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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.12.2020

Ein fesselnder Streifzug durch die Geschichte

Der letzte Palast von Prag
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Wer Prag besucht, wird auf zahlreiche imposante Gebäude aus verschiedenen Epochen treffen. Eines davon ist das Palais Petschek, das nur wenige Schritte vom Wenzelsplatz und der Staatsoper Prag entfernt ...

Wer Prag besucht, wird auf zahlreiche imposante Gebäude aus verschiedenen Epochen treffen. Eines davon ist das Palais Petschek, das nur wenige Schritte vom Wenzelsplatz und der Staatsoper Prag entfernt ist. Dieses Gebäude ist Mittelpunkt dieses Buches.

Ursprünglich vom Prager Bankier Otto Petschek in den Jahren 1923 bis 1929 errichtete und mehrfach umgebaut, hat das Palais eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Während des Zweiten Weltkriegs diente es der Gestapo im Protektorat Böhmen und Mähren als Verwaltungssitz und Gefängnis und anschließend als Botschaft der USA. Heute ist das Palais im Besitz des tschechischen Staates und auf der Liste der Kulturdenkmäler Tschechiens.

Norman Eisen, der frühere US-Botschafter in Prag beschreibt sehr anschaulich und spannend die Geschichte der Botschaftsresidenz im Stadtteil Bubenec. Durch aufwendige Archivrecherchen und zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen gelingt es Eisen, die fesselnde Geschichte der Tschechoslowakei im 20. Jahrhundert darzustellen. Dabei ist das Palais im Mittelpunkt der Erzählungen.

Eng verknüpft mit der Geschichte ist das Schicksal nicht nur der Petscheks, die gerade noch rechtzeitig aus der von den Nazis okkupierten Tschechoslowakei fliehen können und der Familie von Norman Eisens Mutter, die nicht so viel Glück hatten.

Sehr spannend finde ich die Schilderung von Shirley Temple, die 1968 während eines Besuchs in Prag, sich plötzlich mitten im „Prager Frühling“ wiederfand und nur unter abenteuerlichen Umständen wieder ausreisen konnten. In den Jahren 1989 bis 1992 ist sie Botschafterin in der USA und wird abermals Augenzeugin eines Aufstandes - der „Samtenen Revolution“.

Fazit:

Ein fesselnder Streifzug durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, der ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 09.12.2020

Ein gelungener hist. Roman

Lehrerin einer neuen Zeit
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Laura Baldini ist das Pseudonym der Wienerin Beate Maly, die uns Lesern durch historische Roman und die Krimis rund um die pensionierte Lateinlehrerin Ernestine Kirsch und dem Apotheker Anton Böck bekannt ...

Laura Baldini ist das Pseudonym der Wienerin Beate Maly, die uns Lesern durch historische Roman und die Krimis rund um die pensionierte Lateinlehrerin Ernestine Kirsch und dem Apotheker Anton Böck bekannt ist.
Diesmal hat sich die Autorin einer interessanten historischen Persönlichkeit zugewandt: Maria Montessori.

Maria Montessori kommt aus guten Haus, der Vater Finanzbeamter, die Mutter natürlich Hausfrau. Beide fördern ihre wissbegierige Tochter, wenn auch der Vater es lieber gesehen hätte, Maria würde sich einen Ehemann suchen. Wir steigen in Marias Leben um 1896 ein und begleiten sie zu ihrer ersten Sezierstunde, die sie nächtens alleine in gruseliger Atmosphäre absolvieren muss.

Maria ist eine von wenigen Frauen, die zu dieser Zeit Medizin studiert und die Gesellschaft macht es ihr nicht leicht. Stolpersteine sonder Zahl muss sie überwinden. Schon während des Studiums arbeitet sie in einer psychiatrischen Klinik. Sie ist erschüttert über die Zustände, die dort herrschen. Verwahrloste, traumatisierte oder wirklich psychisch kranke Kinder werden wahllos in großen Schlafsälen „gehalten“. Es gibt keine Zuwendung, kaum Essen und bei der Schilderung der „Behandlungen“ u.a. mit Elektroschocks, läuft es einem der kalte Schauer über den Rücken.

Als Maria erkennt, dass einige der Kinder durchaus Fähigkeiten haben, verursacht sie Aufruhr, setzt aber letzten Endes durch, das von ihr entwickelte Spiel- und Lernmaterial einzusetzen. „Lernen mit allen Sinnen“ ist ihr Credo.

Wir lernen auch die private Seite von Maria Montessori kennen. So wie sich wegen ihres Studiums über nahezu alle Konventionen hinwegsetzt, so hält sie es auch mit ihrem Privatleben. Zu jener Zeit ist es verheirateten Frauen verboten, einer Arbeit nachzugehen. Daher will sie unter keinen Umständen die Ehe mit ihrem Kollegen eingehen. Auch als sie schwanger wird, bleibt sie konsequent (um nicht zu sagen stur). Schweren Herzens gibt sie ihr eigenes Kind in Pflege, um sich den vielen anderen Kindern widmen zu können. Sie wird ihre Methode mit den unterschiedlichen Lernmaterialien verfeinern und die nach ihr benannte Lehrmethode entwickeln.


Meine Meinung:

Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Konventionen dieser Zeit darzustellen. Wie viel Potenzial ist damals verschwendet worden? Intelligente, ehrgeizige Frauen durften nicht oder nur „zum Zeitvertreib“ studieren. Arbeiten war Töchtern aus vermögenden verboten. Sie sollten hübsch, manierlich und unterwürfig sein. Anders geht es bei den Armen zu: Da müssen die Frauen sehr wohl arbeiten. Solange sie unverheiratet sind als Dienstbotin, später dann als Näherin, Waschfrau oder Fabrikarbeiterin. Hier sieht man deutlich die Bigotterie der Zeit.

Maria Montessori wird auch zu einer Galionsfigur der Frauenbewegung. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sie diese Rolle nicht ganz so gerne ausfüllt.

Dieser historische Roman ist sehr gut recherchiert. Einiges ist der Fantasie der Autorin entsprungen, was sie in ihrem Nachwort erklärt.

Der Schreibstil ist locker und flüssig und die Seiten fliegen nur so dahin.
Dieses Buch ist der Auftakt zu der Reihe „Bedeutende Frauen, die die Welt veränderten“, die von verschiedenen Autorinnen verfasst worden sind. Band 2 über Anna Freud und Band 3 über Emily Roebling erscheinen demnächst.

Fazit:

Das Buch ist ein schönes Stück Zeitgeschichte, das die frauenfeindliche Atmosphäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts gut wiedergibt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 09.12.2020

Regt zum Nachdenken an

Atlas der Weltwirtschaft
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"Dieses Heft erklärt einerseits die Funktionsweise der heutigen Wirtschaft, andererseits zwingen die Autoren all diejenigen zum Nachdenken, die glauben, alles schon zu wissen."

Zusammen mit Friederike ...

"Dieses Heft erklärt einerseits die Funktionsweise der heutigen Wirtschaft, andererseits zwingen die Autoren all diejenigen zum Nachdenken, die glauben, alles schon zu wissen."

Zusammen mit Friederike Spiecker und Stefan Dudey hat Heiner Flassbeck jetzt einen „Atlas der Weltwirtschaft 2020/2021“ vorgelegt, zu dem auch 16 Seiten zu den Auswirkungen von Corona auf die Weltwirtschaft gehören. Der „Atlas der Weltwirtschaft 2020/2021“ legt erschreckende Zahlen vor. Wem es schlecht geht, dem geht es wegen Covid-19 noch einmal schlechter. Wir hören bzw. lesen das täglich in den Medien. Wie dramatisch die Einbrüche wirklich sind, wird hier dargestellt.

Die Autoren analysieren tagtäglich Zahlen, Daten und Fakten vorwärts und rückwärts. In diesem nur 128 Seiten dünnen Buch wird die Weltwirtschaft auf eine etwas andere Art beschrieben. Interessierte können die Zusammenhänge relativ leicht nachvollziehen. Das Buch ist nicht immer leicht zu lesen.

Das Buch besticht durch aktuelle, ungeschönte Daten zu den wesentlichen weltwirtschaftlichen Themen, durch zahlreiche farbenfrohe Grafiken sowie fundierte Texte.

In bislang nicht da gewesener Weise bietet das Buch Zahlen, Fakten und politisch brisante Erkenntnisse zur Weltwirtschaft, anschaulich aufbereitet und verständlich analysiert. Es liefert Hinweise, was in der Weltwirtschaft schiefläuft und was die Staatengemeinschaften dagegen tun sollte.



Fazit:

Das sind alles erschreckende Zahlen. Allerdings werden auch Auswege aus dem Dilemma gezeigt. Die müssten die Staatschefs nur noch befolgen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 09.12.2020

Fesselnd bis zur letzten Seite

Belgische Finsternis
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Piet Donker, Kriminalbeamter im Drogendezernat in Brüssel wird in eine Kleinstadt nahe der deutschen Grenze strafversetzt, denn bei seinem letzten Fall wird sein Partner getötet. Hier in Raaffburg soll ...

Piet Donker, Kriminalbeamter im Drogendezernat in Brüssel wird in eine Kleinstadt nahe der deutschen Grenze strafversetzt, denn bei seinem letzten Fall wird sein Partner getötet. Hier in Raaffburg soll er einen Cold Case wieder aufnehmen, nachdem ein möglicher Hinweis auf das damalige Verbrechen aufgetaucht ist. Was ist damals geschehen?

Ein Serienmörder hat zehn Doppelmorde begangen. Jeweils Mutter und Sohn bestialisch ermordet. Man hat ihn zwar gefasst, aber er prahlt nur mit acht Toten. Für die letzten beiden Opfer, Anne und Gregory Weeber streitet er jegliche Verantwortung ab. Auch mit dem Verschwinden von Felix Riegen von dem seit 15 Jahren jede Spur fehlt, will er nichts zu tun haben.

Die damaligen Ermittler sind davon ausgegangen, dass Felix der Enge der Kleinstadt entfliehen wollte.

Je tiefer Piet Donker in das Beziehungsgeflecht der Kleinstadt eintaucht, desto mehr kommen ihm Zweifel an der Theorie des jugendlichen Abenteurers. Ihm zur Seite stehen drei Ermittler, die allesamt so ihre Eigenheiten haben. Da ist zum einem Lechat, der pensionierte Kriminalbeamte von damals, dann Vanderhagen ein mieselsüchtiger, unmotivierter Polizist und zum anderen Bender, der frisch von der Polizeiakademie kommt.

Was die Ermittlungen zusätzlich beeinträchtigt, ist das komplizierte Privatleben Donkers.

Recht bald ist Donken klar, dass mehrere Menschen in Raaffburg etwa zu verbergen haben. Nur was? Und hängen diese Geheimnisse mit den Morden bzw. mit dem Verschwinden von Felix zusammen?

Meine Meinung:

Es ist kaum zu glauben, dass es sich hier um ein Debüt handelt. Die Handlung ist fesselnd und gut durchdacht. Durch zahlreiche Wendungen, die sowohl die Ermittler als auch die Leser in die Irre führen, ist der Spannungsbogen sehr hoch. Lange tappen die Ermittler im Dunklen und Piet gerät mehrmals in Gefahr.

Das Ende ist kaum vorhersehbar, obwohl ich zwischendurch auf der richtigen Spur war. Vor allem die Geschichte der Burg hat mich aufhorchen lassen und siehe da, sie spielt auch ihre Rolle. Aber, psst - ich verrate hier nichts.

Ein bisschen mehr Lokalkolorit hätte durchaus sein können. Der eine oder andere Satz im passenden Dialekt wäre schon gut angekommen. Interessant finde ich die Bemerkung, dass manche Leute wie der eine Polizist sich zwar dreisprachig halbwegs verständigen können, aber in keiner Sprache so richtig firm sind. Deutsch, französisch bzw. Flämisch - da hat Belgien ein babylonisches Sprachengewirr zu bieten.

Die Charaktere sind durchwegs aus dem Leben gegriffen. Wer kennt sie nicht, die Kollegen, wie Vanderhagen, die missmutig „Dienst nach Vorschrift“ verrichten und keiner weiß eigentlich, was ihnen über die Leber gelaufen ist. Doch mit dem richtigen Trigger kann Piet Donker ihn doch zur Mitarbeit bewegen. Auch in Bender steckt mehr, als anfangs zu vermuten war. Die einzige Person, die mir zutiefst zuwider ist, ist Elise. Die Ehefrau eines Kriminalbeamten muss doch wissen, dass in der heißen Phase einer Ermittlung alles dem Fall untergeordnet ist, auch das Privatleben.

Von mir aus kann Piet Donker gerne weiter Fälle lösen. Ich werde den Krimi jedenfalls meiner Freundin, die in Brüssel lebt, empfehlen

Fazit:

Ein Krimi-Debüt, das mich mit diesem unerwarteten Ende so richtig fesseln und überzeugen konnte. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Empfehlung.

Veröffentlicht am 06.12.2020

Isaak Rubinstein muss weiter zittern ...

Unter Wölfen - Der verborgene Feind
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In diesem zweiten Fall für Isaak Rubinstein, dem jüdischen Antiquar, der in die Rolle des SS-Sturmbannführers und Kriminalkommissars Adolf Weissmann geschlüpft wird, wird die Hoffnung, endlich Nazi-Deutschland ...

In diesem zweiten Fall für Isaak Rubinstein, dem jüdischen Antiquar, der in die Rolle des SS-Sturmbannführers und Kriminalkommissars Adolf Weissmann geschlüpft wird, wird die Hoffnung, endlich Nazi-Deutschland verlassen zu können, wieder enttäuscht. Während er auf seine Kontaktperson des Widerstandes wartet, wird Gisela Hofmann, die Tochter eines hochrangigen Nazis ermordet. Ihr Vater gibt sich nicht mit dem örtlich zuständigen Kriminalbeamten Paul Köhler zufrieden. Er will, dass „der Beste der Besten“, nämlich Adolf Weissmann ermittelt. Das gefällt Köhler naturgemäß nicht und so lauert er auf jeden noch so kleinen Fehler des Konkurrenten. Damit ist er nicht der einzige, denn auch der Journalist Felix Bachmeyer erkennt mit der untrüglichen Nase des Enthüllungsjournalisten, dass mit Adolf Weissmann etwas nicht stimmt. Bevor Rubinstein nun enttarnt wird, wird Bachmeyer ermordet. Glück für Isaak Rubinstein oder nur eine zusätzliche Komplikation? Denn Bachmeyer hat zuvor ein Auge auf Ursula von Rahn geworfen, die Tochter eines Industriellen, der maßgebliche Informationen zur „Operation Georg“ haben soll, die der Widerstand so dringend braucht. Um an diese Dokumente zu kommen, geht Isaak mehrmals mit Ursula aus, die ihrerseits sich in Rubinstein verliebt hat.

Mehrmals steht Isaak Rubinstein knapp vor der Enttarnung. Nur mit sehr viel Mazel Tov und Chuzpe gelingt es ihm, seine falsche Identität zu wahren. Dazu kommt, dass es weitere Frauenmorde gibt und er gemeinsam mit Köhler weiterermitteln muss. Die Zusammenarbeit gestaltet sich schwieriger denn je, hat doch auch Paul Köhler seine Geheimnisse.

Meine Meinung:

Es ist nicht ganz leicht, die Verwandlung des jüdischen Antiquars in den aufgeblasenen, cholerischen SS-Sturmbannführers zu akzeptieren. Allerdings gab es im NS-Staat einige Ungereimtheiten und Doppelbödigkeiten, sodass ein solches Vabanquespiel durchaus möglich gewesen sein könnte.

"Wenn man alle logischen Lösungen eines Problems eliminiert, ist die unlogische, obwohl unmöglich, unweigerlich richtig" (S.112)


Alex Beer arbeitet auch in diesem zweiten Fall die allgegenwärtige Angst vor der Entdeckung der wahren Identität Isaak Rubinsteins grandios heraus. Die Person Rubinstein ist sehr gut charakterisiert. Mit Ermittlungen hat er ja nichts am Hut, außer, dass er ein Fan Sherlock Holmes ist. Immer wieder zitiert er aus den Büchern von Arthur Conan Doyle, was naturgemäß bei Paul Köhler vergeblich Liebesmüh ist. Als Isaak dann erkennt, dass der Frauenmörder ein bestimmtes Muster hat, hat er die zündende Idee in alten, ungeklärten Fällen zu stöbern. Hier, in der Kartei der „nassen Fische“, wie die cold cases damals genannt wurden, zu wühlen, da fühlt er sich wohl. Der Leser wird langsam, aber stetig durch die Einschübe, die mit „Marianne“ überschrieben werden, in die passende Richtung gelenkt.

Der historische Hintergrund ist perfekt recherchiert. Die Begeisterung, die die Nürnberger bei den Feiern zu Hitlers Geburtstag an den Tag legt, ist beängstigend echt geschildert.

Als Leser muss man manchmal den Atem anhalten, wenn Isaak wieder einmal beinahe enttarnt wird. Hin und wieder gibt es auch einen Helfer, der dem Regime kritisch gegenübersteht.

Die Spannung wird durch zahlreiche überraschende Wendung sehr hochgehalten. Wie schon in ihren anderen Bücher (Reihe rund um August Emmerich) ist Alex Beers Schreibstil lebendig und mitreißend.

Auch nachdem die Serie der Frauenmorde aufgeklärt ist, kann Isaak Rubinstein seine Rolle als Adolf Weissmann noch nicht an den Nagel hängen. Ein dritter Band scheint in Vorbereitung, wie man aus dem Cliffhanger schließen kann. Darauf freue ich mich.

Fazit:

Dieser zweite Fall für Isaak Rubinstein hat mir wieder sehr gut gefallen. Gerne gebe ich wieder 5 Sterne.