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Veröffentlicht am 23.04.2019

Es braut sich was zusammen

Fünf Tage in Paris
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Sowohl in Paris, das von Starkregen so heimgesucht ist, dass die Seine außer Rand und Band zu geraten droht, als auch in der Familie Malegarde. Diese nämlich - Eltern und die beiden längst erwachsenen ...

Sowohl in Paris, das von Starkregen so heimgesucht ist, dass die Seine außer Rand und Band zu geraten droht, als auch in der Familie Malegarde. Diese nämlich - Eltern und die beiden längst erwachsenen Kinder Tilia und Linden - hat sich zusammengefunden, um in kleiner Runde ein umso bedeutungsvolleres Fest zu feiern, für das es einen doppelten Anlass gibt: den siebzigsten Geburtstag des Vaters Paul sowie den vierzigsten Hochzeitstag der Eltern.

Doch schon am ersten Abend fühlt sich der Vater unwohl und beide Eltern - Paul und Lauren - bleiben auf dem Zimmer, erst am nächsten Tag trifft sich die Familie zu einem ersten Rundgang, der in Teilen im wahrsten Sinne ins Wasser fällt. Und im übertragenen dann nochmal am Abend, als der Vater ausgerechnet am Abend seines 70sten Geburtstags einen Schlaganfall erleidet.

Schnell wird er ins Krankenhaus gebracht, der Zustand ist ernst. Parallel dazu erkrankt Mutter Lauren an einem starken Grippevirus, Tilia kümmert sich um sie, Linden um den Vater und um die Gesamtsituation.

Linden ist es auch, aus dessen Perspektive die Handlung geschildert wird: ein erfolgreicher Fotograf Mitte dreißig, der es aus verschiedenen Gründen schwer hatte in der Kindheit und Jugend und in Teilen bei seiner mittlerweile verstorbenen Tante, der älteren Schwester seiner Mutter aufwuchs.

Mit Tilia verbindet ihn eine enge Beziehung, auch wenn sie auf verschiedenen Kontinenten leben, mit den Eltern ist er eher auf Abstand - eine emotionale Annäherung vor allem zunächst an Vater Paul erfolgt in dieser absoluten Extremsituation.

Autorin Tatiana de Rosnay legt hier einen perfekt komponierten Roman vor, in dem sich Naturgewalt und die Situation der Familie Malegarde parallel zu einem dramatischen, eskalierenden Höhepunkt entwickeln. Ein Roman mit einer überaus starken Symbolik und einer enormen Kraft, der nicht so leicht vergessen werden kann.

Veröffentlicht am 19.04.2019

Liebe Kinder, weniger liebe Eltern

Liebes Kind
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Lena hat jahrelang mit ihrem Mann und ihren Kindern Hannah und Jonathan in einer fensterlosen Hütte im Wald gelebt - bis sie ihn umbringt und zusammen mit beiden Kinder fliehen kann. Und dann ...

Lena hat jahrelang mit ihrem Mann und ihren Kindern Hannah und Jonathan in einer fensterlosen Hütte im Wald gelebt - bis sie ihn umbringt und zusammen mit beiden Kinder fliehen kann. Und dann gibt es einen Unfall: Lenas Eltern, die sie seit 14 Jahren vemisst haben, kommen ins Krankenhaus und sehen, dass die Verletzte, die sich Lena nennt, gar nicht ihre Tochter ist. Doch dann kommt Hannah und ist Lena wie aus dem Gesicht geschnitten.

Was ist geschehen? Wie passen alle diese Puzzlesteine zusammen? Berichtet wird aus mehreren Perspektiven: aus der von Lena, von Hannah und Matthias, Lenas Vater.

Und bald wird deutlich, dass dies eine Geschichte ist, die uns sehr nahe geht, einfach, weil sie einerseits zwar weit hergeholt wirkt, andererseits jedoch uns alle treffen kann. Denn: das Unheil ist hier nicht abstrakt, nein, es schleicht sich mitten hinein in das Familienleben, nistet sich ein und ist latent noch immer vorhanden, auch wenn Frau und Kinder offenbar in Sicherheit sind. Wird Matthias seine Tochter wiedersehen? Werden Lena, Hannah und Jonathan jemals normal leben können? Was ist in diesem Zusammenhang überhaupt normal?

Heftig und erschütternd, dabei meisterhaft konstruiert ist der Thriller der jungen Autorin Romy Hausmann. Es geht nicht übermäßig blutig darin zu, nein, es ist ein Psychoterror der subtilen Art, der das gesamte Geschehen durchdringt und mir beim Lesen permant eine Gänsehaut bescherte. Faszinierend und absolut meisterhaft!

Veröffentlicht am 19.04.2019

Kühle Leidenschaft

Marlene und die Suche nach Liebe
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Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke ...

Diesen scheinbaren Widerspruch hat Marlene Dietrich gelebt, jedenfalls dem biographischen Roman C.W. Gortners zufolge. Der Autor lässt uns die Schauspielerin mit der besonderen Ausstrahlung auch als starke Frau erleben, als eine, die sich niemals die Butter vom Brot nehmen ließ, auch wenn es hart auf hart kam.

Und das kam nicht selten vor in ihrem Leben: durch den frühen Tod ihres Vaters in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, kam sie in den "Roaring Twenties" durch ein eher halbseidenes Milieu zum Film, wo sie schnell den Durchbruch schaffte.

Man könnte sagen, sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, denn sie war Berlinerin, und das bedeutete in den 1920ern, am Puls der Zeit zu leben. Jedenfalls, was die Kultur anging.

Wir lernen "die Dietrich" als Frau lernen, die sowohl Frauen als auch Männer liebte und mit ihrem Ehemann und Vater ihrer Tochter verheiratet blieb, obwohl seit Jahrzehnten getrennt lebend. Als eine tapfere Frau, die den Nazis schon früh die Stirn bot, auch wenn das nur in Teilen ihrer eigenen Familie gut ankam. Als schwierige Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und als Frau mit einem riesengroßen Herzen. Kühl wirkte sie, doch ihre Leidenschaft blieb dennoch nicht im Verborgenen.

Ein wirklich spannender und unterhaltsamer biographischer Roman, den ich mit großem Genuss gelesen habe und gerne weiter empfehle.

Veröffentlicht am 18.04.2019

All about Eve?

Vater unser
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Nein, alles über Eva erfährt man hier nicht, aber auch nicht über den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, nach denen die drei Romanteile jeweils benannt sind und die hier - wenn man so will - sowohl ...

Nein, alles über Eva erfährt man hier nicht, aber auch nicht über den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, nach denen die drei Romanteile jeweils benannt sind und die hier - wenn man so will - sowohl eine prominente als auch eine verwirrende Rolle spielen.

Protagonistin Eva Gruber, gleichzeitig Ich-Erzählerin und Patientin in einer psychiatrischen Klinik, führt uns Leser im heiteren, stellenweise makabren Plauderton in ihr Leben und in die Geschicke ihrer Familie ein, die aus einer schwierigen Mutter, einem zu beschützenden jüngeren Bruder und einem übergriffigen Vater besteht, der allerdings schon vor Jahren die Flucht nach vorne in ein anderes Leben mit einer neuen Familie angetreten hat. Oder auch nicht, denn schnell wird klar, dass man Eva eigentlich überhaupt nichts glauben kann

In der Klinik ist der Psychiater Doktor Korb Evas Gesprächspartner, der auch für den Leser somit eine wichtige Bezugsperson als Adressat sämtlicher Gefühle und Empfindungen Evas ist. Aber was ist da los? Denn längst nicht alles, was Eva so von sich gibt, kann stimmen, dazu widerspricht sie sich viel zu oft selber. Existiert dieser Doktor eigentlich und wenn ja, was genau führt er im Schilde? Eva scheint ein wenig von einer erwachsenen Pippi Langstrumpf zu haben: sie schafft sich zwar nicht ihre Welt, aber sie verkauft sie, wie sie ihr gefällt.

Ist sie eine Lügenbaronin, eine weibliche Antwort auf Münchhausen? Eine Hochstaplerin vielleicht? Mehr und mehr macht sie den Eindruck einer zutiefst verstören und zerstörten jungen Frau, trotz der Leichtigkeit, die über weite Teile ihrer Ausführungen mitschwingt. Immer wieder bringt sie es fertig ihre Leser - mich zumindest - zu irritieren und zu verwirren.

Die junge österreichische Autorin Angela Lehner hat hier etwas ganz Besonderes geschaffen, ein Werk, dass ich als tragischen Schelmen-, nein, vielmehr Schelminnenroman bezeichnen möchte.Mit Betonung auf "tragisch" Denn es ist starker Tobak, der uns Lesern hier aufgetischt wird, aber andererseits tritt Protagonistin Eva auch als Meinungsmacherin, gelegentlich auch als Illusionistin auf. Oder sie erweckt zumindest den Anschein. Denn ganz bin ich ihr bis zum Schluss nicht auf die Schliche gekommen. Was auch nicht weiter schlimm ist, denn auch der Leser sollte sich selbst und seine Ideen in die Lektüre einbringen können, was hier ganz unbedingt der Fall ist! Literarisch geht Angela Lehner ihren eigenen Weg - sowohl stilistisch als auch inhaltlich hat sie etwas noch nie Dagewesenes oder mir zumindest bislang Unbekanntes geschaffen. Ihr Roman ist eine Fundgrube für alle, die bereit sind, in der Literatur diesem neuen Weg, der auch Eigeninitative erfordert, einzuschlagen und ganz was Neues auszuprobieren!

Veröffentlicht am 15.04.2019

Griechischer Wein

Made in Greece
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kommt in diesem Buch eher am Rande vor, auch wenn griechische Produkte im Zentrum stehen - statt dessen lernt der Leser Schnecken, Matratzen und (Künstler-)T-Shirts aus griechischer Herstellung kennen.

Und ...

kommt in diesem Buch eher am Rande vor, auch wenn griechische Produkte im Zentrum stehen - statt dessen lernt der Leser Schnecken, Matratzen und (Künstler-)T-Shirts aus griechischer Herstellung kennen.

Und trifft auf ein paar griechische Originale wie bspw. den Krimiautor Petros Makaris. Darauf hatte ich mich als langjähriger Fan vor allem seines Ermittlers Kostas Charitos, seiner Frau Adriani und ihrer gemeinsamen Mahlzeiten besonders gefreut, aber abgesehen von einem durchaus attraktiven Rezept für gefüllte Tomaten Konstantinopeler Art sprang da nicht allzu viel heraus, will sagen: das meiste war mir bereits ein Begriff.

Ansonsten habe ich dann doch so einiges erfahren vor allem über Menschen und ihre Geschäftsideen in Griechenland, aber ich muss sagen: so richtig gepackt hat es mich nicht! Weil es an Atmosphäre fehlte, an einer wirklich warmherzigen und eindringlich-einfühlsamen Schilderung des gesamten Settings.

Ich fühlte mich also nicht so, als ob ich mit dem Autor des Buches, Andreas Deffner, durchs Land streichen würde, sondern quälte mich stellenweise richtig beim Lesen. Und das bei einem Buch über Griechenland, einem Land, in dem ich über ein Jahr gelebt und gearbeitet habe und das ich wirklich sehr verehre!

Ein Highlight waren einige der integrierten Rezepte, wobei mich weder Schnecken noch Lerchen (ja, tatsächlich sind die Vögel gemeint, nicht das gleichnamige Marzipangebäck aus Leipzig) und auch nicht das Wundermittel Aloe Vera hinter dem Herd. Aber endlich entdeckte ich ein tolles Rezept für Soutsoukakia, jene länglich geformten, köstlich gewürzten Hackfleischgebilde in Tomatensauce, die ich ganz gewisse nachkochen werde.

Kein schlechtes Buch, aber eben auch kein gutes - wer schon richtig, richtig viel weiß über Griechenland weiß und Unbekanntes erfahren will, für den ist das sicher was, sonst kann man aber auch getrost die Finger davon lassen.