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Veröffentlicht am 23.02.2022

Alte Geschichte im neuen Gewand

Tell
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Kann interessante Literatur entstehen, wenn jemand die alte Geschichte um Wilhelm Tell nochmal neu aufbereitet? Ist es lohnenswert, eine Geschichte, die man glaubt zu kennen? Diese Fragen trieben mich ...

Kann interessante Literatur entstehen, wenn jemand die alte Geschichte um Wilhelm Tell nochmal neu aufbereitet? Ist es lohnenswert, eine Geschichte, die man glaubt zu kennen? Diese Fragen trieben mich um, als mir der Klappentext von Schmidts Tell begegnet ist. Da mir sein Roman „Kalmann“ gut gefallen hatte, lies ich mich auch auf dieses Leseabenteuer ein.

Nach wenigen Seiten versetzt uns Joachim B. Schmidt um Jahrhunderte in der Zeit zurück und verfrachtet uns in das beschwerliche Leben der Schweizer Bergbauern, wo kleine Kinder schon den Stall ausmisten und kräftig mit anpacken müssen. Familienväter wildern für ein bisschen Fleisch. Mit den alten Weibern sitzen wir auf der Bank vor der Hütte und genießen das bisschen Sonne, das die Berge freigeben. Die geformte Atmosphäre aus bedrohlicher Natur und Gottesfürchtigkeit hat mir sehr gefallen. Hervorragend war meinem Empfinden nach auch der sprachliche Support für die Zeitschiene. Die Artikulation und die Verhaltensweisen sowohl der Bergbauern als auch der Habsburger kamen wirklich glaubwürdig rüber.

Tell selbst schien mir lange Zeit unnahbar. Er wirkte auf mich, als wäre er überfordert vom Leben, als wäre Tell nie richtig erwachsen geworden. Ich schob es auf das harte Leben in den Bergen und wurde eines besseren belehrt. Geschickt ist dem Autor hier ein Querverweis ins aktuelle Zeitgeschehen gelungen ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Die Geschichte selbst wird rasant erzählt. Prägnante Sätze lassen kurze Kapitel entstehen, die einzelnen Charakteren zugeschrieben sind. So wechselt ständig der Blickwinkel auf das Geschehen, das dadurch stark an Plastizität gewinnt. So sind die vom Autor gezeichneten Bilder stets deutlich, die Gefühlswelt der Protagonist:innen regt zum Mitfiebern an. Letztlich trägt diese alte Geschichte ein ganz neues thrillernes Gewand.

Mir hat das gefallen. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 16.02.2022

Amüsanter Roman über die Wahrheit

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Michael Hartung ist ein Bilderbuch-Loser aus dem Osten, wenig einträglicher Job, mit davongelaufener Ehefrau. Schon zu DDR-Zeiten hat sich Hartung nicht lange an einer Arbeitsstelle halten können. Mangelnde ...

Michael Hartung ist ein Bilderbuch-Loser aus dem Osten, wenig einträglicher Job, mit davongelaufener Ehefrau. Schon zu DDR-Zeiten hat sich Hartung nicht lange an einer Arbeitsstelle halten können. Mangelnde Motivation, Jugendlicher Leichtsinn und ein ordentliches Pfund Dusseligkeit haben ihn immer wieder in schwierige Situationen, wie die Verursachung der Massenflucht per S-Bahn, hineinmanövriert.

Genau diese Massenflucht wird zum Aufhänger der Reportagen zum 30-jährigen Jubiläum der Wiedervereinigung und beschert Michael Hartung unerwarteten Ruhm. Wie er, sein Umfeld und auch alle Anderen damit umgehen, erzählt dieser witzige, gleichzeitig ernste Roman.

Mir gefällt Maxim Leos Darstellung der Medien und der Politik. Für die Medien ist die Suche nach DER Story zum Jubiläum nach dreißig Jahren schwierig, bloß nicht schon wieder die gleichen Lobpreisungen auf die friedliche Revolution, zu lange gab es schon nichts Spektakuläres zum Thema mehr. So muss der Aktenfund zu Hartungs Massenflucht-Debakel heranwachsen zu einer attraktiven Heldengeschichte. Als der Held geboren ist, soll er sofort auch der Politik dienlich sein.

In lockerem, erfrischenden Schreibstil schwelgen die Leser mit dem Helden in Kindheitserinnerungen, streifen so manches, hier wunderbar aufbereitetes Klischee. Das Ausschlachten der Heldengeschichte fühlt sich an wie ein Wettlauf, ein Run, wo nur die ersten etwas vom großen Kuchen bekommen. Die Geschichte ist aber auch ein Kampf um die Wahrheit, wessen Wahrheit, welchen Teil der Wahrheit oder um die ganze Wahrheit?

Ich habe mich beim Lesen sehr amüsiert. Es gab auch einige nachdenkliche Momente. Insgesamt war es eine witzige Angelegenheit, die ich gern weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Thematisch schwer auszuhalten, sensationelle Sprache

Unter Deck
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Olivia, auch Liv oder Oli genannt, ist die Protagonistin dieses sehr treffend betitelten Romans. Liv wächst in einer wohlhabenden Welt auf. Der für sie vorgedachte Lebensweg passt dennoch nicht. Erfüllung ...

Olivia, auch Liv oder Oli genannt, ist die Protagonistin dieses sehr treffend betitelten Romans. Liv wächst in einer wohlhabenden Welt auf. Der für sie vorgedachte Lebensweg passt dennoch nicht. Erfüllung findet Oli dank eines älteren Pärchens in den Weiten des Ozeans bis ihr dieser Lebenstraum kaputt gemacht wird.

Thematisch geht es um die Emanzipation vom Elternhaus, um die Ausrichtung des eigenen Lebens, um Selbstbehauptung, um den Umgang mit Schicksalsschlägen und leider auch um sexuelle Gewalt und deren Folgen. Die damit verbundenen Emotionen und Gedanken der Protagonistin sind so intensiv beschrieben, dass das Lesen für mich zeitweise schwer zu ertragen war. Dennoch finde ich die Art der Auseinandersetzung passend. Die Gewalt darf einfach nicht weichgespült daherkommen, weil das aus meiner Sicht einer Verharmlosung gleichkäme.

Sophie Hardcastle‘s Einsatz von Farben zur Unterstreichung von Gefühlen hat es mir besonders angetan. Ich konnte mich megamäßig in die Protagonistin hineinversetzen - deshalb war es ja so schwer zu ertragen - und fühlte mit ihr, wirklich schlimm. Dieser Stil hat mich begeistert.

Etwas kritischer habe ich die Aufteilung des Romans in seine vier Teile gesehen. Der Szenenwechsel war mir dabei besonders in der ersten Buchhälfte zu abrupt. Der damit verbundene Schlag ins Gesicht - so fühlte es sich für mich an - ist noch stärker ausgefallen. Ich glaube auch, dass der entstandene Effekt beabsichtigt war. Mich hat der Szenenwechsel komplett aus dem Lesefluss gerissen und es hat überdurchschnittlich lange gedauert, bis ich mich wieder eingefunden hatte.

Insgesamt bin ich zufrieden mit dem Roman. Ich finde es auch gut, dass hier ungeschönt über sexuelle Gewalt gesprochen wird, ein Thema, das nicht ausgespart werden darf. Ich spreche eine eingeschränkte Leseempfehlung aus. Man sollte den Roman nur lesen, wenn man sich emotional fit fühlt, ansonsten sollte man sich den Roman für später vormerken. Lesenswert ist er in jedem Fall.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Etwas weniger, wäre mehr gewesen

Das Nest
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Das Nest ist der vierte Teil der Kopenhagen-Krimiserie um Jeppe Kørner und Anette Werner. Der Fall beginnt mit einem verschwundenen Jungen, Oscar, besser gesagt einem 15-jährigen jungen Mann aus gutem ...

Das Nest ist der vierte Teil der Kopenhagen-Krimiserie um Jeppe Kørner und Anette Werner. Der Fall beginnt mit einem verschwundenen Jungen, Oscar, besser gesagt einem 15-jährigen jungen Mann aus gutem Hause. Sofort liegt Druck auf den Ermittlungen. Als nach ersten Befragungen auch noch ein junger Mann in der hiesigen Müllverbrennungsanlage gefunden wird, ist das undurchsichtige Gebilde perfekt.

Das Konstrukt aus Gewinnmaximierungsinteressen, dem Verhalten von Oscars Eltern und Umfeld sowie aus geheimnisvollen Inseln und ihren Wärtern fand ich dieses Mal nicht so perfekt gelungen, wie ich es von Katrine Engberg gewohnt bin. Die verwobenen Themen passten für mich nicht ganz so gut zusammen. Zudem dauert es ein Buchdrittel bis die „Bombe“ endlich platzt und man wirklich mitfiebern konnte. Vielleicht hätten es auch insgesamt weniger Themen sein können. Ich fand den Roman ganz schön überladen.

Vielleicht dadurch kommen auch meine Lieblinge, Esther und Gregers, ein wenig zu kurz. Von den beiden hätte ich mir mehr Wortmeldungen gewünscht. Anette zeigt für mich erstmals echte emotionale Schwächen. Das hat mir gut gefallen, weil es die toughe Ermittlerin menschlicher erscheinen lässt. Jeppe strauchelt wie so oft in seiner Beziehung, bleibt sich treu.

Insgesamt ist „Das Nest“ ein solider Krimi, der leider unter dem Niveau der Vorgänger bleibt. Wer Jeppe und Anette bereits kennt, wird diesen Krimi trotzdem gern lesen.

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Veröffentlicht am 04.01.2022

Bunter Blumenstrauß leckerer Gerichte aus gesunden Zutaten

WW - 100 Top Mix Rezepte
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Das WW Kochbuch präsentiert seine Mix Rezepte jeweils auf Doppelseiten, wobei eine Seite immer das fertige Gericht abbildet und die gegenüberliegende Seite sowohl Zutatenliste als auch Zubereitungsbeschreibung ...

Das WW Kochbuch präsentiert seine Mix Rezepte jeweils auf Doppelseiten, wobei eine Seite immer das fertige Gericht abbildet und die gegenüberliegende Seite sowohl Zutatenliste als auch Zubereitungsbeschreibung enthält. So macht das Kochbuch schon beim Durchblättern Appetit.

Auffällig und wirklich zu begrüßen ist, dass hier fast ausschließlich gängige Zutaten verwendet werden. Man muss also keine teuren Gewürze oder Ähnliches kaufen, was nie wieder benötigt wird. Thematisch deckt das Kochbuch viele Gerichtsarten ab. Es gibt Suppen, Salate und Pasta, Fleisch und Fisch, aber auch eine kleine Brotauswahl und Desserts. WW typisch sind alle Gerichte mit PersonalPoints Werten versehen, die sich aus meiner Sicht nur als WW Mitglieder sinnvoll nutzen lassen. Für alle anderen sind kcal und kJ angegeben. So gibt das Kochbuch denjenigen, die ihre Energieaufnahme im Blick behalten wollen, Orientierung.

Ich selbst habe bisher den Thunfischsalat mit Schafskäse, den Kartoffelsalat mit Radieschen und Lachs und das Titelrezept zubereitet. Die drei Gerichte waren lecker, sättigend und kindertauglich. Für die Zubereitung habe ich ein Alternativgerät zu TM 5/6 verwendet. Die Beschreibung lässt sich sehr gut übertragen. Demnächst möchte ich noch die Gerichte mit Hühnchen und Garnelen ausprobieren, als Beilage vielleicht mal eins der Brote. Ich freue mich schon drauf.

Was ich nicht sicher sagen kann, ist, ob man mit diesen Rezepten wirklich abnehmen kann. Dafür sind sie eigentlich zu schmackhaft und zu komfortabel zuzubereiten. Den inneren Schweinehund, wirklich nur eine Portion zu essen, muss man letztlich selbst überwinden. Wichtiger ist mir auch die Verwendung von frischen, meist unverarbeiteten Produkten sowie die Produktvielfalt. So koche ich nicht immer wieder die selben Gerichte und sorge für mehr Abwechslung in unserer Ernährung.

Ich kann dieses schöne Kochbuch nur empfehlen. Selbst Neulinge und Kochmuffel sollten damit gut zurecht kommen.

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