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Veröffentlicht am 24.09.2023

Spurlos verschwunden

Die Suche
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Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau ...

Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau spurlos verschwunden ist. Niemand versteht, dass Kim ihre erst sechs Wochen alte Tochter allein im Kinderwagen zurückgelassen hat und sich aus dem Staub gemacht oder sich gar im nahe gelegenen See ertränkt hat, aber genau das scheint damals geschehen zu sein. Beim diesjährigen Festival will man einen Aufruf starten und die Ermittlungen noch einmal aufleben lassen, da Kims Leiche nach wie vor nicht gefunden worden ist.

Detailliert beschreibt Jane Harper die Situation auf der Kirmes, heute, ebenso wie ein Jahr zuvor. Einige Figuren spielen eine tragende Rolle und werden auch vorstellbar charakterisiert, etliche Namen tauchen aber auch nur in Erinnerung an frühere Ereignisse auf, wie beispielsweise an die Jugendpartys am See, wo man sich bis zum Erbrechen betrunken hat. Selbstverständlich gibt es schlüssige Zusammenhänge, die am Ende verknüpft werden, den Überblick zu bewahren, fällt jedoch mitunter schwer, insbesondere, weil sich Falks Überlegungen und die Rückblicke seiner Freunde in Marralee doch recht in die Länge ziehen. Während sich Harpers Schreibstil flüssig liest, bleibt die Handlung aber immer wieder zäh zurück und verliert sich in plötzlich eingeflochtenen Zeitsprüngen in die Vergangenheit. Trotz aller Wirrungen ergibt sich am Ende eine passende Auflösung für alle offenen Fragen; die Idee für den Roman gefällt mir sehr gut, die Umsetzung ist leider diesmal nicht so gut gelungen wie bei „Der Sturm“.

Fazit: ein interessanter Spannungsroman über Schuld und Gesellschaftskonflikte, der nach einem eher langatmigen Beginn erst nach und nach an Spannung zulegt und ein überraschendes Ende bereithält.

Veröffentlicht am 24.08.2023

Brutal

Sekunden der Gnade
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Im Jahre 1974 soll die Rassentrennung in Bostoner Schulen endlich der Vergangenheit angehören. Busse werden schwarze Kinder in weiße Schulen bringen und umgekehrt. Aber die Southie High ist genauso ein ...

Im Jahre 1974 soll die Rassentrennung in Bostoner Schulen endlich der Vergangenheit angehören. Busse werden schwarze Kinder in weiße Schulen bringen und umgekehrt. Aber die Southie High ist genauso ein Elend wie die Roxbury High, auch bei der weißen Bevölkerung herrschen Gewalt, Drogensucht und Selbstjustiz, der Hass gegen Schwarze ist allgegenwärtig. Als Mary Pats siebzehnjährige Tochter nicht nach Hause kommt, begibt Mary Pat sich auf die Suche und taucht immer mehr ein in einen Ring von Widersprüchen, bis sie zur schrecklichsten Erkenntnis kommt, die es für eine Mutter überhaupt geben kann: Jules wird nie wieder heimkehren.

Neugierig geworden durch die Leseprobe hat mich dann aber doch das Ausmaß an Gewalt und Brutalität überrascht, mit welchem man als Leser konfrontiert wird. Dennis Lehane erzählt eindringlich und ungeschönt, die Atmosphäre im Bostoner Stadtviertel ist mehr als greifbar. Auch Mary Pats Verzweiflung, dass ihr nun nach ihrem Sohn noch die Tochter genommen worden ist, ihre Entschlossenheit, gegen die Übeltäter vorzugehen, ist sehr gut dargestellt. Angepasst an das beschriebene Milieu herrscht eine grobe Sprache vor, alles ist rund und stimmig. Dennoch ist es an manchen Stellen schwierig, weiterzulesen, die bildhafte Vermittlung von rassistischen Szenen, die ja an tatsächliche Vorgänge in Boston erinnern, sind nicht leicht zu verdauen.

Wie Schmerz zu Rache führt, wie Leid Kräfte freisetzen kann, genau das zeigt Dennis Lehane in diesem aufrüttelnden Buch. Nicht ganz mein Geschmack, aber dennoch sehr realistisch und überzeugend.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Elli in der Kita

Tödliches Dublin
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Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig ...

Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig größer sind, mit einem Kollegen eine Detektei gegründet. Aber so gut, wie alles scheint, läuft es nicht – das Haus muss kernsaniert werden und Seán kann nicht am versprochenen Arbeitsplatz beginnen. Umso mehr strengt sich Elli an und übernimmt kurzfristig eine Stelle im Kindergarten in Sandy Cove, wo sie verdeckt für eine Versicherung Nachforschungen anstellen soll. Außer arger Personalnot fällt ihr jedoch nichts auf, bis sie eines Morgens die Leiterin der Einrichtung tot hinter ihrem Schreibtisch findet.

Während Pia O’Connell Ellis interessante Geschichte erzählt, fügt sie zwischen den Kapiteln jeweils kurze kursiv gedruckte Sequenzen ein, in denen ein Heimkind berichtet. Wie diese beiden grundlegenden Handlungsstränge zusammenhängen, wird erst kurz vor dem Ende aufgelöst, sodass hier eine gewisse Grundspannung erzeugt wird. Im Mittelpunkt steht allerdings Ellie, die viel erlebt in diesem dritten Band. Die Handlung ist wohl in sich abgeschlossen, dennoch gibt es eine Menge Querverweise zu Ellis Eltern, Schwestern und einem Ex-Freund, die in diesem Ausmaß wenig zum Verständnis beitragen, aber vermutlich spannend sind für Leser, welche diese Reihe bereits kennen. Für mich als Neueinsteiger war die Verwandtschaft eher abschweifende Ablenkung als Unterhaltung. Auch sonst verliert sich die Handlung in vielen Nebenschauplätzen, die Vorfälle in der Kita verschwinden zunehmend in den Hintergrund, die Auflösung der Details wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen. Am meisten aber vermisse ich Erklärungen zu den Kinderheimen und Magdalenenschwestern mit ihren Wäschereien, ein unrühmliches Kapitel in Irlands Geschichte, das sich in seiner Tragweite nur Lesern erschließt, die darüber bereits Bescheid wissen. In der vorliegenden Form finde ich dieses überaus ernste Thema zu rasch abgehandelt.

Nichtsdestotrotz liest sich Tödliches Dublin flüssig und unterhaltsam, realistischer Alltag in Ehe und Arbeit findet ebenso Platz wie ein Kriminalfall, in den Elli verstrickt wird. Für entspannte Lesestunden ist also gesorgt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.08.2023

Klimarettungsappell statt Medizinthriller

Toxin
7

Gereon Kirchner forscht in Berlin am Milzbranderreger, um hochwirksame Medikamente gegen Krebs herzustellen. Als er eine Reise nach Alaska unternimmt, wo Karibus im Permafrost das entsprechende Bakterium ...

Gereon Kirchner forscht in Berlin am Milzbranderreger, um hochwirksame Medikamente gegen Krebs herzustellen. Als er eine Reise nach Alaska unternimmt, wo Karibus im Permafrost das entsprechende Bakterium in sich tragen, ereignet sich in einem Eistunnel ein Unglück und Gereon verschwindet von der Forschungsstation. Seine Bekannte, Wissenschaftsjournalistin Nina Falkenberg, setzt alle Hebel in Bewegung, dass Kirchner gefunden wird und schickt Tom Morell auf die Suche, denn in Berlin gibt es inzwischen Gerüchte, die Gereon mit dem Tod von zwei Obdachlosen in Verbindung bringen.

Dramatische Szenen in Alaska fesseln den Leser schon im Prolog, spannend geht es auch auf den folgenden Seiten weiter, man lernt unterschiedliche Figuren kennen und Wissenswertes über Permafrostböden, Viren und Bakterien und vor allem, wie man diese auf ganz gegensätzliche Weise als Medizin oder als Waffe einsetzen kann. Aber dann, dann wird es schulmeisterlich: mit erhobenem Zeigefinger erklären uns die beiden Autorinnen den Klimawandel, schreiben über Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und Verschwörungstheorien, selbst das Gendersternchen findet in einer Passage Eingang ins Geschehen. Schnell beschleicht einen das Gefühl, es geht gar nicht so sehr um einen aufregenden Thriller rund um Anthrax, sondern darum, die Menschen zu belehren. Auch wenn es irgendwann wieder mehr in Richtung der eigentlichen Handlung geht, so bleibt dieser unterschwellige mahnende Ton doch weiterhin vorhanden, nimmt gegen Ende des Buches sogar wieder zu.

Der Schreibstil von Lange und Thiele liest sich angenehm und flüssig, die Figuren sind plastisch und könnten uns durchaus genau so im echten Leben begegnen. Die Szenen wechseln häufig, sodass man neugierig wird, wie sich ein offener Handlungsstrang weiterentwickelt und welche Motivation jede einzelne Person antreibt. Auch die gründlichen Recherchen sind detailliert eingearbeitet und gut verständlich, selbst für Laien auf dem Gebiet der Medizinforschung. Der im Klappentext erwähnte Machtkampf zwischen Tom, Nina und einem unbekannten Gegner fällt jedoch vielen Ergüssen zu gesellschaftspolitischen Themen zum Opfer, als Leser wird man gleichsam überrumpelt von persönlichen Botschaften, welche wie ein Trojanisches Pferd in diesen Medizinthriller verpackt sind.

Die Kurzinformation zum Buch hat anderes erwarten lassen, ich bin vom Ergebnis nicht wirklich überzeugt.

Titel Toxin
Autor Kathrin Lange, Susanne Thiele
ASIN B0BL7MXBSY
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (464 Seiten)
Erscheinungsdatum 28. Juli 2023
Verlag Lübbe

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 30.07.2023

Wer ist wer?

Zwei Fremde
1

Remies Zeit der Nachtschichten im Hotel Mackinnon in den schottischen Highlands geht dem Ende zu, nur noch zwei Gäste werden in den letzten Stunden der Saison beherbergt. Schon am nächsten Tag will sie ...

Remies Zeit der Nachtschichten im Hotel Mackinnon in den schottischen Highlands geht dem Ende zu, nur noch zwei Gäste werden in den letzten Stunden der Saison beherbergt. Schon am nächsten Tag will sie abreisen, die Koffer sind gepackt. Aber ein aufkommender Schneesturm könnte ihr einen Strich durch die Rechnung machen, die Straßen unpassierbar werden lassen. Zu allem Unheil läutet es dann noch zwei Mal an der Tür und jeder der beiden Männer gibt vor, PC Gaines zu sein. Da kurz zuvor ein Häftling des nahe gelegenen Gefängnisses entflohen ist, handelt es sich wohl einmal um den echten Polizisten, das andere Mal aber um den gefährlichen Sträfling. Remie Yorke steht vor einem Dilemma – wem kann sie noch vertrauen?

Was als spannender Thriller mit Gänsehauteffekt angekündigt wird, beginnt auch vielversprechend, mit einem abgeschiedenen Hotel, wirbelnden Schneeflocken und Licht, das in den schwarzen Glasscheiben gleich einem spiegelglatten See reflektiert wird. Die angespannte Atmosphäre vor der landschaftlichen Kulisse des schottischen Hochlands passt perfekt, die wenigen Figuren an einem einsamen Ort lassen ein aufregendes Versteckspiel erwarten. Tatsächlich wird das Ganze aber oftmals unterbrochen von Remies Erinnerungen an ihren Bruder, der selbst in der benachbarten Haftanstalt eingesessen ist, sodass der Spannungsbogen, kaum begonnen, wieder einen Dämpfer bekommt. Auch die Personen wirken eher farblos, und nicht immer nachvollziehbar in ihrer Handlungsweise, aber wer weiß schon, wie man wirklich reagiert, wenn man mit zwei vermeintlichen Polizisten zu tun hat, von denen einer ein Lügner und eiskalter Straftäter ist. Dennoch kann ich mit niemandem in der Geschichte mitfühlen und bangen, obwohl gerade Remie sehr vielschichtig und detailliert charakterisiert wird. Die Szenen sind von guten Ideen inspiriert, jedoch nicht so umgesetzt, dass sie mir unter die Haut gehen. Etliches wirkt aufgesetzt, wodurch die Handlung langatmig und schwerfällig wirkt. Dann wiederum gibt es unerwartete Wendungen, welche Schwung ins Geschehen bringen, richtig überzeugend wird dieses Buch aber trotz allem nicht mehr, eher sind die sich überschlagenden Ereignisse zum Schluss schon fast zu viel.

Fazit: gutes Konzept, stimmige Atmosphäre, an Glaubwürdigkeit und Eindringlichkeit hapert es aber bisweilen.


Titel Zwei Fremde
Autor Martin Griffin
ASIN B0BL7MF8LB
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (288 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 30. Juni 2023
Verlag Lübbe
Originaltitel The Second Stranger
Übersetzer Angela Koonen