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Veröffentlicht am 01.04.2024

Nibelungengau

Im Schatten des Thronfolgers
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1909: Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Doktor Leopold Frisch werden nach Artstetten gerufen, da unter der Schlosskapelle von Thronfolger Erzherzog Ferdinands Landsitz ein toter Säugling ...

1909: Polizeiagent Johann Pospischil und sein Assistent Doktor Leopold Frisch werden nach Artstetten gerufen, da unter der Schlosskapelle von Thronfolger Erzherzog Ferdinands Landsitz ein toter Säugling gefunden wird. Bei den Ermittlungen im schönen Nibelungengau werden nach und nach unglaubliche Dinge offenbar, welche höchste Beamte in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie betreffen.

Anders als bei den meisten Krimis stolpert der Leser hier nicht gleich auf der ersten Seite über eine Leiche, nein, man darf geruhsam Land und Leute kennenlernen und mit Dampflokomotiven und Telegrammen tief eintauchen in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts. Bildhaft und detailreich beschreibt Christine Neumeyer die Gegend um Schloss Artstetten, erzählt Wissenswertes über Erzherzog Ferdinand und seine Ehefrau Sophie, charakterisiert die handelnden Figuren überaus lebendig und gut vorstellbar. Es wäre schade, wenn man die beiden vorangehenden Bände rund um Pospischil und Frisch nicht kennt, nichtsdestotrotz ist fürs Verständnis der persönlichen Entwicklung der sympathischen Ermittler keinerlei Vorkenntnis notwendig. Die beiden könnten gegensätzlicher nicht sein und doch bilden sie ein hervorragendes Team mit dem eher konservativen Pospischil, dessen Menschenkenntnis unübertreffbar ist und dem jungen wissenschaftsorientierten Frisch, der gerne Automobile lenkt und an einer Heißluftballonfahrt interessiert ist. Die Handlung bietet einen gut ausgewogenen Mix aus dem Flair der Donaumonarchie, einem außergewöhnlichen Kriminalfall und privaten Details zu den Wiener Geheimagenten. Zentrale Themen sind neben Intrigen und Betrug die Rolle der Frau zur damaligen Zeit, Vergewaltigung, ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung. Sorgfältige Recherche und ein einfühlsamer Umgang mit delikaten Problemen zeichnen diesen Kriminalroman aus, kurze Kapitel aus unterschiedlichen Blickwinkeln (stets mit übersichtlichen Orts- und Zeitangaben) fachen die Neugierde des Lesers an. Ein wenig Dialekt darf natürlich nicht fehlen, um alles recht authentisch darzustellen.

Auch Band Drei aus der Reihe der erfrischenden Schlosskrimis überzeugt in allen Belangen guter Unterhaltung: ein angenehmer, der Zeit entsprechender Schreibstil, ein charakterstarkes Ermittlerduo und die perfekt eingefangene Atmosphäre in den kleinen Ortsteilen rund um Schloss Artstetten. Mir hat´s wiederum sehr gut gefallen, ich empfehle „Im Schatten des Thronfolgers“ jedenfalls gerne weiter! 5*

Veröffentlicht am 01.04.2024

TV-Spiel

Spiel der Lügner
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Detective Ffion Morgan sitzt, wie Millionen andere Zuseher, vor dem Fernsehgerät und sieht sich eine neue Reality-Show an. Tatsächlich wird ganz in ihrer Nähe am walisischen Berg Pen y Ddraig (Drachenberg) ...

Detective Ffion Morgan sitzt, wie Millionen andere Zuseher, vor dem Fernsehgerät und sieht sich eine neue Reality-Show an. Tatsächlich wird ganz in ihrer Nähe am walisischen Berg Pen y Ddraig (Drachenberg) gedreht und die Dorfpostbotin ist eine der Kandidatinnen. Die Teilnehmer des TV-Formats sind allerdings entsetzt, als sie erfahren, dass es nicht einfach nur ums Überleben in der Wildnis geht, sondern um streng gehütete Geheimnisse, welche ein jeder von ihnen auf keinen Fall preisgeben möchte. Erst verschwindet einer der sieben Mitspieler, dann gibt es auch noch eine Leiche – Ffi steckt schon bald wieder gemeinsam mit Leo in schwierigen Ermittlungen.

Wer Ffi und Leo bereits aus Band Eins kennt, wird sich möglicherweise leichter tun mit diesen beiden Kommissaren, obgleich Wesentliches kurz erwähnt wird. Sind diese Zwei schon speziell, so übertrifft Hund Dave aus dem Tierheim mit stinkenden Fürzen und zähflüssigem Schleim an den Lefzen noch alles, bringt den Leser aber dennoch immer wieder zum Schmunzeln. Der Kriminalfall selbst braucht etliche Kapitel, um Fahrt aufzunehmen, die Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln schaffen es leider nicht immer, die Spannung zu steigern und den Leser von Anfang an zu fesseln. Dennoch ist die Idee mit der Reality-Show und den unbedingt zu verbergenden Geheimnissen gut gewählt, da die Zahl der Personen dadurch überschaubar bleibt. Gut gefallen mir auch die pointierten Dialoge zwischen Fffion und Leo und der Eiertanz um ihre private Geschichte. Ein bisschen mehr Nervenkitzel hätte dem Ganzen aber doch gut getan.

Fazit: interessante Idee, charakterstarke Figuren bis hin zum Hund, plausible Auflösung des Falles, allerdings zu wenig Spektakuläres – vier Sterne. Falls es eine Fortsetzung gibt, bin ich jedenfalls neugierig darauf, wie es weitergeht an der englisch-walisischen Grenze.

Veröffentlicht am 28.03.2024

Kunst und Literatur

Kuckuckskinder (Ein Falck-Hedström-Krimi 11)
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In seiner Galerie wird der Fotokünstler Rolf Stenklo überrascht und ermordet, kurz darauf erfolgt ein Anschlag auf die Familie des Literaturnobelpreisanwärters Henning Bauer. Patrik Hedström stehen schwierige ...

In seiner Galerie wird der Fotokünstler Rolf Stenklo überrascht und ermordet, kurz darauf erfolgt ein Anschlag auf die Familie des Literaturnobelpreisanwärters Henning Bauer. Patrik Hedström stehen schwierige Ermittlungen bevor, Erica Falck sieht einen Zusammenhang mit dem Tod einer Dragqueen im Jahre 1980.

Viele Namen und verwandtschaftliche Verhältnisse verwirren den Leser anfangs vielleicht, noch dazu schwenkt die Handlung immer wieder zurück ins Jahre 1980, nichtsdestotrotz können Camilla Läckbergs flotter Schreibstil und die sich nach und nach entspinnende Handlung immer mehr Begeisterung bei mir hervorrufen. Obwohl ich als Quereinsteigerin in diese Krimireihe die Figuren noch nicht gekannt habe, sehe ich Patrik, Erica und andere Personen aus dem Ermittlerteam rasch bildhaft vor mir, kann auch den privaten Hintergründen gut folgen. In große Kapitel nach Wochentagen ist der gesamte Ablauf eingeteilt, jedes einzelne Kapitel ist jedoch geprägt von kurzen, oft wechselnden Szenen, wodurch Aufmerksamkeit gefragt ist und stets Abwechslung geboten wird. Immer wieder ergeben sich Überraschungen und unerwartete Wendungen, obwohl unauffällig ins laufende Geschehen eingeflochtene Details sehr wohl Hinweise auf mögliche Täter liefern. Die Spannung steigt stetig und fesselt den Leser von einem Ermittlungstag auf den nächsten, sodass man kaum eine Pause einlegen möchte. Auch die Auflösung lässt keine Wünsche übrig, alles ist logisch durchdacht und nachvollziehbar zu Ende gebracht.

Dies ist mein erstes Buch der Autorin Camilla Läckberg, aber bestimmt nicht mein letztes. Mein Interesse ist aufgrund des Schreibstils und der überaus gut vorstellbaren Handlung jedenfalls geweckt.

Veröffentlicht am 27.03.2024

Gefangen auf Java

Und Großvater atmete mit den Wellen
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„Ich tue, was ich tun muss, ertrage, was ich ertragen muss, und vergesse, was ich vergessen muss, um durchhalten zu können.“ (Ärztin Dr. Melrose, kindle, Pos. 1585)

1943, weitab von Heimat und Krieg sind ...

„Ich tue, was ich tun muss, ertrage, was ich ertragen muss, und vergesse, was ich vergessen muss, um durchhalten zu können.“ (Ärztin Dr. Melrose, kindle, Pos. 1585)

1943, weitab von Heimat und Krieg sind die norwegischen Brüder Konrad und Sverre im Indischen Ozean an Bord der Anitra mit 13000 Tonnen Dieselöl unterwegs. Doch als die USA Japan den Krieg erklären, sind sie plötzlich auch hier in Gefahr. Nach einem Angriff auf das Schiff verlieren sie einander aus den Augen. Was erwartet die jungen Männer in der Nähe von Java, wie geht es in den hiesigen Krankenhäusern und japanischen Gefangenenlagern zu? Nach Teklas Geschichte in „Als Großmutter im Regen tanzte“ erfahren wir nun, wie es Großvater Konrad während der Kriegsjahre ergangen ist.

Juni Bjerke setzt sich nach dem Tod ihrer Mutter Lilla mit dem Schicksal ihrer Großeltern auseinander und erzählt im vorliegenden Roman über die schrecklichen Zeiten, welche ihr Großvater Konrad durchstehen musste, aber auch von Lichtblicken und von Momenten der Zuversicht, ohne die man kaum überleben konnte. Viele Dokumente und Berichte von Zeitzeugen untermauern die Kriegsgräuel, von denen hier zu lesen ist. Auch wenn die Handlung rund um Konrad und Sverre fiktiv ist, so liegen dieser doch wahre Begebenheiten zugrunde. Trude Teige versteht es, erschütternde Szenen zu schildern, und dort, wo es nötig ist, nur auf Andeutungen zurückzugreifen, ohne dem Leser allzu brutale Details zuzumuten. Viele Bücher handeln vom Zweiten Weltkrieg in Europa, Java unter japanischer Besatzung als Schauplatz ist eher unbekannt und daher besonders fesselnd und erschütternd ob der barbarischen Zustände, welchen die Gefangenen hier ausgesetzt sind. Bei ihrer sorgfältigen Recherche stößt die Autorin aber auch auf Hilfsbereitschaft, Kameradschaft und Hoffnung, an die sich die Internierten trotz aller Widrigkeiten klammern, um eines Tages wieder einfach nur frei zu sein.

Hervorragend schafft es Trude Teige, Realität und Fiktion zu einem bewegenden Roman zu verquicken, spürbare Emotionen und lebendige Figuren ziehen den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in ihren Bann. Bestimmt ist es extrem schmerzhaft, sich mit der Vergangenheit seiner eigenen Familie zu beschäftigen, insbesondere, wenn es so einschneidende und dramatische Zeiten betrifft wie hier bei Konrad. All das Erlebte hat ja auch immer Auswirkungen auf die jeweiligen Nachkommen. Umso mehr danke ich Trude Teige dafür, die beiden Bücher über Großmutter und Großvater verfasst zu haben und das zusammengetragene Wissen mit sehr vielen Lesern zu teilen. Mir bleibt nur, eine Empfehlung aus tiefstem Herzen auszusprechen für beide Romane, welche mich sehr berührt haben.

Veröffentlicht am 25.03.2024

Polizeiarbeit anno 1970

Die Kriminalistinnen. Acht Schüsse im Schnee
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Die ersten Kriminalbeamtinnen werden in Düsseldorf ausgebildet, darunter Lucia Specht, welche momentan einerseits der Abteilung Sitte zugeteilt ist, andererseits auch in einem Mordfall mitermittelt: Der ...

Die ersten Kriminalbeamtinnen werden in Düsseldorf ausgebildet, darunter Lucia Specht, welche momentan einerseits der Abteilung Sitte zugeteilt ist, andererseits auch in einem Mordfall mitermittelt: Der Millionär Theo Ellerbeck ist direkt vor seiner Villa mit acht Schüssen niedergestreckt worden, weder seine Witwe noch seine Stieftochter sind besonders kooperativ. Dem Thema liegt ein wahrer Fall zugrunde.

Wenige Sätze genügen, schon ist man mitten drinnen im Jahre 1970: Frauen unter den Kriminalbeamten haben mit zahlreichen Vorurteilen zu kämpfen, Gasthäuser sind vollgequalmt mit Zigarettenrauch, man arbeitet mit schwergängigen Schreibmaschinen oder im Matrizenraum. Mit der entsprechenden Musik, die immer wieder ins Spiel kommt, ist die passende Atmosphäre perfekt eingefangen. Ebenso sind die Figuren gut charakterisiert, Themen der Zeit – Frau zu Herd und Kind oder doch an einen Arbeitsplatz, Homosexualität, sexuelle Belästigung,… - beschäftigen die Mitarbeiter im Kommissariat. Der Mordfall ist interessant und führt unter anderem in Künstlerkreise, zudem hat Lucia noch eine private Rechnung offen und will auch hier endlich einen Schlussstrich ziehen.

Angenehm flüssig zu lesen, zuweilen versehen mit humorvollen Szenen, aber auch wissenswerten Details zur Polizeiarbeit anno 1970 – so präsentiert sich dieser unterhaltsame Krimi, der gut für sich allein verständlich ist, vermutlich aber im Zusammenhang mit Band Eins noch besser. Ich habe mich jedenfalls sehr gut unterhalten gefühlt und empfehle dieses Buch gerne weiter.