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Veröffentlicht am 12.04.2021

Mordermittlungen im Krieg

Die Toten vom Gare d’Austerlitz
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Was zunächst konfus klingen mag, ist die Realität in diesem Roman: Im 1940 von den Deutschen besetzten Paris werden am Gare d’Austerlitz vier tote Polen aufgefunden. Édouard, Eddie, Giral übernimmt die ...

Was zunächst konfus klingen mag, ist die Realität in diesem Roman: Im 1940 von den Deutschen besetzten Paris werden am Gare d’Austerlitz vier tote Polen aufgefunden. Édouard, Eddie, Giral übernimmt die Ermittlungen, bei denen ihm die Deutschen unendlich viele Steine in den Weg legen. Für ihn beginnt ein Drahtseilakt, bei dem auch sein eigenes Leben immer wieder in Gefahr gerät. Er versucht den Täter zu entlarven, ohne den Deutschen zu sehr auf die Füße zu treten, was nicht immer gelingt. Er trifft auf unerwartete Widerstände in den eigenen Reihen und muss versuchen, sich selbst treu zu bleiben, da die Deutschen ständig versuchen, die Ermittlungen in die von Ihnen gewünschten Bahnen zu lenken. Gleichzeitig hat er mit sich selbst und den Vorwürfen seines überraschend aufgetauchten Sohnes zu kämpfen.

Die Geschichte wird aus Sicht Eddie Girals erzählt, den wir bei seinen Ermittlungen begleiten. Der Charakter wird sehr lebhaft mit all seinen Schwächen und seinen inneren Kämpfen gezeichnet, was ihn nahbar und sympathisch macht. Gleichzeitig ist Eddie aber auch ein durchtriebener Ermittler, der durch perfide Kniffe, meist mit hohem Risiko verbunden, diejenigen austrickst, die ihn manipulieren wollen, um seine Ermittlungen voranzutreiben. Immer wieder tauchen kürzere Episoden aus seiner Vergangenheit zwischen den Kapiteln auf, in denen man viel über seine Beweggründe und Entscheidungen erfährt. Dadurch, dass die Rückblenden so kurz gehalten werden, tun sie der Spannung keinen Abbruch, sondern liefern vielmehr nützliche und spannende Informationen, die für das weitere Verständnis der Geschichte und des Charakters notwendig sind.

Der Krimi spielt immer wieder mit der Frage, worin der Sinn liegt, während eines Weltkrieges mit tausenden von Toten, nach den Mördern einzelner Personen zu suchen. In dieser hoffnungslosen Situation scheinen Mordermittlungen wie ein Tropfen auf den heißen Stein, ja fast schon unsinnig zu sein. Auch Giral muss diese Frage für sich selbst beantworten und gleichzeitig bekommt der Leser immer wieder neue Ansätze geliefert, die Antworten bieten, was, wie ich finde, wunderbar gelöst ist. Giral beantwortet diese Frage für sich, in dem er versucht „Gerechtigkeit für die vier Männer zu erlangen […], um den ungestraften Mord an Millionen zu entschuldigen“. Seine Aufgabe sei es eine „Lösung für das geringere Übel zu finden“. An anderer Stelle wird gewarnt, „dass wir Mord gegenüber nicht gleichgültig werden und nicht mehr unterscheiden können, was akzeptabel ist und was nicht.“ Die wohl einfachste Antwort findet sich in der Aussage „[…] damit die Zivilisation nicht zusammenbricht, müssen wir Mord weiter bestrafen […]“.

Man hat den Eindruck, dass sich Giral in die Ermittlungen stürzt, um in diesen Zeiten irgendeinen Sinn zu finden und nicht verrückt zu werden. Er steht unter enormem Druck, da er sich gegen alle Seiten behaupten muss und ein gefährliches Spiel mit den Nazis zu spielen beginnt. Ironischerweise erinnern die Entscheidungen, mit denen er sich konfrontiert sieht, an de Gaulles „Wir haben eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg!“. Diese Frage muss Giral bei seinen Ermittlungen des Öfteren abwägen: Die Mörder identifizieren oder einem höheren Ziel zugunsten schweigen. Dabei handelt er sehr viel besonnener als sein Sohn, dessen Aktionen des Öfteren jugendlichem Leichtsinn zu entspringen scheinen.

In diesem Roman habe ich eine andere Sicht auf den zweiten Weltkrieg kennen gelernt, was wirklich spannend war. Die Auflösung musste ich zwei Mal lesen, da sie recht kompliziert war und es viele Verstrickungen gab. Das Buch hat mich des Öfteren zum googlen – bspw. historischer Begebenheiten – animiert, was für mich immer positiv zu bewerten ist. Auch die Anmerkungen des Autors am Ende fand ich hilfreich und wertvoll. Ein spannender Kriminalroman in den wirren des zweiten Weltkriegs: Für Krimiliebhaber und alle mit Interesse an Frankreich während der deutschen Besatzung, eine klare Empfehlung.

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Kampf mit der inneren Angst

Der Heimweg
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Auf der Flucht vor ihrem Liebhaber, der sich unmittelbar zuvor als psychopathischer Killer entpuppt hat, hört Klara Vernet auf einmal die Stimme eines Mannes aus ihrem Handy. Sie vermutet, dass sich die ...

Auf der Flucht vor ihrem Liebhaber, der sich unmittelbar zuvor als psychopathischer Killer entpuppt hat, hört Klara Vernet auf einmal die Stimme eines Mannes aus ihrem Handy. Sie vermutet, dass sich die Wahlwiederholung selbständig gemacht hat und bei dem Begleittelefon Service angerufen hat. So gelingt es Jules, dem Begleittelefonmitarbeiter am anderen Ende der Leitung, nach und nach ihr ihre Geschichte zu entlocken, bei der man das Gefühl hat, sie sei ausgedacht, so furchtbar klingt sie. Jules begleitet daraufhin Klara telefonisch auf ihrer Flucht und keiner bemerkt, wie beide immer mehr in die grausamen Geschehnisse involviert werden.

„Der Heimweg“ ist der erste Roman, den ich von Sebastian Fitzek gelesen habe und welcher mich ein bisschen zwiegespalten zurücklässt. Wüsste ich nicht, von wem der Roman stammt, hätte ich vermutet einen amerikanischen Serienkiller/Psychopathen Thriller einer der Autor*innen dieses Genres vor mir zu haben. Das Setting, die Entdeckung, die Klara bei ihrem Liebhaber macht, ist schauderhaft und verspricht einen Roman, der eben diese Richtung einschlägt. Allerdings passiert im Folgenden SEHR viel. Sehr, sehr viel. Ich hätte gerne einen Thriller über den „Kalender Killer“ gelesen, einen über fragwürdige Experimente in psychiatrischen Einrichtungen, einen Thriller über die perversen Machenschaften und Vorgänge im „Le Zen“ oder im sog. „Stall“, einen der sich um das echte Begleittelefon dreht oder auch gerne einen über Wahrnehmungsstörungen, aber nicht alles in einem einzigen Thriller verpackt. Nachdem alle diese Themen, die jeweils einen eigenen Roman thematisch füllen könnten, hier angeschnitten werden und irgendwie in der Handlung vorkommen, kommen zwangsläufig auch alle diese Themen zu kurz. Häusliche Gewalt kommt schon häufig in einem weitaus weniger ausufernden Ausmaß, wie hier geschildert wird, vor. Klar ist hier einiges wohl der Dramaturgie geschuldet, da nebenher aber noch so viel anderes passiert, verliert man ein bisschen den Blick für diese reale Problematik.

Nicht übertrieben sondern einfach unlogisch fand ich kleinere Handlungsstränge, bspw. als Klara einem Mann mit einem Auto über die Füße gefahren ist, von einem anderen Mann überwältigt wurde und daraufhin größere Strecken – schnell – zu Fuß zurückgelegt hat oder ein anderer, der trotz Messer in den Rippen und bedrohlichem Blutverlust, akrobatische Kunststücke an der Hausfassade vollbringen konnte. Auch über den Titel und den Zusammenhang zum Inhalt lässt sich irgendwie streiten. Man würde annehmen, dass eine Frau auf ihrem Heimweg ein ungutes Gefühl hat, glaubt verfolgt zu werden oder wie es der Buchrücken sagt „eine beruhigende Stimme braucht“ und deshalb beim Begleittelefon anruft. Allerdings befindet sich die Protagonistin auf der Flucht und möchte eben gerade nicht nach Hause, ja dieses sogar nie wiedersehen.

Jedoch ist dieses Buch ein echter Pageturner. Die Spannung reißt kein einziges Mal ab, sodass man das gesamte Buch gut in einem Rutsch lesen könnte. Man weiß bis zum Ende nicht, was stimmt, was wahr und was eingebildet ist oder eventuellen Wahrnehmungsstörungen geschuldet ist. Das Ende hält nochmal einige Überraschungen bereit und hat mir persönlich gut gefallen. Dass der Ausgang offen gehalten wurde, ist wohl Geschmackssache, in diesem Fall war es für mich allerdings sehr stimmig.

Wer einen fesselnden Thriller mit hohem Tempo und sich überschlagenden Ereignissen schätzt, ist hier richtig. Spannung pur ist hier garantiert, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag. Für mich sind zu viele Themen angerissen worden, lesenswert ist „Der Heimweg“ aber allemal und für den Spannungskick zwischendurch absolut zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 06.04.2021

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“

Die Wahrheit der Dinge
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Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Außerdem ...

Frank Petersen, Strafrichter, befindet sich an einem Wendepunkt in seinem Leben. Seine Frau wohnt vorübergehend mit dem gemeinsamen Sohn Jannis bei ihren Eltern und möchte eine Pause von der Ehe. Außerdem nagt der Zweifel, besonders über zwei Urteile, welche er gefällt hat, an ihm. Zum einen ist da der Fall Korkmaz, bei dem seine Frau entschieden Vorwürfe gegen sein Urteil erhebt und der Fall Corinna Maier. In einem früheren Verfahren hat sie kurz vor der Urteilsverkündung den Angeklagten im Gerichtssaal niedergeschossen. Da ihre Haftstrafe nun endet, reißt der Fall bei Petersen alte Wunden auf. Indem er Corinna Maier aus der Haftanstalt abholt, möchte er endlich ungeklärte Fragen klären. Ob beide damit ihren Frieden finden werden?

Die Erzählung erfolgt in zwei Handlungssträngen: Zum einen die Gegenwart, welche aus der Sicht Frank Petersens erzählt wird und von seiner Sinnkrise, die über eine Midlife-Crisis hinausgeht, berichtet. Zum anderen bekommt der Leser immer wieder Einblick in die Vergangenheit Corinna Maiers. Langsam setzt sich ein Bild zusammen, was den Leser erkennen lässt, was sie zu dieser Tat getrieben hat. Das harte Schicksal, welches dieser Frau widerfahren ist, sprüht nur so vor Ungerechtigkeit und lässt einen schockiert zurück. Hier sieht man sich bereits mit dem ersten Dilemma konfrontiert, man kann ihre Beweggründe nachvollziehen, Selbstjustiz jedoch auch nicht gutheißen.

Relativ schnell stellt sich heraus, dass der Fall Korkmaz das Fass für Britta zum Überlaufen gebracht hat und sie deshalb eine Auszeit wollte. Man weiß, dass es mehrere Dilemmata gibt, die Petersen hin und herreißen, allerdings zieht sich die Erzählung, bis man herausfindet, um was es konkret geht. Lange wird man im Dunkeln gelassen, sodass man sich selbst keine Gedanken machen und abwägen kann.

Der Roman regt sehr zum Nachdenken an. Es gibt viele Punkte, über die man nachgrübelt, da man beide Seiten verstehen kann. Ganz besonders deutlich wird dies durch Petersen und seine Frau widergespiegelt. Auf der einen Seite der rationale Petersen mit den harten Fakten im Blick, auf der anderen Seite Britta, die eine emotionale Sichtweise und einen Blick für den Kontext mitbringt. Man stellt fest, dass beides seine Berechtigung hat, wichtig ist und es eigentlich nie die eine Wahrheit gibt.

Ebenso wird das Dilemma Familie und Job beleuchtet. Was tun, wenn das eine das andere negativ beeinflusst und sich beides nicht mehr richtig anfühlt? Petersen steht zwar hinter seinen Entscheidungen und kann „sich selbst noch im Spiegel ansehen“, aber das ist nicht das Einzige was zählt. Auch die Menschen, deren Urteil wir schätzen, die das Beste in uns herauszuholen vermögen müssen uns weiter in die Augen sehen können.

Selbst wenn man jedes für und wider abwägt, heruntergebrochen geht es um Schicksale, um Menschenleben, um Menschen, denen bereits alles genommen wurde und denen nichts mehr bleibt außer die Hoffnung auf einen Funken Gerechtigkeit. Man fragt sich das ein oder andere Mal durchaus, ob Dummheit und Ignoranz überhaupt diese differenzierte und offene Betrachtung verdienen. Aber wie Petersens Chefin so deutlich sagt: „Ohne Leute wie Sie, geht unser Rechtsstaat zugrunde“. Liegt nicht genau darin die Aufgabe, ständig und mit aller Kraft dafür zu kämpfen, unsere so fragilen und verletzlichen Gebilde Demokratie und Rechtsstaat aufrecht zu erhalten?

Empfehlenswert ist dieser Roman allemal. Vor allem für diejenigen, die sich für die Zusammenhänge und Fragen der Justiz interessieren. Dabei ist alles auch für Laien absolut verständlich aufgearbeitet. Leichte Kost ist „Die Wahrheit der Dinge“ sicherlich nicht, wer aber nicht davor zurückschreckt, sich mit Fragen auseinanderzusetzen, für die es kein klares ja oder nein gibt und seine eigenen Wahrheiten zu hinterfragen, für den ist dieser Roman mit Sicherheit sehr wertvoll.

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Veröffentlicht am 29.03.2021

Die losen Enden des kalten Kriegs

Geiger
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Stellan Broman, eine ehemals große Nummer im schwedischen Fernsehen und seine Frau Agneta sind ein älteres Ehepaar, welches ihre Enkelkinder in den Ferien zu Besuch hat. Gerade als die Kinder wieder von ...

Stellan Broman, eine ehemals große Nummer im schwedischen Fernsehen und seine Frau Agneta sind ein älteres Ehepaar, welches ihre Enkelkinder in den Ferien zu Besuch hat. Gerade als die Kinder wieder von ihren Eltern abgeholt werden und die Großeltern sich endlich entspannen können, klingelt das Telefon. Als Agneta abhebt, wird sich das Leben der ganzen Familie schlagartig ändern, denn aus heiterem Himmel schießt sie ihrem Mann in den Kopf und flüchtet.

Nach diesem Szenario staunt man als Leser nicht schlecht, was für ein Auftakt! Manchmal denkt man es wäre spannender nicht mehr zu wissen als die Ermittler, hier verhält es sich aber genau umgekehrt. Dass man bereits über die Täterin Bescheid weiß, es aber immer noch nicht glauben kann und kein Motiv für die Tat erkenntlich ist, macht alles umso spannender. Dieser Mord ruft eine Kindheitsfreundin der Broman Töchter auf den Plan, die mittlerweile als Polizistin arbeitet und inoffiziell eigene Nachforschungen anstellt. Sara entdeckt bald darauf Verbindungen des Falls zum kalten Krieg und sticht in ein Wespennest aus Stasi Geheimaktionen und DDR-Sympathisanten und es tun sich menschliche Abgründe auf, die man sich schlimmer nicht vorzustellen vermag.

Es ist auch spannend zu sehen, wie sich die Dynamik zwischen den Frauen entwickelt, da Sara, der Polizistin, nach und nach klar wird, dass ihre sorglosen schönen Erinnerungen an die Kindheit idealisiert und verklärt ist, in Wirklichkeit aber ungesunde, manipulative Verhältnisse zwischen den Kindern geherrscht haben.

In diesem Buch gibt es gefühlt zwei vorherrschende, polarisierende Themen: Politik und die bereits erwähnte Polizistin Sara. Ihr Leben, ihre Arbeit sowie die kleinen und größeren familiären Probleme nehmen viel Platz ein. Wird man jedoch mit der hartnäckigen Ermittlerin, die auch gerne mal Grenzen überschreitet, warm, stehen die Chancen gut, schon mal einen Großteil des Buches zu mögen. Da viele Stasi Akten auch heute noch unter Verschluss stehen, hat dieses Thema also durchaus Potential. Es gibt viele geschichtliche Hintergrundinformationen, kleinere Exkurse in die schwedische Geschichte und der BND spielt ebenfalls eine Rolle. Es ist als nur von Vorteil, wenn man sich für diese Thematik auch interessiert. Das klingt zwar nur logisch, man wird aber nirgends vorgewarnt, dass sich dieses Buch mit den genannten Themen beschäftigt.

Mir war Sara durchaus meistens sympathisch und auch für die politischen Themen konnte ich ein gewisses Interesse aufbringen. Allerdings waren andere Handlungsstränge für mich teilweise unlogisch oder unverständlich. Wo die geschichtlichen Hintergründe akkurat recherchiert sind, besteht der fiktionale Teil des Romans für mich doch aus zu vielen unrealistischen Elementen. Die eigentlichen Ermittlungen werden dermaßen laienhaft ausgeführt und die offensichtlichsten Hinweise ignoriert, dass man sich fragt, wofür die Ermittler überhaupt da sind. Auch die Auflösung war mir persönlich zu weit hergeholt und übertrieben. Es gab durchaus überraschende und geschickt eingefädelte Elemente, die jedoch im weiteren Verlauf wieder an Glaubhaftigkeit verloren haben. Dass eine Person alleine für den Zerfall des Ostblocks verantwortlich sein soll, ist mir dann doch etwas zu übertrieben.

Der Schreibstil konnte mich die meiste Zeit fesseln. Es war angenehm zu lesen und gab witzige Passagen genauso wie Anspruchsvolle und teilweise Verwirrende. Die Geschichte startet unglaublich spannend und man staunt nur so, ob der Geschehnisse, die man so gar nicht begreifen kann. Spannungstechnisch hängt der Mittelteil dann etwas durch, jedoch nimmt die Geschichte zum Ende hin nochmal richtig Fahrt auf und die Spannungskurve erreicht fast so einen Stand wie zu Beginn.

Trotzdem bin ich auf die Fortsetzung gespannt, da man doch eine ganze Zeit lang mit den Protagonisten mitgefiebert und mitgefühlt hat. Wer sich für die Themen kalter Krieg und DDR und Schwedens Verwickelungen darin, interessiert und einen spannenden Spionage-Thriller lesen will, ist hier an der richtigen Stelle.

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Veröffentlicht am 27.03.2021

Dieser Roman ist ein wahrer Glanz

Polizeiärztin Magda Fuchs – Das Leben, ein ewiger Traum
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Magda Fuchs versucht ihrer Vergangenheit zu entfliehen und verlässt ihre Heimat Hildesheim um in der großen, unbekannten Stadt Berlin als Polizeiärztin neu anzufangen. Sie findet eine Unterkunft in der ...

Magda Fuchs versucht ihrer Vergangenheit zu entfliehen und verlässt ihre Heimat Hildesheim um in der großen, unbekannten Stadt Berlin als Polizeiärztin neu anzufangen. Sie findet eine Unterkunft in der Pension „Bleibtreu“, welche gleichzeitig zu einem Ort der Begegnung zwischen den so vielseitigen Frauen dieses Romans ist. Während Magda mit der Unterstützung eines einzigen Kollegen und der Fürsorgerin Ina gegen die Ungerechtigkeit und Brutalität, die den in Armut lebenden Kindern in der Großstadt widerfährt, anzukämpfen versucht, bemüht sich Celia aus dem Gefängnis ihrer Ehe zu befreien, um ihren Traum vom Medizinstudium verwirklichen zu können.

Ich habe – unverständlicherweise – die Reihe um „Die Ärztin“ von Helene Sommerfeld bisher nicht gelesen und wusste also nicht was mich erwarten würde. Nun kann ich es kaum erwarten, dass die Fortsetzung dieser neuen, wunderbaren Reihe endlich erscheint. Der Roman hat alles was man sich nur vorstellen kann: Couragierte Frauen, überhaupt interessante, vielseitige Charaktere, spannende Ermittlungen, menschliche Abgründe, Elend und Leid aber genauso große Gefühle, familiärer Zusammenhalt und Hoffnung. Man ist bestürzt, schockiert, fiebert mit den Figuren mit und steckt zusammen mit ihnen in ihren Dilemmata, bei denen man froh ist, nicht selber diese Entscheidungen treffen zu müssen.

Immer wieder sind Frauen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten Teil der Handlung, die alle versuchen ihren Weg zu gehen. Langsam erkennen sie, dass auch sie eine Stimme haben und lernen diese auch einzusetzen. Es ist schön zu sehen, wie die Frauen einander unterstützen und Mut machen. Es ist „die Zeit von Frauen […], die ihr Leben selbst in die Hand nehmen“. Damals standen diese mutigen Frauen vor riesigen Herausforderungen und haben uns durch ihr mutiges Handeln den Grundstein geschaffen, 100 Jahre später auf so viel bereits Erreichtes zurückzublicken und dennoch weiter kämpfen zu können und zu müssen.

Der pessimistisch konnotierte Titel lässt wenig Platz für Hoffnung und oft hat man das Gefühl, all die Anstrengungen der Charaktere seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Roman schafft es aber auf überzeugende Weise die Hoffnung in den Vordergrund zu stellen und „mahnt“ den Glauben an jeden Einzelnen nicht zu verlieren: „Auch nur einen Menschen zu retten, heißt, die ganze Menschheit zu retten."

Der Roman liest sich wunderbar und kann spannungstechnisch locker mit einem Kriminalroman mithalten. Vor allem die weiblichen Charaktere sind so unterschiedlich und vielschichtig gestaltet, dass man mit mindestens einer Figur sympathisieren kann. Die Darstellung von Celias Vater hat mir besonders gut gefallen, da dieser Charakter so erfrischend gegensätzlich zu den gewohnt konservativen und spießigen Darstellungen ihm ähnlicher oder gleichaltriger Figuren ist.

Die detailreichen, historischen Gegebenheiten lassen einen ganz in das Berlin der „Goldenen Zwanziger“ eintauchen und man bekommt ein unglaublich gutes Gefühl für die Stimmung in dieser Stadt. Mir gefallen auch die Charaktere, die im breitesten Berlinerisch reden und ihre „Berliner Kodderschnauze“ nicht verstecken, da es das ganze so viel authentischer macht. Einfach dufte! Dank der tollen Recherche, welche diesem Roman zugrunde liegt, lernt man gleich noch was dazu. Nun weiß ich über die Bedeutung hinter der Abkürzung AVUS auch Bescheid.

Für mich ein absolut empfehlenswerter historischer Roman mit starkem Frauenbild und authentischem Einblick in das Berlin der goldenen 20er.

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