigennützigen Beschlüssen der sechs Ratsherren aus dem Heiligen Königlichen Rat sein Einverständnis gibt. Als die Krankheit dem Vizekönig endgültig das Leben aushaucht, wollen besagte Ratsherren ihren Nutzen aus der Situation ziehen und sich weiter klammheimlich an allerhand bereichern. Nicht gerechnet haben sie jedoch mit dem Testament des Verstorbenen, das seinen letzten Willen festhält: Seine Gattin, die unfassbar schöne Eleonora di Mora, soll ihm auf den Thron folgen. Nur 27 Tage ist sie an der Macht, innerhalb derer sie sich viele Feinde, aber noch viel mehr Verbündete macht, denn sie geht mit eiserner Entschlossenheit gegen Korruption und Ungerechtigkeit vor und gewinnt die Herzen des Volkes.

"Die Revolution des Mondes" rückt diese beeindruckende Frau in den Mittelpunkt, die in den meisten Geschichtsbüchern unterschlagen wird und doch in ihrer kurzen Amtszeit Großes vollbracht hat. Mit überirdischer Schönheit wie auch brillanter Intelligenz gesegnet liefert sich Donna Eleonora intrigante Machtspielchen mit den Ratsherren und verabschiedet ohne deren Unterstützung großmütige Gesetze, die beim Volk auf Begeisterung stoßen. Camilleri schreibt diesen Weg äußerst interessant und fesselnd, wobei vor allem die Machtspielchen immer wieder Spannung garantieren. Jedes Mal habe ich mich über die Hinterlist und Heimtücke der Ratsherren aufgeregt und mich unfassbar gefreut, wenn Donna Eleonora diese ausgetrickst und in ihre Schranken verwiesen hat.

Gegen Ende des Buches lässt die Spannung nach und macht den Emotionen Platz. Auf den letzten Seiten hatte ich Gänsehaut, war berührt und auch ein wenig traurig. Ein gelungenes Ende, dem noch eine interessante Nachbemerkung des Autors folgt.

Fazit

Ich bin positiv überrascht und hätte nicht damit gerechnet, dass mir dieser Roman so gut gefallen würde. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir und 4,5 Sterne!

Veröffentlicht am 17.03.2018

Viele schöne Geschichten mit wichtiger Botschaft, hat aber auch Schwachstellen.

Komm, ich erzähl dir eine Geschichte
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»Diese Geschichten sind nur geschrieben worden, um einen Ort oder einen Weg zu markieren. Die Arbeit, in ihnen, in der Tiefe jeder Geschichte, den versteckten Diamanten zu suchen, ist die Aufgabe jedes ...

»Diese Geschichten sind nur geschrieben worden, um einen Ort oder einen Weg zu markieren. Die Arbeit, in ihnen, in der Tiefe jeder Geschichte, den versteckten Diamanten zu suchen, ist die Aufgabe jedes einzelnen.« (S. 363)

„Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ ist ein wirklich ungewöhnlicher Roman. Er ist aus der Sicht von Demian, einem jungen Studenten, geschrieben, der sich bei Jorge – dem Autor – in Therapie begibt und hofft, dort wichtige Fragen des Lebens beantwortet zu bekommen. Der Autor hat sich also selbst in das Buch geschrieben, schreibt aber nicht aus seiner eigenen Perspektive, sondern aus Sicht der Person, die mit ihm interagiert. Das war schon ziemlich interessant. Des Weiteren gibt es keine Handlung, die einem roten Faden folgt, keine ausgefeilten Charakterentwürfe, keine tieferen Einblicke in das Leben der handelnden Personen. Eigentlich beschreibt es der Titel unglaublich gut: Es ist eine Aneinanderreihung von unglaublich vielen, lehrreichen und vielfältigen Geschichten, die am Anfang jedes Kapitels in einen kurzen Kontext gebunden werden. Sie sind eine Reaktion auf ein Ereignis in Demians Leben, über das man aber immer nur das Nötigste erfährt. Klar ist also, dass nicht Demian oder „der Dicke“ – Jorge selbst – im Mittelpunkt stehen, sondern immer die Geschichten.

»Der einzige Weg herauszufinden, ob du etwas kannst oder nicht, ist, es auszuprobieren, und zwar mit vollem Einsatz. Aus ganzem Herzen!« (S. 11)

Da ich mit keinen großen Erwartungen an das Buch herangegangen bin, störte mich das nicht groß, mit der Zeit wirkte das Buch aber ein bisschen überladen von diesen vielen Geschichten und ich hätte eine richtige Storyline nicht schlecht gefunden. Witzig war es aber, wie Jorge sich diesbezüglich manchmal selbst ein bisschen auf den Arm nimmt: »Zur Abwechslung werde ich dir eine Geschichte erzählen.« (S. 123)

Es war definitiv mal etwas anderes, ein Buch zu lesen, das in jedem Kapitel eine andere Geschichte erzählt, die eine tiefere Botschaft innehat. Die meisten haben mir sehr gut gefallen, weil sie mich mit ihrem Ausgang überraschten, mich zum Schmunzeln brachten oder mir eine Lebensweisheit mit auf den Weg gaben, wobei mir am besten „Der wahre Wert des Rings“ gefiel. Andere wiederum strengten mich an, interessierten mich wenig bis gar nicht und störten dadurch den Lesefluss: Zum Beispiel erläutert Jorge in einigen Kapiteln, welche Therapieströmungen es gibt, welche Vor- und Nachteile sie haben und warum er eine bestimmte davon bevorzugt. Das war zwar schon irgendwo interessant, wirkte aber – eingeschoben zwischen den lehrreichen Märchen, Parabeln und Geschichten – fehl am Platz und dadurch leider eher lästig.

»Der einzige Fehler ist fast immer, zu glauben, dass mein Standpunkt der einzige ist, von dem man aus die Wahrheit sieht.« (S. 166)

Was mir gar nicht gut gefallen hat, war außerdem die eigene Darstellung von Jorge selbst als der „perfekte Therapeut“, der all die negativen Eigenarten anderer Therapeuten natürlich nicht hat und noch dazu mit all seinen Geschichten immer sofortige Wirkung erzielt. Das ging mir irgendwann auf die Nerven, weil ich nicht zu dem Buch gegriffen habe, um eine Lobrede des Autors auf sich selbst zu lesen, sondern etwas mitnehmen wollte. Es sind zwar einige Weisheiten dabei, über die man länger nachdenken kann, möchte und auch sollte, aber ich wage es doch zu bezweifeln, dass sie so lebensverändernde Wirkung haben, wie es sehr überspitzt in Bezug auf Demian dargestellt wird.

Fazit

Insgesamt waren sehr viele tiefgründige Geschichten enthalten, die ich in mich aufgesaugt, über die ich noch länger nachgedacht und an denen ich mich auch erfreut habe. Ab einem gewissen Zeitpunkt lässt das Buch in meinen Augen jedoch nach und es wurde etwas anstrengend, weiterzulesen. Aufgrund dessen und wegen der oben genannten Kritikpunkte bekommt „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ von mir 3,5 Sterne.