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Veröffentlicht am 17.01.2019

Wohlfühlbuch

Juli verteilt das Glück und findet die Liebe
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Juli lebt allein in der Wohnung, die sie nach dem Tod der Großmutter und Mutter geerbt hat. Geerbt hat sie auch den Blumenladen darunter, der verpachtet wurde. Als der Blumenhändler erkrankt, springt Juli ...

Juli lebt allein in der Wohnung, die sie nach dem Tod der Großmutter und Mutter geerbt hat. Geerbt hat sie auch den Blumenladen darunter, der verpachtet wurde. Als der Blumenhändler erkrankt, springt Juli ein und verteilt Weihnachtssterne. Dabei trifft sie auf verlorene Gestalten, die alle eines gemeinsam haben: Ein Ereignis in der Vergangenheit hat ihr Leben nachhaltig bestimmt.
Sich in die Protagonistin einzufinden ist gleichermaßen leicht wie schwer. Juli ist weltfremd. Sie lebte jahrelang im Schatten von Großmutter und Mutter und scheint noch jetzt ihren Gesetzen zu folgen. Eigene Entscheidungen trifft sie kaum, sie hat keine Freunde und ihr einziger Trost ist der alte Duft von Weihnachtsgebäck. Blumen machen Leute glücklich, so einfach ist Julis Welt.
Sie findet zielsicher die Leerstellen in den Leben derer, die sie beliefert.Während ihr einsames Leben durch die neue Freundschaft zu den Pächtern des Blumenlebens endet, zieht sie Fäden, immer auf der Suche, das Leben anderer besser zu machen. Dabei trifft sie auch auf einen Mann, der ihr eigenes Leben besser macht.
Der Stein, der ihnen dabei im Weg liegt, ist ein alter. Er entwickelt sich aus der Leerstelle des fehlenden Vaters in Julis eigenem Leben und droht, alles zu verschlucken. Die Schatten der Vergangenheit, die jedes der Schicksale, denen Juli begegnet gefangen halten, greift auch nach ihr.
Alle Figuren, denen Juli begegnet, haben ihr Leben vom Schweigen bestimmen lassen und es wurde immer größer. Juli kommt hinter dieses Schweigen und löst den Komplex auf. Dass gerade in ihrem eigenen Fall das nicht genügt passt nicht zur Systematik des Romans. Dass realistisch gesehen, das einmalige Reden nicht genug ist, mag dazu kommen. Gerade am Ende strauchelt der Roman in meinen Augen.
Ein unterhaltsames, kurzweiliges Buch, das durch eine angenehm positiv gestimmte Protagonistin auffällt. Die Geheimisse der einzelnen Figuren sind tief und dramatisch, bekommen aber eine gute Prise Hoffnung durch Julis Eingreifen. Ein Buch für Regentage und wenn ein kleiner Lichtblick nötig ist.

Veröffentlicht am 13.08.2018

Liebe, Depression und ein Meermann

Fische
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Lucy passt nach der Trennung von ihrem langjährigen Partner auf den kranken Hund ihrer Schwester auf und muss zur Therapie auf richterliche Anordnung. Was wie ein schlechter Scherz beginnt, wird durch ...

Lucy passt nach der Trennung von ihrem langjährigen Partner auf den kranken Hund ihrer Schwester auf und muss zur Therapie auf richterliche Anordnung. Was wie ein schlechter Scherz beginnt, wird durch die teenagerhaft aufmüpfige Protagonistin nicht leichter. Lucy glaubt, alles besser zu wissen und niemanden zu brauchen – außer DEN Mann in ihrem Leben. Der soll leidenschaftlich und sexy sein, sie verehren und auch irgendwie ein „Bad Boy“.
Um sie herum liebeskranke Frauen in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Frauen, die keine Bindung eingehen wollen, es aber laut Therapie sollen, solche, die mit allem schlafen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Für Lucy, durch deren oberflächlichen Blick der Leser alles wahrnimmt, gefallene Figuren, die es alles so viel schlechter haben als sie. Sie will ja nur einen Mann, im besten Fall ihren Ex.
Dabei wirkt die Geschichte wie ein Auffahrunfall, bei dem man als Leser nicht wegschauen kann. Die Protagonistin ist nicht sympathisch, sie erweckt noch nicht einmal Mitleid, höchstens Kopfschütteln. Ihre Reflexion des eigenen Charakters ist dabei noch nicht mal immer falsch, doch wenn sie mal auf dem richtigen Weg ist, trifft sie sich dank einer Dating-App mit einem Kerl, der sie Hotelklo nimmt und liegen lässt. Alles lässt Lucy hinter der Suche nach einen Mann zurück. Sie vernachlässigt sich, ihre Aufgaben, den Hund, ihre Dissertation.
Je nachdem, wie aufmerksam der Leser ist, erkennt er dabei, dass Lucys Probleme nichts mit Liebe oder deren Definition zu tun hat, sondern eine ausgewachsene Depression ist, mit teilweise manischen Zügen. Die manifestiert sich im Buch in Theo, dem Schwimmer, der sich als Meermann entpuppt. In ihm spürt sie die große Dunkelheit, die Traurigkeit, der sie verzweifelt zu entkommen versucht. Und gleichzeitig ist Theo der Mann, bei dem sie sich stark und schwach fühlt, sicher und angekommen. Theo steht für die Depression an und für sich, für das Hinabziehen und die Faszination des Verschwindens in der Traurigkeit.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Klischees und Stereotype

Erst kommen,dann gehen
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Selbstbewusstsein dem Körper und dem eigenen Sex gegenüber steht im Vordergrund. Dazu gehört vor allem Ehrlichkeit, mit sich selbst und der eigenen Situation. Selbstbefriedigung und Sex für eine Nacht, ...

Selbstbewusstsein dem Körper und dem eigenen Sex gegenüber steht im Vordergrund. Dazu gehört vor allem Ehrlichkeit, mit sich selbst und der eigenen Situation. Selbstbefriedigung und Sex für eine Nacht, schnell ist klar, worum es geht: Lust in all ihren Ausprägungen. Persönlich war ich immer wieder leicht verwirrt, dass Seitenschüsse nicht nur gegen Eltern, sondern auch gegen Verheiratete / monogame Paare abgegeben werden.
Der Reihe nach: Mehr als einmal verweist das Buch auf Seitensprünge und Liebschaften, bzw. „Fickschaften“. Sie werden geradezu angepriesen, um die eigene Sexualität nicht hinter dem Alltag verkümmern zu lassen. Problematisch sehe ich dabei, dass immer wieder regelrechter Betrug proklamiert wird. Statt einem gesunden Weg in polyamoröse Beziehungen, kritisiert das Buch Monogamie als Blödsinn und spricht im gleichen Zug vom heimlichen Seitensprung.
Das ist mir definitiv zu platt und provoziert regelrecht „One Night Stands“ als gesunder Umgang. Dass auch Polyamorie Regeln kennt und nicht etwa wildes Rumpoppen mit jedem, der gerade willig ist, geht komplett unter. Dafür ist das Buch zu Ich-gerichtet. Ich stimme komplett zu, dass viele – gerade Frauen – auch in der Sexualität mehr an sich denken sollten und keinesfalls Praktiken oder sonst was dem Partner zu liebe „mitmachen“. Genauso falsch ist es aber wohl, nur noch die Erfüllung des eigenen Sexualtriebs im Sinn zu haben.
Den scheint es übrigens für Verheiratete / Paare mit Kindern nicht mehr zu geben. Da frage ich mich immer, wie die Kinder zustande gekommen sind. Dass Sexualität nicht nur für Alleinstehende oder frisch Verliebte wichtig ist, habe ich mir bisher wohl eingebildet. Für ein Buch, das den Untertitel Die Sexbibel fürs 21. Jahrhundert trägt, wird da ziemlich viel ausgeklammert und nicht etwa wirkliche Vielfalt und Offenheit gepredigt, sondern ein ganz bestimmtes, verkitschtes Bild des immer sexhungrigen Singles bzw. hinterrücks daueruntreuem Mitglied einer Zweierbeziehung.
So gut und treffend einige Kapitel sind, die mit alten Stereotypen und sexueller Unterdrückung aufräumen, so schade finde ich es, dass dabei neue Stereotype geschaffen werden und klare Ausgrenzungen entstehen. Der Versuch „jeder so, wie er will“, der mehr als einmal als Fazit herhalten muss, kommt da gewaltig ins Wanken. Noch dazu ist es wieder ein Buch, dass Polyamorie nicht wirklich fasst und da eher Klischees bedient. Ich hatte mir mehr erhofft.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Starke Frauen

Power Women – Geniale Ideen mutiger Frauen
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Power Woman ist ein Buch für Kinder im Schulalter. Ich lese es zusammen mit meiner fünfjährigen Tochter und muss dann die Mitmachfragen manchmal etwas umformulieren. Darin werden wichtige Themen wie Selbstbewusstsein, ...

Power Woman ist ein Buch für Kinder im Schulalter. Ich lese es zusammen mit meiner fünfjährigen Tochter und muss dann die Mitmachfragen manchmal etwas umformulieren. Darin werden wichtige Themen wie Selbstbewusstsein, Mobbing, Diskriminierungen und das Vertreten der eigenen Meinung angesprochen und mit einem kleinen „Test“ am Ende kann der oder die junge Leserin sich selbst in die Power Woman einordnen. Der Test ist ein eher witziges Gimmick in meinen Augen, die Fragen selbst regen viel zum Nachdenken an – nicht nur bei den Kindern.
Kapitelweise wird je eine Frau besprochen, chronologisch geordnet. Die erste ist Kleopatra, Malala macht den Abschluss. Trotzdem ergibt sich dabei, dass die Mehrzahl der vorgestellten Frauen bereits gestorben ist. Hier hätte ich mir etwas mehr Ausgleich gewünscht, auch um zu zeigen, dass Frauen heute immer noch Großartiges leisten (können).
Die einzelnen Texte sind ehrlich und sehr informativ. Das macht die Vorstellungen intensiver, ausführlicher, erfordert aber eben auch eine gewisse Lesereife, um sie wirklich ganz zu verstehen. Oft erkläre ich bestimmte Dinge noch einmal extra in anderen Worten.
Ich persönlich fand die Power Women wirklich beeindruckend und meine Kinder lieben es.

Veröffentlicht am 18.07.2018

Zwangshumor

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam
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Die junge Autorin Sophie lebt von Sozialhilfe und kleinen Aufträgen, während sie eigentlich versucht, ihren „großen Roman“ zu schreiben. Doch das will nicht so recht von der Hand. Noch dazu, wo Hunger, ...

Die junge Autorin Sophie lebt von Sozialhilfe und kleinen Aufträgen, während sie eigentlich versucht, ihren „großen Roman“ zu schreiben. Doch das will nicht so recht von der Hand. Noch dazu, wo Hunger, Erinnerungen und kuriose Ideen sie immer wieder ablenken. Eines vorweg: Mitunter geht da einiges durcheinander und so recht bin ich einfach nicht in diesen Komplex eingestiegen.
Während das Problem von Armut, Hunger und dem stetigen Warten auf die Überweisung der Sozialhilfe sehr bodenständig, ehrlich und auch bewegend ist, wird der Rest geradezu zur Farce. Immer wieder schiebt sich Sophies Freund, ein Frauenheld auf Freiersfüßen, in die Geschichte und will endlich bei seiner Nachbarin landen. Dass dieser Freund zumindest teilweise lediglich Imagination ist und für eine gewisse Zwangsromantik bis hin zur lächerlich gemachten Erotik steht, zwang mich mehr als einmal zum Augenrollen.
Auch der im Titel genannte Teufel ist nicht mehr als eine Störfigur, die der eigentlichen Handlung Steine in den Weg legt, ohne wirklich sinnhaft zu sein. Mögen hier auch die verschiedenen Ideen und Ablenkungen, mit denen Autoren zu kämpfen haben, daher kommen, machen diese Einwürfe für mich Sophie nicht nur zur unzuverlässigen Erzählerin, sondern auch zur komplett verwirrten Figur, die ihren Existenzkampf mit unnötigen Einschüben zu überspielen und humorisieren versucht. Was bei mir definitiv nicht funktioniert hat, ich war davon sehr schnell sehr genervt.
Um einiges Interessanter war die psychische Entwicklung. Sophie lebt unter Versagensängsten mit einer hochstilisierten Vorstellung einer perfekten Kindheit. Natürlich sind ihr als alter Ego nicht nur der Freund und der Teufel, sondern auch die Mutter geblieben. Beim realen Treffen mit dieser Frau zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich Sophies „Kopfmutter“ und ihre wirkliche Mutter ist. Diese Unterschiede sind interessant, deuten auf einen größeren Zwiespalt zwischen Sophies „Wirklichkeit“ und ihrer Umwelt. Dennoch setzen hier Erkenntnismomente an, die dem Roman guttun.
Begeistern konnte mich Als der Teufel aus dem Badezimmer kam absolut nicht. Zu zwanghaft wirkte der Humor, zu sinnig hätte die eigentliche Handlung ohne dieses Geplänkel sein können. Wer abstruse Romane mag, ist hier aber genau richtig.