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Veröffentlicht am 09.07.2020

Toni Morales und die Töchter des Zorns

Mörderisches Mallorca – Toni Morales und die Töchter des Zorns
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Commandante Antonio Morales, der viele Jahre bei Europol gearbeitet hat, ist auf seine Heimatinsel Mallorca zurückgekehrt. Zum einen möchte er den seit zwei Jahren ungelösten Mord an seinem Halbbruder ...

Commandante Antonio Morales, der viele Jahre bei Europol gearbeitet hat, ist auf seine Heimatinsel Mallorca zurückgekehrt. Zum einen möchte er den seit zwei Jahren ungelösten Mord an seinem Halbbruder aufklären, zum anderen verspricht er sich von dieser Entscheidung endlich einen ruhigen Arbeitsplatz im Morddezernat und mehr Zeit für seine Frau Melanie, die als Anwältin tätig ist. Dafür nimmt in Kauf, dass seine ehemalige Geliebte Anabel García als seine Chefin bei der Jefatura des Policía Judicial das Sagen hat.

Aber von wegen entspannte Arbeitsbedingungen, Toni Morales täuscht sich gewaltig!

Einen Tag vor seinem offiziellen Dienstantritt wird an der Stadtmauer von Palma eine Frau tot aufgefunden. Die alte, fast neunzigjährige Nonne ist ermordet worden. Dieser Fall entpuppt sich von Anfang an als rätselhaft und mysteriös, stellt sich doch die Frage, wer einen Grund haben sollte, eine katholische Schwester zu töten? Schwester Clara lebte noch nicht lange im Konvent auf Mallorca, hatte kurz vor ihrem Tod gebeichtet und eine falsche Identität angenommen und ist beileibe kein Unschuldslamm gewesen. Zudem scheint ihre Personalakte in Madrid verschwunden. Genauso wie jene Frau, mit der die Nonne kurz vor ihrem Tod eine heftige Auseinandersetzung hatte.

Erst durch ein zweites Mordopfer kristallisieren sich erste Zusammenhänge heraus, und Toni Morales und seine Teamkollegen schlagen ein düsteres und undurchsichtiges Kapital der spanischen Geschichte auf, mit der sich zeitgleich auch seine Frau Mel beschäftigt.


„Toni Morales und die Töchter des Zorns“ von Elena Bellmar ist ein solider Kriminalroman, der sich auf Grund seiner angenehmen Erzählweise sehr gut lesen lässt. Vordergründig beschäftigt er natürlich mit den Todesfällen, zudem spricht er allerdings auch einen erschreckenden Abschnitt der spanischen Vergangenheit an. Diesbezüglich gelingt es der Autorin ausgezeichnet, reale Fakten in ein fiktives Geschehen einzubinden. Mit Fingerspitzengefühl und Anteilnahme greift sie den furchtbaren, von der katholischen Kirche gedeckten und betriebenen Kindesraub in den Jahren von 1939 bis 1975 und sogar bis 2001 auf und bewegt damit nicht nur die Gemüter ihrer Protagonisten. Der vorgenommenen Wertung kann auf jeden Fall gefolgt werden, denn etwas anderes als Ablehnung der dargestellten Praktiken und abstrusen Ereignisse während der Franco-Diktatur kann es in diesem Fall auch nicht geben. So entsteht Verständnis, wenn Betroffene illegale Wege beschreiten, um die Geheimnisse ihrer Existenz aufklären zu können.

Weiterhin beschreibt die auf Mallorca lebende Autorin einige Details der kontrastreichen Gegenden der Insel: Raue Berglandschaft im ungewohnten Kontrast zur flachen Ebene, die atemberaubende Bilder und Blicke in die Täler bieten. Andererseits hätte es im Verlauf der Handlung durchaus noch ein wenig mehr von diesem Flair sein können.

Die Figuren sind indes vielfältig, besitzen Individualität und unterschiedliche Charaktereigenschaften, die insbesondere in Tonis neuem Team bislang lediglich vereinzelt in den Mittelpunkt gerückt werden.

Antonio Morales selbst präsentiert sich als sympathische, zugängliche Persönlichkeit. Er möchte wirklich ein ansprechbarer Vorgesetzter sein, zu dem seine Mitarbeiter bei Problemen kommen können. Für ihn zählen Leistungen und der Zusammenhalt im Team. Darauf legt er auch bei den neuen Kollegen, Catarina Pérez, seine rechte Hand, den manchmal etwas übereifrigen David Zapatero, den werdenden Vater Pedro Sanchez, den ältesten Bruno Martín sowie den jüngsten Manuel Sastre, Wert.

Erfreulich ist Tonis Bemühen um seine Ehefrau und ihr Wohlwollen. Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Er liebt sie und ihre kleinen Wortgefechte. Und weil er mehr Zeit mit ihr verbringen und seine Ehe trotz ihrer Großzügigkeit und Nachsicht nicht dem Polizeidienst opfern will, hat er seine stressige Tätigkeit bei Europol in Madrid und Deutschland aufgegeben und Melanie überredet, nach Mallorca zu ziehen.

Mit auf die Baleareninsel ausgewandert ist Schwiegermutter Adelheid, eine Hippiebraut der Siebzigerjahre, die ab und an heimlich Gras raucht und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen ist. Vielleicht ein wenig schrullig, hält sie sich nicht immer an die Regeln oder befolgt gar stur die Gesetze. Und dann knallt es gewaltig. Aber Toni schätzt ihre eigenwillige Art insgeheim, und Adelheid ist mit ihrem klugen Kopf und ihrer Empathie eine Bereicherung der Geschichte.

Nicht nur aus diesem Grund steht einer baldigen Reise nach Mallorca nichts im Wege. Denn immerhin will Toni Morales noch den Mord an seinem Bruder aufklären...

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Veröffentlicht am 01.07.2020

Sommerflüstern

Sommerflüstern
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Seit fünf Monaten wohnt Taylor mit ihrer Familie in der neuen Stadt. Während ihre ein Jahr jüngere Schwester Lucy sich schnell eingelebt und einen kleinen Freundeskreis gefunden hat, ist die siebzehnjährige ...

Seit fünf Monaten wohnt Taylor mit ihrer Familie in der neuen Stadt. Während ihre ein Jahr jüngere Schwester Lucy sich schnell eingelebt und einen kleinen Freundeskreis gefunden hat, ist die siebzehnjährige Taylor nicht unbedingt für ihre Kontaktfreudigkeit bekannt. Und sie mag es überhaupt nicht, dass Schulrückkehrer Hunter Reeves sich nicht von ihr abweisen lässt. Und zudem noch ihren Spind als den seinen beansprucht, weil er die älteren Rechte hat.

Dann erinnert sich Taylor, dass sie an ihrem ersten Schultag in eben jenem Spind einen Zettel gefunden hatte: „Fange an deinen Lieblingssong zu hassen.“ Sie zählt eins und eins zusammen und vermutet, dass die Nachricht eigentlich für Hunter bestimmt ist. Tatsächlich weiß Hunter damit etwas anzufangen. Was folgt, ist eine gemeinsame Schnitzeljagd. Und Taylor – so sehr sie sich auch bemüht – wird Hunter irgendwie nicht mehr los.

„Sommerflüstern“ von Tanja Voosen hat mich positiv überrascht. Meine Erwartung, eine jener üblichen leichten Liebesgeschichten zwischen Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsensein zu lesen, wurde mit um einige ernstzunehmende Facetten in dem zeitgenössischen Plot ergänzt.

Da die Autorin das Geschehen aus der Ich-Position von Taylor beschreibt, hat sie sich mit ihrem Erzählton dem Alter ihrer Protagonistin angepasst, und der ist erfrischend locker, ohne all zu flapsig zu sein. Daneben gibt es nachdenkliche Momente, die den durch die Ereignisse gewonnenen Eindruck vertiefen.

Ganz offensichtlich profitiert „Sommerflüstern“ von seinen außergewöhnlichen Hauptfiguren Taylor und Hunter, deren Interaktion und den vielen Wortgefechten. Beide sind nicht auf den Mund gefallen, die „Bälle“, die sie sich zuwerfen, sind vordergründig amüsant und witzig, oft ironisch, manchmal auch sarkastisch, haben Biss und Charme gleichermaßen. Sie offenbaren Intelligenz und Geschick beim Einsatz von Sprache und eine gewisse Reife.

Jedoch haben Taylor und Hunter trotz ihres jugendlichen Alters in der Vergangenheit nicht nur positive Erfahrungen gemacht, sondern Dinge erlebt, die sie in ihrer Wesensbildung beeinflussten.

Es fällt Taylor unsagbar schwer, Hunters Zuneigung zu akzeptieren. Sie ist eine Einzelkämpferin, etwas kantig und jähzornig und im Grunde immer in Verteidigungshaltung. Ihre starke Persönlichkeit nimmt sie selbst gar nicht wahr, genauso wenig wie ihre Wirkung auf Hunter. So stellt sie für diesen eine Nuss mit harter Schale, aber weichem Kern dar. Und er arbeitet mit Geduld und vielleicht auch ein bisschen Verbissenheit daran, sie zu knacken, weil er erkennt, dass sie niemand in ihr Inneres schauen soll.

„Kennst du das Gefühl, wenn du einem Menschen begegnest und ihn auf den ersten Blick nicht ausstehen kannst? Von solchen Menschen sollte man sich fernhalten, weil sonst etwas ganz Schreckliches passieren könnte.“ „Nein“, antwortete er. „Kennst du das Gefühl, wenn du einem Menschen begegnest und ihn auf den ersten Blick furchtbar sympathisch findest, weil er dich zum Lachen bringt? Von solchen Menschen sollte man sich nicht fernhalten, weil einem sonst etwas ganz Wunderbares entgeht.“ (Seite 29)

Hunter kontert mit Schlagfertigkeit und motiviert Taylor, ihre selbstgewählte Isolation zu verlassen. Seine eigenen Sorgen hingegen versteckt er hinter einer heiteren Fassade und reagiert anfangs stur, wenn die Rede darauf kommt. Einmal Vertrauen gefasst, ist er hingegen aufgeschlossen und geradlinig.

Nicht nur hier zeigt Tanja Voosen Geschick bei der Schilderung, sondern ebenso bei der Entwicklung der Helden und ihrer Emotionen, die ich als einfühlsam und überzeugend einschätze.

Der im letzten Drittel der Geschichte gewählte Handlungsverlauf hat mich indes ein wenig überrollt, weil er teilweise konstruiert wirkt. Obgleich sie einen gewissen Kick in das Geschehen bringen, hätte es solcherart dramatische Szenen meines Erachtens nicht gebraucht.

Davon abgesehen, ist "Sommerflüstern“ eine hinreißende Liebesgeschichte, die vor allem wegen ihres bemerkenswerten Protagonistenpaares Taylor und Hunter fasziniert.

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Lucas und der Zauberschatten

Lucas und der Zauberschatten
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Lucas steht vor der Meisterung einer Mutprobe. An sich völlig in Ordnung für ihn, sofern diese „Challenge“ tatsächlich ein Spaß wäre. Doch Lucas soll die Boombastic 4.0, eine neue Musikbox, aus dem Laden ...

Lucas steht vor der Meisterung einer Mutprobe. An sich völlig in Ordnung für ihn, sofern diese „Challenge“ tatsächlich ein Spaß wäre. Doch Lucas soll die Boombastic 4.0, eine neue Musikbox, aus dem Laden stehlen. Und das kann er überhaupt nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, denn in seinem ganzen Leben hat er noch nie gestohlen.

Wie kommt er aus dieser Situation nur wieder raus, ohne dass seine kleine Schwester darunter leiden muss, wenn Lucas sich vor der Wette drückt?

Die Musikbox rückt in den Hintergrund, als ein alter Mann auftaucht, der ziemlich seltsam erscheint. Ob Lucas ihm glauben kann, dass dieser Nathanael ein Magier ist und vor Jahrhunderten beim berühmten Zauberer Merlin gelernt hat? Irgendetwas Wahres muss daran sein, weil die folgenden Ereignisse so unglaublich und verrückt sind, als dass sie nicht stimmen können. Und so begibt Lucas gemeinsam mit seinen neuen, gleichaltrigen Gefährten Li-Feng und Ole auf Zeitreise, um Nathanael zu helfen, die Teile des zerschnittenen Tuches der Tafelrunde zu finden, wieder zusammenzufügen und letztlich Nathanaels Gegenspieler, Zauberer Shalamar, Paroli zu bieten, der den Erfolg ihrer Mission unbedingt verhindern und den Menschen schaden will…


Mit „Lucas und der Zauberschatten“ hat Stefan Gemmel eine abenteuerliche Geschichte für Kinder ab zehn Jahren verfasst, die ergänzt durch die in schwarz-weiß gehaltenen Illustrationen von Timo Grubing, die sich leider manchmal wiederholen, für eine kurzweilige Lesezeit sorgt, während der auf Grund des Erzähltempos keine Langeweile aufkommt. Geschickt integriert der Autor die Sage um König Artus und seine Tafelrunde, verknüpft fantasievolle Vergangenheit und authentische Gegenwart mittels Zeitreise und beschreibt ein energiegeladenes und aufregendes Geschehen, das die jungen Leser mitfiebern lässt, durchaus einige bedrohliche Momente beinhaltet, aber ebenso lustige Szenen, vor allem mit Knubbelgeist Kracks. Daneben wendet er sich aktuellen Themen zu, die Kinder beschäftigen: Mobbing und Mitläufer in der Schule, Zusammenhalt und Freundschaft sowie Mut, von der Menge abweichende, eigene Entscheidungen zu treffen und damit gegen den Strom zu schwimmen.

Stefan Gemmel legt besonderes Augenmerk auf seine kleinen Darsteller und stattet sie mit unterschiedlichen Charakteren aus. Ihre Handlungen und Empfindungen schildert der Autor verständlich und nachvollziehbar. Die Kinder ermöglichen eine Identifikation, sind vielfältig, jedoch nicht überfordernd in ihrem Wesen mit jeweiligen für sie typischen Eigenschaften. So verfügt Lucas beispielsweise über eine rasche Auffassungsgabe, kann mit seinem Verstand zügig Situationen erfassen und dann entsprechend reagieren. Nicht zu vergessen löst er Rätsel wie kein Zweiter. Überhaupt sind Rätsel sehr wichtig in der Geschichte, und deshalb hält das Buch am Ende auch einige bereit.

Wer also gerne Abenteuer erlebt, sollte Lucas und seine Freunde unbedingt begleiten, um herauszufinden, was es mit den Zauberschatten auf sich hat. Bereits im August geht es nämlich weiter...

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Veröffentlicht am 02.06.2020

The Doll Factory

The Doll Factory
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Wir schreiben das Jahr 1850. In London wird die Große Weltausstellung vorbereitet. Währenddessen arbeiten die einundzwanzigjährigen Schwestern Rose und Iris Whittle bei Mrs Salter in ihrer Puppenfabrik. ...

Wir schreiben das Jahr 1850. In London wird die Große Weltausstellung vorbereitet. Währenddessen arbeiten die einundzwanzigjährigen Schwestern Rose und Iris Whittle bei Mrs Salter in ihrer Puppenfabrik. Einst waren die eineiigen Zwillinge ein Herz und eine Seele. Sie träumten von einem eigenen Laden mit Regalen voller Blumenschmuck und Vasen mit Iris und Rosen. Doch dann erkrankte Rose – sechzehnjährig – an den Blattern und wäre fast gestorben. Heute wünscht sie sich, es wäre so gekommen. Denn ihr Gesicht ist verunstaltet, ihr linkes Auge erblindet. Inzwischen träumt Iris allein: Sie möchte Leinwände bemalen und nicht nur dumme Puppenaugen, Lippen und Wangen. Tatsächlich könnte sich dieser Wunsch erfüllen: Der Maler Louis Frost von der Präraffalitische Bruderschaft, kurz PRB genannt, ist begeistert von Iris' außergewöhnlichem Aussehen, ihren langen roten Haaren, ihrer majestätischen Erscheinung. Seiner Bitte, ihm für sein Gemälde für die Weltausstellung Modell zu stehen, folgt sie erst, als er ihr im Gegenzug Zeichenunterricht verspricht.

Mit ihrem ehrlichen Talent überrascht sie ihn. Und Iris, die sich so lange nach Anerkennung gesehnt hat, ist zum ersten Mal in ihrem Leben glücklich. Louis erweist sich als großzügig, und bald verbinden beide mehr als freundschaftliche Gefühle. Iris ahnt nicht, dass noch jemand eine Besessenheit entwickelt und seinen eigenen Plänen folgen sie zu der Seinen machen willl. Nur der kleine Albie, ein Straßenjunge, der Botendienste erledigt, bemerkt die drohende Gefahr...


Elizabeth Macneals „The Doll Factory“, ein historisches Romandebüt erster Güte, beginnt wie ein Märchen, entfaltet sich zu einer zarten Romanze und wird in seinem letzte Drittel zu einem extravaganten Thriller mit hohem Gruselfaktor, in dem die Autorin nicht vor Elend und Brutalität zurückschreckt. Sie bietet eine gespenstig realistische und beachtenswerte Nachbildung des London des viktorianischen Zeitalters und taucht ein in die brodelnde Energie, die Pracht und den Alltag der Stadt. Dabei vermittelt sie Unbehagen und Widerlichkeiten, die ihresgleichen suchen und raffiniert dargestellt werden. Atmosphärisch formt Elizbeth Macneal eine ungreifbare Angst voller Dunkelheit. Zeitweise wild und unruhig, aber immer überzeugend.

Schonungslos eindringlich und mit leidenschaftlicher Kritik beleuchtet Elizabeth Macneal detaillreich das damalige Gesellschaftsbild, vor allem die (Not)Situation der Frauen. Daneben gewährt sie Einblick in die Schönheit und den Schrecken der Künste. Auf der einen Seite die Maler der PRB, der Präraffaelischen Bruderschaft, zu denen Holman Hunt, John Millais, Gabriel Rossetti und der fiktive Louis Frost gehören, die sich der Wiederentdeckung der Natur verschrieben haben und vor Eifer und Selbstbewusstsein strotzen. Auf der anderen Seite der aufstrebende Präparator Silas Reed, der die Grenze zwischen Zerstörung und Schöpfung überschreitet. Mit Silas hat die Autorin einen komplexer Charakter geschaffen, der einen zwischen Mitleid, Bedauern und Abscheu schwanken lässt.

In „The Doll Factory“ agieren neben den erdachten Persönlichkeiten einige historische und füllen die Seiten mit ihrer Begeisterung, Faszination und Exzentrik. Hierbei darf natürlich ein Wombat namens Guinevere nicht vergessen werden, zumal das Tier die Geschichte mit manchen heiteren Momenten auflockert.

Iris mit ihrem deformiertes Schlüsselbein – ein Geburtsfehler, durch den sich ihre linke Schulter nach vorn wölbt – ist den Zwängen ihrer Zeit, die ihre soziale Freiheit stark einschränken, unterworfen, findet sich allerdings nicht damit ab und versucht, den symbolischen und tatsächlichen Beschränkungen und Konventionen zu entkommen, auch wenn der Preis hoch ist. Sie muss ihre Schwester verlassen und mit der Ablehnung ihrer Eltern leben, als sie das Angebot von Louis annimmt. Die neuen Eindrücke und ebenso die erblühende Liebe zu dem Maler entschädigen Iris jedoch für den Verlust, dennoch bleibt sie stets sie selbst. Und obwohl Louis' Absichten nicht immer deutlich werden, nimmt er sie ernst und sieht sie an, als wäre sie es wert, studiert, geschätzt und bewundert zu werden.

Der zehnjährige Straßenjunge Albie, der nur einen Zahn besitzt und für den ein Gebiss unerschwinglich ist, ist eine Schlüsselfigur und wächst einem ans Herz. Er kümmert sich um seine Schwester, die als Prostituierte arbeitet, ist mit Iris befreundet und gleicht in seiner Verkörperung von Unschuld und dem Gefühl der Hoffnung sehr einer Gestalt aus einem Roman von Charles Dickens.

Auch durch ihn wird „The Doll Factory“ eine unvergessliche Erfahrung voller Freude, Farbe, Leben, Klugheit und Triumph und verweilt im Gedächtnis.

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Veröffentlicht am 29.05.2020

Ein Heuhaufen voller Geheimnisse

Die Schule der kleinen Ponys - Ein Heuhaufen voller Geheimnisse
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Monka Winter, kurz Mo, Motte oder Mottchen genannt, lebt mit Papa Jo, Mama Linde und Bruder Ben auf einer großen Pferdefarm. Dort züchten sie Springpferde und Connemara-Ponys, für die sogar eine eigene ...

Monka Winter, kurz Mo, Motte oder Mottchen genannt, lebt mit Papa Jo, Mama Linde und Bruder Ben auf einer großen Pferdefarm. Dort züchten sie Springpferde und Connemara-Ponys, für die sogar eine eigene Ponyschule eingerichtet wurde. Mo hilft gerne mit, aber meist bleibt ihr viel Zeit, sich um ihr Lieblingspony Dr. Paul, der wie sie zehn Jahre alt ist und am gleichen Tag Geburtstag hat, zu kümmern. Bis sich Mos Mutter, eine berühmte und erfolgreiche Springreiterin, gleich zu Beginn der Sommerferien den Arm bricht und Motte bittet, die Leitung der Ponyschule zu übernehmen. Dass sie ihr das zutraut, freut Mo sehr, wenngleich sie natürlich ein wenig Bammel vor der unerwarteten Verantwortung hat, schließlich gibt es unter den Ponys auch ein paar übermütige Vierbeiner. Als gerade eines von eben jenen von der Koppel zu entwischen droht, taucht eine fremde Reiterin auf, verhindert das Ausbüchsen und verschwindet dann wieder. Das ist äußerst mysteriös. Allerdings wäre Motte nicht sie selbst, wenn sie Dank ihrer Wissbegierde diesem Geheimnis nicht auf die Spur kommen würde...


Obwohl die Jungen nicht ausgeschlossen werden sollen, dürften an und mit diesem Buch von Anne Wolff und Nadine Reitz vor allem Mädchen ihre Freude haben. „Ein Heuhaufen voller Geheimnisse“ ist die erste mit munterer Ungezwungenheit, Witz und Sorgsamkeit für Kinder geschriebene und gezeichnete Geschichte der Reihe „Die Schule der kleinen Ponys“, in der Familie und Herzenswärme, Zusammenhalt und Vertrauen, Freundschaft und Hilfsbereitschaft und ganz viel Tierliebe wichtig sind.

Dabei haben sowohl Autorin und Illustratorin bei diesem Abenteuer mit ein paar aufregenden Geheimnisse und Überraschungen auf eine kindgerechte, aber nicht zu kindliche Gestaltung geachtet. Neugierig machende Überschriften führen die Kapitel an. Außerdem lockern Zettel, Pläne und in Klammern gesetzte Anmerkungen den Text auf. Ein ausgezeichnetes Plus sind die bezaubernden und fröhlichen Bilder von Nadine Reitz. Sie unterstützen in harmonischer Art und Weise die geschilderten Ereignisse.

Es gibt ein paar ernstere Momente, sie erdrücken und erschweren indes nicht den Spaß, den alle Beteiligten haben, wenn Monka die Leser an ihrer bunten Welt und an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lässt, indem sie diese direkt anspricht. Motte ist ein aufgewecktes Mädchen. Sie hat zwar vor vielen Dingen Angst, vor Spinnen, langen Autofahrten und vor Gewitter zum Beispiel, jedoch niemals vor Pferden oder Ponys. Für sie schlägt ihr Herz, besonders für ihren übermütigen Dr. Paul, mit dem sie durch dick und dünn geht, und der wiederum sie blind versteht.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die im Anhang befindlichen „Mos liebste Schoko-Hafer-Kekse“ und ein Dr. Paul-Lesezeichen die Möglichkeit für die Leser bieten, selbst aktiv zu werden.

Alles in allem ist "Ein Heuhaufen voller Geheimnisse" ein großartiges Abenteuer für Pferdefreunde und solche, die es werden wollen.

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