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Veröffentlicht am 08.03.2025

Ein Fluch, zwölf Tage und Nächte Liebe und Leid

Twelve of Nights – Das gestohlene Herz
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Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, ...

Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, obwohl Geist und Körper weiterleben. Herzen, die in Silvester wieder in Takt gebracht werden. Und Herzen, die sogar aus der Brust geschnitten werden.
Hört sich geheimnisvoll an? Ja, sehr! Ekelig? Nein, das nun wirklich nicht. Eher schön. Sehr schön. Denn es geht um die große Liebe. Die einzig wahre. Die, die unverhofft kommt und dann wie ein Blitz einschlägt. Und vor Sehnsucht verbrennt.
So ist es zumindest bei Ioanna und Daphne. Und alles könnte so wunderbar sein, wäre Ioanna nicht ein Kalikanzari. Ein Wesen, das mit einem Fluch belegt seine Gefühle, seine Menschlichkeit eingebüßt hat und nur zu den Raunächten wieder Emotionen empfinden kann. Und in eben dieser Zeit verlieben sich Ioanna und Daphne im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich ineinander, bevor sie dann die restlichen Tage des Jahres getrennt voneinander verbringen müssen. Für die Kalikanzari bedeutet das, keine Gefühle und keinerlei Kontakt zu der Außenwelt zu haben. Die Menschen dagegen besitzen keinerlei Erinnerung mehr an die besagten zwölf Tage und Nächte. Und Daphne damit auch nicht an Ioanna.
Das wird tragisch, traurig, ein verzweifelter Kampf um die gemeinsame Liebe – erzählt aus zwei Perspektiven und in verschiedenen Zeitebenen. Und als ob das nicht schon Herzschmerz, fesselnd und schön genug wäre, stehlen auch Cover, geprägter Einband, Farbschnitt und Illustrationen einem das Herz.
Und das Gesamtpacket hat mir so wunderbare Lesestunden bereitet. Und den Viren und Bakterien sehr schnell den Gar aus gemacht.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2025

Raffiniertes Rätselraten mit Witz und doppeltem Boden

Wackelkontakt
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Ein Wackelkontakt, Kurzschluss oder einfach ein Schluckauf des Schicksals? Es ist geheimnisvoll, unerklärlich: Franz Escher ist Trauerredner, Puzzlefanatiker und ein eher durchschnittlicher, unauffälliger ...

Ein Wackelkontakt, Kurzschluss oder einfach ein Schluckauf des Schicksals? Es ist geheimnisvoll, unerklärlich: Franz Escher ist Trauerredner, Puzzlefanatiker und ein eher durchschnittlicher, unauffälliger Typ. Als großer Liebhaber von Mafiageschichten schmökert er sich durch das Leben des Kronzeugen Elio Russo. Und dann gibt es da Elio Russo selbst, der im Gefängnis sitzt, nachdem er gegen sämtliche Mafiagrößen ausgesagt hat. Und der mit dem Buch seines Zellengenossen die deutsche Sprache zu erlernen versucht, um sich so auf sein neues Leben weit weg von Italien vorzubereiten. Und dieses Buch handelt von Franz Escher, scheinbar dem Franz Escher.
Klingt verwirrend? Ist es nicht, eher verflochten, verstrickt und ineinander verwoben. Zwei Leben, die sich so miteinander verschränken. Scheinbar unabhängig, völlig losgelöst voneinander. Doch auch bei einem Wackelkontakt und Kurzschluss berühren sich die losen Ende, entzünden einen kräftigen Funken. Und eben diesen Funken arbeitet Wolf Haas nach und nach heraus, lässt so Aha-Momente und überraschende Wendungen entstehen und die Gedanken der Leser rotieren und sich ebenso in deren Köpfen umschlingen.
Das macht Spaß. Und lässt mich über die Seiten fliegen. Immer wieder mit kurzen Zwischenstopps, um mich zu sortieren, die Handlungsstränge auszubreiten, nachzuverfolgen. Und das bei sich steigender Frequenz im Wechsel, was der Geschichte zusätzlich Dynamik gibt. Sie nach vorne treibt. Doch das eine oder andere Ampere mehr hätte ich mir noch gewünscht, das Moment, das alles zum Leuchten bringt.

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Veröffentlicht am 22.02.2025

Kolonialismus und die Suche nach der eigenen Identität

Unentdeckt
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Unsere Ahnen lebendig halten – für jeden Menschen mag dies eine eigene Bedeutung, Inhalt und Dringlichkeit haben, ist mit der jeweiligen Kultur, Tradition und Religion verbunden. Für Gabriela Wiener ist ...

Unsere Ahnen lebendig halten – für jeden Menschen mag dies eine eigene Bedeutung, Inhalt und Dringlichkeit haben, ist mit der jeweiligen Kultur, Tradition und Religion verbunden. Für Gabriela Wiener ist es ein Zurückblicken auf ihre Familiengeschichte in Peru, auf ihren Ururgroßvater, welcher Beutekunst, tausende präkolumbianische Objekte – dingliche und lebendige Menschen – nach Europa gebracht hat. Diebesgut, gestohlen im Namen der Wissenschaft und für die Neugierde und den Voyeurismus seiner Bevölkerung.
Gabriela Wiener lebt mit dieser Vergangenheit, die tief in ihrem Geist und Körper eingeschrieben ist. Sie begibt sich auf Spurensuche. Selbst inzwischen in Spanien lebend, reist sie aus Anlass des Todes ihres Vaters zu ihrer Mutter nach Peru, begibt sich dort in Identitäten und Parallelen, welche über Raum und Zeit hinweg ihre Familie zu durchdringen scheinen. Das Doppelleben ihres Vaters mit zwei Beziehungen, Haushalten und Kindern erscheint dabei als eine Widerspiegelung des Lebens des Deutschlehrers Charles Wiener, des großen Abenteurers und Entdeckers, der Frau und Kind in Peru zurückgelassen hat.
Und auch Gabriela Wieners eigene Beziehungsgeschichte ist von Treulosigkeit und dem Priorisieren ihrer eigenen Bedürfnisse geprägt. Mit ihrem Mann lateinamerikanischer Herkunft und einer gebürtigen Spanierin in einer Lebens- und Hausgemeinschaft hat sie zahlreiche sexuelle Affairen und Seitensprünge und ist gequält von ihrer eigenen Untreue und Eifersucht in ihrer Partnerschaft. Ihre Suche nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit wird zu einer Belastung für alle Beteiligten und stellt das Beziehungsmodell zunehmend in Frage – sowie auch ihre Verwandtschaft mit Charles Wiener plötzlich nicht mehr gesichert scheint.
Gabriela Wieners autobiographischer Roman ist auch für ihre Leser*innen ein Reisen, Erfahren und Entdecken von Ungeahntem und Ungesagtem, von Schwere und Schrecken, von Dunklem in der Geschichte und Wegen aus dieser Schuld und Vergangenheit hinaus. Und sie ist ein Mahnen vor einer Überlegenheit und Vorherrschaft im Denken, dem Setzen von Normen und Werten und einem Eurozentrismus in der Begegnung von Menschen, Völkern und Kulturen.

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Veröffentlicht am 10.02.2025

Ein ganz großer Roman und Pageturner zugleich

In ihrem Haus
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Lieblingsbuch! Ein neuer all time favourite! So viel, intensiv, so stark habe ich „In ihrem Haus“ niemals erwarten können. Und wurde dann so überrascht und belohnt. Mit 24 Stunden Dauerlesen. Mehreren ...

Lieblingsbuch! Ein neuer all time favourite! So viel, intensiv, so stark habe ich „In ihrem Haus“ niemals erwarten können. Und wurde dann so überrascht und belohnt. Mit 24 Stunden Dauerlesen. Mehreren für mich vollkommen unerwarteten Wendungen. Und einer Geschichte ebenso stark wie ihre Aussagen. Ich mag es gar nicht aus der Hand legen.
Um meine Emotionen aber zu zügeln und damit in Worte zu fassen: Die Geschichte hat alles, was sie unvergesslich macht. Sie mit Bedeutung auflädt und doch zugleich flüssig und so willig zu lesen macht. Und sie tatsächlich einen Pageturner sein lässt. Mit dieser wunderbaren Sprache, dieser Tiefe und auch der Schwere und Traurigkeit, die in ihr stecken. Und die sich in all ihrer Tragik und Dramatik unaufhaltsam entwickeln.
Wie eine Knospe, die sich nach und nach öffnet, zeigen sich auch die verschiedenen Ebenen, Schattierungen, die Vielschichtigkeit in Handlung und Sujet. Wir befinden uns in den Niederlanden der 60er-Jahre, auf dem Land, in einem abgelegenen Haus. Isabel lebt seit dem Tode ihrer Mutter hier allein, zurückgezogen, sich selbst, ihren Abläufen und Eigenheiten genügend. Zu ihren beiden Brüdern hat sie lockeren Kontakt, jeder mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Doch all dies ändert sich, als Leo seine Kurzzeitfreundin Eva für mehrere Wochen bei ihr einquartiert. Denn Eva ist nicht, was sie scheint, setzt Dinge in Gang, legt Wurzeln frei. Und lässt alte und neue Geheimnisse ans Tageslicht kommen.
Und was wir dann als Leser erblicken, ist groß, gewaltig und von einer Tragweite, die eine gesamte Nation umspannt. Und es ist so raffiniert in der Geschichte verwoben, in dieser angelegt und doch ein großes Staunen als es sich aus dieser entwickelt, dass es eine große Meisterschaft darstellt. Und bei aller Trauer, Ohnmacht und Wut auf jeder Seite, in jeder Zeile eine Freude des Entdeckens, des Entfaltens der einzelnen Blütenblätter. Und der Grund, warum „In ihrem Haus“ nun der neue große Roman für mich ist.

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Veröffentlicht am 08.02.2025

Gegen das Vergessen – und für einen großen Autor

Daniel Kehlmann über Leo Perutz
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Eine Schatztruhe! Eine Wunderbox. Eine Entdeckungsreise. All dies ist das kleine Büchlein für mich, dessen Seiten Kehlmann mit so viel Reichtum zu füllen vermag. Denn es ist Leo Perutz , den uns der Bestsellerautor ...

Eine Schatztruhe! Eine Wunderbox. Eine Entdeckungsreise. All dies ist das kleine Büchlein für mich, dessen Seiten Kehlmann mit so viel Reichtum zu füllen vermag. Denn es ist Leo Perutz , den uns der Bestsellerautor hier vorstellt, dessen Werk für ihn prägend und wegbereitend war. Und der zu den größten Romanciers seiner Zeit gehörte. Gehören sollte.
Weltruhm haben Leo Perutz und seine Erzählungen, Novellen und Romane nicht erlangt. Und nicht nur das: Bekanntheit, Anerkennung und Auseinandersetzung mit seinem umfangreichen Werk haben weder zu Lebzeiten des jüdischen Autors noch nach seinem Tode in dem Maße stattgefunden, wie es verdient, ja folgerichtig gewesen wäre. Davon ist Kehlmann überzeugt und in bester Gesellschaft zahlreicher Perutz-Verehrerinnen. Den Wunsch, dies zu ändern, können wir aus jedem Wort, auf jeder Seite und zwischen den Zeilen seiner intelligenten und unterhaltsam aufbereiteten Betrachtung herauslesen. Und uns von seiner Begeisterungen mitreißen lassen.
Mit Kehlmann entdecken wir Erzählungen wie „Herr, erbarme dich meiner“, „Der Tag ohne Abend“ und den Roman „St. Petri – Schnee“. Doch Kernstück seiner Zusammenstellung bildet nach Kehlmanns eigener Aussage Perutz‘ bester Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“. Und ja, Kehlmanns Zusammenfassung, Interpretationen und vor allem Verknüpfungen machen sprach- und atemlos, lassen staunen und den Wunsch entstehen, selbst sofort zu diesem Werk ungewöhnlichen Aufbaus und komplexer, raffinierter und hoch durchdachter Struktur zu greifen.
Ich selbst hatte das Glück, im Rahmen meines Studiums Perutz, sein Schreiben und Werk kennenlernen zu dürfen. Und leider auch den Umstand, in wieweit und bis heute die Rezeptionsgeschichte jüdischer Autor
innen eine Geschichte voller Repressalien, Diskriminierungen und Negierungen war und ist. Großer Dank gebührt daher Kehlmann für dieses Buch gegen das Vergessen und für das Sichtbarmachen eines großen Schriftstellers und seines Werks.

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