Originelle Idee, deren Umsetzung mich enttäuschte
Tödliche GemäldeDieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, ...
Dieses Buch hat mich gleich neugierig gemacht - ein Kunstkrimi, in dem ein Lebemann und Kunsthändler zugleich ein Serienmörder ist und mit seinen Morden Kunstwerke nachstellt. Das alleine gefiel mir schon, dann kommt laut Klappentext noch hinzu, daß ausgerechnet sein mit ihm verfeindeter Zwillingsbruder der Ermittler in diesen Fällen ist und es zu einem "psychologisch raffinierten" Verwirrspiel kommt. Das versprach eine ausgefeilte Geschichte. Meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt.
John Blumenstein, der Lebemann und Kunsthändler, wird uns erst einmal sehr ausführlich vorgestellt. Mehr als fünfzig Seiten lang begleiten wir ihn dabei, wie er nach Handbuch den Bonvivant gibt. Sein Dasein als Lebemann wird uns nämlich vorwiegend durch ausführliche Passagen mit seinen Gedanken zu Weinen und ausführlichen Beschreibungen seiner Menüs geschildert. Die Weinpassagen lesen sich wie aus dem Weinführer und auch bei den Menüs liest es sich wie eine Speisekarte. Später kommen vermehrt Rezepte hinzu - eine Frau, mit der John Essen geht, erklärt ihm bei jedem Gericht, wie sie es zubereiten würde, und auch mitten in einer Mordserie findet sich Zeit, genüßlich zu kochen und dem Leser seitenlang die Zubereitungsweise zu schildern. Da zudem ständig erwähnt wird, wie teuer dies und jenes ist, hat John, genau wie die Erzählweise, einen deutlichen Anklang von nouveau riche. Wir lesen, daß John Bonvivant ist, aber wir erleben es nicht. Außerdem wird hier sehr mit dem Holzhammer gearbeitet.
Auch sonst macht es der Schreibstil schwer, irgendetwas in der Geschichte zu erspüren, zu erleben. Der Großteil des Buches wird ohne literarische Finesse als Bericht heruntererzählt. Es gibt kaum Dialoge, welche aber ohnehin keine Lesefreude sind. Sie wirken manieriert. Beispiel: "Ha, du feinster aller Brüder! Hab ich dich!" Der Leser liest und bleibt unbeteiligt. Nur in einigen wenigen Szenen habe ich das Gefühl gehabt, die Szene wirklich vor mir zu sehen. Diese Szenen sind gut und zeigen, was aus dem Buch hätte werden können. Da erleben wir dann auch John als Mensch, nicht nur als Schablone. Dieser charakterliche Einblick ist auf gelungene Weise grausig. Sonst haben alle Charaktere etwas Schablonenhaftes, sie sind nicht sorgfältig ausgearbeitet und nicht überzeugend. Johns Bruder Martin bleibt völlig blass, bis er dann plötzlich durchdreht und überzogen wird. Die weiblichen Charaktere scheinen einer Wunschphantasie entsprungen - gleich vier von ihnen befinden sich in Ehen/Beziehungen, in denen der Partner sie körperlich nicht befriedigt und so springen sie lustvoll den nächstbesten Mann an, gerne auch mitten im Park oder bewaffnet mit einer Reisetasche voller erotischer Spielsachen oder mit einem Würgefetisch ausgestattet.
Wirklich interessant dagegen ist der Einblick in den Kunsthandel - hier merkt man, dass dies das Metier des Autors ist und hier geht die Erzählung dann auch meistens weg vom Handbuchartigen und wird echt. Die Kunstwerke, um die es in den Morden geht, werden dem Leser überwiegend gelungen nahegebracht (im letzten Drittel des Buches werden leider auch die Beschreibungen wieder handbuchartig). Auch die Auswahl jener Gemälde, die John dann durch seine Morde nachstellt, ist gelungen. Man kann Johns Begeisterung für manche Gemälde absolut nachempfinden, erfährt interessante Hintergründe und betrachtet die Gemälde selbst genauer - sie sind nämlich im Buch abgebildet, was eine hervorragende Idee ist. Überhaupt ist das Buch optisch sehr schön gestaltet. Leider erstreckt sich diese Sorgfalt nicht auf das Korrektorat, es sind mir doch zu viele fehlende Worte, zusätzliche Worte, falsche Worte oder grammatikalische Fehler aufgefallen.
Leider aber wurde neben diesem interessanten Kern in die Geschichte noch viel zu viel hineingepackt - zusätzlich zu den lustvollen Frauen, den ausgiebigen Menüs und teuren Weinen hat John nämlich auch noch mit einem Geheimdienst zu tun. Das wirkte von Beginn an auf mich etwas deplatziert und sorgt für einige absurde Szenen. So sind die Geheimdienstmitarbeiter nicht nur in einem Fall unrealistisch vertrauensselig, sondern lassen sich auch von einer italienischen Hausfrau deftig die Leviten lesen. So ein Verhalten ginge ja gar nicht, wirft sie den toughen Agenten vor, und man möge sich doch bitte besser benehmen. Was die Agenten dann auch brav beherzigen. Auch sonst fehlt der Geschichte überwiegend der Realismus. John kommt ein praktischer Zufall nach dem anderen zur Hilfe, alles funktioniert reibungslos, alles läuft glatt. Noch nie hatte ein Serienmörder es so komfortabel. Das nimmt der Geschichte, ebenso wie die ausführlichen Essens- und Weineinschübe, die Spannung.
Von der versprochenen psychologischen Raffinesse habe ich, wenn überhaupt, nur leichte Ansätze gefunden. Die Holzhammermethode zieht sich durch alle Themen und durch diese ständigen Übertreibungen, dazu zahlreiche Wiederholungen, wird die Wirkung der Geschichte geschwächt und die guten Ansätze gehen unter. Letztlich hatte ich das Gefühl, eine Ansammlung von Auszügen aus Weinführern, Kochbüchern, Reise- und Kunstführern zu lesen, die mit der überzogenen Handlung eines James-Bond-Filmes angereichert wurden. Schade, denn aus der Idee hätte wirklich ein tolles Buch werden können und die Ansätze waren defintiv vorhanden.