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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.10.2020

Spannend, atmosphärisch, geheimnisvoll

Das verborgene Zimmer
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Als Sylvie Durand erfährt, dass es in dem Familiensitz in der Provence einen Brand gab, macht sie sich mit ihrer 14-jährigen Tochter Emma auf den Weg in ihre alte Heimat, die sie vor zehn Jahren verlassen ...

Als Sylvie Durand erfährt, dass es in dem Familiensitz in der Provence einen Brand gab, macht sie sich mit ihrer 14-jährigen Tochter Emma auf den Weg in ihre alte Heimat, die sie vor zehn Jahren verlassen hat. Doch während sie den Verkauf des Hauses in die Wege leitet, ersteht neben dem romantischen Flair ein unsichtbares Grauen, das in der Vergangenheit wurzelt.
Von der ersten Seite an gelingt es Kate Riordan, ihre sicherlich überwiegend weibliche Leserschaft in Bann zu ziehen. Dir Zutaten sind geradezu klassisch: ein altes, lange verlassenes Herrenhaus, die landschaftliche und klimatische Verlockung Südfrankreichs, Familiengeheimnisse und eine latente, aber deutlich wahrnehmbare Bedrohung.
Im Wesentlichen geht es um drei Personen, die durch eine besondere Technik äußerst unterscheidbar sind: Sylvie erzählt aus der Ich-Perspektive heraus ihre Geschichte Emma, die also direkt angesprochen wird, während die erstgeborene Tochter Élodie in der dritten Person Erwähnung findet. Dieser Trick, der gut lesbare Schreibstil und die fortwährende Spannung lassen die Geschichte nur so vorüberfliegen.
Über Élodie erfahren wir zunächst nur, dass sie an einer Krankheit litt, deretwegen sie in einer Klinik behandelt wurde und an der sie schließlich starb. All die Fragen, die Emma stellt, werden abgewehrt oder ausweichend beantwortet. Ihre Neugierde überträgt sich rasch auf die Leserin: Was genau fehlte ihrer großen Schwester? Wer war sie wirklich? Warum verließen die Eltern ihre Heimat und trennten sich? Und weshalb spricht man nicht über das, was damals geschehen ist?
Als Mutter agiert Sylvie zwar liebevoll, gleichzeitig überbeschützend, bevormundend, deutlich angstgesteuert wie nach einer nicht überwundenen traumatischen Erfahrung. Emma zeigt sich als verständige, wenig aufmüpfige, anpassungsbereite Tochter. Das Band zwischen beiden scheint sehr eng. Doch im Laufe der Geschichte wird auch diese Beziehung auf eine harte Probe gestellt.
Ein wichtiges dramaturgisches Element spielt das Feuer, das in unterschiedlichen Situationen in Erscheinung tritt. Unter anderem versinnbildlichen die Waldbrände, die in dem heißen und trockenen Zeitraum ständig im Hintergrund lodern und permanent Rauchschwaden und Brandgeruch über das Land legen, die Allgegenwärtigkeit einer drohenden Gefahr.
Der kann man sich ebensowenig entziehen wie dem Zwang, hier ganz schnell Seite um Seite bis zum nervenzerreißenden Showdown zu verschlingen.

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Veröffentlicht am 14.09.2020

Bukowski hätte es gefallen

Notes on a Dirty Old Man.
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Man muss kein Charles-Bukowski-Fan sein, um von dieser Biografie, die eigentlich gar keine ist, begeistert zu sein. Es kann jedoch passieren, dass man es wird.
Eine Bemerkung vorab zur Ausstattung des ...

Man muss kein Charles-Bukowski-Fan sein, um von dieser Biografie, die eigentlich gar keine ist, begeistert zu sein. Es kann jedoch passieren, dass man es wird.
Eine Bemerkung vorab zur Ausstattung des Büchleins: Format, Cover, Titel, die Fotos im Innenteil - alles ist so stimmig, dass es wirklich eine Freude ist, es in Händen zu halten.
Bukowski auf dem Cover, bekleidet mit einem T-Shirt mit Bukowski, ein Titel, der eine enge Verbindung aufbaut zu seiner Kolumnensammlung „Notes of a dirty old man“ - man weiß, um wen es gehen wird. Und doch wird man noch positiv überrascht. Denn obgleich Bukowskis Lebensweg kein langweiliger war, hat Autor Frank Schäfer hier darauf verzichtet, ihn chronologisch und detailliert nachzuvollziehen. Anstatt dessen hat er zu jedem Buchstaben des Alphabets Stichworte herausgesucht, die eine Verknüpfung zu Bukowski herstellen. Das gelingt auf großartige Weise abwechslungsreich. Beeindruckend ist ebenfalls die Tiefe, mit der der Autor ausgelotet wird, die Fachkenntnis, die Recherchearbeit, die sich hinter dem Buch verbirgt, immer wieder bereichert mit Zitaten und Anekdoten, so dass alles wunderbar leicht daherkommt. Seine Zeit, die Kultur dieser Zeit, die er maßgeblich mitgestaltet hat, transportiert sich beinahe selbstläufig.
Keineswegs wird immer wohlwollend verfahren. Teilweise setzt sich Schäfer sehr kritisch mit Bukowski auseinander. Doch auch das hilft, diesen „Porträtist(en) des trivialen Lebens“ ein Stück weiter zu verstehen, sich weiter zu interessieren für den, der „gegen die hohe Literatur rebelliert“ und „nicht mehr und nicht weniger als eine plebejische Literatur propagiert“.
„Man muss einen Autor schon genau kennen, um seinen Wert wirklich schätzen zu lernen. Und man lernt den Autor nur genau kennen, wenn man ihn schätzt.“ Genau diese Einstellung ist hier deutlich zu spüren, und auch, dass sie der Grund dafür ist, dass das Buch so wahrhaftig und spannend geraten ist.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Interessantes, aber leicht seichtes Bild der Kunstsammlerin

Peggy Guggenheim und der Traum vom Glück
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Die reiche Erbin Peggy Guggenheim kennt sich in der Künstlerszene ihrer Zeit aus wie kaum jemand anderes. In den späten Dreißigern des letzten Jahrhunderts nutzt sie ihr Netz, um in London eine Galerie ...

Die reiche Erbin Peggy Guggenheim kennt sich in der Künstlerszene ihrer Zeit aus wie kaum jemand anderes. In den späten Dreißigern des letzten Jahrhunderts nutzt sie ihr Netz, um in London eine Galerie zu eröffnen. Doch das ist nur einer ihrer Träume.
Die Autorin Sophie Villard vermittelt glaubhaft die eigene Liebe zur Kunst und ein brennendes Interesse an der schillernden Figur der Mäzenin. Ihre Freude am Schreiben des Buches ist beinahe mit Händen greifbar. Der Zeitraum, den sie ausgewählt hat, 1937 - 42, umfasst den Übergang vom leichten, genussvollen Leben der Pariser Bohême zu der Bedrohung durch das deutsche Naziregime und schließlich den Kriegsterror.
In diesem Spannungsfeld erscheint Peggy zunächst unbekümmert, geradezu naiv. Sie unterhält unzählige Kontakte, unterstützt mit ihrem Geld bedürftige Freunde und verliebt sich mit Haut und Haar in den Schriftsteller Samuel Beckett. Die heraufziehende Gefahr unterschätzt die Jüdin allzu lange.
Der schlichte Schreibstil mit den saloppen Ausdrücken passt durchaus zu der Blauäugigkeit der Protagonistin, ihren Liebesabenteuern, ihrer allzu jugendlich anmutenden (immerhin ist sie zu Beginn des Romans schon fast vierzig) Art. Doch stellt sich beim Lesen Staunen und später Ungläubigkeit ein. Ist es wirklich möglich, dass diese bemerkenswerte Frau solcherlei Flausen im Kopf hatte? Sie wirkt oberflächlich und - mit Verlaub - nicht sonderlich gescheit. Ihre Gedanken sind ziemlich flach. Ob das Bild der tatsächlichen Person nahe kommt? Die Verbindungen, die sie aufbauen konnte, zeugen doch von einer hohen Stufe an Intellektualität, ebenso muss der Attraktivität, die sie auf Männer ausübte, ein besonderer Charme zugrunde gelegen haben, der hier leider nicht durchscheint.
Charaktertiefe, Leidenschaft für die Kunst, Liebe für ihre Kinder - das alles wird zwar erwähnt, aber nicht vollständig transportiert.
Was die Schrecken jener Zeit angeht, werden detaillierte Schilderungen weitgehend ausgespart. Dadurch wirkt alles etwas weichgespült und kaum belastend.
Das große Plus des Romans liegt darin, Neugier zu entfachen. Es ist beinahe unmöglich, es zu lesen, ohne sich Zugang zu weiteren Informationen zu verschaffen und sich solcherart eine Menge an Wissen anzueignen.

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Veröffentlicht am 08.09.2020

Sean Duffy, katholischer hard-boiled Ermittler

Alter Hund, neue Tricks
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Eigentlich hat der Belfaster Inspector Sean Duffy kein Interesse mehr an gefährlichen Einsätzen. Mit Frau und Tochter lebt er in seinem Hauptwohnsitz im ruhigen Schottland. Die wenigen Arbeitstage seiner ...

Eigentlich hat der Belfaster Inspector Sean Duffy kein Interesse mehr an gefährlichen Einsätzen. Mit Frau und Tochter lebt er in seinem Hauptwohnsitz im ruhigen Schottland. Die wenigen Arbeitstage seiner Altersteilzeit verbringt er hauptsächlich im Büro.
Als jedoch der Mord an einem Kunstmaler als aus dem Ruder gelaufener Autodiebstahl abgetan werden soll, beginnt er in eine andere Richtung zu ermitteln: Er vermutet einen politischen Hintergrund. Und schon rutscht sein Wunsch nach Sicherheit ziemlich weit nach unten.
Wie in allen seinen Büchern Reihe um den Intelligenten, gebildeten Hard-boiled-Ermittler hat Adrian McKinty auch diesen Band in die brisante Szenerie Nordirlands gesetzt. Im Jahr 1992 ist es für den katholischen Polizisten undenkbar, sich in seinen schwarzen BMW zu setzen, ohne zuvor darunter nach einer Bombe zu schauen.
Das wird so beiläufig immer wieder erwähnt, dass gemeinsam mit Schilderungen der Widrigkeiten, die von den üblichen Auseinandersetzungen ausgehen, das alltägliche Leben im Bürgerkriegszustand gleich von der ersten Seite an unglaublich nahe rückt.
Sein Ich-Erzähler ist ein Eigenbrötler, dessen Methoden nicht immer gutzuheißen sind. Der sich gern mit anderen anlegt, seinem Instinkt vertraut und sich in eine Idee verbeißen kann. Er liebt gute Musik (Musikliebhaber werden die Hinweise schätzen), alten Whiskey und traditionelle Polizeiarbeit. Hartnäckig verfolgt er Spuren auch dann, wenn sie Mühe, ungewisse Erfolgsaussichten oder Gefahr bedeuten.
Es sind vor allem diese beiden Komponenten, der Ermittler und der politische Konflikt, von dem der Roman lebt. Vielleicht ist nicht jeder Hinweis auf vergangene Fälle, kulturelle Ereignisse oder aktuelle Begebenheiten ohne Weiteres verständlich. Doch verbunden mit einer spannenden, komplizierten Story, ausgeprägten Charakteren und einem klugen Blick für aussagestarke Details und historisches Geschehen wird anspruchsvollen Krimiliebhabern hier wieder ein Highlight angeboten.

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Veröffentlicht am 06.09.2020

Auf dem Weg nach Vinland

Die Saga von Vinland
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In den Wirren der norwegischen Thronfolgekämpfen bleibt dem unterlegenen Eyvind nur die Flucht. In einem kühnen Streich raubt er seine ehemalige Verlobte und tritt mit einer Schar von Kriegern und einigen ...

In den Wirren der norwegischen Thronfolgekämpfen bleibt dem unterlegenen Eyvind nur die Flucht. In einem kühnen Streich raubt er seine ehemalige Verlobte und tritt mit einer Schar von Kriegern und einigen Bauern und Siedlern die Fahrt über den Atlantik an. Ziel ist Vinland, das legendäre Land, in dem Milch und Honig fließen. Dort will er eine neue Heimat gründen.
Das Schriftstellerpaar Iny Lorentz weiß genau, wie historische Sachverhalte in Geschichten verpackt werden müssen, um Lesende zu fesseln.
Die Versuche der nordischen Völker, die atlantische Küste Nordamerikas zu besiedeln, sind belegt. Hier im Roman nehmen die Menschen Gestalt an, schälen sich aus der anonymen Vergangenheit und werden zu Helden oder Schurken, zu Verrätern oder Freunden.
In einfachen, klaren Sätzen, manchmal mit verschnörkelten Ausdrücken oder Redensarten versehen, die in die betreffende Zeit verweisen sollen, nimmt die Handlung ihren Lauf. Vieles wird über Dialoge kommuniziert, ein geschickter Zug, Informationen und Zusammenhänge interessant und angenehm beiläufig zu vermitteln.
Zahlreiche Abenteuer flankieren die Reise, die Gruppe gerät von einer Gefahr in die nächste. Darüber hinaus gibt es zwischenmenschliche Konflikte, die in den Charakteren wie auch in den verschiedenen Rollen angelegt sind. Freundschaften wachsen oder zerbrechen, Ansichten und Meinungen prallen aufeinander. Fehler kommen teuer zu stehen. Frauen müssen um Achtung kämpfen, die ihnen jedoch zumeist versagt wird.
Manchen wird die Ausarbeitung zu klischeehaft erscheinen, immerhin ist Verlass darauf, dass die Guten gut und die Bösen böse bleiben. Sogar für etwas Romantik ist Platz, Sehnsucht nach großen Gefühlen wird gut bedient.
Und so verfolgt man gebannt, wie neben Eyvind und seiner geraubten Sigrid, den beiden Sachsen Andreas und Ailmar und der Skrälingerin Ingridur viele andere ihr Schicksal herausfordern.
Natürlich ist alles Spekulation, aber doch - so oder zumindest ganz ähnlich könnte es vielleicht gewesen sein.

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