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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.08.2022

Eine widersprüchliche Persönlichkeit

Der Kinderpapst
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Peter Prange ist der Großmeister des historischen Romans und hat sich diesmal einer höchst umstrittenen Persönlichkeit gewidmet: Papst Benedikt IX., jenem Mann, der eigentlich Theophylakt III. von Tusculum ...

Peter Prange ist der Großmeister des historischen Romans und hat sich diesmal einer höchst umstrittenen Persönlichkeit gewidmet: Papst Benedikt IX., jenem Mann, der eigentlich Theophylakt III. von Tusculum heißt, und hier latinisiert zu Teofil wird, und der zwischen 1032 und 1048 insgesamt dreimal zum Papst ausgerufen worden ist.
Man schreibt das Jahr 1032. Papst Johannes XIX., Teofils Onkel ist eben gestorben und nun soll der noch minderjährige Teofil seinen Platz einnehmen, um Ansehen, Macht und Vermögen der Familie zu mehren. Teofil wird von seiner bigotten und ehrgeizigen Mutter in die Rolle des Papstes getrieben, obwohl er viel lieber mit Chiara di Sasso eine Familie gründen möchte. Sowohl Teofil als auch Chiara werden zu Spielbällen der Politik, die weder vor Intrigen und Mord zurückschreckt. Was letztendlich dabei herauskommt sind Aufstände in Rom, die zur (mehrmaligen) Absetzung von Benedikt IX. führen sowie mehr oder weniger zeitgleich drei Päpste.

Meine Meinung:

Die Lebensgeschichte des historischen Theophylakt III. von Tusculum bietet, da weder sein Geburts- noch sein Sterbedatum exakt überliefert sind, Stoff für den vorliegenden dramatischen historischen Roman. Selbst ob er wirklich mit 10, 12 oder 14 Jahren zum Papst gemacht worden ist, liegt im Dunkel der Geschichte. Nachfolgende Päpste bzw. Geschichtsschreiber haben ihn natürlich in ihrem Sinne verunglimpft. Ob er wirklich der beschriebene Wüstling und Machtmensch war, lässt sich ob der dürftigen Quellenlage nicht feststellen. Vermutlich wird wohl ein Körnchen Wahrheit in den Überlieferungen stecken. Wasser für die Gläubigen predigen und selbst Wein trinken, war schon seit Langem geübtes Brauchtum in der Kirche.

Aber, es wäre nicht Peter Prange, der aus einer solchen widersprüchlichen Figur einen opulenten historischen Roman erzeugen könnte. Dem Menschen Teofilo stellt Peter Prange zwei Menschen zur Seite, die seinen Werdegang bestimmt maßgeblich beeinflusst haben: Da ist zu einem seine äußerst ehrgeizige und bigotte Mutter Ermilina und zum anderen den Kanzler des Papstes Petrus da Silva. Für da Silva kann ich ja noch Sympathien aufbringen, doch Ermilina ist mir zutiefst unsympathisch mit ihrer Frömmlerei.
Der Schreibstil ist wie immer opulent. Doch hin und wieder blitzt eine viel zu moderne Sprechweise durch. Gut getroffen ist der Sprachduktus, wenn Teofil spricht von sich spricht: Er hat es nicht verinnerlicht von sich im Pluralis Majestatis zu sprechen.

Fazit:

Trotz dürftiger Quellenlage ein spannender historischer Roman. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 02.08.2022

Abenteuer eines Fotografen in Wort und Bild

Die Welt im Sucher
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Michael Martin ist Geograf und fotografiert seit seiner Kindheit an - damals mit einer Kodak Instamatic. Wie er zu dem Profifotografen und -filmer geworden ist, der er nun ist, das schildert er in diesem ...

Michael Martin ist Geograf und fotografiert seit seiner Kindheit an - damals mit einer Kodak Instamatic. Wie er zu dem Profifotografen und -filmer geworden ist, der er nun ist, das schildert er in diesem Buch, das ein wenig als Werbung zu seinem neusten Projekt „TERRA“ zu sein scheint. Diese mehrteilige Film-Doku findet mehrmals Erwähnung.

In 22 Kapiteln, von denen einige so launige Titel haben wie „Fotografieren und Filmen sind keine Freude“ oder „Als die Kameras fliegen lernten“, erzählt Michael Martin seinen Werdegang. Er verschweigt auch nicht, dass Fotoreisen und Familie sich nur ganz schlecht vereinbaren lassen.

Mich persönlich haben besonders die technischen Details der Fotografie interessiert. Also die verschiedenen Kameratypen sowie der Umstieg auf die Digitalkameras oder Wahl des richtigen Objektives oder wie er ein Bild komponiert. Martin ist ja, wie er sagt, ein Autodidakt, daher kann er Anfängerfehler vermeiden helfen.

Ich wollte schon die kleinen Fotos und ihre nicht so prickelnde Druckqualität anmeckern, doch nach dem Lesen „Gedruckte Fotografie“ ist mir einiges klarer geworden.

Dies ist mein erstes Buch von Michael Martin, der bereits rund 30 Bildbände in verschiedenen Verlagen herausgebracht. Ich freue mich auf den schwergewichtigen Bildband „TERRA - Gesichter der Erde“, der demnächst erscheinen wird. Dort wird er auf rund 450 Seiten die verschiedenen Gesichter unserer Erde in sicherlich atemberaubenden Bildern, die in drucktechnisch höchster Qualität ausgearbeitet sind, präsentieren. 4 Sterne

Veröffentlicht am 27.07.2022

Wie Bücher unsere Entscheidungen beeinflussen

Mit Moby Dick aufs Containerschiff
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Autor Roland Schwarz hat insgesamt 27 Anekdoten über Lieblingsbücher, die entscheidend die Leben deren Leser beeinflusst haben, gesammelt. So hat sich Martin aus Graz, nach der Lektüre von Moby Dick, den ...

Autor Roland Schwarz hat insgesamt 27 Anekdoten über Lieblingsbücher, die entscheidend die Leben deren Leser beeinflusst haben, gesammelt. So hat sich Martin aus Graz, nach der Lektüre von Moby Dick, den Wunsch Kapitän Ahab nachzueifern, erfüllt. Martin fährt nun als Kapitän eines Containerschiffs über die Weltmeere.

Auch Kinder- und Jugendliteratur gibt unterschwellig Ratschläge zur Berufswahl: Ein Salzburger Mädchen war von Thomas Brezinas „Knickerbocker-Bande“ so begeistert, dass sie nun als rasende Reporterin ihre Brötchen verdient.

Doch nicht nur aktueller Lesestoff wie Harry Potter beeinflusst Berufswahl oder Selbstwahrnehmung, nein auch Klassiker wie Schiller und Goethe prägen unsere Gedanken. Zahlreiche Leser aus mehreren Jahrzehnten haben sich auf Goethes Spuren nach Italien begeben und ihre Liebe zu unserem südlichen Nachbarland entdeckt.

Meine Meinung:

Was man schon immer über Bücher wusste: Sie können das Leben nachhaltig verändern!

Ich habe mich während des Lesens gefragt, welches Buch meinem Leben eine entscheidende Wendung gegeben hat, bin aber auf keinen Titel gestoßen, der aus meiner mehr als 5.500 Bücher umfassenden Bibliothek, so besonders herausgestochen hat. Vielleicht Mario Puzos „Der Pate“, der mich schon in jungen Jahren ein Krimi-Fan hat werden lassen.

Eine nette Idee des Autors ist es, weitere Geschichten über Bücher, die einem eine neue Welt eröffnet oder nachhaltigen Einfluss auf das eigene Leben haben, zu sammeln und in einer Fortsetzung zu veröffentlichen.

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Sammlung von Anekdoten 4 Sterne.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Einblick in eine längst vergangene Welt

Kuriositäten aus der Reisetasche
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Boris Sandler entführt seine Leser in eine längst versunkene Welt: in die jiddische Welt. Er ist vielen Lesern unbekannt, schreibt er doch auf jiddisch, quasi der Alltagssprache (alt)österreichischer Juden. ...

Boris Sandler entführt seine Leser in eine längst versunkene Welt: in die jiddische Welt. Er ist vielen Lesern unbekannt, schreibt er doch auf jiddisch, quasi der Alltagssprache (alt)österreichischer Juden. Die gelungene Übersetzung stammt von Andrea Fiedermutz.

Der Autor ist 1942 in Beltz, damals Bessarabien heute Moldawien, geboren und ist ein Meister der Erzählkunst. In 21 Essays blickt er in die Seele jüdischer Familien, die seit je her zum Spielball der Politik geworden sind. Dabei fördert er skurrile Geschichten, historische Fakten sowie die Traumata, die durch die Shoa entstanden sind zu Tage.

Mit der dem für das Jiddische so eigenem Humor eröffnet Boris Sandler einen interessanten, für manche Leser, neuen Blickwinkel auf die Reisen der Juden, die jene häufig nicht freiwillig unternommen haben. Selbst die Auswanderung ins Gelobte Land (Israel) oder in die USA hat sich oft zwangsläufig ergeben.

Der Schreibstil ist feinsinnig, humorvoll, mit der für das Jiddische so übliche Ironie. Ein Beispiel dafür ist jene Geschichte („Der schwarze Teller“) der Mutter des Ich-Erzählers, die sich für das „Konzert laut ihren Bestellungen“ von Radio Moskau ein jiddisches Lied wünscht. Tatsächlich wird dann das Lied „Itzig hat schon Hochzeit gehalten“ gespielt. Allerdings bleibt das nicht ohne Folge für die Bestellerin und in der Folge hat Radio Moskau nie wieder ein jiddisches Lied gespielt.

Für Leser, die sich bislang nur wenig oder gar nicht mit dem Jiddischen beschäftigt haben, finden sich Erläuterungen im Anhang.

Fazit:

Diesem Buch, das einen tiefen Einblick in eine verloren gegangene Welt eröffnet, gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 27.07.2022

Wohnen & Arbeiten im gesunden Mix

Wie ein lebendiges Stadtviertel entsteht
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Gleich vorab: Dieses interessante Buch ist für Politiker, Stadtplaner und Architekten gedacht. Es holt 18 große Wiener Wohnsiedlungen vor den Vorhang, die nach dem Prinzip „Wohnen & Arbeiten“ in den 80er ...

Gleich vorab: Dieses interessante Buch ist für Politiker, Stadtplaner und Architekten gedacht. Es holt 18 große Wiener Wohnsiedlungen vor den Vorhang, die nach dem Prinzip „Wohnen & Arbeiten“ in den 80er und 90er Jahren errichtet worden sind.

Diese 18 Wohnsiedlungen sind:

Assanierungsgebiet Ottakring
Wohnpark Alt-Erlaa
Wohnpark Sandleiten
Wohnpark Rennweg
Wohnpark Kornäusl
Wohnpark Handelskai
Wohnpark Dresdner Straße
Wohnpark Erdberg
Meiselmarkt
Zentrum Muthgasse
Wohnpark und Hochhaus Neue Donau
Wohnpark Kreuzgasse
Trillerpark
Millenium City
Wohnpark Molkereistraße
Kabelwerk
Liesinger Brauerei
Schloss Liesing

Allen Projekten ist gemeinsam, dass sie unter der Ära von Finanzstadtrat Hans Mayr initiiert und durchgeführt wurde, der Ansatz eine gute Mischung zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit anzustreben. In der Vergangenheit haben ja reine Wohnschlafstadtteile für mehr Verkehr und gettoähnliche Zustände gesorgt, die nicht mehr anzustreben waren.

Meine Meinung:

Autor Manfred Wasner, selbst Architekt und in einige Projekt eingebunden, berichtet in insgesamt sieben Abschnitten über die Erkenntnisse dieser Wohnbauära. Leider sind die ersten Kapitel ziemlich trocken und voller Statistiken, was keine leichte Kost ist, aber für den Erkenntnisgewinn (Kapitel 5), wie ein gelungener Mix aus Wohnen & Arbeiten aussehen kann und soll, wichtig ist.
Interessant sind dann Kapitel 6 und 7, in der zahlreiche Anekdoten aus der Arbeitsweise der Wiener Stadtpolitik eingeflochten sind.

Als Wienerin, die mehrere Arten zu wohnen kennengelernt hat, hat mich dieses Buch sehr interessiert, vor allem deswegen, weil ich einige Zeit einem Architekten gearbeitet habe.

Man kann aus diesem Buch Erkenntnisse gewinnen, warum das eine Stadtviertel lebendiger als so manch anderes ist. Daher sei dieses Buch den Stadtplanern ans Herz gelegt.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Buch, dessen Zielgruppe sich eher aus Stadtplanern, Architekten und Politikern zusammensetzt als aus „normalen“ Lesern, 4 Sterne.