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Venatrix

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Veröffentlicht am 18.02.2022

Ein komplexer Krimi

Allgäuer Höhenrausch
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Dieser Krimi ist das Debüt von Wolfgang Heinl und besticht durch eine komplexe Handlung in zwei Zeitebenen.

Im Jahr 1986 soll im Allgäu, an der Grenze zu Vorarlberg, ein Speicherkraftwerk mit einer voluminösen ...

Dieser Krimi ist das Debüt von Wolfgang Heinl und besticht durch eine komplexe Handlung in zwei Zeitebenen.

Im Jahr 1986 soll im Allgäu, an der Grenze zu Vorarlberg, ein Speicherkraftwerk mit einer voluminösen Staumauer errichtet werden. Das ist sowohl den meisten Ortsansässigen und den Umweltschützern als auch der Vorarlberger Kraftwerksgesellschaft, die um ihre Stromkunden fürchtet, ein Dorn im Auge. Betrieben wird das großspurige Projekt, das auch einen Hotelkomplex inkludiert, von einem umtriebigen Bauunternehmer, der dafür über Leichen geht, auch über seine eigene. Denn man findet ein ausgebranntes Firmenauto mit einer verkohlten Leiche und folgert nach dem Verschwinden des Unternehmers daraus, dass er der verbrannte Tote ist. Der mit der Aufklärung dieser unklaren Todesursache betraute Kriminalbeamte, gibt nach erfolglosen Ermittlungen auf. Das Projekt Kraftwerksprojekt wird ad acta gelegt.

Rund 26 Jahre später, also 2012, wird das Kraftwerk samt Hotel den Umweltschützern zum Trotz dann doch gebaut. Strom aus Wasserkraft ist grün und daher umweltfreundlich. Die Bedenken, welche Zerstörungen während des Baus angerichtet verschwimmen vor dem Hintergrund des „grünen Stroms“.

Die Baufirma aus 1986 mischt wieder kräftig mit und es kommt zu einer Reihe von mysteriösen Todesfällen. Die Toten haben alle in irgendeiner Form mit dem Kraftwerksbau zu tun, entweder als Gegner oder Nutznießer.

Meine Meinung:

Dieser komplexe Krimi hat es in sich. Kein Buch für zwischendurch, denn der Leser muss gut aufpassen, sich zwischen den Winkelzügen der Baufirma zurechtzufinden.

Wir begegnen die um 26 Jahre gealterten Personen. Nicht alle sind gereift, sondern der eine oder andere hat, weil er 1986 ungeschoren davongekommen ist, auch noch die letzten Skrupel verloren.

Der Krimi fesselt bis zur letzten Seite. Die Leser sind den Ermittlern immer einen Schritt voraus, doch das tut der Spannung keinen Abbruch. Ich mag das, weil es mich interessiert, ob und wie die Ermittler dem Täter auf die Spur kommen.

Der Schreibstil ist gelungen und wird durch einzelne Charaktere, die so sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, also Dialekt sprechen, aufgelockert.

Die zahlreichen losen Handlungsstränge werden am Ende gekonnt verknüpft.

Fazit:

Ein gelungenes Krimi-Debüt, das bis zur letzten Seite spannend bleibt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 16.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Der Tod ist ein Spieler aus Graz
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Dieser Krimi aus dem Hause Emons ist die Neuauflage von „Trost und Spiele“ aus dem Jahr 2017, der damals im Verlag Federfrei erschienen ist.

Worum geht’s?

Chefinspektor Armin Trost befindet sich in einer ...

Dieser Krimi aus dem Hause Emons ist die Neuauflage von „Trost und Spiele“ aus dem Jahr 2017, der damals im Verlag Federfrei erschienen ist.

Worum geht’s?

Chefinspektor Armin Trost befindet sich in einer akuten Lebenskrise und will seinen Job als Kriminalbeamter an den Nagel hängen. Noch bevor er darüber mit Ehefrau Charlotte, die das dritte gemeinsame Kind erwartet, sprechen kann, wird er zu einer Leiche in unmittelbarer Nähe gerufen. Im Toten steckt ein Schwert, dessen Griff mit einem ähnlichen Muster versehen ist, wie jenes Messer das vor Kurzem im eigenen Gartenzaun gesteckt ist.

Gibt es hier einen Zusammenhang? Und was haben diese Ereignisse mit seiner Familie zu tun?

Bei seinen Ermittlungen stößt er auf ein seltsames Netzwerk aus Rittern, Masken und Sagengestalten. Hochrangige Vertreter aus Politik und dem Grazer Gesellschaftslebens treffen einander zu obskuren Spielen in der Welt der LARP-Fans (Live Action Role Play). Selbst seinen Chef, den Polizeidirektor, findet Trost unter den Spielern und das in einer bizarren Rolle. Eine Spur führt Armin zu einem ehemaligen Schulkollegen.

Je näher er den Mördern kommt, desto bedrohlicher wird die Situation für seine Familie, bis sie schließlich eskaliert.

Meine Meinung:

Robert Preis wirft Armin Trost und seine Leser in einen Strudel aus unheimlichen Ereignissen. Es ist kaum auseinander zuhalten, was Spiel und was Wirklichkeit ist.

Wir lernen Charlotte, Armins Frau kennen, die auch eine interessante Persönlichkeit ist. Sie nimmt nämlich offensiv an jedem Preisausschreiben teil, um so ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Dutzenden Gewinne verkauft sie auf Flohmärkten und Ebay. Für den möglichen Gewinn eines Autos macht sich Armin Trost zum Clown. Eine recht schräge Obsession.

Ein neugierig machender Kunstgriff sind die Zitate aus Charlottes Tagebuch vor jedem Kapitel.

Armin Trost leidet meiner Ansicht nach an einem akuten Burnout, das ihm manchmal schier den Verstand raubt. Er sollte sich dringend eine Auszeit gönnen, bevor er gänzlich überschnappt. Viel fehlt ja nicht mehr. Der Vorsatz, seinen Dienst zu quittieren, geht in die richtige Richtung.

Nach eigenen Aussagen des Autors sollte diese Geschichte eigentlich ein Märchen werden. Doch irgendwie haben sich die Figuren selbstständig gemacht.

„Wenn du in diesem Leben kein Held sein kannst, so schaff dir ein Neues“.

Fazit:

Ein Krimi, der auch in seiner Neuauflage nichts von seiner Vielschichtigkeit verloren hat. Gerne gebe ich 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.02.2022

100 Jahre und kein bisschen leise - eine beeindruckende Autobiografie

Wir sind nur noch wenige
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Diese beeindruckende Autobiografie ist die Lebensgeschichte von Guy Stern, der 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren wurde. 1937 gelingt es dem Sohn jüdischer Eltern, als einzigem seiner Familie ...

Diese beeindruckende Autobiografie ist die Lebensgeschichte von Guy Stern, der 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren wurde. 1937 gelingt es dem Sohn jüdischer Eltern, als einzigem seiner Familie in die USA zu emigrieren. 1944 kehr er im Rahmen des „Unternehmen Overlord“ nach Europa zurück. Er gehörte der sogenannten „Ritchie Boys“ an, einer Spezialtruppe der US-Army, die deutsche Kriegsgefangene verhörten.

Nach dem Krieg studiert er Romanistik und Germanistik. Guy Stern lehrt an zahlreichen amerikanischen Universitäten und hat, im Gegensatz zu vielen anderen emigrierten Juden, keine Scheu, auch in Deutschland zu lehren.

Guy Stern ist Träger zahlreicher, auch deutscher, Auszeichnungen.

Meine Meinung:

Diese Autobiografie hat mich sehr berührt, da sie lebendig und authentisch erzählt wird. Ich hätte gerne mehr von den anderen „Ritchie Boys“ gelesen, denn der Titel suggeriert ein wenig, dass sich diese Soldaten später immer wieder getroffen haben und aufgrund des Geburtsjahres immer weniger werden.

So erfahren wir sehr viele Details aus dem, an Aufregung reichen Leben des Guy Stern. Interessant ist, dass er dem Verbleib seiner Familie nicht weiter nachgeht, als klar ist, dass sie in einem der Vernichtungslager des NS-Regimes ermordet worden sind.

Eindrucksvoll wird auch die Arbeit jener Organisationen geschildert, die dafür sorgen, dass zahlreiche Kinder aus jüdischen Familien aus Deutschland auswandern konnten. Nicht verschwiegen werden die bürokratischen Schikanen sowie auch die Zufälle, die Günther damals gerettet haben. Denn Günther ist mit seinen fünfzehn Jahren knapp an der Altersgrenze (16 Jahre), die für die Emigration gelten.

Guy Ritchie hat zeit seines Lebens, das nun schon 100 Jahre währt, immer nach vorne geblickt und sich nicht unterkriegen lassen. Daran sollten sich die Menschen von heute ein Beispiel nehmen, wenn wegen jeder Kleinigkeit gejammert wird.

Fazit:

Eine beeindruckende Autobiografie, die ich sehr gerne weiter empfehle und der ich 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Wie Hitler die ganze Welt täuschte

Berlin 1936
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Wenn derzeit gerade Tausende Sportlerinnen und Sportler um olympische Medaillen in Peking kämpfen, ist dieses Buch passend. Es gibt durchaus einige Ähnlichkeiten zwischen den Olympischen Spielen 1936 und ...

Wenn derzeit gerade Tausende Sportlerinnen und Sportler um olympische Medaillen in Peking kämpfen, ist dieses Buch passend. Es gibt durchaus einige Ähnlichkeiten zwischen den Olympischen Spielen 1936 und denen von 2022. Hier wie da wird die Weltöffentlichkeit durch die gewaltige PR getäuscht. Ist es 1936 eine Alibi-Jüdin, die an den Spielen teilnehmen darf, so ist es 2022 eine uigurische Fackelläuferin, während rund zwei Millionen Uiguren in diversen Umerziehungslagern gefangen gehalten werden.

Doch zurück ins Jahr 1936.

Wir folgen zahlreichen Sportlerinnen und Sportlern, hören uns in Berlin und Umgebung um, und tauchen ein in die Scheinwelt, die das NS-Regime für die Welt aufgebaut hat. Während dieser 16 Tage werden die Repressalien gegen die Juden vor allem in Berlin quasi ausgesetzt. Man will ja ein offenes multikulturelles Deutschland zeigen. So dürfen jüdische Bars und Nachtlokale den verpönten Swing spielen, Homosexuelle werden zwar beobachtet, doch vorerst in Rue gelassen. Während sich die Sportler auf ihre Wettkämpfe vorbereiten, macht das Regime dasselbe, um nach dem Erlöschen des Olympischen Feuers, das ihre zur Vernichtung von Andersdenkenden neu zu entfachen.

Wir dürfen auch den einen oder anderen Gast wie den amerikanischen Schriftsteller Thomas Wolfe begleiten, der in Berlin seinen Verleger Ernst Rowohlt trifft. Anfangs ist Wolfe fasziniert vom „neuen“ Deutschland, das so blitzblank erscheint. Erst die Hinweise einiger Betroffener, öffnet ihm die Augen. Er wird seine Erlebnisse nur wenig später zu Papier bringen.

Meine Meinung:

Oliver Hilmes ist für seine akribische Recherche bekannt. Hier in diesem Buch hat er sogar den Wetterbericht ausgegraben. So beginnt jeder Tag der Olympischen Spiele mit der Wettervorhersage des Reichswetterdienstes.

Und so ist auch das Buch gegliedert: Jedes der sechzehn Kapitel steht für jeweils einen Tag der Spiele.

Wir erleben die Triumphe von Jesse Owens mit, der auf die Gratulationen und den Handschlag von Adolf Hitler verzichten muss. Das ist vermutlich das einzige Mal in seinem Leben, wo die Diskriminierung der Schwarzen positiv zu sehen ist.

Zwischen den sportlichen Highlights sind immer wieder Sequenzen aus dem Kunst- und Kulturleben eingeflochten. Doch auch das Leben der Bevölkerung wird nicht ausgespart. So erfahren wir, dass trotz aller Bemühungen den ausländischen Gästen die „heile Welt“ vorzuspielen, einige Personen auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Dazu lesen wir einige dürre Zeile aus den Polizeiberichten.

Oliver Hilmes gibt in diesem Buch die schizophrene Welt der Olympischen Spiele von 1936 wieder. Er unterstützt den Text durch zahlreiche Fotos und Zitate.

In einem „Was wurde aus..?“ erfahren wir, wie es einigen der erwähnten Personen nach den Olympischen Spielen ergeht. Wie wir es von Oliver Hilmes gewöhnt sind, gibt es ein Verzeichnis der Anmerkungen und ausführliche Quellen- und Literaturangaben.

Fazit:

Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte, bevor man sich durch das Olympische Spektakel blenden lässt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 13.02.2022

Fesselnd bis zur letzten Seite

Berlin, 24. Juni 1922
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Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine ...

Der Titel ist zugleich das Todesdatum von Walther Rathenau, jenem Politiker, der von Mitgliedern der rechtsradikalen Gruppe namens „Organisation Consul“ ermordet worden ist.

Wir Leser tauchen in eine Welt des Umbruchs ein. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, der damals noch der „Große Krieg“ geheißen hat, gerät die bisher bekannte Welt aus den Fugen: Die Monarchie ist Geschichte, doch gibt es Bemühungen sie wieder zu errichten, wenn auch ohne den Kaiser. Und auch andere Regierungsformen wie die Räteregierungen wollen sich etablieren. Wie es häufig ist, wird aus Angst vor den Sozialisten und/oder Kommunisten die Gefahr von rechts völlig übersehen oder negiert.

So kann sich die „Organisation Consul“ wie ein Krake über ganz Deutschland ausbreiten. Dieses Netz, das ganz Deutschland überzieht, rekrutiert seine Anhänger vor allem unter den Beamten der Polizei und der Justiz sowie den arbeits- und nutzlos gewordenen Militärs. Allen diesen Gruppen ist die toxische antisemitische Haltung gemeinsam. Die wird noch durch die Dolchstoßlegende und zahlreiche andere Lügen befeuert.

In diversen „Probeläufen“ werden Menschen wie Matthias Erzberger (1921) ermordet bis die Lage am 24. Februar 1922 mit der Ermordung von Walther Rathenau ihren Höhepunkt erreicht. Warum Rathenau? Rathenau symbolisiert das genauer Gegenteil der „Organisation Consul“ stehen: Er ist Jude, hat Charisma, will Frieden und Versöhnung sowie internationale Kooperationen, die die wirtschaftliche Situation Deutschlands verbessern soll.

Die Mitglieder der „Operation Consul“ wollen eine Revanche für den verlorenen Weltkrieg und den ihren Augen schändlichen Friedensvertrag.

„Die Frankfurter Zelle der Organisation Consul bestand durchweg aus gebildeten Menschen des Bürgertums, jenen Kreisen, die man als Stützen der Gesellschaft zu betrachten pflegte. Und jetzt sägten und sprengten und schossen die Nachkommen dieser Stützen um sich. Sie wollten etwas erneuern, indem sie die Machthaber der Gegenwart vernichteten. Was genau werden sollte danach, wussten sie nicht. Dem aufgeklärten Staatswesen der Demokratie setzten sie ihr Gefühl und eine Mythologie des Blutes entgegen. Wenn es deutsch war, dieses Blut, würde es schon seinen Weg in eine bessere Zukunft finden.“ (eBook S. 147)


Meine Meinung:

Minutiös hat Journalist und Buchautor Thomas Hüetlin die Ereignisse recherchiert, deren Höhepunkt eben die Ermordung Walther Rathenaus waren, die letztlich Adolf Hitler an die Macht brachten und Auswirkungen bis heute haben.

Mir hat der Einblick in das jüdisch-humanistische Leben der Zwischenkriegszeit, dessen Auslöschung mit der Ermordung Rathenaus beginnt, gut gefallen.

Erschreckend ist, dass es durchaus Parallelen zu heute gibt, wo Antisemitismus und rechtsradikales Gedankengut (wieder) salonfähig sind.

Fazit:

Dieses Sachbuch liest sich wie ein Thriller und fesselt trotz der vielen historischen Zahlen, Daten und Fakten bis zur letzten Seite. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung.