Profilbild von Zauberberggast

Zauberberggast

Lesejury Star
offline

Zauberberggast ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Zauberberggast über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.04.2020

Erinnert sehr an eine andere Kinderbuch-Reihe

Lenni Langohr - Ein Hase zum Liebhaben
0

Das Bilderbuch "Lenni Langohr" richtet sich an Kleinkinder bzw. deren vorlesende Eltern. In sieben Kapiteln wird das Leben des kleinen Hasen Lenni, der in etwa einem zwei- bis dreijährigen Kleinkind entspricht, ...

Das Bilderbuch "Lenni Langohr" richtet sich an Kleinkinder bzw. deren vorlesende Eltern. In sieben Kapiteln wird das Leben des kleinen Hasen Lenni, der in etwa einem zwei- bis dreijährigen Kleinkind entspricht, episodisch aufbereitet. Jede Geschichte enthält in der Regel pro Seite zwei Bilder, die mit kurzen beschreibenden Texten unterlegt sind. Die Kapitelanfänge sind ganzseitig auf einer Doppelseite bebildert. Solche Doppelseiten finden sich auch im Mittelteil mancher Kapitel, allerdings im Wimmelbuch-Stil. Hier sollen die Kinder zum Beispiel Musikinstrumente benennen oder die Einzelteile von Lennis Schrankinhalt. Das Buch hat einen weiteren interaktiven Aspekt, denn die Kinder werden auch im Text direkt angesprochen ("Siehst du…?", "Findet du?"). Hier werden die Kinder animiert, gehörten Text und gesehenes Bild in Verbindung miteinander zu bringen, sich also mit dem Bildinhalt spielerisch auseinanderzusetzen. Komplettiert wird dieser “Mitmach-Ansatz” von den Bastel-Anleitungen im Anhang.

Damit sich Kleinkinder mit dem Gelesenen identifizieren können, werden Situationen beschrieben, die fast jedem kleinen Kind geläufig sein dürften (Spielplatzbesuch, Zubettgeh-Rituale, Besuch der Großeltern, etc.). Ansonsten ist der Inhalt wahrlich nichts Neues, im Gegenteil. Das Buch erinnert sehr, sowohl inhaltlich (vermenschlichte Tiere, die für ein Kleinkind relevante familiäre Dinge machen) als auch strukturell (zwei Bilder pro Doppelseite, unterlegt mit ein bis zwei Sätzen Text, direkte Ansprache der Kinder) an die Reihe “Bobo Siebenschläfer”. Vor allem die Frühstücksszene im ersten Kapitel hat mich sehr an das entsprechende Kapitel bei Bobo erinnert.

Natürlich ist es nicht exakt das Gleiche, die Illustrationen sind anders (sehr süß übrigens) und auch die Familienkonstellation ist eine minimal andere (Lenni hat eine ältere Schwester, Bobo - erst in späteren Büchern - eine jüngere). Bobo hat einen Hasen als Kuscheltier (Hasi), Lenni eine Möhre (Möhrchen). Es stellt sich nur die Frage, braucht es eine zweite, sehr ähnliche Kinderbuch-Reihe? Wer “Bobo Siebenschläfer” kennt, wird viel aus diesen Büchern bei “Lenni Langohr” wiederfinden. Im Umkehrschluss heißt das natürlich auch, wer Bobo liebt und nicht genug von ihm kriegen kann, kann mit Lenni als Varianz absolut nichts falsch machen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.04.2020

Präparatoren, Präraffaeliten & Püppchen

The Doll Factory
0

Wenn ich gewusst hätte, dass es in diesem Buch um die Künstlergruppe der Präraffaeliten geht, dann hätte “The Doll Factory” noch eine größere Anziehungskraft auf mich gehabt als ohnehin schon. Das Versprechen ...

Wenn ich gewusst hätte, dass es in diesem Buch um die Künstlergruppe der Präraffaeliten geht, dann hätte “The Doll Factory” noch eine größere Anziehungskraft auf mich gehabt als ohnehin schon. Das Versprechen einer viktorianischen Geschichte mit Gothic-Elementen war schon Leseanreiz genug für mich, aber das Thema Präraffaeliten ist das Tüpfelchen auf dem "i". Noch nie habe ich deren Geschichte in einem fiktionalen Werk verarbeitet gefunden (obwohl es bestimmt solche Romane gibt).

Die Handlung beginnt im London des Jahres 1850. Die Stadt bereitet sich auf die große Weltausstellung im Kristallpalast vor, die Ausstellungsstücke aus Kunst und Wissenschaft vereinen soll.

Im Gegensatz zu vielen anderen historischen Romanen kommt dieser hier mit einem sehr überschaubaren Personal aus. Im Zentrum stehen die drei Hauptfiguren Silas, Iris und Albie, aus deren Sicht die Geschichte abwechselnd erzählt wird. Wichtig sind auch noch Louis Frost, ein fiktionaler Präraffaelit, Iris’ “Love Interest” und künstlerischer Mentor sowie ihre Zwillingsschwester Rose. Die fiktiven Protagonisten werden von einigen historischen Charakteren aus dem Kreis der Präraffaeliten flankiert. Da wären der Maler John Everett Millais, mit dem der fiktive Louis Frost im Roman eng zusammenarbeitet, sowie der Dichter/Maler Dante Gabriel Rossetti und dessen Muse Lizzie Siddal.

Silas Reed ist Tierpräparator und besitzt einen Kuriositätenladen, in dem er seine Artefakte, wie z.B. Broschen aus echten Schmetterlingen, verkauft. Sogenannte Kuriositätenkabinette waren im England Königin Viktorias sehr beliebt. Jeder Haushalt, der etwas auf sich hielt, besaß eine Sammlung an kuriosen seltenen Dingen, die man zur Schau stellen konnte. Ein weiterer Absatzmarkt ist für Silas der Verkauf seiner ausgestopften Tierkörper an Kunstmaler, die die Tiere als Modelle für ihre Gemälde benötigen. Außerdem träumt er von der Ausstellung seiner “Kunstwerke” bei der Weltausstellung.

Silas ist der Vertreter des “Gothic” im Roman, ein merkwürdiger Zeitgenosse, der vom Charakter zwischen Frankenstein und einem Marquis de Sade changiert. Er ist der ungeliebte Sohn und Einzelgänger, der kein Glück in der Liebe hat.

Die weibliche Hauptfigur des Romans ist die 21-jährige Iris, die von einer Existenz als Kunstmalerin träumt. Bislang bemalte sie hauptsächlich Puppen in der Puppenmanufaktur von Mrs Salter (einer eher unangenehmen Person, die ständig im Laudanum-Rausch ist). Iris hat eine Zwillingsschwester, Rose, die ebenfalls dort arbeitet. Sie geben den Großteil ihres kärglichen Lohns abends an ihre Eltern ab, mit denen sie in ärmlichen Verhältnissen leben, um über die Runden zu kommen. Beide Schwestern sind körperlich versehrt, die eine durch ihre Pockennarben (Rose), die andere nur an einer Stelle durch ihren geburtsbedingten Schlüsselbeinbruch (Iris). Als Iris den präraffaelitischen Maler Louis Frost kennenlernt, bietet sich ihr die Gelegenheit, dem Elend der Puppenfabrik zu entkommen...

Sympathieträger des Buches ist sicher der ehrbare Straßenjunge bzw. “Urchin” Albie, der mit seiner älteren Schwester im Kohlenkeller eines Bordells haust und mit ansehen muss, wie sie sich der Prostitution hingibt, um über die Runden zu kommen. Er ist das Verbindungsglied zwischen Silas und Iris, denn er übernimmt sowohl für den Präparator als auch für die Puppenfabrik kleine Aufträge.

Der Titel "The Doll Factory" ist etwas irreführend, geht es doch eher um Silas' Fabrik der ausgestopften Tiere bzw. um die "Kunstfabrik" der Präraffaeliten. Die Puppenfabrik ist nur der Aufhänger bzw. ein Nebenschauplatz des Geschehens.

"The Doll Factory" ist die düstere Geschichte einer Obsession, die einen nicht mehr loslässt. Es geht um Stalking, um unerwiderte Liebe - ein großes, altes Thema in der Literatur. Hier wurde es mal wieder mit Bravour aufbereitet. Dieses Buch ist etwas für Fans des viktorianischen London, für Liebhaber von Jess Kidds’ Büchern oder den Filmen von Tim Burton (allerdings ohne Fantasy-Elemente, die Realität ist hier creepy genug). Und natürlich für alle, die die präraffaelitischen Gemälde oder einfach eine sehr gute historische Geschichte mit Thriller-Elementen lieben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2020

Künstlerisch wertvolles Bilderbuch

Alfie und der Clownfisch
0

Das "beste australische Kinderbuch des Jahres 2018", als das es der Klappentext ausweist, handelt vom schüchternen Jungen Alfie. Er soll das Unterwasser-Kostümfest seiner Schule besuchen, das ...

Das "beste australische Kinderbuch des Jahres 2018", als das es der Klappentext ausweist, handelt vom schüchternen Jungen Alfie. Er soll das Unterwasser-Kostümfest seiner Schule besuchen, das Seestern-Kostüm, das er seinen Eltern vorgeführt hat, liegt schon bereit. Aber Alfie hat Albträume und fürchtet sich vor der Teilnahme an der Party. Am nächsten Tag ist er sich sicher, dass er nicht hingehen möchte. Seine Mutter fährt stattdessen mit ihm zu einem Aquarium. Dort entdeckt er einen Clownfish, den er toll findet. Leider ist der scheue Fisch schnell wieder zwischen den Korallen verschwunden. Alfie und der Clownfisch haben also einiges gemeinsam. Das nächste Kostümfest möchte er als Clownfisch besuchen.

Das im Insel-Verlag erschienene Buch ist wunderschön gestaltet. Mit Schimmerffekten auf dem Cover und einer besonderen Farbgebung sticht es in jedem Fall hervor. Die Farben sind auf jeder Seite gleich, ein kräftiges Dunkelblau und Neonorange bestimmen das ansonsten pastellige Farbbild. Die Menschen sind in einem zeitlosen Vintage-Stil gezeichnet. Künstlerisch ist das Buch also in jedem Fall wertvoll.

Im Buch verschwimmen Realität und Fantasie im wahrsten Sinne des Wortes. Bei der Rückfahrt vom Aquarium sitzen Mama und Alfie in einem an die 1960er Jahre erinnernden Bus, in dem Tiere mit Kleidung als Fahrgäste mit ihnen im Bus sitzen, ein Pinguin ist der Fahrer. Auch sonst bestimmen Träume, Erinnerungen, Vorstellungen und Verkleidungen die Bilderbuchwelt, die Unterwasser-Szenerien wirken ebenfalls unwirklich, schließlich ist die Unterwasserwelt ja ein geheimnisvoller Kosmos für sich.

Das Thema des Buches ist Hochsensibilität und Schüchternsein. Alfie versteckt sich lieber vor der Welt, als aktiv an ihr teilzunehmen oder gar im Mittelpunkt zu stehen. Seine Eltern werfen ihn aber nicht ins kalte Wasser, machen ihm keinen Druck, sondern lassen ihn selbst entscheiden, ob er sich zurückziehen möchte oder nicht - gelebtes “Attachment Parenting” also. Ob die Analogie mit dem Clownfisch von der Mutter beabsichtigt war oder nicht, geht aus der Handlung nicht ganz hervor. Das wäre auch schon meine leichte Kritik an dem Buch, dass es vieles ungesagt lässt. Etwas schöner hätte ich es gefunden, wenn die Mutter Alfie explizit mit dem Clownfisch verglichen hätte, so dass es auch kleine Kinder etwas besser verstehen.

Ein schönes Kinderbuch mit wichtigem Thema, das allerdings vor allem künstlerisch besticht und weniger als Vorlesebuch.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.03.2020

Mörderisch-mysteriöse Schnitzeljagd durch Wien

Der Tote im Fiaker
0

Dies ist bereits der dritte Band der Sarah-Pauli-Reihe, den ich gelesen habe. Man kann super auch ohne Vorkenntnisse in die Reihe starten, die mittlerweile zehn Bände umfasst. Dennoch kurz zu den Rahmenbedingungen, ...

Dies ist bereits der dritte Band der Sarah-Pauli-Reihe, den ich gelesen habe. Man kann super auch ohne Vorkenntnisse in die Reihe starten, die mittlerweile zehn Bände umfasst. Dennoch kurz zu den Rahmenbedingungen, in denen sich die erzählte Welt abspielt.

Sarah Pauli ist Anfang Dreißig und Journalistin beim “Wiener Boten”, in diesem Band gibt sie ihren Einstand als Chefredakteurin. Ihr Lebensgefährte David ist mittlerweile Herausgeber der Zeitung, ihre Schwägerin-in-spe Gabi (Sarahs Bruder Chris ist Arzt) arbeitet ebenfalls in der Redaktion. Sarah schreibt eine wöchentliche Kolumne zum Thema Aberglauben & Co., schließlich ist Wien seit jeher ein Hort des Morbiden und Geheimnisvollen. Als an mehreren Orten in Wien ein mysteriöses Kreuzsymbol auftaucht, ist das für Sarah natürlich eine Causa, über die berichtet werden muss. Als dann zusammen mit dem Kreuz ein Toter in einem Fiaker aufgefunden wird, sind Sarahs umfassendes Wissen im Bereich des Kryptischen einmal mehr gefragt. Zusammen mit dem Kriminalinspektor Martin Stein begibt sie sich abermals auf eine mörderisch-mysteriöse Schnitzeljagd durch Wien.

Während in den bisherigen Bänden jeweils eine Wiener Sehenswürdigkeit bzw. ein bestimmter Ort in Wien (Naschmarkt, Stephansdom, Zentralfriedhof, Kapuzinergruft, Hotel Sacher, Schloss Schönbrunn, etc.) im Zentrum des Geschehens stand, ist diesmal die gesamte Topographie Wiens der Schauplatz des Krimis. Dies wird durch den titelgebenden Fiaker unterstrichen, der ja seine Kreise durch die Altstadt zieht und so immer an andere Orte kommt. Auch Sarah Pauli muss dem Verbrechen in diesem Band durch die Stadt hinterherlaufen, wie bei einer Schnitzeljagd. Überhaupt hat mich das Buch dadurch sehr an die Romane von Dan Brown erinnert, wo Professor Robert Langdon auch immer in Bewegung ist durch die Stadt, in der er sich als Symbologe betätigt. Kryptologische Rätsel kombiniert mit numerologischem Wissen muss auch Sarah Pauli in “Der Tote im Fiaker” entschlüsseln. Zahlenmystik spielt in dem Buch eine große Rolle, was ich sehr interessant fand.

Der Mordfall an sich ist schön verschachtelt und auch wenn ich schon bald die Identität des Täters erahnen konnte, so haben mich dann doch die Motive überrascht. Ein wirklich kompliziertes Konstrukt von Kriminalfall, den Beate Maxian sich hier ausgedacht hat.

“Der Tote im Fiaker” ist der beste Sarah-Pauli-Krimi, den ich bislang gelesen habe und ich werde nun auch noch die lesen, die mir noch fehlen. Eine echte Empfehlung für alle Wien- und Cosy-Krimi-Fans, die sich nicht daran stören, wenn die Ermittlungs- und Polizeiarbeit nicht super realistisch wiedergegeben werden (Bsp.: Freie Zugänglichkeit des Hauses eines Mordopfers kurz nach dessen Ermordung).

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.03.2020

Lebensentscheidende Kausalitätsketten

Miracle Creek
1

Die Einwandererfamilie Yoo aus Südkorea hat sich im kleinen Dörfchen Miracle Creek in Virginia, USA eine neue wirtschaftliche Existenz aufgebaut: eine Anlage zur Sauerstofftherapie (HBO). Am ...

Die Einwandererfamilie Yoo aus Südkorea hat sich im kleinen Dörfchen Miracle Creek in Virginia, USA eine neue wirtschaftliche Existenz aufgebaut: eine Anlage zur Sauerstofftherapie (HBO). Am 26.8.2008 kommt es dort zu einer Explosion, bei der eine Frau und ein kleiner Junge ums Leben kommen. Ein Jahr später folgt der Prozess, bei dem die Mutter des Jungen angeklagt wird, den Brand gelegt zu haben...

Am Anfang war ich vorsichtig, was die Erwartungen an dieses Buch betrifft. Romane, in denen wie hier ein Verbrechen aus allen möglichen Perspektiven beleuchtet wird, zudem noch teilweise im Gerichtssaal, können - müssen aber nicht - langatmig sein. Hier hatte ich auch noch vor den 500 Seiten Respekt und der ziemlich kleinen Schrift, in der das Buch gesetzt ist. Aber ich muss sagen, schon nach ca. 100 Seiten hatte mich das Buch absolut am Haken und ich wollte unbedingt wissen, wer für den Tod von Henry und Kitty in der Überdruckkammer von Miracle Creek verantwortlich war.

Die Frage des "Was wäre, wenn…" treibt viele Figuren in diesem Buch um. Die meist spontanen Entscheidungen, die wir im Laufe unseres Lebens mitunter ganz beiläufig treffen, welchen Einfluss haben sie auf unsere weitere Existenz? Die Thematisierung der Tatsache, dass nur eine winzige Kausalkette von Entscheidungen den Verlauf eines Lebens vollkommen verändern können, gefällt mir sehr. Es ist etwas, über das ich mir auch schon oft Gedanken gemacht habe.

"Miracle Creek" ist auch vor allem ein Roman über die Existenz von Einwandererfamilien in den USA und ihren Spagat zwischen den Identitäten. Die Entbehrungen, im speziellen Fall das Vorschicken der Familie und Zurücklassen der koreanischen Väter - genannt "Gänseväter" - und der schwere Neubeginn in einem fernen Land, werden anschaulich geschildert. Auswandern schlägt auf die Psyche, man ist ein neuer Mensch, ggf. mit neuem Namen (Mary statt Meh-hee-yah), muss sich ein neues Leben aufbauen, so wie Pak Yoo und seine Familie. Dann die Hoffnung, dass das Glück im Aufbau der neuen geschäftlichen Existenz begründet sein könnte, die plötzlich mit dem Funken eines Streichholzes zu Asche wird.

Der andere große Themenkomplex, der im Roman verhandelt wird, sind behinderte Kinder, ihre Eltern (v.a. Mütter) und ihr Platz am Rande einer Gesellschaft, die auf Perfektion aus ist. Für die Mütter im Roman ist die Behinderung ihrer Kinder die Katastrophe ihres Lebens, das sich zwischen Selbstaufgabe, Aufopferung, Verzweiflung und einer stoischen Akzeptanz abspielt.

Wie ich gelesen habe, hat der Roman viele Übereibstimmngen mit dem Leben der Autorin Angie Kim. Wie ihre Figur Mary kam auch sie als Teenager von Südkorea nach Baltimore und schließlich nach Virginia, wo sie heute lebt. Wie die Angeklagte im Buch hat auch sie einen Sohn, der in Sauerstofftherapie war. Der Roman hat also autobiografische Züge, was ihn besonders authentisch macht.

Angie Kim erzählt in einer bestechend klaren, schnörkellosen Sprache ein absolut realistisches Szenario, das sich tatsächlich so irgendwo in Amerika hätte abspielen können. Die Figuren sind gezeichnet von ihrer Lebenssituation, die sie wie ein deterministischer Käfig scheinbar gefangen hält. Der mit jedem Kapitel alternierende Perspektivenwechsel ist ein erzählerischer Kniff, der absolut zu der Geschichte passt.

Während der Lektürezeit des Buches habe ich mich dabei ertappt, wie ich gedanklich immer wieder nach "Miracle Creek" gereist bin und vor mich hin gerätselt habe, wer denn nun jetzt der oder die Schuldige ist. Das Buch hat also das Potenzial, die Gedanken, die man vor dem Einschlafen hat, zu bevölkern - ein starker, fesselnder, noch lange nachhallender Roman!


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere