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Veröffentlicht am 20.12.2017

Thank you for the days

Unsere Tage am Ende des Sees
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hose endless days, those sacred days you gave me
I'm thinking of the days, I won't forget a single day, believe me!

An diesen alten und aus meiner Sicht wunderschönen Kinks-Song musste ich ganz oft denken, ...

hose endless days, those sacred days you gave me
I'm thinking of the days, I won't forget a single day, believe me!

An diesen alten und aus meiner Sicht wunderschönen Kinks-Song musste ich ganz oft denken, während ich die Liebesgeschichte von Hanna und Alex las - dass es eine bittersüße wird, das war schon bald klar, ebenso, dass dies nicht das einzige große Thema des Buches ist.

Denn Hanna hatte ihre bayerische Heimat und damit ihre Mutter früh verlassen und war nach Hamburg übergesiedelt, was es damit auf sich hatte, das dröselt Autorin Linda Winterberg peu á peu in ihrem neuen Roman auf. Also sind es gleich mehrere Beziehungsgeschichten um Hanna, deren Entwicklung hier aufgedeckt wird.

Sie hat nämlich gerade ihren Mann bei einem Unfall verloren und begibt sich nun auf die Spuren ihrer Jugend - wahrlich kein unkompliziertes Unterfangen, gibt es darin doch so einige dunkle Stellen!

Linda Winterberg schreibt warmherzig und ergreifend, doch leider auch ziemlich voraussehbar - am Ende fügte sich alles ganz genau so zusammen, wie ich es bereits vor der Mitte des Romans zu erahnen begann. Dennoch habe ich das Buch - das vor allem in der Mitte auch die ein oder andere Länge aufweist - wirklich gern gelesen, auch wenn ich gestehen muss, dass es stellenweise ein kleines bisschen langweilig wurde.

Ein Buch für einen Ferientag oder gar für den Strand, einfach aufgrund der Wärme, die es trotz der Problematik, die stellenweise transportiert wird, ausstrahlt.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine Leiche verschwindet

Die Hauptstadt
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und noch einiges mehr! Was wie ein Krimi beginnt, verläuft früh im Sande - wie in Brüssel, dem Zentrum der EU so einiges im Sande verläuft. Dies erkennt der Leser dieses Romans sehr früh - EU-Aktivitäten ...

und noch einiges mehr! Was wie ein Krimi beginnt, verläuft früh im Sande - wie in Brüssel, dem Zentrum der EU so einiges im Sande verläuft. Dies erkennt der Leser dieses Romans sehr früh - EU-Aktivitäten und was drum herum geschieht, sind nicht unbedingt effizient. Ja, die EU hat eine Menge Leichen im Keller, insofern hat die hier beschriebene Leiche einen durchaus symbolischen Wert.

Insgesamt ist vieles, was hier über die EU geschrieben wird, sehr zutreffend, angefangen vom Vokabular (Concours, Basis, Generaldirektion und, und, und). Als ehemalige EU-Angestellte (wenn auch nur für kurze Zeit) fühlte ich mich gleich zu Hause in der Sprache des Buches, in seinen Themen.

Die Hackordnung in der EU ist strikt festgelegt - die mit dem Geld, bspw. die Generaldirektion Landwirtschaft, sind ganz oben.

Und ganz unten ist die DG Kultur, ausgerechnet dort leitet Xeno, zypriotische Möchtegern-Aktivistin, eine Abteilung. Um sich zu profilieren, plant sie einen EU-Geburtstag, eine große Feier. Nein, sie soll nicht am Robert-Schuman-Tag, dem Geburtstag des Gründers stattfinden, jedenfalls nicht unbedingt und sie soll mit einem symbolträchtigen Ereignis verknüpft werden.

Dieses ist auch bald gefunden - ich verrate es Ihnen nicht - und es ist so logisch wie makaber. Obwohl es durchaus polarisiert, kommt man davon nicht mehr weg.

Und alle Figuren - ob EU-Beamte bzw. Angestellte oder aus anderen Gründen in Brüssel zugange, scharen sich drum herum, ob es ihnen selbst nun bewusst ist oder nicht.

Ja, die EU ist hier abgebildet und dass Österreich einen aus meiner Sicht etwas überproportionalen Anteil annimmt, hat sicher mit der Nationalität des Autors zu tun, ich würde es jetzt nicht ganz so zentral einbinden, wie es hier geschieht. Wobei natürlich nicht alle Eu-Länder gleichermaßen Erwähnung finden, aber das internationale und vor allem -kulturelle Gefüge wird durch die Erläuterungen des Robert Menasses sehr plastisch und durchaus nachvollziehbar abgebildet.

Was hier los ist! Oi oi oi, falsch Eu, eu,eu muss es heißen, denn um die EU kreist dieser dadurch ausgesprochen zeitgemäße Roman auf jeder Seite, sie ist das Universum, um das sich alles dreht, keine USA, keine NATO.

Menasse entwickelt einen wilden Reigen von Personen, denen man als Leser wieder und wieder begegnet: alte, mittelalte und junge, von denen jeder auf seine Art von Europa geprägt ist - und sein europäisches Päckchen zu tragen hat. Auch wenn es teilweise ein wenig chaotisch zuging, habe ich die Lektüre sehr genossen - am Ende standen mir die Tränen in den Augen, so habe ich mich in die Geschichte hineingefunden. Aber keine Angst, es gibt auch heitere Stellen, wenn auch eher solche der makabren Art. Sie können jetzt schon über die Bedeutung des Satzes "KZ-Überlebende sind keine Alumni." (S.242) rätseln, der für die Entwicklung der Story eine nicht unwesentliche Bedeutung hat. Vielleicht regt er sie ja zum Lesen an.

Definitiv ein Buch für Leser, für die die EU nicht nur eine Abkürzung ist, sondern ein Teil ihres Lebens. Und die, wenn sie sich darauf einlassen, viel Spass damit haben werden!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine Frau an jedem Finger

Das Jahr der Frauen
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und zwei noch dazu - dieses "Konzept" schlägt Frank Stremmer seinem Therapeuten Niederegger am 4. Januar 2013 für eine Wette vor: Wenn er es schafft, in jedem Monat des Jahres eine Frau rumzukriegen, dann ...

und zwei noch dazu - dieses "Konzept" schlägt Frank Stremmer seinem Therapeuten Niederegger am 4. Januar 2013 für eine Wette vor: Wenn er es schafft, in jedem Monat des Jahres eine Frau rumzukriegen, dann "darf" er sich an dessen Ende umbringen.

Ein eigenartiger Vorschlag, auf den Niederegger nicht eingeht, den Stremmer jedoch als Projekt sieht, auf das er sich gleich stürzt. Mit mehr oder weniger Erfolg: eine Frau gibt es durchaus in jedem Monat, aber wie nahe ihr Frank tatsächlich kommt, das unterscheidet sich von Mal zu Mal.

Wir begleiten im Laufe der Lektüre also Frank Stremmer durch das gesamte Jahr 2013 und lernen ihn und seine Umgebung dabei kennen. Er outet sich als vielschichtige Persönlichkeit mit Depression, hat seinen Hang zum schwarzen Humor nicht verloren und macht sich auch in dieser seinen persönlich problematischen Situation gern Gedanken um seine Mitmenschen, die er gelegentlich mit fiktiven Biographien versieht.

Stremmer arbeitet in einer global tätigen NGO, einer nichtstaatlichen Organisation also mit karitativem Charakter, die sein Autor Christoph Höhtker immer wieder aufs Korn nimmt. Da ich diesen Roman jedoch unmittelbar nach "Die Hauptstadt" von Robert Menasse gelesen habe, wo Ähnliches mit der EU geschieht, waren meine Erwartungen wohl ein bisschen zu hoch, ich finde die Darstellung in dieser Hinsicht ein bisschen wirr.

Wenig stringent sind allerdings auch die anderen Erzählstränge, in denen immer wieder Einschübe vorkommen - E-mails, die Stremmer erhält, Reflexionen vergangener Zeiten, die ihm durch den Kopf gehen.

Übrigens sind viele der Mails in Englisch, wenige sogar auf Französisch verfaßt und werden nicht im Anhang oder so übersetzt. Ich konnte sie zwar verstehen, aber ich fand das trotzdem störend und empfand sie als Hemmschwelle für Leser, die nicht so global unterwegs sind wie der Autor und sein (Anti)Held. Ein eloquent geschriebener, sprachlich spannender Roman, der mich leider auf anderer Ebene nicht packen konnte.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Eine Zeitkapsel, in der Verbrechen angekündigt werden

SOG
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Das klingt wie aus einem SF-Roman, aber ist dennoch bittere Realität in den Ermittlungen der Kripo in Reykavik: dort wurden vor über 10 Jahren Schüler aufgefordert, ihre Visionen für die Zukunft aufzuschreiben ...

Das klingt wie aus einem SF-Roman, aber ist dennoch bittere Realität in den Ermittlungen der Kripo in Reykavik: dort wurden vor über 10 Jahren Schüler aufgefordert, ihre Visionen für die Zukunft aufzuschreiben und einer von ihnen hat auf die kaltblütigste Weise den Entwicklungen vorgegriffen: dort werden Morde vorausgesagt, die zum Teil inzwischen tatsächlich geschehen sind.

Hat das alles etwas mit der Leiche eines Mädchens aus derselben Zeit zu tun - auch darauf gibt es Hinweise? Aber bald schon finden sich Verbindungen zur Gegenwart - und zwar welche der gruseligsten Art. Ich will nicht viel verraten, aber wer was gegen abgetrennte Körperteile hat, sollte sich von diesem Buch verhalten.

Nur so viel: der ganze Kriminalbereich Islands im weitesten Sinne outet sich als korrupter Sumpf sondergleichen, in den auch Familien - bis hin zu Kindern im Kindergartenalter - mit hineingezogen werden.

Wie im Vorgängerfall "DNA" setzt die isländische Autorin Yrsa Sigurdardottir das mehr oder weniger unfreiwillig zueinander findende Ermittlergespann bestehend aus Psychologin Freya und Kommissar Huldar ein - beide hatten schon mal eine Begegnung, eine der ganz anderen Art.

Aber lesen Sie selbst, denn es ist wie immer unterhaltsam und originell, was die isländische Autorin hier verzapft hat. Allerdings sollten Sie nicht zu zart besaitet sein, denn es ist ganz schön starker Tobak, der hier aufgetischt wird und auch Kinder spielen eine Rolle und auch sie bzw. der Umgang mit ihnen sind Themen, die von der Autorin nicht gerade sanft dargestellt werden.

Also definitiv eher was für Thrillerfans als für Freunde des klassischen Whodunnit. Und für solche, die auf überraschende Wendungen stehen, wobei es für meinen Geschmack manchmal fast zu absurd zugeht. Ein bisschen weit hergeholt sind die Konstruktionen auf jeden Fall und das ist noch eine Untertreibung meinerseits.

Dennoch wieder ein spannender Fall mit schrägen, gut und eindringlich dargestellten Protagonisten, den ich gern gelesen habe. Ich hoffe sehr, dass Freya und Huldar, deren Nicht-Beziehung mal wieder auf die Probe gestellt wird, erneut zuschlagen und dass ihre Hassliebe sich endgültig in die ein oder andere Richtung verlagert. Wie auch immer, ich würde gern mehr von ihnen lesen!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Ein modernes isländisches Märchen

Nordlichtherzen
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Jarvis hat ihren Mann verloren. Zumindest seinen Geist, sein Körper ist noch da, die Hülle sozusagen und vegetiert vor sich hin, schon seit sechs langen Jahren. Er liegt nämlich im Koma, nach einem ziemlich ...

Jarvis hat ihren Mann verloren. Zumindest seinen Geist, sein Körper ist noch da, die Hülle sozusagen und vegetiert vor sich hin, schon seit sechs langen Jahren. Er liegt nämlich im Koma, nach einem ziemlich dämlichen Sturz im eigenen Atelier. Martin Miller ist nämlich Maler, ein ziemlich erfolgreicher sogar, doch zum wahren Star stieg er erst nach seinem tragischen Unfall auf.

Jarvis ist quasi sein Anhängsel, da sie völlig von ihm abhängig ist, er hat sie zu dem geformt, was sie ist. Seit sie mit ihm zusammen ist, geht es ihr gut, sie nimmt keine Drogen mehr und ist Teil der besseren Gesellschaft geworden. Naja, das ist seit sechs Jahren Vergangenheit, denn nun ist sie wieder allein, verkauft ab und an mal ein Bild, um Martins Aufenthalt in einem teuren Heim zu finanzieren und fühlt sich unendlich einsam.

Obwohl ihre Freunde Alice und Davis ständig um sie herum sind. Aber es sind eigentlich Martins Freunde, oder auch nicht, denn mit ihrer Freundschaft sind geschäftliche Interessen verbunden. Und nun setzen sie Jarvis zu, vor allem Alice, die Besitzerin einer erfolgreichen Galerie ist. Dennoch entzieht sich Jarvis nicht ganz - aus Höflichkeit oder aus Einsamkeit?

Bis sie aus Zufall in einen Waschsalon gerät und dort drei Männer - alles Ehemänner, Männer anderer Frauen also - kennenlernt, die sich jeden Dienstag dort treffen und sie einladen, Teil dieser Runde zu werden. Nicht nur, aber auch dadurch verändert sie sich nachhaltig. Sie beginnt, um ihre Interessen zu kämpfen. An verschiedenen Fronten.

Autorin Jamie Attenberg ist eine wirkliche Entdeckung. Sie schreibt wirklich gut, differenziert, eloquent, bringt den Leser zum Nachdenken und zeichnet mit leichter Feder ein gelungenes Bild von der Kunstszene New Yorks. Eine Autorin, die leichtfüßig durch ihre Erzählung wandelt, in wenigen Sätzen eindringliche Charaktere schafft, den Leser in Situationen bringt, in denen er nicht weiß, wie er sich entscheiden würde, für die bzw. für deren Komplexität er dennoch Verständnis hat.

Ein spannender, gut geschriebener Roman, der an manchen Stellen doch nicht ganz überzeugend für mich rüberkam. Aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Ich habe eine Autorin kennengelernt, von der ich mehr lesen möchte!