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Veröffentlicht am 11.09.2020

Gute Hauptthematik, aber sexuelle Belästigung wird heruntergespielt

Der Club der toten Dichter
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Ich hätte wissen müssen, dass das Buch nicht gut ist, wenn ein Schauspielername um ein vielfaches größer gedruckt ist als der Name der Autorin. Ich bin so unfassbar wütend, dass mein Bruder ausgerechnet ...

Ich hätte wissen müssen, dass das Buch nicht gut ist, wenn ein Schauspielername um ein vielfaches größer gedruckt ist als der Name der Autorin. Ich bin so unfassbar wütend, dass mein Bruder ausgerechnet das hier in der Schule lesen musste, wenn es doch so viele andere gute Alternativen gibt. Aber alles der Reihe nach. Und kleine Warnung, je länger ihr das lest, desto… unsachlicher werde ich. Konnte einfach nicht anders.

“Der Club der toten Dichter” erschien zuerst als Film und Nancy H. Kleinmann nutzte das Drehbuch, um daraus einen Roman zu machen. Den Film habe ich nicht gesehen, dementsprechend weiß ich nicht, was es da für Unterschiede gibt.

Vier Jungs besuchen das reine Jungsinternat Welton, wo die Leitideen “Tradition, Ehre, Disziplin, Leistung” lauten und die Schüler das auch zu spüren bekommen. Alle vier stehen unter dem großen Druck der Eltern und der Schule. Insbesondere Todd Anderson, der im Schatten seines älteren Bruders steht. Welton hat John Keating, der selbst ein Absolvent des Weltons war, als neuen Englischlehrer eingestellt. Die Schüler finden heraus, dass Keating dem “Club der toten Dichter” angehörte und lassen diesen wiederaufleben - ein Geheimbund, in dem sie frei von Zwängen und Erwartungen ihren Gefühlen freien Lauf lassen können. Keating ermutigt seine Schüler jeden einzelnen Tag ihres Lebens zu nutzen, ganz nach dem Motto “Carpe Diem!” Dies führt allerdings zu Auseinandersetzungen mit der Schulleitung, da die vier Protagonisten anfangen ihren strikten Gehorsam infrage zu stellen.

Nachdem ihr bis hierhin gelesen habt, denkt ihr wahrscheinlich, “So schlimm klingt das doch gar nicht! Was hat die denn?” Das zentrale Thema des Buchs finde ich ja auch gut! Denn es handelt von dem Konflikt zwischen der konservativen Schulleitung und den nach Selbstentfaltung strebenden Jungs. Allerdings war ich einfach nur noch genervt, als die ersten weiblichen Charaktere zu den Jungs stießen. Alter Falter, die waren nur am Kichern und sind wortwörtlich dem einen Jungen um den Hals gefallen, weil er ein Gedicht rezitiert hat… Und die Mädchen waren wohl um die 20 (man weiß es nicht) und die Jungs 16? Aber darüber hätte ich ja noch hinwegsehen können (auch wenn das pädophile Züge hat, aber die Autorin hat das genaue Alter der Mädchen/Frauen nicht preisgegeben). Außerdem fand ich die Vorstellungen der Jungs nicht gelungen, ich musste bei einer Charakterisierung nachzählen wie viele es denn nun waren, weil ich mir nicht alle sechs Jungs merken konnte. Über zwei von ihnen erfährt man fast nichts; Meeks ist ein Genie und Richard... keine Ahnung, der ist halt da.

[T R I G G E R W A R N U N G: Sexuelle Belästigung]

Das Schlimmste war, dass einer der Jungs, Knox Overstreet, ein Mädchen während einer Party sexuell belästigte. Sie hat mit ihrem Freund im Dunkeln herumgemacht und dachte die Hände, die sie berührten, wären die ihres Freundes. Knox war sich dessen bewusst und hat das voll ausgenutzt. Er wurde erwischt und der Freund hat Knox eine heruntergehauen. (Gut so!) Er entschuldigt sich und sagt dem Mädchen wie sehr er sie doch liebt (und das, nachdem er sie nur einmal gesehen hat...) Entschuldigt meine Wortwahl, aber was soll denn der Scheiß? Die Autorin schreibt die Szene nämlich so, sodass man mit Knox Mitleid haben sollte, denn er ist doch ach so schwer verliebt und kann sich einfach nicht kontrollieren. Irgendwann sucht er sie auch noch bei ihrer Schule auf und stürmt in ihren Unterricht, um (Achtung: Sarkasmus) ganz romantisch ein Gedicht vorzutragen, das er ihr geschrieben hat. Sie schämt sich zu Grund und Boden und stellt ihn später zur Rede und versucht ihm klar zu machen, dass er das alles lassen soll und dass sie verdammt nochmal einen Freund hat! Man könnte nun meinen, dass Knox das kapiert hat, aber NEIN! Genau dieses kleine Wort will unser Knox einfach nicht akzeptieren. Und wisst ihr was? Gleich kocht euer Blut, denn natürlich! Natürlich lässt sich das Mädchen breitschlagen, denn er verspricht ihr, dass er sie nach dem einen Date nie wieder belästigen wird, was sie ja noch nicht einmal selbst glaubt! Holla, die Waldfee, was für eine Message wird denn da vermittelt?! Bedrängt das Mädchen einfach so lange bis es “ja” sagt. Toll! Und das wird in Schulen gelesen! Und der größte Ich-kann-es-echt-nicht-fassen-aber-natürlich-musste-das-auch-noch-kommen-Moment war, dass sich das Mädchen selbstverständlich auch in Knox verliebt! Hallo?! Die betrügt ihren Freund und auch das wird mit keinem weiteren Wort erwähnt. Ich könnte kotzen. Widerwärtig finde ich so etwas. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn es solche Szenen gibt, aber dann soll der/die Autorin uns Leserinnen gefälligst nicht das Gefühl vermitteln, dass wir mit dem Täter Mitleid haben sollen. Knox wurde ja noch nicht einmal wie Joe aus der Netflix-Serie “You” als Psychopath dargestellt. Den einen Stern kriegt das Buch für die Hauptthematik, aber diese Knox-Szenen (hat man’s gemerkt?) hat das alles für mich kaputt gemacht.

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Außergewöhnlicher und berührender Coming-Of-Age Roman mit einer Protagonistin, die das Asperger-Syndrom hat ohne es zu wissen

Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel
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“Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel” von Hanna-Linn Hava ist ein außergewöhnlicher Coming-of-Age Roman. Die Protagonistin Lily hat das Asperger-Syndrom, doch sie ist sich dessen nicht bewusst. Sie weiß ...

“Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel” von Hanna-Linn Hava ist ein außergewöhnlicher Coming-of-Age Roman. Die Protagonistin Lily hat das Asperger-Syndrom, doch sie ist sich dessen nicht bewusst. Sie weiß nur, dass sie anders ist. Nicht dazu gehört. Lily sieht sich als Monster. Es ist eine berührende Geschichte, eines Mädchens, das nicht weiß, warum sie so ist wie sie ist und wieso die Gesellschaft sie so verstößt. Als Leserin bekommt man ganz intim ihre Erfahrung erzählt, sodass ich gar nicht anders konnte, als am Ende des Buches zu weinen, weil die Welt so ungerecht zu ihr ist.

Bei dem Sohn der Autorin wurde 2014 das Asperger-Syndrom diagnostiziert und bei ihr selbst ein dementsprechender Verdacht geäußert. Seitdem setzt sie sich intensiv mit dem Thema Autismus auseinander, sodass ich mir sicher bin, dass die Darstellung von Lily realitätsnah ist.

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil lernen wir Lily ausführlich kennen. Wie sie mit Menschen in ihrem Umfeld interagiert, aber auch wie sie diese beobachtet und analysiert, wie ihre Gedankengänge verlaufen und wie dumm sie alle findet. Auch uns, die Leser
innen, und obwohl sie einen so oft beleidigt, ohne es als Beleidigung zu meinen, hat mir ihre zynische Art sehr gut gefallen. Es ist sehr erfrischend zu sehen wie ein Charakter sich so arrogant und herablassend ausdrückt und sich dessen gleichzeitig aber auch bewusst ist. Zwar habe ich bestimmt ganz oft die Augen verdreht, weil sie wieder einmal etwas total überhebliches von sich gab, aber gleichzeitig empfinde ich all ihre Kritik an unserer Gesellschaft als gerechtfertigt. Außerdem war sie so schön schonungslos ehrlich, was ich sehr zu schätzen wusste. Lily hat ihr Bestes gegeben sich an der Gesellschaft anzupassen und dann “unsichtbar zu werden” bis sie nun mal nicht mehr konnte.
Toll fand ich es auch, dass Lily quasi Teile meiner Gedanken während dem Lesen erraten konnte. Als sie bspw. die Leser*innen in Geschlechterrollen gedrängt hat, war ich sofort erbost und konnte mir aber ein Lachen nicht verkneifen, weil Lily genau das kurz darauf angesprochen hat. Das einzige, was mir nicht so gefallen hat, waren die (wenigen) kurzen englischen Einwürfe wie "That's it". Ich habe sie als eher unpassend empfunden.

[SPOILER]
Als Lily im zweiten Teil ihre Diagnose erhielt, konnte ich regelrecht die Erleichterung spüren und habe gehofft, dass alles besser wird. Diese Hoffnung (diese miese Schlampe) wurde sofort vernichtet, als klar wurde, dass sich für sie nichts verändert hat. Ich hatte wirklich Angst um Lily gehabt, als sie sich von allen verabschiedet hat. Umso dankbarer war ich für den Epilog. Dieser hat mich berührt und die Hoffnung wieder aufkeimen lassen, dass vielleicht doch alles wieder gut wird.

Große Leseempfehlung an alle!

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Veröffentlicht am 05.09.2020

Jede verlorene Figur bedeutet ein weiterer Mord

Blutschach
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“Blutschach” wurde erstmals unter dem Titel “Bullet Schach” von Ben Bauhaus veröffentlicht und ist ein sehr guter Einstieg in seine Thriller-Reihe.

Johannes “Johnny” Thiebeck war Hauptkommissar beim Berliner ...

“Blutschach” wurde erstmals unter dem Titel “Bullet Schach” von Ben Bauhaus veröffentlicht und ist ein sehr guter Einstieg in seine Thriller-Reihe.

Johannes “Johnny” Thiebeck war Hauptkommissar beim Berliner LKA, doch er wurde vom Dienst suspendiert, nachdem ein Serienmörder bei der Festnahme zu Tode gekommen war. Seitdem hält er sich als Sicherheitsberater über Wasser und widmet sich seiner großen Leidenschaft dem Schachboxen. Eine Kampfsportart, bei der die Kämpfer jeweils abwechselnd in Schach- und Boxrunden gegeneinander antreten. Eines Tages wird sein Auto gestohlen und taucht ein paar Tage später mit der Leiche des Sohnes seines Box-Trainers wieder auf. Kurz darauf erscheint ein weiteres Opfer aus Thiebecks Umfeld und es wird klar, dass es etwas mit ihm zu tun haben muss. Eine Soko wird eingerichtet und Thiebeck hilft bei den Ermittlungsarbeit. Dabei erkennt er Parallelen zu dem alten Fall, der für seine Suspendierung verantwortlich ist. Für Thiebeck läuft die Zeit, denn der Täter spielt mit ihm online ein tödliches Schachspiel: Jede geschlagene Figur bedeutet ein weiterer Mord.

Anfangs war mir Thiebeck mit seinem rauen Umgangston und seiner aufbrausenden Art wirklich unsympathisch, aber je mehr ich über ihn gelesen habe und miterlebt habe wie er mit anderen interagiert, desto liebenswürdiger wurde er für mich. Auch seine “mit dem Kopf durch die Wand” Mentalität hat ihn für mich sehr authentisch gemacht. Doch nicht nur er ist ein toller Charakter, alle anderen sind auch wundervoll ausgearbeitet! Mirko Densch, der Nachfolger von Thiebeck beim LKA, ist quasi das Gegenteil und hält sich nur an Vorschriften. Jana Kleidermann, Thiebecks frühere Kollegin und Psychologin Professorin Körner waren mir sofort sympathisch und haben Thiebeck etwas bremsen können.

Der Autor hat es geschafft die spannungsgeladene Zusammenarbeit zwischen Thiebeck und der Soko zu vermitteln und man merkt, dass Thiebeck den anderen, außer Jana und der Psychologin, nicht so wirklich über dem Weg traut. Die Sprache von Ben Bauhaus ist bildgewaltig und ich konnte all die Gefühle von Thiebeck nachempfinden - die Wut, die Hilflosigkeit, die Verzweiflung.

Dadurch, dass alles mit einem (ungeschriebenen) früheren Fall zusammenhängt, war es für mich manchmal verwirrend, weil ich nicht von Anfang an alle Informationen hatte, sondern nur langsam mit ihnen gefüttert wurde. Allerdings ist das wohl das einzige, das ich zu bemängeln habe.

Der ganze Thriller ist für mich sehr schlüssig aufgebaut und ich nichts habe als zu abwegig empfunden. Es bleiben auch keine offenen Fragen, außer vielleicht, was nun mit Thiebeck nach diesem Fall geschieht.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Eine Geschichte zum immer wieder lesen

Der kleine Prinz
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Es ist mehr als ein Kinderbuch und bei jedem Lesen entdeckt man etwas Neues. Die Geschichte ist voller Wärme und die Illustrationen des Autors sind so liebevoll gestaltet, sodass man gar nicht anders kann, ...

Es ist mehr als ein Kinderbuch und bei jedem Lesen entdeckt man etwas Neues. Die Geschichte ist voller Wärme und die Illustrationen des Autors sind so liebevoll gestaltet, sodass man gar nicht anders kann, als das Buch in sein Herz zu schließen. Ich bin dermaßen von dem Buch begeistert, dass ich es mir auch auf Chinesisch geholt habe, als ich in Peking war!

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Erschreckend dieses Buch im Jahr 2020 zu lesen

Noah
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Sebastian Fitzek nimmt einen mit "Noah" in eine unheimliche Welt, die sehr nah an der Realität dran ist. In "Noah" erleben die Charaktere den Anfang einer Pandemie und da wir uns momentan mitten in der ...

Sebastian Fitzek nimmt einen mit "Noah" in eine unheimliche Welt, die sehr nah an der Realität dran ist. In "Noah" erleben die Charaktere den Anfang einer Pandemie und da wir uns momentan mitten in der Coronakrise befinden, ist das Thema in diesem Buch plötzlich aktuell geworden. Es ist auch erschreckend wie Fitzek das Verhalten der Menschen prophezeit. Doch wer oder was steckt hinter der Manila-Grippe?

"Wohin sollte er gehen? Mit wem sprechen? War er auf der Flucht? Wurde er wirklich von bösen Mächten gejagt, wie Oscar ihm wieder und wieder zu erklären versuchte? Begab er sich tatsächlich in Lebensgefahr, wenn er sich an die Behörden wandte oder ins Krankenhaus ging? Oder war die Gefahr, die ihm angeblich drohte, nur eine weitere der unzähligen fixen Verschwörungstheorien, die in dem verschrobenen Gehirn dieses seltsamen Menschen steckten, von dem Noah kaum mehr wusste als über sich selbst."

Der Protagonist hat sein Gedächtnis verloren und weiß nicht, wer er ist, warum er auf der Straße lebt und warum in seiner Schulter eine frische Schusswunde verheilt. Er nennt sich Noah, denn dieser Name ist ihm auf die Handfläche tätowiert worden. Den Großteil der Geschichte verfolgen wir aus Noahs Sicht mit und sind dementsprechend genauso und verwirrt wie er. Die Perspektive wechselt zwischen vier Personen, aber durch die Ortsnennung kommt man nicht durcheinander und am Ende wird alles zusammengeführt.

Die Slum-Kapitel mit Alicia und ihren zwei Kindern waren für mich nicht notwendig, um die Geschichte voranzubringen. Es hat zwar die Problematik mit der ungerechten Verteilung von Nahrung und Reichtum verdeutlicht, aber für mich war das zu viel. (Oder spricht da die Stimme aus mir, die dies verdrängen will?)

Obwohl die Thematik sehr interessant ist und mich auch zum weiteren Nachdenken angeregt hat, hat mir die Spannung gefehlt. Für mich war es weniger ein Thriller, sondern mehr ein Actionbuch.

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