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Veröffentlicht am 22.01.2019

Jäger und Gejagte

Schlüssel 17
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Eine erhabene silberfarbene Beschriftung auf schwarzem Grund, sowie die sehr edle, bläulich metallische Feder im Hintergrund bilden den passenden Rahmen für diesen spannenden und mitreißenden Thriller. ...

Eine erhabene silberfarbene Beschriftung auf schwarzem Grund, sowie die sehr edle, bläulich metallische Feder im Hintergrund bilden den passenden Rahmen für diesen spannenden und mitreißenden Thriller.

Nachdem die prominente Dompfarrerin Dr. Brigitte Riss grausam ermordet, unter der Domkuppel gekreuzigt hängend und mit einem Schlüssel, der die Nummer 17 trägt, um den Hals inszeniert worden ist, entstehen für den ersten Ermittler am Tatort, Tom Babylon, zwei Fälle, die er lösen muss: der Mord und das mysteriöse Verschwinden seiner jüngeren Schwester Viola, das mit dem Schlüssel in Verbindung steht und schon so lange zurückliegt.

Neben der eigentlichen Handlung gibt Marc Raabe auch gesellschaftlichen Problemen Raum, zum Beispiel unserem Wollen nach mehr, mehr Information, mehr Karriere, mehr Macht. So ist die Presse teilweise schneller aussagefähig als die Polizei. Die Politik gerät in Bedrängnis und setzt dann ihrerseits auch die Ermittler unter Druck. Schnell wird dann die Terror- oder Rechte-Gewalt-Karte aus dem Ärmel gezogen. Zum Teil überfordert dieses Höher, Schneller, Weiter unserer Zeit die Hauptfiguren Jo Morten, leitender Ermittler, Sita Johanns, Psychologin, und natürlich Tom Babylon, Ermittler und Betroffener. Alle drei tragen Lasten aus ihrer Vergangenheit mit sich herum. Auch das lässt sie taktieren und Dinge tun, die wir nicht als normal oder logisch werten würden. Teilweise bringen sie sich selbst sogar in Gefahr. Am Ende entstehen sympathische Charaktere mit Ecken und Kanten, die noch viel Potential für die Fortsetzung der angekündigten Serie bieten.

Rein technisch betrachtet ist der Thriller in drei Teile gegliedert, die von Prolog und Epilog umschlossen sind. Die kurzen Kapitel, deren einleitenden Orts-, Datums- und Uhrzeitangaben Orientierung geben, verleiten immer wieder zum Weiterlesen. Dabei wird die in Toms Jugend liegende Vergangenheit in kursiver Schrift präsentiert, was zusätzlich zum Verständnis beiträgt.

Über mehrere Handlungsstränge entsteht eine Geschichte, die ihre Geheimnisse nur langsam preisgibt. Man will einfach immer nur noch weiterlesen, damit sich endlich das Gesamtbild ergibt. Im letzten Teil kommt es zu einer unerwarteten Wendung, die den Leser nötigt, seine Gedanken neu zu sortieren und damit die Spannung noch weiter anhebt.

Alles in Allem schenkt uns Marc Raabe einen gelungenen Thriller, den ich uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Ich warte nun auf eine Fortsetzung, die die ein oder andere offen gelassene Flanke schließt.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Jeder kriegt, was er verdient.

Deichfürst
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Wer ist der Mann, dessen Schatten auf dem Buchdeckel zu sehen ist? Handelt es sich dabei um den überaus unbeliebten Deichfürsten, der nach einer seiner Schandtaten auf das beruhigende Auf und Ab der Wellen ...

Wer ist der Mann, dessen Schatten auf dem Buchdeckel zu sehen ist? Handelt es sich dabei um den überaus unbeliebten Deichfürsten, der nach einer seiner Schandtaten auf das beruhigende Auf und Ab der Wellen starrt. Oder ist es der Polizeihauptkommissar Stephan Möllenkamp, der nach gelöstem Fall noch etwas mit seiner neuen Heimat Ostfriesland hadert. Das Cover hat jedenfalls etwas Geheimnisvolles, das Lust macht, den Krimi aufzuschlagen und ihn zu lesen.

Die zwei Protagonisten, Polizeihauptkommissar Stephan Möllenkamp und die Lokalreporterin Gertrud Boekhoff, könnten aus meiner Sicht nicht gegensätzlicher sein. Er bedient sich neuester Methoden, um sich mit seinen Ermittlerkollegen auszutauschen, sie ist, wie ein Geheimagent schnüffelnd, auf der Jagd nach dem nächsten Artikel für ihr Lokalblatt. Er versucht sportlich und schlank zu bleiben, sie liebt ihr Feierabendbier und gutes Convenience Food. Obwohl sie sich oftmals bei ihren jeweiligen Ermittlungen gegenseitig behindern, gelingt es ihnen dann am Ende doch nur gemeinsam, den Fall zu lösen. Neben der ewigen Kabbelei zwischen Polizeihauptkommissar und Lokalreporterin ist auch das Untergraben der eigenen Autorität durch das Erscheinungsbild der Ermittlerkollegen sehr amüsant, zum Beispiel, wenn auffällig bedruckte Krawatten getragen werden oder wenn mit einem undichten Cabrio zur potentiellen Verhaftung des Täters gefahren wird. Die Vergesslichkeit der Ermittler und der Umgang mit den weiblichen Kollegen bringen weitere Komik mit sich.

Der Krimi ist spannend und zugleich witzig erzählt. Der Schreibstil lässt einen schönen Lesefluss zu. Die plattdeutschen Statements der Einwohner geben ostfriesische Authentizität. Gut gefallen hat mir auch der zweite Handlungsstrang. Als Leser war man so immer etwas dichter an der Lösung des Falls dran als die eigentlichen Ermittler.

Was für mich nicht so richtig in das Bild passt, sind die Speisen, die zum Weiberwochenende aufgetischt wurden. Ende der 90er gab es in meiner Wahrnehmung zwar vereinzelte Vegetarier, aber der Ernährungshype mit solch kreativen Speisen ist doch eher in den letzten 5 Jahren aufgekommen.

Trotzdem kann ich den vorliegenden Krimi uneingeschränkt weiterempfehlen.
Sollten Möllenkamp und Boekhoff bei weiteren Fällen ermitteln, wäre ich gern wieder mit dabei.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Blut an jeder Hand?

Ein mögliches Leben
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Einsamkeit und ist das, was das Cover ausstrahlt. Einsam war bestimmt auch Franz als Kriegsveteran sein ganzes Leben lang. Bis er mit seinem Enkel Martin eine Reise in die USA unternimmt und die Erinnerungen ...

Einsamkeit und ist das, was das Cover ausstrahlt. Einsam war bestimmt auch Franz als Kriegsveteran sein ganzes Leben lang. Bis er mit seinem Enkel Martin eine Reise in die USA unternimmt und die Erinnerungen wieder lebendig werden lässt.
Er durchlebt seine gesamte Gefangenschaft erneut, das Lager in Texas mit seiner Arbeit auf den Feldern unter der heißen Sonne, den Mithäftlingen, die sich wie er vom Nazi-Regime abkehren, nach einem Zwischenfall seine Verlegung nach Utah. Da er inzwischen Englisch gelernt hat, kann er hier als Übersetzer, Sekretär und Fahrer arbeiten. Was dann in Utah passiert, hat mich total entsetzt. Ich hatte hier eine andere Wendung erwartet.

Hannes Köhler gelingt es sehr gut mit seinen Perspektivwechseln die zunächst bruchstückhaften Erinnerungsfetzen, dann im Verlauf immer längeren Abschnitte der Vergangenheit ans Licht zu bringen. Anfangs scheint die Geschichte nicht so richtig in Gang zu kommen. Doch nur so konnte diese Steigerung erreicht werden, mit jeder Seite spannender und schneller. Mich lässt das Buch erschrocken und nachdenklich zurück, hatte ich doch ganz andere Gefahren für die Gefangenen im Kopf. Zugegebenermaßen habe ich mir vor dem Lesen auch nicht wirklich tiefergehende Gedanken über Gefangenenlager im II. Weltkrieg gemacht. Ich bin dankbar für diesen Denkanstoß.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Ausbeutung vs. Kultur

Der Sandmaler
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Elisabeth und Stefan, die im letzten Schuljahr eine flüchtige Affäre hatten, steigen nach ihrem Abitur in den gleichen Flieger nach Afrika. Sie wohnt in einem einfachen Hotel, er residiert im Luxus-Hotel. ...

Elisabeth und Stefan, die im letzten Schuljahr eine flüchtige Affäre hatten, steigen nach ihrem Abitur in den gleichen Flieger nach Afrika. Sie wohnt in einem einfachen Hotel, er residiert im Luxus-Hotel. Auch ihr Interesse an Afrika könnte nicht unterschiedlicher sein. Stefan nimmt sich ohne nachzudenken alles was man mit Geld kaufen kann, Alkohol, angenehmes Strandleben und Frauen. Dabei wirkt er arrogant und undankbar. Über das Land selbst, die Lebensumstände und die Kultur Afrikas will er nicht wirklich etwas wissen. Für Elisabeth hingegen ist der Luxus-Genuss weniger wichtig, zwar auch, aber nicht nur, weil sie es sich nicht leisten kann. Sie möchte die Schönheit des Landes in sich aufsaugen. Obwohli sie etwas schüchtern ist, gelingt es ihr mit Hilfe von verschiedenen Bekanntschaften einen Einblick in das Leben, in die Kultur Afrikas, aber auch in das Elend, dem die Afrikaner ausgesetzt sind. Und warum: weil die westliche Welt Afrika ausbeutet, sich nimmt, was sie braucht, und die Menschen mit dem, was bleibt, zurück lässt.
Die gesammelten Eindrücke werden zum Ende hin sehr schön vom Sandmaler zusammengefasst, Mitnehmen heißt Zerstören.

Mankell verwendet hier einen sehr kurzweiligen Schreibstil, der einen das Buch etwas zu schnell verschlingen lässt. Dabei gibt er einen Einblick in wenige aber markante Verhaltensweisen der Europäer, aber auch der Afrikaner, die einen nachdenklich werden lassen.

Veröffentlicht am 22.01.2019

Grandioses Debüt - bin begeistert

Der Wortschatz
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Ich habe gerade ein ganz wunderbares Buch ausgelesen. Als literarischer Verehrer von Antoine de Saint Exupéry‘s „Kleinem Prinzen“ war ich nicht davon ausgegangen, dass mir je irgendein vergleichbares Buch ...

Ich habe gerade ein ganz wunderbares Buch ausgelesen. Als literarischer Verehrer von Antoine de Saint Exupéry‘s „Kleinem Prinzen“ war ich nicht davon ausgegangen, dass mir je irgendein vergleichbares Buch begegnen würde. Vermutlich habe ich mich geirrt. Elias Vorpahl erzählt uns zwar eine ganz andere Geschichte, die sich um ein kleines Wort auf seiner abenteuerlichen Suche nach dem Sinn des Lebens dreht. Sie mutet jedoch meinem Empfinden nach genau so liebevoll märchenhaft und fantasievoll wie Exupéry’s Prinz an.

Elias Vorpahl spielt dabei mit Sprache als wäre sie ein unsichtbarer Freund, mit dem man sich gegenseitig Bälle zuwirft. Er lässt Worte wie Wortbruch, Wortspiele, Sprachfluss und viele mehr gekonnt in einem anderen Licht erscheinen. Er konstruiert überaus stimmig ganz neue Worte. Am liebsten mag ich die Wörtchenhauerei, steckt doch so viel Liebe und Achtsamkeit darin, und die Umlautarbeiten, die aus dem wahren Leben gegriffen scheinen. Es ist ein Hochgenuss, sich mit jeder Seite mehr darauf einzulassen, dass die Protagonisten Worte sind bis man sich schließlich selbst als Teilnehmer der Geschichte im Buch wiederfindet.

Dem aufgeschlossenen Leser werden ganz nebenbei wie beim „Kleinen Prinzen“ auch einige Lebensweisheiten vermittelt. Die Erlebnisse des kleinen Wortes lassen sich auf das eigene Leben übertragen, sind ein kleiner Anschub zur Reflexion. Der Wortschatz möchte allerdings aus Gründen der Selbsterhaltung zum Lesen und Schreiben animieren, da nur das gelesene, immer wieder aufgeschriebene Wort im Zyklus aus Lesen und Schreiben vielfach Beachtung findet, womit das Risiko des Vergessens, des Verlustes für den Wortschatz minimiert wird.

Abschließend möchte ich noch die wunderschöne Gestaltung des Hardcover-Buches als besonderes Highlight hervorheben. Es enthält ganz tolle Illustrationen von Julia Stolba, die passend zum Textausschnitt platziert sind und wie auch der Text selbst das Spiel mit Buchstaben und Worten beherrschen. Darüberhinaus verbergen sich unter dem ohnehin schon sehr ansprechenden Schutzumschlag in goldener Farbe zwei Kerzen auf dem dunkelblauen Grund. Zu Beginn des Lesens wurde die Kerze gerade erst entzündet, nach dem Lesen wurde ihr Feuer gelöscht. Wie nach dem Ausblasen einer Kerze der Geruch noch an ihr schönes Licht erinnert, hing ich noch ein wenig meinen Gedanken an und um das Buch nach. Dieses Bildnis hat mich tief berührt. Ich bin nach wie vor begeistert.