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Veröffentlicht am 22.05.2023

Ein etwas anderer Blick auf Venedig.

Der freie Hund
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Antonio Morello wurde nach Venedig zwangsversetzt – angeblich zu seinem eigenen Schutz. Er hatte in seiner Heimatstadt Cefalú auf Sizilien einige Mafia-Größen innerhalb der Politik festgenommen. Gebeutelt ...

Antonio Morello wurde nach Venedig zwangsversetzt – angeblich zu seinem eigenen Schutz. Er hatte in seiner Heimatstadt Cefalú auf Sizilien einige Mafia-Größen innerhalb der Politik festgenommen. Gebeutelt von traumatischen Erlebnissen der Mafia-Racheaktionen muss sich der freie Hund nun um Gewaltverbrechen in Venedig kümmern. Und das ganz ohne ein ordentliches Team, denn die im Untergebenen haben eigentlich überhaupt keine Lust auf einen dahergelaufenen Süditaliener.

Gleich an seinem ersten Arbeitstag stellt er auf dem Weg zur Questura einen kleinen Gauner und landet dabei mitsamt seinem neuen Anzug in einem der zahlreichen Kanäle. Mit seinen eigenwilligen Methoden eckt er sehr schnell bei den Venezianern an und seine Ermittlungen werden zum Spießrutenlauf zwischen Mafiosi, Vorgesetzten und Kollegen.

Wer Antonio Morello besser verstehen möchte, muss auch verstehen, was für eine Vergangenheit er mit sich herumträgt. Dazu gehört nicht nur der jüngste erfolgreiche Schlag gegen die Mafia in seiner Heimatstadt. Auch in seiner Kindheit haben ihn so manche Dinge geprägt.

Nach dem ich schon einige der Dengler-Krimis von Wolfgang Schorlau gelesen hatte, war ich auf dieses Werk neugierig. Und ich muss sagen, ich wurde nicht enttäuscht. Die Hintergrundinformationen zum Mafia-Geschehen waren super recherchiert und würzen die fiktive Story noch einmal mit einer Extra-Portion Spannung. Ich hatte erst kürzlich Agromafia von Oliver Weiler[1] gelesen, und beide Autoren brachten identischen Background in ihre Werke ein. Beeindruckend.

Mit Antonio Morello haben die beiden Autoren einen Protagonisten erschaffen, der durchaus auch an Commissario Montalbano von Andrea Camilleri erinnert. Kein Wunder, widmen sie dieses Buch sogar dem Erfinder von Montalbano. Morello ist ebenso ein Sturkopf und er setzt seinen Willen mit ganzer Kraft durch. Nur damit genügt er seinem eigenen Verständnis von Recht und Ordnung.

Meine geheime Heldin in diesem Roman ist Anna Klotze, auch die „Kampfmaschine“ genannt. Die Polizistin aus Triest ist ebenso mysteriös wie sympathisch. Und dabei bleibt sie undurchsichtig und verrät beispielsweise in diesem Band noch nicht welches Beuteschema sie favorisiert, als sie Morello notgedrungen während der Ermittlungen einen Kuss auf den Mund drückt. Alles in allem macht dieser Band Lust auf mehr und die vielen halbgaren Blicke in die Vergangenheit und die schön gezeichneten Figuren bieten dafür auch genügend Luft. Interessant fand ich auch den nüchternen Blick auf die von Touristen überlaufene Stadt Venedig und deren Probleme. Die durchaus kritischen Worte lassen Venedig in einem ungewöhnlichen aber immer noch sympathischen Licht erscheinen. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

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Veröffentlicht am 14.05.2023

Eiskalte Engel auf einer griechischen Insel.

One of the Girls
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Lexi feiert ihren Junggesellinnenabschied in Griechenland. Sie und ihre Freundinnen haben ein Haus auf einer kleinen Insel für sich allein. Traumhafte Lage, ein direkter Fußweg zum Strand, keine Zivilisation ...

Lexi feiert ihren Junggesellinnenabschied in Griechenland. Sie und ihre Freundinnen haben ein Haus auf einer kleinen Insel für sich allein. Traumhafte Lage, ein direkter Fußweg zum Strand, keine Zivilisation weit und breit. Selbst für den Handyempfang muss man sich auf den Gipfel eines Berges bewegen.

Die zukünftige Braut Lexi hatte sich eigentlich eher was kleines Gemütliches vorgestellt. Aber was kann man schon dagegen tun, wenn die beste Freundin und Trauzeugin die Hen Party plant. Schon am ersten Tag kommen Überraschungen auf die Mädels zu. Geheimnisse werden offenbart und gleichzeitig lernen wir mehr und mehr über die einzelnen Vergangenheiten.

Sechs junge Frauen, jede mit eigenen Gefühlen, eigenen Träumen, eigenen Baustellen und möglicherweise Motiven die einem zu Beginn verborgen sind. Vieles wirkt inszeniert, und auch die zukünftige Braut Lexi lernt viel dazu.

„»Es ist befreiend, etwas für sich selbst zu tun, Robyn. Nicht für die anderen. Nicht für irgendein Publikum – egal ob es zahlende Zuschauer sind, wie bei einer Tanzvorführung, oder deine Familienmitglieder, deine Freunde oder die ganze Gesellschaft, für die du performst.«“ (S. 292)

An verschiedenen Stellen wird One Of The Girls als Thriller gehypt. So bin auch ich über eine Leserunde auf diesen Roman aufmerksam geworden, welche mit dem Satz „Wenn aus einem Kurzurlaub zum Junggesellinnenabschied ein Thriller wird!“ eingeleitet wurde. Ich persönlich wurde genau deshalb enttäuscht:

Der gesamte Roman erwirtschaftet seine Spannung in den ersten zwei Drittel durch subtile Andeutungen in den Zwischensequenzen einzelner Kapitel. Von Beginn an wird dem Leser vorgehalten, dass am Ende jemand sterben wird, dass ein Mörder unter den Mädels ist und alles ganz schlimm wird. Leider macht mich dieser Stil eher mürbe und ich dachte mir die ersten zwei Drittel: na, wann passiert denn endlich was? Bei mir erzeugt das erzwungene Nichtwissen leider kaum Spannung. Viele Mitleserinnen haben jedoch genau diesen Stil der Autorin geliebt. Es funktioniert also offensichtlich bei anderen. Am Ende kommt es dann zum Showdown, der meines Erachtens stark übertrieben ist. Aber gut, irgendwann muss man die ganzen Ankündigungen doch wahr werden lassen.

Alles in allem möchte ich aber nicht nur schlecht über dieses Buch reden: mir gefällt sehr gut, wie nach und nach die Vergangenheit der Protagonistinnen aufgearbeitet wurde. Jedes Kapitel ist einem der sechs Mädels gewidmet. Auch lässt der Schreibstil nichts zu wünschen übrig. Man kann es flüssig lesen. Held des Romans ist und bleibt für mich weiterhin Robyn. So viel Sympathie habe ich in den letzten Büchern keiner Figur entgegengebracht. Das Buch ist speziell, definitiv kein Thriller, aber es ist auch nicht schlecht.

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