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Veröffentlicht am 03.05.2025

Originelle Idee, aber leider abstrus und zäh umgesetzt

Die Engel von Alperton
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„Die Engel von Alperton“ erzählt eine Geschichte, die zunächst erfreulich ungewöhnlich anmutet und sich dann komplett in sich selbst verzettelt. Das Buch erfreut auf den ersten Blick durch den gelungen ...

„Die Engel von Alperton“ erzählt eine Geschichte, die zunächst erfreulich ungewöhnlich anmutet und sich dann komplett in sich selbst verzettelt. Das Buch erfreut auf den ersten Blick durch den gelungen gestalteten festen Einband und die originelle Erzählweise. Die Leser erfahren die Geschichte nicht in Form eines klassischen Romans, sondern als Sammlung von Recherchematerialien, aus welchen sich die Geschehnisse nach und nach hinausschälen. Diese Erzählweise ist nicht neu, aber eher selten und wird von Hallett mit modernsten Kommunikationsmedien umgesetzt. Hauptsächlich lesen wir hier WhatsApp-Nachrichten, aber auch ein paar Emails, Romanauszüge, Kapitelentwürfe, ein Drehbuch sowie reichlich transkribierte Interviews. Das liest sich anfänglich sehr leicht – kurze Sätze, kurze Austausche. Die ersten 90 Seiten habe ich in einem Rutsch durchgelesen, und man darf sich von der hohen Seitenzahl nicht irreführen lassen, denn die Seiten mit den WA-Konversationen enthalten nur sehr wenig Text.
Mir gefiel diese originelle Herangehensweise, auch wenn mich in der – ansonsten sehr guten – Übersetzung die grausigen Genderdoppelpunkte irritierten, die von allen Beteiligten ganz brav selbst während schneller WA-Austausche und privater Transkriptionen eingesetzt werden und sowohl grammatik- wie auch leseunfreundlich sind. An einer Stelle wird dann leider sogar die Plausibilität der Sprachbevormundung geopfert, als bei einer Interviewtranskription steht „unbekannte:r Sprecher:in“, obwohl aus der transkribierten Tonaufnahme zweifellos hervorgehen müsste, welches Geschlecht der Sprecher hatte, was dann eben als „unbekannter Sprecher“ oder „unbekannte Sprecherin“ hätte vermerkt werden müssen (oder als neutrale Lösung: „unbekannte Stimme“).
Allerdings sind hinsichtlich der Lesefreundlichkeit die Genderpunkte noch das kleinste Problem. Das erste Drittel des Buches fand ich erfrischend und spannend, ich freute mich an den verschiedenen Textformen und war gespannt, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Schon bald stellen sich nämlich erste kleine Unstimmigkeiten ein und das wird gut eingeführt. So lesen wir mal einen Artikel, in dem von drei gefundenen Leichen die Rede ist, während in einem Interview etwas von vier Leichen steht. Man liest, stutzt und ist gespannt, wie sich dies aufklärt. Diese Widersprüche mehren sich nach und nach, während zusätzliche Fakten aufgedeckt werden. Das ist anfänglich an sich gut gestaltet, allerdings machen sich dann die Schwächen der Erzählweise bemerkbar: es wird unglaublich viel wiederholt. Immer wieder und wieder und wieder lesen wir über die Geschehnisse – berichtet von verschiedenen Leuten, mit vereinzelt unterschiedlichen Details, aber insgesamt eben leider doch immer wieder dieselbe Geschichte. Und das zieht sich durch die gesamten 500 Seiten. Eine Endlosschleife des Immergleichen, die zunehmend ermüdend wird.
Auch die anfangs originell wirkende Erzählweise ist für eine dauerhafte Lektüre nicht geeignet. Die WA-Nachrichten und Interviews sind letztlich reine Dialoge und das ist anstrengend zu lesen. Ein Charakter namens Ellie, welche diese Interviews transkribiert, streut reichlich eigene Kommentare ein – das ist manchmal hilfreich, weil es Zusammenhänge erklärt, aber zu 90% sind Ellies Kommentare überflüssig und nervig. Ihre Versuche, witzig zu sein (etwa wenn die Initialen eines Beteiligten eine im Englischen anzügliche Bedeutung wie BJ oder DIK haben) sind platt. Auch die Drehbuchszenen werden zunehmend mühsam zu lesen – Drehbücher sind wie reine Dialogwiedergaben einfach nicht zur ausgiebigen Lektüre geeignet, weil sie keinen Lesefluss schaffen. Die Romanauszüge bieten zwar den manchmal von mir herbeigesehnten Erzählfluss, sind aber leider so abgedreht, daß ich sie irgendwann höchstens noch überflogen habe.
Das ist ein weiteres Problem des Buches: es wird zunehmend abgedreht und abstrus. Ziemlich abrupt kommen übersinnliche & esoterische Elemente hinein und dies mit einer Ausführlichkeit, die mich enervierte. Seitenweise philosophisch-esoterische Abhandlungen sind wohl nur für eine kleine Zielgruppe interessant. Hinzu kommen geheime Treffen tief in der Nacht in einsamen Gassen, mysteriös zugesteckte Telefonnummern und allerlei Hinweise auf sinistre, tiefgehende Verwicklungen (bis hin in die Königsfamilie, was ich nicht nur lächerlich, sondern auch respektlos ggü. realen Personen fand). Zwischendurch fragte ich mich, ob die Autorin vielleicht nicht sicher war, was für ein Buch sie eigentlich schreiben wollte, so sehr vermischt sich allerlei, so viele Nebenstränge tauchen auf, so wirr wird alles, bis es einfach nur ein zäher Brei ist. Momentan scheint es beliebt zu sein, in Krimis und Thrillern eine überraschende Wendung nach der anderen in die Geschichte zu werfen, anstatt durch eine schlüssige, spannende Handlung zu überzeugen. Ab der Hälfte des Buches war mir ziemlich egal, wie es ausgeht, weil die Lektüre einfach zu wirr, wiederholend und verästelt geworden war.
Die Auflösung macht dies dann auch leider nicht wett. Das letzte Drittel des Buches wird derart abstrus, daß ich beim Lesen nur noch den Kopf schütteln konnte. „Weniger ist oft mehr“ heißt es, und dieses Buch ist das beste Beispiel dafür. Es ist schlichtweg von allem zu viel: zu viele Wiederholungen, zu viele Wendungen, zu viele falsche Fährten, zu viele Charaktere, zu viele absurde Richtungen. Dagegen mangelt es an Lesefreundlichkeit und Plausibilität. Die Idee war interessant, die Ansätze haben mir gefallen, aber leider wurde daraus dann etwas gemacht, das ich nahezu unlesbar fand.

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Veröffentlicht am 12.04.2025

Originelle Idee mit facettenreichen, toll illustrierten Informationen

ENDLICH EIFEL – Band 9
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Bei „Geheimnisse der Eifel“ handelt es sich um den mittlerweile neunten Band der „Bugazin Endlich Eifel“-Reihe, welche sich mit jedem Band einem Schwerpunktthema der Eifel widmet und laut eigener Aussage ...

Bei „Geheimnisse der Eifel“ handelt es sich um den mittlerweile neunten Band der „Bugazin Endlich Eifel“-Reihe, welche sich mit jedem Band einem Schwerpunktthema der Eifel widmet und laut eigener Aussage „die Vorzüge eines Magazins und eines Buches“ verbindet. Eine sehr schöne Idee, die interessant und gelungen umgesetzt wurde. Die Bugazine enthalten zahlreiche Farbfotografien und eine Vielzahl von Artikeln verschiedener Autoren. Die Artikelthemen decken eine erstaunliche Bandbreite ab, was beim Lesen Spaß macht und für ein Wundertütengefühl sorgt, da man nie weiß, was als Nächstes kommt. Gelegentlich wurde das Thema „Geheimnisse der Eifel“ sehr großzügig ausgelegt, insbesondere bei einem Artikel über ein Kunstzentrum oder einem – an sich sehr interessanten – Artikel über Klöster und Bier habe ich nicht erkannt, was es mit dem Thema „Geheimnisse“ zu tun haben soll. Insgesamt wurden meine Erwartungen zum Schwerpunkt „Geheimnisse“ leider nicht ganz erfüllt, auch wenn die Artikel an sich meistens interessant waren. Trotzdem finde ich es beeindruckend, wie viele Facetten zum Thema eingebunden wurden – hier ist vom Sternenhimmel über den Haushaltsauflöser, viele (mir etwas zu viele) Sagen bis hin zu einem Regierungsbunker aus der Zeit des Kalten Krieges wirklich ein Füllhorn an Themen zu finden. Chapeau!
Die Artikel sind leicht und flüssig lesbar, auch wenn es hier durch die unterschiedlichen Autoren auch Stilunterschiede gibt. In einigen Fällen, darunter ausgerechnet im einzigen literarischen Text, einer Kurzgeschichte, konnte mich der Schreibstil leider nicht überzeugen, auch einige Zeichensetzungsfehler irritierten mich beim Lesen ein wenig und ein Artikel war unangenehm stark esoterisch geprägt. Sehr erfreut und erleichtert hat mich, daß der Lesefluss nicht durch irgendwelche sprachlichen Gender-Verballhornungen gestört wurde. Insgesamt ist das Bugazin eine angenehme Lektüre und in manche Artikel konnte ich mich gerade in Verbindung mit den Fotos herrlich vertiefen. Die Farbabbildungen sind eine weitere Stärke dieses Formats. Jedes Kapitel beginnt mit einer meist doppelseitigen Abbildung und auch die Artikel selbst sind reich bebildert, wie es zu dem Magazin-Aspekt paßt. Die Abbildungen sind klasse und gerade die Fotografien sind wundervoll gelungen, viele davon vermitteln das Thema des Geheimnisvollen ganz hervorragend. Die Bildnachweise am Ende des Buches zeigen, daß viele der Fotos von den Artikelautoren selbst geschossen wurden, was ich sehr schön finde und was die Hingabe zeigt, die in das Bugazin floß. Die Naturfotos wecken gleich Wanderlust; die historischen Abbildungen komplettieren die geschichtlichen Artikel (die mir besonders gefallen haben) ausgezeichnet.
Vorne im Buch findet sich ein ansprechend gestaltetes Inhaltsverzeichnis und eine Umrisskarte, auf welcher man gleich per Kapitelnummer sehen kann, auf welche Gegend der Eifel sich der jeweilige Artikel bezieht – eine leserfreundliche Funktion, die ich öfter genutzt habe. Auch Webseiten sind, wenn passend, am Ende der Artikel angegeben.
Insgesamt war das Bugazin „Geheimnisse der Eifel“ ein originelles und vielfältiges Leseerlebnis, durch das ich einiges Neue erfahren habe, gut unterhalten wurde und dessen visuelle Gestaltung ich durchweg genossen habe.

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Veröffentlicht am 08.04.2025

Interessante Ziele und Eindrücke, die noch eine Prise Charme & Witz vertragen könnten

Bummelzug nach Istanbul
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In „Bummelzug nach Istanbul“ begleiten die Leser Tom Chesshyre bei einer Fahrt mit 55 Zügen (und gelegentlichen anderen Verkehrsmitteln) durch einen Teil Europas – ein durchaus interessantes Unterfangen. ...

In „Bummelzug nach Istanbul“ begleiten die Leser Tom Chesshyre bei einer Fahrt mit 55 Zügen (und gelegentlichen anderen Verkehrsmitteln) durch einen Teil Europas – ein durchaus interessantes Unterfangen. Inspiration ist der Orient-Express, aber Tom und sein Kumpel Danny entscheiden sich für eine günstigere Alternative und fahren die Route per Interrail ab. Das bringt natürlich noch eine ganze andere Note in die Reise und führt zu einigen kuriosen Erlebnissen.
Das Material für ein unterhaltsames Buch ist also vorhanden. Die Umsetzung hat mich nicht vollständig überzeugt, aber insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Der Schreibstil ist in Ordnung, aber nicht mehr – der Autor ist Reisejournalist und vielleicht deshalb an das eher nüchtern Berichtende gewöhnt, denn den Texten fehlt es etwas an Pfiff und auch an Charme. Sie schwächeln meistens da, wo es sich vom rein Beschreibenden entfernt. Die Übersetzung ist überwiegend gut, weist aber leider einige kleine Holperer auf und irritiert mehrfach dadurch, daß sie an der englischen Satzstellung kleben bleibt, was zu unschönen bzw. sogar falschen Satzstellungen führt, z.B. „Dafür musste man den richtigen Zug gebucht und aktiviert haben in der Eurail-App“, „Damals kosteten Interrail-Pässe 27,50 Pfund und man konnte mit ihnen einen Monat lang unbegrenzt fahren (was heute etwa 360 Pfund entspricht)“ oder „Die Restaurants waren voller Menschen, die Ouzo tranken und gegrillte Sardinen aßen neben dem Weißen Turm“. Solche Fehler haben in einer guten Übersetzung nichts zu suchen.
Inhaltlich bietet Chesshyre eine Mischung aus Reiseeindrücken, philosophischen Gedanken, Begegnungen/Unterhaltungen und historischen Informationen. Das ist an sich eine tolle Mischung, auch wenn die philosophischen Gedanken verzichtbar gewesen wären. Häufig streut der Autor Informationen über den historischen Orient-Express ein, was mir ausgezeichnet gefallen hat und immer wieder die Verbindung zur Motivation der Reise herstellte. Auch zu den besuchten Orten gibt es historische und andere Hintergrundinformationen, die interessant zu lesen waren. Überflüssig fand ich dagegen die ausführlichen Berichte darüber, was Chesshyre an manchen Tagen in der Zeitung las, inklusive seiner Gedanken dazu. Hier und da eine Schlagzeile, wenn sie etwas Besonderes hat, ist eine gute Idee, aber hier wurde das zu ausführlich gehandhabt. Ich hatte generell öfter das Gefühl, daß der Autor bei der Auswahl, was vom Erlebten ins Buch kommt, nicht immer ein gutes Gespür bewies. Gespräche mit originellen Mitreisenden oder Menschen vor Ort können Reiseberichten eine witzige Note verleihen, aber in diesem Buch werden zahlreiche Begegnungen ausführlich geschildert, die gar nichts Interessantes enthalten. Auch die Gespräche mit Chesshyres vorwiegend missmutigen Kumpel Danny schwächen das Buch eher, und die häufigen Wiederholungen sowie die ständigen Verweise darauf, daß man ja „ein Mann mittleren Alters“ sei und wie erstaunlich es doch sei, daß man mit einer App umgehen könne, enervierten.
Insofern gab es durchaus einige Passagen, bei denen ich mich fragte, warum sie Eingang in das Buch gefunden hatten. Die Beschreibungen der besuchten Orte waren dagegen überwiegend interessant, auch weil der Autor hier eher selten klassische Sehenswürdigkeiten besucht, sondern auch oft ziellos herumschlendert und Eindrücke berichtet, die man als Tourist eher nicht erlebt. Farbige Hochglanzreisebeschreibungen kann man hier nicht erwarten, das ist nicht die Intention des Buches. Diese Herangehensweise gefiel mir, wenn sie auch durch eine etwas weniger trockene Erzählweise gewonnen hätte. Trotzdem finden sich vereinzelt köstliche oder poetische Formulierungen. Insgesamt habe ich von den diversen, sehr unterschiedlichen, Zügen und den besuchten Städten (samt ihrer immer beschriebenen Bahnhöfe) einen anschaulichen Eindruck bekommen und konnte mit dem Buch auf eine unterhaltsame Entdeckungsreise gehen. Komplettiert wird dies leider nur von wenigen Fotos – im vorderen Klappenbroschur findet sich eine kleine Collage von dreizehn Fotos. Eine nette Idee, aber abgesehen von der geringen Anzahl und Größe sowie davon, daß eines der Fotos fast komplett von den anderen verdeckt ist, fehlt hier eine Beschriftung oder Liste, was dort zu sehen ist. Das ist nicht immer relevant – ein Schälchen Fritten ist ein Schälchen Fritten –, aber gerade bei den diversen Bahnhöfen hätte mich interessiert, welcher jeweils abgebildet ist.
Insgesamt hätte man an „Bummelzug nach Istanbul“ also noch einiges verbessern können. Die Idee allerdings ist ausgezeichnet, die Liebe zu Zügen und Bahnhöfen merkt man dem Autor an und die Reise durch bekannte und weniger bekannte Orte macht Spaß.

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Veröffentlicht am 29.03.2025

Mit viel Wissen geschilderte Themenvielfalt

Die Gerüche der Kathedrale
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„Die Gerüche der Kathedrale“ führt die Leser gekonnt auf eine Reise in die Antwerpener Liebfrauenkathedrale (vorwiegend) des 15. und 16. Jahrhunderts. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung eines bedeutsamen ...

„Die Gerüche der Kathedrale“ führt die Leser gekonnt auf eine Reise in die Antwerpener Liebfrauenkathedrale (vorwiegend) des 15. und 16. Jahrhunderts. Jedes Kapitel beginnt mit der Beschreibung eines bedeutsamen Tages zwischen 1481 und 1566 und leitet von dort zum jeweiligen Thema über. Dieser Einstieg ist gelungen, bringt gleich etwas Unmittelbares und Anschauliches in die Lektüre. Auch der umfangreiche Farbbildteil in der Mitte erfreut – die Abbildungen sind von ausgezeichneter Qualität und mit guten Erklärungen versehen. Im Laufe des Buches wird auf jede Abbildung Bezug genommen und auf manche Details hingewiesen, die man selbst gar nicht entdeckt oder deren Hintergrund man nicht zu interpretieren gewusst hätte. Sehr ansprechend gemacht!
Die Themenvielfalt ist enorm, streift auch das alltägliche Leben, fokussiert sich aber auf das kirchliche Leben. Politische Zusammenhänge, Herkunft und Bedeutung allgemeiner und liturgischer Bräuche, wissenschaftliche Hintergründe, Auswirkungen der Reformation – Wendy Wauters erklärt all dies auf fundierte Weise, man merkt ihr Können und ihre Leidenschaft für das Thema. Immer wieder bezieht sie auch die Atmosphäre in der Kirche ein, schildert uns, wie es dort aussah, wie es klang und – ganz dem Titel entsprechend – wie es roch. Man bekommt einen ausgezeichneten, lebendigen Eindruck von dieser Kirche, die in jenen Jahrhunderten ein noch völlig anderes Bild bot als heute, und auch von ihrer vielfältigen Bedeutung für Antwerpen.
Der Stil ist gut lesbar, manchmal allerdings sehr trocken. Auch wurde es mir gelegentlich zu aufzählend und kleinteilig. Gerade die Liturgie wird oft in anstrengender Detailfülle dargelegt. Insgesamt überzeugt das Buch aber durch die enorme Sachkenntnis der Autorin und eine Fülle an Themen und Informationen.

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Veröffentlicht am 28.03.2025

Originell-treffender Blick auf verlogene Firmenkulturen

Geht so
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Die Lektüre von „Geht so“ habe ich fast durchweg genossen. Serranos leichter und gleichzeitig gekonnter Schreibstil überzeugt sofort und ich konnte mich richtig in die Geschichte vertiefen und mich an ...

Die Lektüre von „Geht so“ habe ich fast durchweg genossen. Serranos leichter und gleichzeitig gekonnter Schreibstil überzeugt sofort und ich konnte mich richtig in die Geschichte vertiefen und mich an der flüssigen Sprache erfreuen. Die Übersetzung wird dem absolut gerecht, jedenfalls abgesehen von den albern-artifiziellen Wörtern „Studierende“ und „Mitarbeitende“, die mich jedes Mal aus dem Lesefluss rissen. Nur bei der Beschreibung eines Waldwegs als „fadenscheinig“ habe ich mich gefragt, ob hier ein Übersetzungsfehler vorliegt. Insgesamt bereitete der gelungene Stil mir aber viel Lesefreude.
„Geht so“ weiß durch seine Originalität absolut zu überzeugen. Geschichten junger Frauen, die mit Ende 20 / Anfang 30 in unbefriedigenden Jobs feststecken, gibt es schon seit Jahrzehnten zuhauf, die meisten sind sich sehr ähnlich. „Geht so“ ist erfreulich anders – bissiger, dunkler und fern der ausgetretenen Pfade. Das habe ich genossen. Es passiert nicht wirklich viel, wir begleiten Marisa in ihrem Alltag und vor allem in ihren Gedanken. Trotzdem ist die erste Hälfte des Buches kurzweilig. In der zweiten Hälfte beginnt sich die Handlungsarmut dann aber doch bemerkbar zu machen, einiges wiederholt sich, einiges ist entbehrlich. Bei dem Teambuildingwochenende, auf welches die Handlung hinläuft, zieht das Erzähltempo an. Auch wenn dieser Teil der Geschichte für meinen Geschmack etwas unter seinen Möglichkeiten bleibt, gibt es sehr markante Momente.
Die Protagonistin Marisa fungiert als Ich-Erzählerin und sie schildert ihr Leben, insbesondere ihre Arbeit, so köstlich entlarvend und bissig, daß ich häufig geschmunzelt und/oder genickt habe. Ja, so geht es leider in der Unternehmenswelt zu, und auch das Gefühl, in einer Rolle festzustecken, in die man überhaupt nicht hineinpasst, ist wundervoll beschrieben. Ich war beim Lesen wieder ungemein dankbar, dieser Welt entflohen zu sein. Das waren für mich die besten Szenen. Auch die gelegentlichen Einblicke in Marisas tiefe Traurigkeit, die sich unter dem Zynismus verbirgt, fand ich ganz ausgezeichnet. Davon war es mir dann etwas zu wenig, denn in dieser Hinsicht bleibt die Geschichte leider doch eher an der Oberfläche. Ich hatte gehofft, daß sich zum Ende hin hier mehr tun würde, aber leider endet das Buch richtiggehend enttäuschend. Beim erwähnten Teambuildingwochenende ergeben sich für Marisa interessante Erkenntnisse in gleich zwei Richtungen und ich war sehr gespannt, wie sich dies auswirken würde. Aber dann folgt ein skurriles, überzogenes Ende, welches die Möglichkeiten, die sich aufgebaut haben, leider nicht nutzt. Das Ende hat mir den eigentlich ausgezeichneten Gesamteindruck leider verdorben. Trotzdem war „Geht so“ eine erfreuliche, frische Leseerfahrung.

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