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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Das lange Schweigen
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„Als Kind hatte ich meinen Vater als einen sehr strengen, autoritären Mann erlebt. Arnold bestimmte, er war das Gesetz und Widerworte durfte es nicht geben. Menschliche Wärme und väterliche Zuneigung waren ...

„Als Kind hatte ich meinen Vater als einen sehr strengen, autoritären Mann erlebt. Arnold bestimmte, er war das Gesetz und Widerworte durfte es nicht geben. Menschliche Wärme und väterliche Zuneigung waren mir gänzlich fremd.“ So beschreibt Autor Nikolaus Münster seine Kindheitserinnerungen. Warum sein Vater so war, hat er erst bei der Aufarbeitung von dessen Lebensgeschichte erfahren.

Dieses Buch ist das Ergebnis von Forschungsarbeiten und einer peniblen Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte eines Mannes, der aufgrund seiner kommunistischen Gesinnung während der NS-Zeit acht Jahre seines Lebens in Haft war. Dass sich ausgerechnet dieser Mann in Lilly Curtius, eine Frau, die ein Kind von einem verheirateten nationalsozialistischen Klinikdirektor hat, verliebt, ist wohl eine große Ironie des Schicksals.

Das Buch gliedert sich in drei große Teile, die sich zuerst jeweils Arnold und danach Lilly allein und anschließend dem Paar nähern. Nikolaus Münster entdeckt dabei einen ganz anderen Menschen als jenen, den er kennt. Er lernt einen zutiefst traumatisierten, intelligenten und zerrissenen Mann kennen, der auch der neuen Bundesrepublik mit gebotener Skepsis begegnet, den der Ungeist des alten Regimes ist nach wie vor in den Köpfen der Menschen vorhanden.

Meine Meinung:

Diese Annäherung an die bislang unbekannte Seite seines Vaters macht betroffen. Das „ohrenbetäubende Schweigen“ hallt noch lange nach. Üblicherweise sind die Kinder von NS-Opfern noch zu nahe am Geschehen, um sie aufarbeiten zu können. Meist ist es die Aufgabe der Enkel, die Vergangenheit der Eltern und Großeltern zu durchforsten.

Doch Nikolaus Münster ist es sehr gut gelungen, die Lebensabschnitte seines Vaters zu rekonstruieren. Dabei ist das umfangreiche Handarchiv von Arnold ein wahrer Schatz.

Sehr gelungen, weil außergewöhnlich, ist das Cover: Das Foto der von Bomben zerstörten Stadt steht Kopf, so wie die Welt des Autors nach der Aufarbeitung der Geschichte seines Vaters vermutlich Kopf gestanden ist.

Fazit:
Gerne gebe ich dieser Hommage an einen fast vergessenen Widerstandskämpfer und verkannten Vater, die an manchen Stellen fordernd, weil sie verstörend, ist, 5 Sterne.

Veröffentlicht am 23.01.2023

Eine fesselnde Autobiografie

Wie man einen Traum aufgibt, um ein Leben zu gewinnen
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Nico Langmann hat bei einem Autounfall als Zweijähriger eine Wirbelsäulenverletzung davon getragen, die zu einer Querschnittslähmung führt.

Die Eltern wollen es nicht wahrhaben, dass Nico nie mehr gehen ...

Nico Langmann hat bei einem Autounfall als Zweijähriger eine Wirbelsäulenverletzung davon getragen, die zu einer Querschnittslähmung führt.

Die Eltern wollen es nicht wahrhaben, dass Nico nie mehr gehen wird können und schleppen das Kind von einer Behandlung zur anderen. Dabei klammern sie sich an jede noch so abstruse Methode. Da die gegnerische Versicherung für alle Kosten aufkommen muss, werden alle Möglichkeiten genutzt. Die Mutter fliegt mit Nico nach Brasilien, Moskau und Thailand. Ein Rollstuhl ist für die Mutter keine Option, denn deren Credo lautet „Nico wird bald wieder gehen“. Erst im Kindergartenalter besteht Nico auf einen Rolli, weil er entdeckt hat, dass ihm der eine gewisse Freiheit schenkt.

Anders als seine Mutter weiß Nico recht bald, dass das mit dem Gehen nichts mehr werden wird. Nico hat einen - wenn man das so nennen will- Vorteil: Er kennt nichts anderes, er kennt sich nur gelähmt.

Meine Meinung:

Ich habe vor ein paar Tagen ein Interview mit Nico Langmann gesehen, das anlässlich des Erscheinens seines Buches ausgestrahlt worden ist. Dabei hat er humorvoll erzählt, wie er die angespannte Erwartungshaltung der Eltern erfüllen will und angibt, seine Beine zu spüren.

Die Jahre, in denen Nico von einem Therapeuten zum anderen geschleppt worden ist, grenzt an Kindesmisshandlung, zumal sich einige der Therapeuten als Scharlatane und Quacksalber herausstellen.

Nico muss den Traum seiner Mutter leben. Erst mit der Aufgabe dieses Traumes, gewinnt Nico Langmann sein eigenes Leben.

Spannend erzählt Nico Langmann seinen Weg zum Rollstuhltennis, seine Siege und Niederlagen. Interessant auch das Kapitel Sex, das vermutlich bei vielen Menschen Fragen aufwirft, die sie nie zu stellen wagen. Darüber spricht Nico Langmann in einer Schule vor unsicheren, pubertierenden Schülern.

Nico Langmann erzählt auch von seinem Zusammentreffen mit Franz-Joseph Huanigg, dem Behindertensprecher der ÖVP, der einige Jahre im Nationalrat war und unter Sebastian Kurz nicht mehr aufgestellt worden ist. Das Angebot, statt Huanigg in die Regierung Kurz zu gehen, lehnt Nico Langmann ab. Er hat das ungute Gefühl, als Alibi missbraucht zu werden.

Fazit:

Eine gelungene Autobiografie, der ich gerne 5 Sterne und eine Leseempfehlung gebe.

Veröffentlicht am 23.01.2023

Nichts ist, wie es scheint

Aufblattelt
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„Die Caspari Hohenfelsen waren eine Patchworkfamilie. Aber eine, die schlecht gequiltet war und bei der an allen Ecken und Enden die Nähte aufzuplatzen schienen.“

Als der adelige Ferdinand Isabella, der ...

„Die Caspari Hohenfelsen waren eine Patchworkfamilie. Aber eine, die schlecht gequiltet war und bei der an allen Ecken und Enden die Nähte aufzuplatzen schienen.“

Als der adelige Ferdinand Isabella, der Tochter des Dorftrunkenboldes, einen Heiratsantrag macht, gibt es jede Menge Gerede im Ort und die adelige Sippe ist not umused.
Isabella bekommt die gewünschte typisch burgenländische Hochzeit, bei der die Halbschwester des Bräutigams plötzlich tot zusammenbricht. Unfall oder Mord?

Diese Frage stellen sich nicht nur die Ermittler, sondern auch Journalistin Vera Horvath und ihre Gartenfreundinnen. Vera beginnt zu recherchieren und entdeckt, dass einiges bei der Familie von Hohenfelsen nur eine schlecht getünchte Fassade ist.

Als dann wenig später noch Ferdinands Halbbruder Fritzgoli durch einen Reitunfall zum Pflegefall wird, glaubt niemand mehr an einen Zufall.

Und dann, ja dann wird das Familienoberhaupt noch von einem Armbrustbolzen getroffen, der ausgerechnet dem Chef der umstrittenen Baufirma Pannonia-Bau gehört. Allerdings ergibt die Obduktion einen überraschenden Befund.

Meine Meinung:

Dieser Krimi ist der dritte von Martina Parker und natürlich im Südburgenland angesiedelt. Wieder mit dabei die bereits bekannten Gartenfreundinnen, zu denen nun auch Isabella, der Naturschutz sehr stark am Herzen liegt, sowie Tochter Letta, die nervtötende Hilda, Veras Mutter, und der Dunkel-Tom.

Auf die doch recht große Rolle, die Veras Mutter beim Umbau des Hauses spielt, hätte ich gerne verzichten können. Sie ist fast so übergriffig wie Fritzgoli, der Grapscher.

Es werden allerlei Spuren gelegt, die in Sackgassen führen. Trotzdem habe ich recht bald eine vielversprechende Idee gehabt, was das Motiv sein könnte. Und ja, dieses anfangs vage Idee hat sich bewahrheitet.

Martina Parkers Schreibstil ist unverwechselbar. Da darf der jüngst Spross von Fritzgoli, ein Baby im falschen Moment „Prost“ sagen, Isabellas Großmutter die Hohenfelsens rumänisch verfluchen und die Gartenfreundinnen im tiefsten südburgenländischen Dialekt ihre Weisheiten verbreiten. Keine Angst, die werden als Fußnot übersetzt.

Der Standesdünkel ist sehr gut dargestellt. Doch gibt es sie nicht nur bei den Adeligen, sondern auch Hilda kann damit aufwarten, aber hier heißt es Vorurteil.

Jedes Kapitel hat neben einer Überschrift noch Wissenswertes zum Thema Schädlinge oder Pflanzen vorangestellt.

Das Cover passt vorzüglich zu den beiden Vorgängern „Zuagroast“ und „Hamdraht“. Es ist möglich, jeden Krimi einzeln zu lesen, allerdings brächte man sich um amüsante Lesestunden. Der 4. Band mit dem Titel "Ausgstochen" erscheint im Herbst 2023

Fazit:

Diesem unterhaltsamen Gartenkrimi gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 20.01.2023

Fesselnd bis zur letzten Seite

Zürcher Verstrickungen
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Dieser achte Fall für Zita Synder & Werner Meyer beschäftigt sich mit einem ungewöhnlichen wie unrühmlichen Kapitel der Schweizer Geschichte: Kolonialismus und Sklaven. Echt? In der Schweiz, wird so mancher ...

Dieser achte Fall für Zita Synder & Werner Meyer beschäftigt sich mit einem ungewöhnlichen wie unrühmlichen Kapitel der Schweizer Geschichte: Kolonialismus und Sklaven. Echt? In der Schweiz, wird so mancher fragen. Die Eidgenossen haben doch nie Kolonien besessen, die haben ja keinen Zugang zum Meer.

Doch von Anfang an:

Nelly Gomez, eine junge Frau glaubt auf einem alten Foto ihre seit Jahren verschwundene Mutter zu erkennen, und bittet die „Agentur für besondere Affären“ von Eli Apfelbaum, für die Snyder und Meyer arbeiten, um Hilfe.

Nellys Familie stammt von St. Croix von den Westindischen Inseln und ihre Mutter Bernardine ist vor zwanzig Jahren von einer Reise von Dänemark mit einem Zwischenstopp on Zürich nicht mehr auf die Insel zurückgekommen.

Snyder und Meyer beginnen zu recherchieren und treffen auf eine Filmemacherin, die eine umstrittene Dokumentation über die kolonialistische Vergangenheit der Stadt Zürich gedreht hat. Die Empörung in der Stadt ist groß, zumal auch die Familie der Regisseurin in die Ausbeutung von versklavten Menschen verstrickt ist.

Als dann noch herauskommt, dass die Polizei seinerzeit bei dem Vermisstenfall geschlampt hat, nimmt sich Beanie Barras, Nachfolgerin von Werner Meyer bei der Polizei und selbst eine PoC (Person of Color) des Cold Case an.

Meine Meinung:

Auch mein erster Gedanke war, wieso die Schweiz in Kolonialismus verstrickt sein könnte. Aber, die Antwort liegt auf der Hand: GELD. Schweizer Investoren haben ihr Vermögen in Zuckerrohr- oder Kakaoplantagen, die vorrangig durch Sklavenarbeit am Laufen gehalten wurden, gesteckt. Dass auch unter dem Deckmäntelchen von ethnografischen Studien menschliche Skelette sowie Kunstschätze nach Europa verschifft worden sind, zeigen die diversen Museen deutlich. Die Diskussion über Rückgabe dieser Artefakte ist in den letzten Jahren laut geworden.

Dieser mitreißende Krimi hat mir sehr gut gefallen. Es ist notwendig, auch hinter die Fassaden zu schauen, vor allem dann, wenn sich wie hier, Abgründe einer Familie auftun, denn die Familiengeschichte derer von Hofmann birgt zahlreiche Geheimnisse, die man lieber nicht aufgedeckt hätte.

Fazit:

Ein gelungener Krimi, der am Saubermann-Image der Schweiz ein wenig kratzt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 19.01.2023

Dramatisches Finale der Keltensaga

Keltenherz
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Die Keltensiedlung auf dem Donnersberg erlebt unter der Führung von Häuptling Drystan sowie der Umsicht seiner Frau Rowan einen Aufschwung, der auch durch den Handel mit römischen Händlern wie Caius, dem ...

Die Keltensiedlung auf dem Donnersberg erlebt unter der Führung von Häuptling Drystan sowie der Umsicht seiner Frau Rowan einen Aufschwung, der auch durch den Handel mit römischen Händlern wie Caius, dem Weingutbesitzer, begründet ist. Einigen Dorfbewohnern ist diese Zusammenarbeit allerdings ein Dorn im Auge. Sie wollen die Römer lieber wieder vertreiben. Genauso wie wird Caius angefeindet, weil er eben mit den Kelten Handel treibt.

»Schämen solltest du dich! Kein echter Römer lässt sich mit Barbaren ein!«

Nach wie vor überschattet der Verlust von Halvor, des erstgeborenen Sohnes die Familie, der als Baby verschwunden ist. Weder Drystan noch Rowan können sich mit diesem Schicksalsschlag abfinden. Die Bedrohung durch römische Truppen trägt auch nicht unbedingt zu einem friedlichen Leben auf dem Donnersberg bei.

Doch es gibt auch Anzeichen der Völkerverständigung: Thorin, der Zweitgeborene und designierte Nachfolger hat sich in Livia, die Tochter des römischen Weingutbesitzers Caius verliebt. Doch die Freundschaft zwischen Drystan und Caius wird auf eine harte Probe gestellt, nach dem drei römische Soldaten der keltischen Muttergöttin geopfert werden sollen.

Noch weiß niemand, dass einer der drei Gefangenen, die aktuelle Ordnung gehörig auf den Kopf stellen wird.

Meine Meinung:

Wie schon in den beiden Vorgängern („Keltensonne“ und „Keltenschwur“) haben die Autorinnen Heike Beardsley und Ulrike Vögl penibel recherchiert und die Geschichte von Rowan und Drystan sowie von Caius und Aurelia opulent erzählt.

Da es ja keine schriftlichen Zeugnisse der Kelten gibt, sondern nur Berichte der Römer und einige Artefakte, kann sich die Fantasie der Autorinnen sehr gut entfalten.
Diese Trilogie ist in Rheinland-Pfalz, beim Donnersberg angesiedelt. Hier hat man Überreste einer Kreisgrabenanlage gefunden, die auf ein größeres keltisches Oppidum hinweisen. Warum es letztendlich verlassen worden ist, konnte von der Wissenschaft bis jetzt nicht schlüssig beantwortet werden. Die Möglichkeit, die hier in diesem historischen Roman dazu angeboten wird, ist schlüssig.
Darauf weisen die Autorinnen in ihrem Nachwort hin. Für alle jene, die mit Latein nicht viel am Hut haben, werden die wichtigsten lateinischen Begriffe in einem Glossar dargestellt.

Die Geschichte hat mir gut gefallen. Sie zeigt, dass es nicht immer leicht ist, Anführer zu sein. Dass es kein umfassendes Happy Ende geben kann, legen die Autorinnen im Nachwort dar.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem fesselnden Finale der Donnersberg-Trilogie 5 Sterne.