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Veröffentlicht am 03.02.2024

Im Kampf gegen die Kinderlähmung

Kinderklinik Weißensee – Geteilte Träume (Die Kinderärztin 4)
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Im geteilten Berlin der Nachkriegsjahre spielt sich dieser vierte Band der Reihe Kinderklinik Weißensee ab. Während Marlene 1948 in den Westen flüchten muss, bleibt ihre Schwester Emma in der Sowjetzone, ...

Im geteilten Berlin der Nachkriegsjahre spielt sich dieser vierte Band der Reihe Kinderklinik Weißensee ab. Während Marlene 1948 in den Westen flüchten muss, bleibt ihre Schwester Emma in der Sowjetzone, in welcher Weißensee mit der im Jahre 1911 eröffneten Klinik liegt. Diesmal stehen weniger die beiden Schwestern, sondern vielmehr Emmas Tochter Lissi als eifrige Assistenzärztin im Mittelpunkt, welche gegen die stark steigende Zahl an Fällen von Kinderlähmung ankämpfen muss. Allerdings scheint ihr, die selbst aufgrund einer überstandenen Polioinfektion an einer leichten Gehbehinderung leidet, der Klinikdirektor nicht freundlich gewogen, insbesondere die Therapie mit Tieren lehnt der gestrenge Direktor Nowikow strikt ab.

Wunderbar fügt sich dieser Teil an seine Vorgänger an, das Wiedersehen mit alten Bekannten bereitet wohl jedem Leser der Serie große Freude. Auch diesmal gibt es wieder schwierige Zeiten zu überstehen, insbesondere zwischen Marlene und Emma kriselt es gewaltig, sodass der gewohnte Zusammenhalt nach dem frühen Tod von Mutter Elisabeth ernsthaft gefährdet ist. Dazu kommen genauestens recherchierte Details aus dem Klinikalltag mit konkreten Operationstechniken und dem Kampf gegen die sich ausbreitende Kinderlähmung. Therapien mit Sauerstoffbombe und Eiserner Lunge werden ebenso lebendig ins Geschehen eingefügt wie die wöchentliche Musikstunde, welche zur raschen Genesung der kleinen Patienten beitragen soll. Missverständnisse, Gerüchte und stolzer Eigensinn sorgen für Spannung, durch überraschende Wendungen bleibt das Buch bis zum Ende hin fesselnd und aufregend.

Mit der Kinderklinik Weißensee spannt Antonia Blum einen großen Bogen von Marlenes und Emmas entbehrungsreicher Kindheit im Heim bis hin zu deren erfolgreichen Karrieren als Kinderärztin bzw. Pflegeleiterin. Vor stürmischem politischem Hintergrund erlebt das kleine Krankenhaus Höhen und Tiefen, für Marlene und Emma beginnt und endet die bewegende Geschichte mit dem besten Streuselkuchen Berlins. Das heißt, auch jeder, der nun neugierig geworden ist, sollte ganz von vorne beginnen und die gesamte Reihe in vollen Zügen auskosten. Ich empfehle „Kinderklinik Weißensee“ jedenfalls sehr gerne weiter und vergebe überzeugt fünf verdiente Sterne.

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Veröffentlicht am 02.02.2024

Hinkemädchen

Sturmmädchen
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In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem ...

In ihren Kindertagen verbringen Elli, Margot und Käthe unbeschwerte Tage in der Eifel und schwören einander ewige Freundschaft und immerwährende Treue. 1938 jedoch kommt es zum Bruch, Käthe, die mit ihrem Vater und ihren Brüdern aufwächst, fühlt sich zum Frauenbund der Nationalsozialisten hingezogen, Margot gerät alsbald in den Strom der Judenverfolgung und auch Elli steht aufgrund ihrer Gehbehinderung auf der Beobachtungsliste der Nazis. Das Hinkemädchen, wie Elli hinter vorgehaltener Hand genannt wird, sieht es als ihre Pflicht, Margot und ihrer jüdischen Familie zu helfen, ebenso, wie das Handwerk der Hebamme und der Heilkräuterkunde von ihrer Mutter Alma zu erlernen. Die Gefahren, jüdischen Verfolgten zu helfen, werden jedoch von Tag zu Tag größer, selbst die frühere Freundin Käthe steht nun aufseiten des Feindes.

Aus dem Blickwinkel Ellis schildert Lilly Bernstein eine erschütternde Zeit, sorgfältige Recherchen in der Natur der Eifel und in entsprechenden Archiven lassen die Jahre 1938 – 1940 lebendig werden mit all ihren Grausamkeiten einerseits und großer Hoffnung andererseits. Behutsam wählt sie ihre Worte, um den wahren Begebenheiten gerecht zu werden, welche diesen fiktiven Roman leider auf ein sehr realistisches Fundament stellen - im interessanten Nachwort erfährt der Leser ein wenig mehr darüber. Sehr eindrücklich erzählt Bernstein, wie bislang gern gesehene Dorfbewohner plötzlich geschnitten werden, wie nach dem Dominoprinzip mitgegrölt wird bei Judenbeschimpfungen, wie sich immer mehr Menschen abwenden und nicht mehr beim „Judenpack“ einkaufen, obwohl sie das jahrelang zur höchsten Zufriedenheit getan haben. Von schlimmen Details über die „Aufbewahrung“ in Judenhäusern ist hier zu lesen, wobei man sich das wahre Ausmaß der tatsächlichen Zustände wohl kaum wirklich ausmalen kann. Aber auch über innige Freundschaft und Standhaftigkeit dürfen wir mehr erfahren, obwohl Misstrauen und Argwohn stets zunehmen, schließlich darf man in diesen Tagen niemandem vertrauen.

Spannende Schicksale, aufregende Wendungen und berührende Szenen lassen den Leser Kapitel um Kapitel verschlingen, ich habe das Buch mehr oder weniger in einem Schwung gelesen und spüre meine Emotionen noch Achterbahn fahren. Schön, dass es dieses traurige und zugleich aber auch hoffnungsvolle Buch gibt, sodass diese Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten.

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Veröffentlicht am 27.01.2024

Schicksalsjahre nach dem Krieg

Die Straße des Glücks
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Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als ...

Katharina und Frank wachsen im schwäbischen Erbingen auf. Bald nachdem sie einander näher kennengelernt haben, muss Frank allerdings in den Krieg ziehen und gerät am Ende in russische Gefangenschaft. Als Katharina kaum noch Hoffnung auf ein Wiedersehen hat, kehrt Frank unversehrt zurück und ehelicht seine Verlobte. Katharinas Glück weicht jedoch recht schnell einer inneren Leere, denn als verheiratete Frau vermisst sie ihren Beruf als Schneiderin und Modezeichnerin, Heim und Garten erfüllen sie nicht wie erhofft.

Schon der Prolog dieses wunderbaren Buches eröffnet dem Leser den flüssigen und sehr angenehm zu lesenden Schreibstil von Bettina Pecha – melodisch und bildreich erschafft sie lebendige Szenen und wirft eine Reihe an Fragen auf. Der gelungenen Eröffnung folgt eine berührende Geschichte, die in ihrer Chronologie immer wieder Rückblenden enthält auf Ausschnitte während des Krieges, auch wenn sich der überwiegende Handlungsverlauf in den Jahren des Wirtschaftswunders abspielt. Insbesondere die rechtliche Situation einer verheirateten Frau zur damaligen Zeit lässt uns heute die Haare zu Berge stehen, war deren Berufstätigkeit doch an das Einverständnis des Ehemannes gebunden, ebenso wie das Erlangen eines Führerscheins. Die gesellschaftlichen Konventionen sahen die Mutter am Herd vor, die hübsch gekleidete Gattin als Aufputz an der Seite ihres Mannes. Unzufrieden mit dieser Konstellation, zeigt Katharina Mut und Stärke, aber ob das für entscheidende Veränderungen reicht?

Gut recherchierte politische Hintergrundinformationen und Gespräche mit Zeitzeugen lassen dieses Buch zu einem wahren Lesevergnügen werden. Sämtliche Personen sind überaus authentisch gezeichnet und vermitteln ein recht realistisches Gefühl für die damalige Lebensweise. Nicht zuletzt spürt man die Lebendigkeit in der Geschichte durch Aenne Burda oder Konrad Adenauer. Pecha gelingt es mühelos, ihre Leser in die 1950er-Jahre zurückzuversetzen, in eine Zeit, die sich so stark von heute unterscheidet und einer verheirateten Frau so viel an Einschränkung aufbürdet. Ich finde diesen Roman ausgesprochen empfehlenswert und bin gespannt, wie es mit Katharina im folgenden Buch weitergeht.

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Veröffentlicht am 25.01.2024

Kupfer für Augsburgs Brunnen

Die Tochter des Lechflößers
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Als Lechflößer Hans Biechler Kupfer und Zinn den Lechfluss entlag nach Augsburg triften soll, ist nicht nur seine Tochter Ann-Kathrin, kurz Annka, mit von der Partie, sondern auch ein fremder Geselle, ...

Als Lechflößer Hans Biechler Kupfer und Zinn den Lechfluss entlag nach Augsburg triften soll, ist nicht nur seine Tochter Ann-Kathrin, kurz Annka, mit von der Partie, sondern auch ein fremder Geselle, der noch schnell vor der Abfahrt um Mitnahme bittet und auf eines der Flöße aufspringt. Die Metalle für das Dach der Fugger sollen jedoch nicht wie vereinbart ankommen. Nach etlichen Schwierigkeiten am Wasser wird Biechler in Augsburg in den Schuldturm gesteckt, weil er angeblich das wertvolle Kupfer für den Brunnenbau der Stadt verkauft hätte. Für Annka beginnen Tage voller Sorge um den Vater, den sie um (fast) jeden Preis wieder befreien will.

Beeindruckende Schilderungen und detailgetreue Einzelheiten über die anstrengende Tätigkeit der Flößer fesseln den Leser von Anbeginn dieses wunderbaren Romans. Lebendig und bestens vorstellbar werden Szenen aus dem Alltag der Männer dargestellt, Biechlers Tochter ist aber mindestens ebenso geschickt im Umgang mit reißendem Wasser und so manchem „Höllenritt“ wie die Alten. Später erzählt Autor Peter Dempf genauso ausführlich und sorgfältig recherchiert vom Gießverfahren für Bronze- und Messingfiguren. Eingebettet in einige historische Tatsachen rund um 1593 entwirft er eine fiktive Handlung, welche ebenso fesselnd wie flüssig zu lesen ist. Die Fahrt hält einige Aufregung für Annka bereit, wem sie nach der Verhaftung ihres Vaters noch vertrauen kann, ist ihr lange Zeit unklar. So darf man die mutige Frau begleiten und mit ihr zittern, welches Ende die Geschichte wohl nehmen wird.

Logische Abläufe und bestens beschriebene, nicht immer gleich durchschaubare Charaktere sorgen für spannende Lesestunden, gewissenhafte Recherche und die Details zur historischen Stadt Augsburg stellen diesen Roman auf ein optimales Fundament. Mich hat dieses Buch ausgezeichnet unterhalten, weshalb ich es gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 23.01.2024

Roza in Gefahr

Grenzfall – In den Tiefen der Schuld
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Diesmal ist es Kollegin Roza Szabo, welche in Gefahr gerät und von Chefinspektor Bernhard Krammer gesucht wird. Ihre Spur führt von Innsbruck an den bayrischen Walchensee, wodurch auch Oberkommissarin ...

Diesmal ist es Kollegin Roza Szabo, welche in Gefahr gerät und von Chefinspektor Bernhard Krammer gesucht wird. Ihre Spur führt von Innsbruck an den bayrischen Walchensee, wodurch auch Oberkommissarin Alexa Jahn ins Spiel kommt.

Der bereits vierte Grenzfall schließt nahtlos an seinen Vorgänger an und auch wenn hier einige frühere Informationen zwecks Verständnis wiederholt werden, so empfehle ich doch das Lesen dieser Reihe von Beginn an. Anna Schneider steigert in diesem Band das Tempo, insbesondere die kursiv abgedruckten Gedanken einer anfangs unbekannten Person gehen unter die Haut. In einem gekonnten Mix aus Spannung und privatem Hin und Her zwischen Vater und Tochter unter den Ermittlern entsteht ein Sog, dem man sich kaum mehr entziehen kann. Scheint es anfangs nur um Roza zu gehen, so kommen im Laufe der Tage immer weitere Erkenntnisse hinzu, welche sogar über das Burgenland bis hin nach Ungarn weisen. Mit welch verzwickter Sache haben es Bernhard und Alexa diesmal zu tun?

Für den Leser jedenfalls bedeutet Band Numero Vier packende Lesestunden mit einem kniffligen und komplizierten Fall. Schön ist es immer wieder, bereits bekannten Figuren über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie unterschiedlich Alexa und ihr Vater an gewisse Fragestellungen herangehen und wie ähnlich sie einander dennoch sind. Obgleich der Zufall den Ermittlern in die Karten spielt, hat mich dieser Teil der Reihe „Grenzfall“ vollkommen überzeugt, ich freue mich bereits auf die Fortsetzung!

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