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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.08.2020

Von Kazimierz nach New York - eine Erfolgsgeschichte

Augen, die im Dunkeln leuchten
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Mit dieser Biografie setzen das Autorenduo Barbara Achtermann und Ingo Rose der nur knapp 1,48m großen Helena Rubinstein ein Denkmal.
1870 in Kazimierz, einem der ärmlichen Bezirke von Krakau, geboren, ...

Mit dieser Biografie setzen das Autorenduo Barbara Achtermann und Ingo Rose der nur knapp 1,48m großen Helena Rubinstein ein Denkmal.
1870 in Kazimierz, einem der ärmlichen Bezirke von Krakau, geboren, wandert die alteste von acht Töchtern des jüdischen Kaufmanns Herzel Rubinstein zuerst nach Wien und dann 1896 nach Australien aus, nachdem sie mehrere Heiratsangebote ausgeschlagen hat. Mit im Gepäck reisen zwölf Tiegel einer Gesichtscreme.

Warum nach Australien? Dort leben schon zwei Onkel aus der weitverzweigten Familie Rubinstein. Nach mehreren Jobs findet sie ihre Erfüllung: 1902 eröffnet sie einen Schönheitssalon, deren beste Werbung sie selbst ist. Ihr heller Teint fällt unter den von der Sonne Australiens gegerbten Frauen auf. Der Salon wird so erfolgreich, dass sie ihre jüngeren Schwestern nachkommen lässt. Dann geht es für die Rastlose weiter zu neuen Ufern. Nach Zwischenstationen in England und während des Ersten Weltkriegs in Amerika, heißt das Ziel Paris.

Nach wie vor steht Helena Rubinstein auch selbst in der „Küche“ wie sie ihr Labor nennt, in dem sie ihre Kosmetika herstellt. Helena Rubinstein ist keine angenehme Chefin. Sie verlangt von allen - wie von sich selbst - Höchstleistungen. Die meisten ihrer Salons werden von den zahlreichen Familienmitgliedern geführt.

Während des Zweiten Weltkriegs verlagert sie ihr Imperium wieder in die USA. Dort liefert sie sich mit den anderen Kosmetikgiganten wie Elizabeth Arden oder Charles Revson (Revlon) einen lebenslangen Konkurrenzkampf. Sie ist mehr als geschäftstüchtig. Helena Rubinstein verkehrt in Künstlerkreisen und lässt sich von zahlreichen Malern porträtieren.

Dass dabei das Privatleben auf der Strecke bleibt, ist klar. Sie war zwei Mal verheiratet und hatte zwei Söhne.

Fazit:

Ein interessante, leicht lesbare Biografie einer Frau, die mit großem Ehrgeiz und eisernem Willen eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben hat. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2020

Ein gelungener Krimi-Debüt

Wiener Hundstage
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Sommer 1995 - ganz Wien stöhnt unter der Hitze und „lag mit kalten Wickeln in der Hängematte“. So der O-Ton des Journalisten Paul Mazurka, der viel lieber mit einem Glas Wein in einem schattigen Gastgarten ...

Sommer 1995 - ganz Wien stöhnt unter der Hitze und „lag mit kalten Wickeln in der Hängematte“. So der O-Ton des Journalisten Paul Mazurka, der viel lieber mit einem Glas Wein in einem schattigen Gastgarten sitzen würde, wäre da nicht der Mord an seiner Kollegin, Sarah Ortbauer. Ob er will oder nicht, Paul gerät in den Sog rund um die Aufklärung des Verbrechens. Was hat Sarah recherchiert, was hat sie das Leben gekostet? Und warum ist Freund und Fotograf Thomas Hrdlicka verschwunden? Ist er auch ermordet worden oder hält er sich nur bedeckt?

Immer tiefer rutscht Mazurka in den Strudel der Ereignisse. Er legt sich mit der katholischen Kirche (also mit einigen vom Bodenpersonal) an, wird bei seinen oft unorthodoxen Nachforschungen mit den Gräueln des Balkankrieges konfrontiert und muss erkennen, dass die Fäden des Vatikans auch in Wien die Puppen tanzen lassen.

Meine Meinung:

Obwohl dies das Krimi-Debüt des Autors ist, kann ich hier gerne 5 Sterne geben. Warum? Das mehrere Gründe:

Paul Mazurka ist so herrlich unkorrekt. Er raucht, trinkt - beides öffentlich und im Übermaß.

Der Autor bedient sich zahlreicher Klischees, die aber niemals „abgeschmackt“ wirken, sondern zur Zeit, nämlich 1995 passen.
Das Setting ist nicht das touristisch geschönte Wien, sondern, das alltägliche, von Schmutz und Patina der Jahre verkrustete Wien.

Es ist die Zeit in der die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche aufgedeckt werden, was viele Menschen dazu bewogen hat, der Kirche den Rücken zu kehren. Es ist die Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Balkankriege in der sich Geheimdienste, Kriegsverbrecher und sonstiges Gesindel (auch wenn es im Maßanzug steckt) in Wien herumtreibt.

Diesen Krimi zu lesen, ist wie Heimkommen für mich. Ich kenne einen Großteil der beschriebenen (besuchten) Lokale wie das „Café Magistrat“ in der Taborstraße oder den Heurigen „Zum Reichsapfel“ auf dem Karmeliterplatz, der vor 1995 eine spanische Bodega war. Das Haus ist übrigens liebevoll restauriert worden. Oder das blau-weiße, von Österreichs Stararchitekten Otto Wagner am Donaukanal erbaute Schleusengebäude, auf das ich von meinem Bürozimmer hinuntersehen kann.

Der Autor versteht sein Handwerk. Er hat, wie im Nachwort zu lesen ist, lange Jahre über dem Manuskript gebrütet. Sprachlich und inhaltlich ist der Krimi gut gelungen. Die häufig vorkommenden Austriazismen werden im Anhang erklärt.

Die letzten Sätze „...ich war sicher, dass ich niemals wieder in Franks Dunstkreis geraten würde. Das sollte sich als Irrtum erweisen. Doch das ist eine andere Geschichte.“ deuten darauf hin, dass der Autor einen weiteren Krimi mit Paul Mazurka vorbereitet.

Fazit:

Paul Mazurka sollte in Hinkunft ein wenig auf seine Lunge und Leber achten, denn ich möchte gerne noch weitere Fälle mit ihm als investigativen Journalisten lesen. 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2020

Eine Dekade bissige Kolumnen

Das muss gesagt werden
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In diesem Buch sind rund 70 Kolumnen aus der spitzen Feder von Elfriede Hammerl zusammengetragen, die sie im Laufe der letzten Dekade in der Wochenzeitschrift „Profil“ veröffentlich hat.

Die Autorin schreibt ...

In diesem Buch sind rund 70 Kolumnen aus der spitzen Feder von Elfriede Hammerl zusammengetragen, die sie im Laufe der letzten Dekade in der Wochenzeitschrift „Profil“ veröffentlich hat.

Die Autorin schreibt kritisch, selbst- und treffsicher. Stilistisch hebt sie sich von Allerweltsschreiberlingen jeglicher Altersstufe und Ausrichtung wohltuend ab. Seit rund 35 Jahren beobachtet sie das Tagesgeschehen (vor allem in Österreich) und darf sich mit Fug und Recht die Doyenne des österreichischen Journalismus nennen.

Elfriede Hammerl spannt den Bogen weit: von der rosa Pille (Viagra für Frauen)
über die bestehenden Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen von Frauen bis hin zur Leihmutterschaft, die sie als „temporäre Sklaverei“ bezeichnet.
Es fallen so grandiose Sätze wie: „Eva arbeitet Teilzeit. Adam beneidet sie. Na ja, um ihre Altersrente eher nicht.“

Ob Familienpolitik, Migrationsfragen, Verteilungsgerechtigkeit, Intoleranz oder das Altern - die Autorin ist in jedem Thema zu Hause und scheut sich nicht, den Mächtigen des Landes (egal welcher Couleur) mit dem nötigen Misstrauen zu begegnen.
Immer wieder versucht sie, den unterschiedlichen Lebenssituationen von Frauen Gehör zu verschaffen.

Fazit:

Manche Sätze scheinen auf den ersten Blick humorvoll und bleiben aber bei einem zweiten im Hals stecken. Elfriede Hammerls Kolumnen spiegeln die Gesellschaft wieder. Gerne gebe ich hier eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Veröffentlicht am 28.08.2020

Eine Hommage an eine zu Unrecht fast Vergessenen

Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt
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„Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“, das ist nicht nur der Titel des Romans von Dagmar Fohl. So lautet auch die Inschrift auf dem Grabstein von Aristides de Susa Mendes. Wer ist dieser ...

„Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“, das ist nicht nur der Titel des Romans von Dagmar Fohl. So lautet auch die Inschrift auf dem Grabstein von Aristides de Susa Mendes. Wer ist dieser Mann, der oft als „Oskar Schindler von Portugal“bezeichnet wird? Mit diesem biografischen Roman hat ihm Dagmar Fohl ein Denkmal gesetzt.

Aristides de Susa Mendes stammt aus einer reichen Adelsfamilie Portugals und hat mit seiner Gemahlin 14 Kindern. Er ist Konsul unter Diktator António de Oliveira Salazar. Nach mehreren Stationen u. a. in den Niederlanden verschlägt ihn und seine Familie nach Bordeaux, Frankreich.

Nazi-Deutschland vertreibt rigoros Judden aus dem Land und bald will kein Land der Welt den Flüchtlingen auch nur die Durchreise geschweige denn die Einreise und einen Aufenthalt gewähren. Nur das diktatorische Portugal verhält sich neutral. Salazar ergreift für niemanden Partei, außer für sich selbst. Und so gerät Mendes, der Tag und Nacht Visa für ca. 30.000 Flüchtlinge, darunter 10.000 Juden, ausstellt, in Bannstrahl des Diktators. Denn er hat sich dessen ausdrücklichen Befehlen, „keine Visa für Juden“ widersetzt. Alles, was Salazar fordert, ist Disziplin, Befehlsverweigerung kann er nicht dulden. Salazar hält die Menschen in Portugal künstlich dumm. Sie sollen mit dem Fado, der Religion und Fußball ruhig gestellt werden. Es gibt kaum Schulen.

Weder die zahlreichen Eingaben, die der erschreckend naive Mendes an Salazar schreibt, erweichen den Diktator. Aristides de Susa Mendes verliert alles: Seine Anstellung, seinen guten Ruf, seine Gesundheit, die Immobilien und das Vermögen sowieso. Beinahe zehn Jahre kämpft er für seine Rehabilitierung, vergebens. Während Aristide nach wie an die Weitsicht des Diktators glaubt, weiß Aristides Bruder, dass Salazar die Familie Mendes vernichten will. Denn sie steht für alles, was er selbst nicht hatte: eine große Familie, Reichtum und Adel.

„In Salazars Kopf ist kein Platz für Barmherzigkeit. Mendes ist ein naiver Trottel, denkt er. Er hat nicht die winzigste Chance.“

Aristides de Susa Mendes stirbt am 3. April 1954, völlig verarmt in Lissabon. Salazar wird ihn um 16 Jahre überleben.

Aristides de Susa Mendes wird postum von Kanada und den USA geehrt. In der Gedenkstätte „Allee der Gerechten“ (Yad Vashem) in Jerusalem wird 1966 ein Baum für ihn gepflanzt und mit seinem Namen versehen.

In seinem Heimatland Portugal wird es noch bis 1988 dauern, bis Aristides de Susa Mendes offiziell rehabilitiert wird. 1995 erklärt Regierungschef Mario Soares Sousa Mendes zu „Portugals größtem Helden des 20. Jahrhunderts“

Fazit:

Ein, in der Ich-Form, fesselnd erzählter biografischer Roman, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 25.08.2020

Ein gelungener Reihenauftakt

Mörderische Brandung
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Die 29-jährige Cassandre „Cass“ Lynch arbeitet als Skipper auf einem nachgebauten Wikingerboot, auf dem gerade ein Film gedreht wird. Eines Abends findet Cass auf dem Wikingerboot eine Frauenleiche. Die ...

Die 29-jährige Cassandre „Cass“ Lynch arbeitet als Skipper auf einem nachgebauten Wikingerboot, auf dem gerade ein Film gedreht wird. Eines Abends findet Cass auf dem Wikingerboot eine Frauenleiche. Die Tote ist die Hauptdarstellerin. Cass und ihr Vater geraten unter Verdacht, sodass sie beschließt, auf eigene Faust nach dem Täter zu suchen.


Meine Meinung:

Obwohl ich eine echte Landratte bin, lese ich gerne Bücher, die am Meer und auf Segelbooten spielen. Es geht ein wenig beschaulich zu. Keine Nerven zerfetzenden Verfolgungsjagden mit quietschenden Reifen (dazu passen die Shetlands nicht). Es dauert ein wenig, bis die Story Fahrt aufnimmt, wie das so beim Segeln eben so ist. Es kann nicht immer gleich der passende Wind wehen.

Die Autorin greift ein Stilelement auf, das schon mehrfach verwendet worden ist: Das doppelte Lottchen - Zwillingsschwestern, die ihre Rollen tauschen. Nur, diesmal ist dieser Rollentausch gewünscht, denn die Zwillingsschwestern haben höchst unterschiedliche Interessen.

Der Schauplatz der Krimihandlung - eben die Shetland-Inseln - hat mir gut gefallen. Manche Leser werden vielleicht mit den nautischen Begriffen nicht so viel anfangen können. Für mich war hier wenig unbekannt.

Die Charaktere sind recht gut beschrieben. Cass ist eine ungewöhnliche junge Frau mit einem Geheimnis, das sich dem Leser im Verlauf der Handlung immer mehr erschließt. Mit dem Kilt tragenden DI Gavin Macrae hat die Autorin eine interessante Figur geschaffen. Er will natürlich nicht, dass Cass sich in die Ermittlungen einmischt, doch sie kennt quasi „Gott und die Welt“ und kann dem Ermittler den einen oder anderen Hinweis geben.


Fazit:

Das Buch lässt sich gut und flüssig lesen. Die Geschichte und das Setting lohnen sich! 4 Sterne.