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Veröffentlicht am 12.05.2025

Mysterium Müstair

Vier Tage im März
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Eva Fendt hat gerade ein Fotoshooting beendet und ist eigentlich auf dem Weg nach Hause zu ihrem Freund Thomas. Als allerdings der Ofenpass wetterbedingt geschlossen wird, verlängert sich die kurze Kaffeepause ...

Eva Fendt hat gerade ein Fotoshooting beendet und ist eigentlich auf dem Weg nach Hause zu ihrem Freund Thomas. Als allerdings der Ofenpass wetterbedingt geschlossen wird, verlängert sich die kurze Kaffeepause in Müstair auf ganze vier Tage. Welche Eindrücke Eva hier prägen, wie überwältigend die Gemälde in der Kirche sind, was sie zum Toten im Kloster denkt und wie sie Schritt für Schritt wieder zu sich selbst findet, erzählt Constanze Hotz in diesem vielschichtigen Roman.

Eine wundervolle Winterlandschaft breitet sich vor des Lesers geistigem Auge aus, freundlich und hilfsbereit begegnen die Einwohner von Müstair dem unfreiwilligen Gast im Dorf, Eva Fendt. Schnell ist eine Unterkunft gefunden, unterhält ein sympathischer Archäologe die Gestrandete mit Mythen und Mysterien, welche sich um das abgeschiedene Schweizer Bergdorf ranken. Alsbald ereilen Eva unheimliche Träume und Gedanken, insbesondere, nachdem eine Leiche auf dem Dachboden der Kirche gefunden worden ist. Spannende Erkenntnisse brechen sich über den Zeitraum von vier Tagen Bahn, geheimnisumwittert drängt Vergangenes ans Licht.

Die innere Zerrissenheit Evas fängt Hotz gekonnt ein, spiegelt diese auch wider in den Naturgewalten des schneereichen März und dem erzwungenen Halt im Dorf oder dem ermittlerischen Wettstreit zwischen dem Kommissar und dem Gemeindepolizisten. Sämtliche Figuren werden eindrücklich charakterisiert trotz der Kürze der Geschichte, das Ende liefert Antworten auf alle Fragen und lässt dennoch Spielraum für eigene Überlegungen.

Ein interessanter Ausflug in den Schweizer Kanton Graubünden und gleichzeitig ein Ausflug zu den Anfängen, welche Eva stets sucht, um keine Verbindlichkeiten eingehen zu müssen. Was all dem zugrunde liegt? Lüftet einfach das Geheimnis und lest selbst!

Veröffentlicht am 09.05.2025

Architektur und Sprache

Tokyo Sympathy Tower
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Sara Machina ist eine bekannte Architektin in Japan und steht nun vor der Herausforderung, einen Gefängnisturm zu planen, der neben dem Olympiastadion in Tokio errichtet werden soll. Das Besondere an ...

Sara Machina ist eine bekannte Architektin in Japan und steht nun vor der Herausforderung, einen Gefängnisturm zu planen, der neben dem Olympiastadion in Tokio errichtet werden soll. Das Besondere an diesem Turm wird sein, dass er ein Gefängnis beherbergt, wobei aber das Wort „Gefängnis“ tunlichst vermieden wird. Die Inhaftierten sind dort Gäste, die in ansprechenden Appartements leben, die sich in Bibliotheken bilden können und denen man mit Fürsorge und Wohlwollen begegnet. Machina steht dem Konzept skeptisch gegenüber, möchte den Wettbewerb dann aber doch nicht einfach anderen überlassen.

Ein spannendes Thema, Architektur und Sprache sind interessant, der neu gedachte Umgang mit Straftätern weckt mein Interesse. Allerdings kommt im Roman dann alles anders als erwartet. Die Erkenntnis, dass Worte die Wirklichkeit prägen, wird mit einer Künstlichen Intelligenz diskutiert, aber wie sich dies tatsächlich auf die Menschen auswirkt, ob das Ausklammern von abwertenden Wörtern Vorteile nach sich zieht und die Turmbewohner bessere Menschen werden lässt, bleibt ein offenes Experiment. Denn im Buch geht es vielmehr um die Architektin selbst und ihre innere Zerrissenheit zwischen diversen Problemfeldern. Da kommen Themen zur Sprache wie Gendergerechtigkeit oder sexuelle Gewalt, Körpergerüche und porentiefe Hygiene, Euphemismen und bewusste Veränderung der Sprachstruktur. In inneren Monologen oder Dialogen, zum Teil mit einen Chatbot, wird dann diskutiert und überlegt.

Leider konnte mich dieser Roman weder inhaltlich noch sprachlich fesseln, die etwa 160 Seiten werden nicht durch eine stringente Handlung geprägt, sondern durch eine Fülle an Gedanken, welche teils vom Menschen, teils von der Künstlichen Intelligenz genährt werden. Möglicherweise bin ich mit einer falschen Erwartungshaltung an dieses Buch herangegangen, andere werden mitunter eher etwas mit dem Text anfangen können.


Veröffentlicht am 08.05.2025

Das Schweigen brechen

Die Bücherfrauen von Listland. Der Gesang der Seeschwalben
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Um eine neue Bücherserie zu entwickeln, reist Journalistin Anna März ins mystische Listland, den nördlichsten Zipfel der nordfriesischen Insel Sylt. Dort möchte sie Fenja Lorenzen besuchen mitsamt deren ...

Um eine neue Bücherserie zu entwickeln, reist Journalistin Anna März ins mystische Listland, den nördlichsten Zipfel der nordfriesischen Insel Sylt. Dort möchte sie Fenja Lorenzen besuchen mitsamt deren erstaunlichem Bücherschatz, allerdings ist die 85jährige ausgeflogen und lediglich Tochter Elisa anzutreffen. Alsbald kommen die beiden Damen über einer Tasse Tee ins Plaudern und erkennen so manche Parallelen in ihren Familiengeschichten.

Einfühlsam und leise, aber deshalb nicht minder eindrucksvoll, erzählt Gabriella Engelmann diesen schönen Roman über Liebe und Zuneigung, über Notwendiges und Erzwungenes, über Verschwiegenes und Geheimnisvolles. In zwei Zeitebenen dürfen wir einerseits Lene ab dem Jahr 1937 folgen, andererseits Anna in der Gegenwart, wobei die Kapitel einander in loser Abfolge abwechseln. Beide Handlungsstränge enthalten bewegende Szenen und erzählen ein wenig vom Krieg, der im entlegenen Listland weniger spürbar ist und davon, wie Menschen ihre Nachfahren beeinflussen können, selbst ohne einander zu kennen. So wird es nun Zeit, „das Schweigen zu brechen“ [kindle, Pos. 4197] und Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen. Detaillierte Natur- und Landschaftsbeschreibungen fließen ebenso virtuos in den Text mit ein wie unzählige Buchempfehlungen, von denen ich einige bereits kenne, andere bestimmt noch näher ansehen werde. Besonders gut gefallen haben mir die vereinzelt eingestreuten kursiv gedruckten Kapitel über „Das Haus am Ende der Welt“, welche darlegen, was die alten Mauern alles beobachten und still in sich aufbewahren, wobei ich stets die unvergessliche Stimme Erich Kästners als Erzähler im Kopf gehabt habe. (Auch Kästner wird im Roman mehrfach erwähnt.)

Ein sehr angenehm zu lesendes Buch mit viel Liebe zu besonderen Einzelheiten. Ich empfehle es sehr gerne weiter und freue mich schon auf den zweiten Teil der Dilogie.

Veröffentlicht am 08.05.2025

Zweite Chance

Was am Ufer lauert
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Polizeireporterin Gianna Pitti arbeitet für den Messaggero di Riva, das kleine Lokalblatt, dem immer mehr Leser abhandenkommen. Als sie eine Leiche am Ufer des Gardasees entdeckt, denkt sie sofort an den ...

Polizeireporterin Gianna Pitti arbeitet für den Messaggero di Riva, das kleine Lokalblatt, dem immer mehr Leser abhandenkommen. Als sie eine Leiche am Ufer des Gardasees entdeckt, denkt sie sofort an den ersten Scoop vor drei Wochen, vielleicht könnte sie nun in kurzer Folge einen weiteren sensationellen Bericht liefern? Dabei wollte sie lediglich eine CD-ROM von einer Informantin übernehmen. Gleichzeitig kommt es in Malcesine zu einer Schießerei, wobei Gianna überlegt, wie plausibel ein Zusammenhang zur Toten am See ist.

Als begeisterte Leserin von Lenz Koppelstätters Südtirol-Krimi-Reihe mit den Kommissaren Grauner und Saltapepe war ich vom ersten Gianna-Pitti-Krimi eher enttäuscht, wollte dieser Serie jedoch eine zweite Chance geben. Die junge Reporterin nimmt per Zufall ebenfalls einen zweiten Anlauf für eine Exklusivmeldung, um das Lokalblatt nicht in die Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen. Im Zwiespalt, was als Erstes zu tun ist, verheddert sich Gianna zwischen Polizeiarbeit und Journalismus und landet prompt mitten in Ermittlungsarbeiten, die aber immer wieder in den Hintergrund gedrängt werden vom komplizierten Familiengeflecht der vom Adel abstammenden Pittis und von den Problemen der Chefredakteurin des Messaggero. Während die Umgebung des Gardasees eindrucksvoll in Szene gesetzt wird - da duften sogar die geköpften Rosen -, die leiblichen Genüsse mit Spaghetti allo Scoglio und einer guten Flasche Barolo nicht zu kurz kommen, wird der Krimi den Ankündigungen mit brisanten Ermittlungen (kindle, Pos. 43) kaum gerecht. Brisant ist eher die Familienkonstellation mit einem Vater, dem Starjournalisten, der nach einem Jahr Abwesenheit plötzlich wieder auftaucht, einem Onkel mit Seidenkrawatte und zunehmender Demenz und einer Mutter mit zweifelhaften Liebhabern. Auch die Chefredakteurin Elvira, Giannas Vorgesetzte, steht in einem nahen Verhältnis zu den Pittis, ist sie doch die Geliebte von Giannas „papà“. Die Idee, Winston Churchills geheime Schriften in die Handlung einzubetten, ist interessant und hebt den Roman dadurch ab von anderen Krimis mit Lokalkolorit. Die ständige zwanghaft erscheinende Erwähnung von „Kolleginnen und Kollegen“ wiederum hemmt mitunter den ansonsten angenehmen Lesefluss und lenkt zusätzlich vom ohnehin schon eher reduzierten Kriminalfall ab. Mit der Familie Pitti-Sanbaldi im Zentrum hat mich leider auch der zweite Teil der Ermittlungen am Gardasee nicht wirklich für sich einnehmen können.

Ein Krimi, der mehr von den einzelnen Figuren lebt als von den Fällen, welche aufgeklärt werden sollen, beim nächsten Mal werde ich Gianna eher nicht mehr begleiten.

Veröffentlicht am 06.05.2025

Fall 14

Kreidemord
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Im Kreidemuseum auf Rügen liegt eine Tote, qualvoll erstickt im weißen Staub. Dieser vierzehnte Fall für Romy Beccare führt nicht nur zu einem weit zurückliegenden Korruptionsfall in Polizistenkreisen, ...

Im Kreidemuseum auf Rügen liegt eine Tote, qualvoll erstickt im weißen Staub. Dieser vierzehnte Fall für Romy Beccare führt nicht nur zu einem weit zurückliegenden Korruptionsfall in Polizistenkreisen, sondern auch dazu, dass ihr Ehemann Jan Riechter unter Verdacht gerät.

Während der Klappentext Neugierde in mir weckt, denke ich beim Lesen immer wieder, dass ein Quereinstieg bei Fall 14 doch nicht ganz klug war. Zu viele Namen und Figuren begegnen mir beim Lesen, sei es im Team der Ermittler, sei es unter den Verdächtigen, sei es bei Verwandten vom Opfer. Die Kriminalisten werden recht gut charakterisiert, sodass man sich bei den Aktiven doch bald gut auskennt, allerdings reicht das Ganze ja auch etwa zwölf Jahre zurück, wodurch auch pensionierte Polizisten wieder ins Spiel kommen. Die unterschiedlichsten Spuren tauchen auf und werden akribisch verfolgt, ein Netz aus teils unübersichtlichen Handlungssträngen zieht sich nun durchs Geschehen, das zu allem Überfluss im Pandemiejahr 2020 abläuft und Hamsterkäufe, Abstandsregeln und sonstige Maßnahmen zur Sprache bringt. Möglicherweise bin ich die einzige Leserin, die 2025 nicht immer noch daran erinnert werden möchte, aber diese nicht unwesentliche Information hätte ich gerne vorab (z.B. im Klappentext) gehabt. Nun denn, es geht munter weiter mit einem hochmotivierten Team, bis schlussendlich eine fragwürdige Lösung als Treffer herhalten muss.

Alles in allem hat mich der Kreidemord auf Rügen nicht ganz überzeugt, was aber unter Umständen daran liegt, dass ich erst hier auf den Kahn aufgesprungen bin und frühere Zusammenhänge und Einzelheiten nicht kenne. Für treue Serienbegleiter bietet das Buch wohl eher das erwartete Lesevergnügen.