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Veröffentlicht am 11.09.2022

Mit 70 hat man noch Träume

Golden Oldie Evergreen
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Sabine ist bereits 70, arbeitet aber immer noch erfolgreich als Coach. Seit Jahren lebt sie allein, bis sie im Urlaub in Nizza einen italienischen Bootsführer kennenlernt. Dieser Luciano ist allerdings ...

Sabine ist bereits 70, arbeitet aber immer noch erfolgreich als Coach. Seit Jahren lebt sie allein, bis sie im Urlaub in Nizza einen italienischen Bootsführer kennenlernt. Dieser Luciano ist allerdings 20 Jahre jünger und taucht zudem einige Wochen später sogar bei ihr in Berlin auf.

Das Cover, so einfach, wie aussagekräftig - drei Stühle an der Strandpromenade in Nizza, also dem Platz, an welchem das Leben der Protagonistin an einen Wendepunkt gelangt. Das Buch besteht aus drei Teilen und die Kapitel haben eine angenehme Länge.

Der recht einfache und erstaunlicherweise auch sehr nüchterne Schreibstil hat mich zunächst überrascht. Im Lauf der Lektüre habe ich mich jedoch damit angefreundet, denn was könnte besser zur Selbstreflexion der Ich-Erzählerin passen, als diese simple und ehrliche Sprache.

Die Protagonistin blickt auf ihr Leben zurück, hinterfragt gewisse Situationen und gibt freigiebig auch ihre derzeitige Stimmung ans Publikum weiter. An vielen Stellen schlägt dabei recht trockener Humor durch, an anderen trifft man auf Klischees, und andererseits streift die Autorin auch ernstere Themen. Der vielschichtige Roman spricht die Angst vor dem Altern, aber auch vor dem Alleinsein an, stellt Leistungsdenken und Perfektionswahn in Gegensatz zu Spontaneität.

Interessant ist auch die Betrachtung der Protagonistin, die reflektiert, wie sehr sich die Themen im Konkurrenzdenken mit ihren Freundinnen im Laufe des Lebens versschoben haben: lag der Fokus früher auf der Karriere, steht im höheren Alter die Rolle als Großmutter das wichtigste Ziel dar. Das Buch regt auf unterhaltsame Art dazu an, das Älterwerden nicht nur als Kampf gegen gesundheitliche Herausforderungen oder finanzielle Hürden zu sehen, sondern dass sich Zufriedenheit oft auch im Unvollkommenen finden lässt.

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Veröffentlicht am 11.09.2022

Die Auswirkungen des Kriegsbeginns auf das Leben

Margherita und der dunkle Widerschein der Welt
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Margherita Civitella ist mit ihren dreizehn Jahren noch Schülerin in England, als der zweite Weltkrieg beginnt. Als Tochter eines Italieners und einer Engländerin erinnert sie sich nach Jahrzehnten an ...

Margherita Civitella ist mit ihren dreizehn Jahren noch Schülerin in England, als der zweite Weltkrieg beginnt. Als Tochter eines Italieners und einer Engländerin erinnert sie sich nach Jahrzehnten an das erste Kriegsjahr und hält ihre Gedanken fest.

Das Cover nimmt Bezug auf den Titel des Romans, das Dunkel der mächtigen Baumsilhouetten steht im Gegensatz zum hell erleuchteten Himmel. Die Kapitel des Buches haben eine angenehme Länge, die Überschriften verweisen auf den jeweils folgenden Inhalt.

Das Herausragende an diesem Buch ist neben der genauen Recherche jener Zeit in England vor allem der schöne Schreibstil, in den all diese interessanten Besonderheiten verpackt sind. Der Autor erlaubt es den Lesern sich in alle Passagen einzufühlen; es gelingt ihm, das Publikum dadurch vollkommen in die Geschichte hineinzuziehen.

Wer schon andere Werke des Autors gelesen hat, wird in diesem Buch auf einige Bekannte treffen, die anderen werden die Protagonisten in diesem Roman kennen- und lieben lernen. Am Ende des Romans befindet sich zur besseren Übersicht ein praktisches Personenverzeichnis. Die Charaktere sind sympathisch und wie aus richtigen dem Leben gegriffen, deren Dialoge sind ebenso lebensnah und nachvollziehbar.

Ich-Erzählerin Margherita sieht mit den Augen einer alten Frau auf ein prägendes Jahr ihrer Jugend zurück, wobei die Schulzeit auf der Internatsschule für Mädchen einen großen Teil einnimmt. Dennoch gelingt es dem Autor – einem männlichen wohlgemerkt – auch die noch kindliche Sicht der Protagonistin Margherita einzufangen. Ihre Verbindungen zu anderen Schülerinnen und Lehrerinnen kommen dabei genauso zum Ausdruck wie Ihre Beobachtungen, die sie in ihrem Familien- und Bekanntenkreis machen konnte. Die Veränderungen und Einschränkungen, die der Krieg in den verschiedenen Lebensbereichen – nicht nur im alltäglichen Leben - verursacht hat, werden in diesem Roman detailliert beschrieben. Auch die Gefühle aller Beteiligten, wie die Angst um geliebte Personen, kommen zum Tragen.

Im Nachwort des sehr gut recherchierten Romans gibt der Autor Hinweise auf interessante Quellen.

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Veröffentlicht am 11.09.2022

Das sinkende Schiff verlassen

Auf See
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Um dem Chaos der Welt zu entkommen, hat ein Tech-Unternehmer vor einigen Jahren eine schwimmende Stadt in der Ostsee erbaut. Die ursprüngliche Qualität dieser “Seestatt” ist allerdings schon seit längerer ...

Um dem Chaos der Welt zu entkommen, hat ein Tech-Unternehmer vor einigen Jahren eine schwimmende Stadt in der Ostsee erbaut. Die ursprüngliche Qualität dieser “Seestatt” ist allerdings schon seit längerer Zeit Vergangenheit. Für Yada, die Tochter des Unternehmers sollte die schwimmende Heimat auch ein Schutz vor der geheimnisvollen Krankheit sein, an welcher ihre Mutter gestorben ist. Eines Tages entdeckt die Jugendliche, dass die Erzählungen des Vaters nicht ganz der Wahrheit entsprechen.

Das Cover wird beherrscht von einer nicht ganz runden Blase, oder – je nach Betrachtungsweise -einem Wassertropfen und erinnert auf den ersten Blick an ein Werk aus dem Science-Fiction-Bereich vor fünfzig oder sechzig Jahren. Eine eindeutige Einordnung in ein Genre ist schwierig, lässt sich das Buch doch auch nicht als reine Dystopie erkennen. Der Schreibstil wirkt einfach, strotzt andererseits stellenweise mit einer Vielzahl aneinandergereihter Fremdwörter. Die fünf Abschnitte des Romans tragen als Titel jeweils die grammatischen Bezeichnungen englischer Zeitformen.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven wiedergegeben. Die Jugendliche Yada erläutert ihr Leben auf der künstlichen Insel als Ich-Erzählerin, über die anderen Charaktere erfährt man vom allwissenden Erzähler und dazwischen stechen Beiträge eines Archivs heraus, die sich ebenfalls mit dem Thema künstlich erschaffener Orte befassen und der Realität entspringen. Sie bilden für mich - leider – die wichtigsten und interessantesten Passagen des Romans, lesen sich aber wie reine Sachbucheinträge. Am Ende des Buchs befinden sich zur Vertiefung Angaben von Büchern, die der Autorin als Ideenquellen dienten.

Enzensberger wagt sich an eine verstörende Zukunftsvision, schneidet auch sozialkritische Themen an, bleibt aber immer oberflächlich. Auch die einzelnen Charaktere weisen keine Tiefe auf. Aufgrund des Klappentexts habe ich mir mehr von diesem Roman erwartet, auch konnte ich nicht herausfinden auf welche Weise das Handeln der Frauen in diesem Buch “besser” als das der Männer herausgearbeitet sein sollte. Die Hauptcharaktere sind zwar fast ausschließlich Frauen, aber damit hat es sich auch schon.

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Veröffentlicht am 28.08.2022

Liebe ohne Nebensächlichkeiten

Mittwochs am Meer
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Jeden Mittwoch fährt der Pariser Maurice in ein verträumtes Hafenstädtchen in der Bretagne, um eine Fabrik vor der Insolvenz zu retten. Sein ruhiger Charakter steht ganz im Gegensatz zu jenem der Einheimischen. ...

Jeden Mittwoch fährt der Pariser Maurice in ein verträumtes Hafenstädtchen in der Bretagne, um eine Fabrik vor der Insolvenz zu retten. Sein ruhiger Charakter steht ganz im Gegensatz zu jenem der Einheimischen. Eines Tages schenkt ihm die schöne Rezeptionistin einen Liebesbrief und einen Gedichtband von Rimbaud. Die Worte der Frau berühren ihn, die beiden treffen sich und eine leidenschaftliche Affäre entsteht, die das Paar nun wöchentlich den ganzen Sommer über auslebt. Als sie zu einer gemeinsamen Reise aufbrechen, nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung.

Ich durfte diese Geschichte als Rezensionsexemplar von SAGA Egmont Deutschland hören, was meine Meinung über das Hörbuch aber nicht beeinflusst. Das Cover ist in Pastellfarben gehalten und versetzt den Betrachter an den Strand einer kleinen Stadt. Sprecher Frank Stieren schafft mit seiner Aussprache und Betonung die Zuhörer vollkommen in die Geschichte eintauchen zu lassen. Der Schreibstil ist einfach und von zahlreichen bildhaften Beschreibungen gekennzeichnet; das Ambiente des Hafenstädtchen in der Bretagne, aber auch die zahlreichen kulinarischen Höhepunkte des Buches erstehen durch die passende Wortwahl und eben auch durch das perfekte Vortragen des Sprechers direkt vor dem geistigen Auge des Publikums. Die Liebesszenen wirken im Gegensatz dazu eher technisch und plump.
Auch die Charaktere wirken stellenweise doch recht klischeehaft und machen die Handlung etwas realitätsfern. Die Wandlung des korrekten Insolvenzverwalters überrascht und erscheint nicht logisch – soweit man in der Liebe überhaupt von Logik sprechen kann.
Das Hörbuch schenkt angenehme Stunden; die leichte Liebesgeschichte versetzt einen in entspannte Stimmung mit wunderschöner Kulisse.

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Veröffentlicht am 20.08.2022

Ein Mann schreibt einer Frau

Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe
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1958 verliebt sich der Dramatiker Max Frisch sofort in die berühmte Dichterin Ingeborg Bachmann. Sie erwidert seine Liebe, auch wenn die beiden in vielen Belangen sehr unterschiedlich sind. Frisch, der ...

1958 verliebt sich der Dramatiker Max Frisch sofort in die berühmte Dichterin Ingeborg Bachmann. Sie erwidert seine Liebe, auch wenn die beiden in vielen Belangen sehr unterschiedlich sind. Frisch, der bodenständige Schweizer, schreibt, was ihm gerade einfällt, Bachmann kämpft in ihren Werken um jedes Wort. Doch auch ihr Privatleben ist komplizierter als das ihres Geliebten. Nicht nur die Gegenwart des früheren Geliebten Paul Celan bringt daher Spannungen in die Beziehung zwischen Frisch und Bachmann …
Das Buch ist der dritte Band aus der Reihe „Berühmte Paare - große Geschichten“ des Aufbau Verlags. Das Cover zeigt ein seltenes Foto des Liebespaars in einem Boot. Der Roman ist einige Abschnitte unterteilt, die jeweils bestimmte Zeitabschnitte im Leben der beiden Schriftsteller behandeln. Während der Prolog aus Bachmanns Sicht verfasst ist, bezieht sich der Epilog auf Frisch. Originalzitate der beiden sind im Text kursiv gedruckt und im Anhang des gründlich recherchierten Buchs findet man ein ausführliches Quellenverzeichnis. Die Sprache ist sehr schön und bildhaft, so wird zum Beispiel ein umgekippter Schuh zum Zeichen fürs Scheitern.
Die Geschichte gibt so manches Detail aus dem Leben der beiden preis, das einem sonst wohl verborgen bliebe. Dennoch liest es sich einfacher als eine reine Biografie, weil durch den Romancharakter eine tatsächliche Handlung für die Leser entsteht. Dadurch empfiehlt sich der Roman nicht nur jenen Menschen, die sich für Bachmann, Frisch oder beide interessieren.
Der Roman handelt vom schwierigen Verhältnis der beiden Berühmtheiten, das von Extremen gezeichnet wurde. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihrem Charakter, sondern auch in ihrer Arbeitsweise, und verbringen dennoch viele Jahre miteinander. So stehen sich zum Beispiel Freiheitssinn und Eifersucht gegenüber. Zusätzlich eröffnet das Buch aber auch eine ganz allgemeine Sicht auf die Spannung zwischen den Geschlechtern, wie auf den Ruhm, um den Frauen stärker zu kämpfen haben als Männer.
Der Roman mit seinen vielschichtigen Einsichten und eingestreuten Lebensweisheiten ist ein absolut empfehlenswertes Buch.

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