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Veröffentlicht am 07.01.2022

Erfolgreicher Auftakt einer neuen Urban-Fantasy-Reihe

Hard Liquor – Der Geschmack der Nacht
2

Tycho lebt in New York, studiert Geschichte und jobbt abends in einer Bar. Doch Tycho ist keine gewöhnliche junge Frau: Trinkt sie Alkohol erwachen ungeahnte Kräfte in der zierlichen Person und sie sorgt ...

Tycho lebt in New York, studiert Geschichte und jobbt abends in einer Bar. Doch Tycho ist keine gewöhnliche junge Frau: Trinkt sie Alkohol erwachen ungeahnte Kräfte in der zierlichen Person und sie sorgt eigenmächtig für Gerechtigkeit auf den Straßen, indem sie – in ihren Augen – Schuldige eines Verbrechens verprügelt. Doch Tychos Geheimnis bleibt nicht lange unentdeckt: Die attraktive Grayson sucht Kontakt zu ihr und stellt unangenehme Fragen und auch Logan, ihr bester Freund seit Kindheitstagen wirkt neugierig. Ohne es zu ahnen schwebt Tycho in großer Gefahr, vor der sie selbst ihre übermenschlichen Kräfte nicht schützen: Sie gerät ins Visier einer Sekte, die Tychos Macht für sich nutzen möchten – und auch vor einer Entführung nicht zurück schrecken.

„Hard Liquor – Der Geschmack der Nacht“ ist der Auftaktband zu Marie Graßhoffs neuer Urban-Fantasy-Serie. Das Cover gefällt mir optisch gut, lässt allerdings auf ein hochwertiges Hardcover schließen, dass es aber leider nicht ist. Schade, ein gebundenes Exemplar mit Prägung hätte mir besser gefallen. Super fand ich indes den tollen, anschaulichen Schreibstil der Autorin, der mich absolut mitreißen konnte. Es gibt einen passenden Mix aus Erzählungen, (teils ernsten, teils ironisch-witzigen) Dialogen, Einblicke in Tychos Gedankenwelt und einer Radio-Show. Dazwischen auch Rückblenden in die Vergangenheit der Protagonistin, die passend zum Verständnis der Hintergründe beitragen. Bildlich und nachvollziehbar waren für mich insbesondere die Kampf- und Actionszenen beschrieben, die ich voller Spannung gelesen habe. Insgesamt ist das Buch sehr atmosphärisch geschrieben, wobei insbesondere das Dunkle, Düstere und Mysteriöse überwiegt – an einigen Stellen habe ich mich regelrecht gegruselt und geekelt. Als Gegenpol passen die eher lustig-plattitüdenhaften Radio-Dialoge sehr gut, sie lockern die Gesamtstimmung auf. Schön auch, dass jedes Kapitel eine eigene, sehr individuelle Überschrift trägt. Große Kritik muss ich leider am Klappentext üben: Dieser nimmt schon derart viel vom Inhalt vorweg, dass er den Lesespaß nachhaltig trübt! Viele Fakten, die sich erst gegen Ende des Buches ergeben, werden hier schon vorweg genommen, so dass das Überraschungsmoment ausbleibt – wirklich unglücklich

Der Einstieg ins Buch gelingt problemlos, bereits die ersten Sätze klingen fast episch und machen neugierig auf Tycho und die Story an sich. Bereits zu Beginn wird deutlich, wie außergewöhnlich die Protagonistin ist und wie viele Geheimnisse Tychos Welt zu bieten hat. Wir lernen sie, ihre Umwelt, Gedanken und Probleme gut kennen, bevor die Haupthandlung beginnt. Langsam und nachvollziehbar baut sich danach die eigentliche Geschichte auf, es stellen sich immer mehr Fragen und irgendwann wusste ich gar nicht mehr, wem noch zu trauen ist und wer was verbirgt. Die Spannung steigt permanent an und entlädt sich in einem actionreichen Showdown mit vielen, teils brutalen, Kampfszenen. Für mich hatte die Story zwischendurch einen kurzen Durchhänger, an dem dichter hätte erzählt werden können, am Ende hingegen ging alles Schlag auf Schlag, so dass ich vor lauter Enthüllungen und Ereignissen fast nicht mehr mitgekommen bin. Gut gefallen haben mir die unvorhergesehenen Entwicklungen und Überraschungen der Geschichte, weniger gut die doch recht vielen offen gebliebenen Fragen. So hab ich das Buch dann leider etwas unbefriedigend geschlossen, ich hätte gerne an einigen Stellen noch Antworten und Details erfahren – das hätte auch der Nachvollziehbarkeit und Glaubwürdigkeit gut getan. Das war echt schade und hat mich gestört, auch wenn ich das Buch ansonsten sehr unterhaltsam fand.

Die Idee hinter der Geschichte fand ich sehr interessant und kreativ, einfach mal „etwas anderes“. Viele schwere Themen wie Alkoholmissbrauch, psychische Probleme, Sekten und ihr Einfluss auf Menschen, Selbstverletzung, Gewalttätigkeit oder Selbstjustiz wurden aufgegriffen und passend behandelt. Schön gelöst fand ich das finale Radiointerview und die Aussage, wie mit derartigen Problemen umzugehen ist – das hat dem Buch noch eine moralische Wendung und Betroffenen vielleicht sogar eine Art Hilfestellung gegeben.

Tycho ist hierfür die ideale Protagonistin. Mir gefällt es gut, dass sie so alles andere als perfekt ist, sondern mehr Ecken und Kanten, psychische Probleme und Angstzustände hat als aus anderen Büchern gewohnt. Sie ist für mich als individuelle, außergewöhnliche Persönlichkeit sehr nachvollziehbar beschrieben worden – harte Schale, verletzlicher Kern. Die ihr innewohnende Kraft fand ich interessant und faszinierend, die Idee mit dem Alkohol als Trigger und den entsprechenden Erbanlagen kreativ. Auch ihre charakterliche Entwicklung fand ich passend beschrieben, das Ende hat ihr gut eröffnet, wie sie mit ihren Problemen umgehen kann und es wurde deutlich, dass dies ein langwährender Prozess werden wird.

Insgesamt fand ich „Hard Liquor – Der Geschmack der Nacht“ einen vielversprechenden Auftakt zu Marie Graßhoffs neuer Urban-Fantasy-Reihe. Auch wenn mir persönlich zu viele Fragen offen geblieben sind haben mich der mitreißende Schreibstil, die kreative Idee, der unverhoffte Tiefgang mit vielen ernsten Themen und liebenswerte, da unperfekte Protagonistin gut unterhalten.

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  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Fantasy
Veröffentlicht am 16.10.2021

Spannender Thriller mit aktuellem wissenschaftlichem Hintergrund

Probe 12
2

Tom Morell ist verzweifelt: Seine Tochter Sylvie ist an einem der gefährlichsten multiresistenten Keime der Welt erkrankt, ihr Organismus droht zusammenzubrechen. Die Ärzte wissen nicht mehr weiter, keine ...

Tom Morell ist verzweifelt: Seine Tochter Sylvie ist an einem der gefährlichsten multiresistenten Keime der Welt erkrankt, ihr Organismus droht zusammenzubrechen. Die Ärzte wissen nicht mehr weiter, keine noch so aggressive Antibiotika-Therapie schlägt an, Sylvie gilt als austherapiert. Da erfährt Tom von der neuartigen Behandlungsmethode mittels Phagen, welche allerdings in Deutschland noch nicht zugelassen ist. Das Zentrum der Phagenforschung befindet sich derzeit in Georgien, wo Professor Anasias es sich zum Lebensziel gesetzt hat, Phagen gegen die zwölf antibiotikaresistentesten Keime zu entwickeln. Er steht kurz davor, seine Ergebnisse zu veröffentlichen, da wird ein tödlicher Anschlag auf ihn verübt. Seine Ziehtochter und Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg forscht nach und findet heraus, dass es Anasias gelungen ist, Proben seiner Forschung in Sicherheit zu bringen. Tom und sie begegnen sich und entschließen sich zur Zusammenarbeit, doch auch unbekannte Mächte sind hinter den Phagen her – ein Wettlauf um die Zeit beginnt.

„Probe 12“ ist ein Gemeinschaftswerk der beiden Autorinnen Kathrin Lange und Susanne Thiele. Bereits die beruflichen Hintergründe der beiden Frauen versprechen einen authentischen und spannenden Roman, eine schreibt seit Jahren politische Thriller zu aktuellen Themen, die andere bringt als Mikrobiologin und Biochemikerin am Helmholtz-Institut für Infektionsforschung den Sachverstand zum wissenschaftlichen Teil des Buches mit – eine perfekte Kombination, die man als Leser dem Buch auf jeder Seite anmerkt: „Probe 12“ merkt man die aufwändige, intensive Recherchearbeit absolut an, welche auch am Ende des Buches durch einen wahnsinnig interessanten Faktencheck erläutert wird. Der wissenschaftliche Hintergrund wird auch für mich als Laien verständlich und nachvollziehbar erklärt, die unbekannten Begrifflichkeiten nach und nach eingeführt und in einem sinnvollen Kontext eingebaut. Zum Nachschlagen der häufigsten Fachbegriffe gibt es ein dreiseitiges Glossar im Anhang.

Das Buch selbst beinhaltet verschiedene Handlungsstränge, die teils parallel zueinander, teils ineinander verwoben ablaufen. Hierbei gibt es einen ständigen Wechsel zwischen den Innenperspektiven verschiedener Protagonisten. Hierdurch erfährt man als Leser schnell die verschiedenen Motive, Gefühle und Gedanken der jeweiligen Person und kann ihr Handeln nachvollziehen. Die Story an sich wirkt gut durchkonstruiert, gelegentliche Längen werden durch actionreiche Szenen ausgeglichen, in denen mehr passiert als ich aufnehmen konnte. Das Buch ist insgesamt sehr spannend und fesselnd zu lesen, es gibt unvorhersehbare Wendungen und man stellt sich als Leser zahlreiche Fragen, auf deren Beantwortung man hinfiebert. Lediglich manche Stellen erschienen mir persönlich etwas unlogisch bzw. unglaubwürdig und auch die „Bösen“ waren sehr klischeehaft. Gut gefallen haben mir hingegen die überraschende Auflösung und das offene Ende, das Raum für Spekulation lässt.

Am besten an „Probe 12“ gefallen hat mir jedoch das wahnsinnig spannende und faszinierende Thema an sich: Gerade durch Corona ist das Thema Gesundheit wieder sehr in den Fokus gerückt und den beiden Autorinnen ist der Bogen zu antibiotikaresistenten Keimen, deren Behandlungsmöglichkeiten sowie politischen Hintergründen und Bezügen sehr gut gelungen. Durch die wissenschaftliche Darstellung habe ich sehr viel gelernt und bin nun durchaus sensibilisiert, da die Geschichte durch eine beängstigende Realitätsnähe überzeugen konnte. So sehr, dass es teilweise schwer war, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Auf jeden Fall ein Buch, dass zum Nachdenken anregt und einen nicht so schnell los lässt.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 13.06.2021

Bezaubernder Schreibstil

Tage mit Gatsby
2

Wer kennt ihn nicht – den „großen Gatsby“ des berühmten amerikanischen Autors F. Scott Fitzgerald? Kaum ein Buch hat die Atmosphäre und das Lebensgefühl der „Roaring Twenties“ so eingefangen, wie dieses. ...

Wer kennt ihn nicht – den „großen Gatsby“ des berühmten amerikanischen Autors F. Scott Fitzgerald? Kaum ein Buch hat die Atmosphäre und das Lebensgefühl der „Roaring Twenties“ so eingefangen, wie dieses. Doch wie kam es zu dem Roman und was steckt dahinter? Dieser spannenden Frage hat sich die Autorin Joséphine Nicolas in ihrem Erstlingswerk „Tage mit Gatsby“ gewidmet. Ihren Ansatz, die Geschichte hinter der Geschichte zu erzählen finde ich wahnsinnig interessant und faszinierend - eine Art Entstehungsgeschichte mit realen Bezügen als Buch.

Beim Lesen wird deutlich spürbar, wie viel Herzblut und Recherche in diesem Buch steckt: Joséphine Nicolas hat sich intensiv mit dem Leben Zelda Fitzgeralds und der damaligen Zeit auseinandergesetzt und besitzt hier eine große Kompetenz. Unter anderem hat sie sogar sämtliche Orte, an denen das Buch spielt, bereist und sich stark an der damaligen Korrespondenz der Fitzgeralds orientiert. Teilweise konnte ich allerdings nur schwer einordnen, was auf wahren Begebenheiten beruht und was im kreativen Schaffungsprozess fiktiv ausgeschmückt wurde. Insgesamt hat das Buch mich aber sehr neugierig auf das Leben des Glamour-Paares Fitzgerald gemacht, so dass ich sehr motiviert war, im Anschluss selbst über das Leben der echten Zelda nachzuforschen. Erleichtert wurde dies durch die umfassende Literaturauflistung am Ende des Buches.

Besonders hervorheben möchte ich jedoch die Sprache des Buches: Joséphine Nicolas hat es geschafft, mich mit ihrem wunderschönen Schreibstil absolut zu verzaubern! Selten habe ich so einen mitreißenden Umgang mit Sprache erlebt, der mich absolut in seinen Bann gezogen hat. Davon abgesehen, dass er sehr zeitgemäß für die zwanziger Jahre ist empfand ich ihn als sehr durchdacht, filigran und künstlerisch, beinahe schon poetisch. Es wird aus Zeldas Perspektive erzählt, so dass der Leser tiefe Einblicke in ihre fragile Persönlichkeit und manchmal etwas weltfremde Wahrnehmung erhalten. Die Dialoge im Stil der damaligen Zeit sind ebenfalls gelungen und gespickt mit wunderschönen Zitaten. Auch durch ihre anschaulichen und bisweilen schillernden Beschreibungen der Lebensumstände der Fitzgeralds, wie z.B. deren Partys und Shoppingtouren, aber auch von Landschaften und Räumlichkeiten hat mich die Autorin in die zwanziger Jahre zurückgebeamt. Lediglich das Cover hätte ich nicht auf Anhieb dorthin verortet. Es passt zwar optisch gut zum Kapitel in Südfrankreich, ist aber ehrlich gesagt nicht mein Stil und ich hätte wohl auch nicht zugegriffen, wenn ich es in einer Buchhandlung ausliegen gesehen hätte. Beim weiteren Fortschreiten des Buches wird die tiefe Melancholie Zeldas immer deutlicher, die Gesamtstimmung wird beklemmend, so dass der Leser das Unglück zum Ende deutlich heranziehen spürt, ohne dass dies explizit benannt wird. Besonders hervorzuheben ist hier der Epilog, der das Schicksal der wahren Zelda auf kunstvoll-tragische, aber auch wieder nur auf implizit-sensible Weise darlegt.

Was für meinen Geschmack aber leider zu kurz kam war der eigentliche Inhalt: Für ein Buch von 400 Seiten ist irgendwie doch recht wenig wirklich passiert, Zeldas Leben dreht sich irgendwie im Kreis und erfährt viele Redundanzen. Wo ich die Beschreibungen ihrer Beziehung zu Scott, Festivitäten und Gedanken anfangs noch faszinierend fand, wurden deren Wiederholungen gegen Ende hin eher ermüdend. Viele Szenen und Begebungen ähneln sich stark. Auch die ständigen Dispute des Paares waren auf Dauer etwas langatmig. Insgesamt hätte für meinen persönlichen Geschmack das Erzähltempo schneller sein könnten, so wirkte sie eher handlungsarm. Zeldas affektiert-naive Art und Scotts Arroganz empfand ich auf Dauer als störend, beide wurden mir im Verlauf des Buches immer unsympathischer – ich konnte leider keinen richtigen Zugang zu den Protagonisten entwickeln. Weitere Personen sind eher blasse Randfiguren geblieben, ich konnte relativ wenig mit den meist kurzen Begegnungen anfangen.

Insgesamt bleibt mir „Tage mit Gatsby“ aber schon als interessanter Roman im Gedächtnis, der mir das wilde Leben von Zelda und Scott Fitzgerald in den zwanziger Jahren nahe gebracht und mir Lust darauf gemacht hat, mich näher mit dieser Zeit zu befassen. Die Entstehungsgeschichte des „großen Gatsby“ aus andere Sicht zu betrachten war spannend und ich möchte das Buch nun unbedingt noch einmal mit diesen neuen Eindrücken im Hinterkopf lesen. Das eigentlich Herausragende ist aber der wunderschöne Schreibstil, der die überschaubare Handlung absolut wieder wettmacht. Das Lebensgefühl der „Roaring Twenties“ wurde perfekt transportiert und ich habe die bildhaften Beschreibungen und den außergewöhnlichen Umgang mit Sprache der Autorin sehr genossen.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Geschichte
Veröffentlicht am 31.03.2021

Kurzweiliger Borkum-Krimi mit überraschendem Ende

Mordseestrand
2

Caro Falk lebt mit Sohn Justus und Hündin Aila seit einem Jahr auf Borkum und ist dort inzwischen richtig angekommen. Auch der Tourismus boomt auf der Nordseeinsel. Als Caro und Justus an einem sonnigen ...

Caro Falk lebt mit Sohn Justus und Hündin Aila seit einem Jahr auf Borkum und ist dort inzwischen richtig angekommen. Auch der Tourismus boomt auf der Nordseeinsel. Als Caro und Justus an einem sonnigen Tag am Strand unterwegs sind, wird ihre Aufmerksamkeit durch den schrillen Schrei eines kleinen Jungen auf dessen Sandspielzeug gelenkt: Zwischen den zu erwartenden Meeresgetier schwimmt ein menschlicher Finger! Sofort ist Hobbydetektivin Caros Spürsinn geweckt, denn sie hat eine düstere Ahnung, wem dieser gehören könnte: Einem bekannten Borkumer Naturschützer, der sich durch seinen Aktionismus bereits mächtige Feinde gemacht hat… und den Caro seit einigen Tagen bei ihren täglichen Runden mit Aila vermisst. Doch was steckt dahinter? War es ein Unglück oder Mord? Caro und Türsteher Jan Akkermann machen sich gemeinsam auf Spurensuche…

„Mordseestrand“ ist der zweite Teil der Borkum-Krimis von Emmi Johannsen rund um die Hobbyermittlerin Caro Falk. Auch ohne Band 1 „Mordseeluft“ zu kennen kommen Quereinsteiger sehr gut in die Geschehnisse und Begebenheiten vor Ort, da keinerlei Vorkenntnisse notwendig sind und die wichtigsten Personen und Hintergründe aus Band 1 nochmals kompakt dargestellt werden.

Das Cover gefällt mir gut, es weckt direkt Nordsee-Feeling bei mir und die witzige Möwe in Seemannstracht lässt noch dazu vermuten, dass es im Buch auch humorvoll zugehen wird. Durch den Eimer im Schnabel, dass einen durchstochenen Seestern zeigt, wird aber auch klar, dass es sich um einen Krimi handelt. Ebenfalls schön fand ich die Karten im Einband des Buches. Auch wenn diese einfach gehalten waren haben sie einen guten Überblick über die Insel Borkum und wichtige Schauplätze geliefert. Etwas detaillierter hätte mir die Karte allerdings noch besser gefallen, da ich des Öfteren vergeblich versucht habe mich zu orientieren und weitere im Buch erwähnte Plätze zu finden. Auch finde ich die kleine abgedruckte Möwe zu Beginn eines jeden Kapitels lustig.

Emmi Johannsens Schreibstil zeichnet sich durch eine Mischung aus beschreibend und humorvoll aus – durch ihn komme ich auf Anhieb ganz wunderbar und unkompliziert in die Geschichte hinein. Die humorvollen Dialoge und Anekdoten haben mich des Öfteren zum Schmunzeln gebracht, es gelingt der Autorin ganz wunderbar, die Situationskomik eigentlich alltäglicher Geschehnisse aufzubereiten. Des Weiteren schreibt Emmi Johannsen wahnsinnig atmosphärisch! Das Inselfeeling auf Borkum, seine Menschen und die dortige Natur werden sehr anschaulich dargestellt, ich hatte jede Menge Bilder vor Augen und konnte die salzige Luft quasi schmecken – eine tolle gedankliche Reise, zu der die Autorin ihre Leser hier einlädt! Interessant fand ich auch die kursiv geschriebenen kurzen Kapitel, welche die Gedanken des Täters darstellen. Die Texte sind sehr mysteriös und bis zum Ende nicht zuordenbar – und wecken somit noch mehr meine Neugier.

Mit einem solchen Text beginnt das Buch und sagt somit das Unglück bereits voraus. Im Folgenden lässt sich dieses allerding noch nicht erahnen, da zunächst Caro und ihr Leben auf Borkum eingeführt werden. Die Autorin hat mir somit ein langsames, entspanntes Ankommen auf der Insel ermöglicht, so dass ich bereits gedanklich voll auf Caro eingestellt war, bevor der Finger gefunden und somit auch die eigentliche Krimihandlung in Gang gesetzt wurde. Der Plot ist sehr geschickt durchdacht und ich bin regelrecht durch die Seiten geflogen, um herauszufinden, wer hinter dem Mord steckt. Das Ende hat mich dann komplett überrascht, es war unvorhersehbar, kreativ und sehr geschickt eingefädelt. Permanent habe ich mitgerätselt und verdächtigt, aber auf diese Lösung des Falls bin ich nicht gekommen – große Klasse! Die Autorin hat es somit geschafft, auch ohne großes Blutvergießen meine volle Aufmerksamkeit zu fesseln. Toll fand ich auch, dass das aktuelle Thema des Naturschutzes so intensiv, aber ohne erhobenen Zeigefinger behandelt wurde. Den Drogenfund hätte es meiner Meinung nach nicht unbedingt gebraucht, aber das war wohl Teil der Verwirrungstaktik der Autorin. Auch war für mich einige Male nicht nachvollziehbar, warum sich Caro nicht an die Polizei wendet.

Sehr gut gefallen hat mir auch die liebevolle und gut durchdachte Figurenzeichnung. Jede der eingeführten Figuren, inklusive Hündin Aila, war individuell und authentisch konstruiert. Caro, Justus, Hinnerk und Aila sind mir sofort ans Herz gewachsen, sie sind total liebenswert. Caro ist zwar an manchen Stellen etwas blauäugig, aber diese Ecken und Kanten machen sie auch so nahbar. Ich liebe ihre inneren Dialoge und ihre unkonventionelle Ermittlungsarbeit. Gerne hätte ich noch mehr über Jan erfahren, aber er bleibt wohl bewusst für die Folgebände noch etwas geheimnisvoll.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, es ist ein handwerklich toll gemachter Cosy-Crime mit toller Nordsee-Atmosphäre und viel Humor. Es wird alles geboten, was einen guten Krimi ausmacht: Jede Menge Verdächtige, noch mehr falsche Fährten und am Ende eine absolut überraschende Auflösung. Das Ende hat mich zufrieden, aber auch ein bisschen traurig das Buch zuklappen lassen. Ich freue mich auf weitere Bände mit Hobbydetektivin Caro Falk.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Im Rhythmus der Gezeiten

Die vier Gezeiten
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Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der ...

Adda Kießlings Familie gehört zur kleinen Nordseeinsel Juist wie die Gezeiten – bereits ihre Mutter Johanne ist auf der Insel aufgewachsen und das Familienhotel „De Tiden“ ist das größte und schönste der Insel. Addas Mann Eduard soll nun das Bundesverdienstkreuz aufgrund seiner Bemühungen für den Schutz des Nationalparks Wattenmeer verliehen bekommen und das setzt den Patriarch mächtig unter Druck. Mitten in die Generalprobe dieses wichtigen Ereignisses platzt eine junge Frau, die Adda wie aus dem Gesicht geschnitten ist: Helen kommt aus Neuseeland und behauptet, mit den Kießlings verwandt zu sein. Als Beweis legt sie ein Foto vor, dass Adda zeigt und behauptet, dies wäre das einzige, was ihre Adoptiveltern von ihrer leiblichen Familie wüssten. Die Familie ist schockiert, weder Adda noch eine ihrer Töchter kann sich Helens Existenz erklären. Doch Adda möchte Helen helfen und beginnt mit ihr gemeinsam in der Vergangenheit zu forschen. Dass dabei längst vergessene Familiengeheimnisse ans Licht kommen, die alles bisher geglaubte verändern, kann Adda zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Das Cover zu „Die vier Gezeiten“ finde ich wunderschön! In seiner scheinbaren Schlichtheit wirkt es aufgrund der Farben und des rätselhaften Motives der jungen Frau vollbekleidet im Wasser sofort rätselhaft und interessant - ein Buchcover, das direkt neugierig macht! Auch der Titel lädt zum Spekulieren ein, er verweist bereits auf Ebbe und Flut im Wattenmeer und führt den Leser somit direkt ins Setting ein. Warum von vier Gezeiten gesprochen wird erscheint zunächst mysteriös, klärt sich aber im Laufe des Romans auf stimmige Art und Weise auf.

Das Buch startet bereits rätselhaft mit einem Tagebucheintrag, der direkt auf das Motiv des Covers verweist und bereits Trauriges erahnen lässt. Anschließend macht die Handlung macht einen Sprung in die Gegenwart und wir lernen Protagonistin Adda und ihre Familie kennen. Aufgrund des erzählenden Schreibstils der Autorin können die Personen gut voneinander unterschieden werden, auch wenn der Großteil gleichzeitig eingeführt wird. Insgesamt ist das Buch sehr vielfältig geschrieben, sei es durch häufige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Rückblenden und den Tagebucheinträgen. Nach dem originellen Eintrag zu Beginn des Buches war ich überrascht, diese Erzählform ca. zur Hälfte plötzlich wieder zu finden, wobei es sich dann aber nur noch um Erzählungen aus Wandas Vergangenheit handelt, welche teilweise lediglich aus trivialen Alltagsbeschreibungen einer Jugendlichen bestanden. Auch wechselt die Zeitform von Präteritum in Präsenz, wenn es um Addas Vergangenheit geht, was ich leider nicht richtig verstanden und eher als irritierend empfunden habe. Sowieso springt die Handlung ständig zwischen verschiedenen Zeiten und Personen hin und her, was vom Leser eine erhöhte Aufmerksamkeit fordert. Der häufige Wechsel macht es ihm teilweise schwer, das Geschehen einzuordnen und zu verstehen. Anstrengend waren die vielen Wiederholungen und Introspektionen der Figuren sowie viele Allgemeinplätze. Das hat dazu geführt, dass mir das Erzähltempo zu langsam wurde, sich das Buch an manchen Stellen gezogen hat und somit etwas langatmig wurde. Lediglich im letzten Viertel überschlagen sich die Ereignisse regelrecht und gefühlt werden alle Geheimnisse auf einmal aufgeklärt, was dann auf den wenigen Seiten wieder überfrachtet gewirkt hat. Eine ausgewogenere Verteilung der Geschehnisse wäre hier angenehmer gewesen.

Schön hingegen war der plattdeutsche Dialekt, der in manche Dialoge eingebunden wurde und sehr passend zum norddeutschen Flair passte. Sowieso haben mir das Lokalkolorit und die anschaulichen Beschreibungen der Insel Juist sowie der Wattenmeerregion wahnsinnig gut gefallen. Anne Prettin hat sowohl geschichtliche Informationen der Insel und des Naturparks geschickt eingebaut, als auch das nordische Flair rund um Land und Leute so gut eingefangen, dass der Leser regelrecht den Schlick zwischen den Füßen und den Wind im Haar spüren konnte. Insgesamt ist die Insel Juist ein tolles Setting und versetzt mich direkt in Urlaubsstimmung.

Inhaltlich war die Geschichte rund um die Frauen der Familie Kießling zunächst interessant und die vielen Familiengeheimnisse haben mich zum Rätseln eingeladen. Die Beziehungen der Personen zueinander sind verworren, egal ob in der Vergangenheit oder Gegenwart. Nach und nach kommen immer mehr dunkle Geheimnisse ans Licht, die häufig auch einfach hausgemacht sind und durch weniger Lügen und mehr Kommunikation vermeidbar gewesen wären. Menschlich ist vieles nicht nachvollziehbar. Schnell wird die Geschichte aufgrund der Vielzahl an Schicksalen überladen – schade, weniger Handlungsstränge wären hier angenehmer gewesen. Ich fühlte mich vor Familiengeheimnissen regelrecht überschüttet und fand es schade, dass Helen als Auslöser irgendwann fast in Vergessenheit geriet. Auch sind einige Entwicklungen etwas zu vorhersehbar und entsprechen sehr den gängigen Klischees. Es gibt viel Drama um die immer gleichen Themen, jede Generation wird mit derselben (unwahrscheinlichen) Situation konfrontiert. Gerade das Thema der ungewollten Schwangerschaft kommt mir sehr konstruiert vor. Insgesamt kommt es mir so vor, als ob das Buch einfach viel zu viel will: Familiengeheimnisse und tragische Figuren in jeder Generation, Lügen und Verheimlichungen, unglückliche Liebe und dann noch zahlreiche übergeordnete Themen wie Umweltschutz, Lokalpolitik, Judenverfolgung und Alltag zur NS-Zeit… das war mir alles etwas zu viel.

Auch konnten mich die Protagonisten des Buches nicht wirklich überzeugen. Ich konnte ihre Denk-und Handlungsweisen nicht nachvollziehen und wirklich sympathisch war mir auch niemand. Adda ist an sich der Ruhepol, der die Familie zusammenhalten möchte. Dabei bleibt sie aber sehr passiv was ihre persönlichen Wünsche angeht und handelt häufig sehr widersprüchlich. Sie teilt ihr Schicksal mit ihrer Mutter Johanne, die in ihren Rückerinnerungen eine nette junge Frau ist, aber unbegründet in ihrer weiteren Entwicklung zu einer harten, kalten, egoistischen Person wird. Vermutlich meint sie es nur gut, aber ihre Motive sind nicht nachvollziehbar. Ihrem Sohn und der Enkelin gegenüber ist sie sehr liebevoll, Adda behandelt sie streng und unnahbar. Das lässt die Figur für mich sehr unstimmig und wenig authentisch wirken. Auch die drei Töchter sind sehr klischeehaft gezeichnet und bleiben insgesamt sehr blass am Rande der Geschichte. Patriarch Eduard ist ebenfalls wie Familie Heinsen ein lebendes Klischee. Lediglich für die eher kurz erwähnten Nebenfiguren wie Okke, Onno und Helen konnte ich Sympathie entwickeln.

Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen und es trotz oben genannter Kritikpunkte als unterhaltsam empfunden. Allerdings gab es schon sehr viele Zufälle und widersprüchliche Charaktere, die es unglaubwürdig gemacht haben.

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