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Veröffentlicht am 01.05.2024

Reden oder Schweigen

Das andere Tal
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Das andere Tal von Scott Alexander Howard (Diogenes Verlag)

Als ich die Abfolge betrachtete, wurde mir klar, dass sich das Tal, in dem ich lebe, zwar in der Mitte befand, aber das war relativ. Aus der ...

Das andere Tal von Scott Alexander Howard (Diogenes Verlag)

Als ich die Abfolge betrachtete, wurde mir klar, dass sich das Tal, in dem ich lebe, zwar in der Mitte befand, aber das war relativ. Aus der Perspektive der anderen wäre ihr Tal in der Mitte, und meins läge seitlich davon – in der Zukunft von jemandem, die Vergangenheit von jemand anderem. So anders es auch zugehen mochte an diesen weit entfernten Orten: Die Landkarte an dieser Wand würde überall genau gleich aussehen. S.60

Anfangs war ich von der Schreibweise irritiert. Die wenige, kaum vorhandene wörtliche Rede hat mich, zugegebener Maßen, etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Mit jeder gelesenen Seite verfliegt diese Unsicherheit und der Text von Scott Alexander Howard fühlt sich genau so richtig an, wie er da geschrieben steht.

Die Protagonistin Odile ist eine Einzelgängerin und genau so besonders, wie der Schreibstil. Intelligent verknüpft sie die Geschehnisse und verkennt sich dabei selbst, indem sie sich zu wenig vertraut. Mit der ersten Verliebtheit scheint sie ihrem Inneren ein Stück näher zu rücken. Doch ihr Gefühlschaos und unglückliche Konstellationen lösen ein tragisches Ereignis aus. Sie legt sich selbst ein schweres Los auf. Durch eine schicksalhafte Begegnung versucht sie ihren zukünftigen Weg auf andere Bahnen zu leiten. Doch lässt sich das vorherbestimmte Leben ändern? Inwieweit können wir Einfluss auf die Zukunft und Vergangenheit nehmen, wenn alles von einer übergeordneten Stelle überwacht wird? Was bedeutet Freundschaft und wann erkennt man die Menschen, die es ehrlich mit einem meinen?

Viele Fragen und noch mehr ergeben sich beim Lesen dieser Lektüre. Selbst wer keine Antworten sucht, ist hier richtig und genießt einfach den genial geschriebenen Abenteuer-Roman. Eine sehr gut konstruierte Geschichte und eine hervorragende, funktionierende Fantasie enden in einem plausiblen Ende. Für mich bleiben keine Fragen offen. Obwohl dieses Genre nicht zu meinen bevorzugten Lieblingen gehört, habe ich das Lesen sehr genossen!

Dieser Roman ist genauso für jüngere Leser geeignet, wie für ein reiferes Publikum. Mit Spannung erwarte ich weitere Ideen des Autors, den man nicht aus dem Blick verlieren sollte!

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Veröffentlicht am 03.04.2024

Julie und das Wasser, untrennbar verbunden

Loreley - Die Frau am Fluss
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Loreley – Die Frau am Fluss von Susanne Popp (Fischer Verlag)

Die Kiesel schmiegten sich an ihre Fußsohlen, dazwischen wuchs mal stachliges, mal weiches, sanft kitzelndes Gras. Schließlich lag der Fluss ...

Loreley – Die Frau am Fluss von Susanne Popp (Fischer Verlag)

Die Kiesel schmiegten sich an ihre Fußsohlen, dazwischen wuchs mal stachliges, mal weiches, sanft kitzelndes Gras. Schließlich lag der Fluss nur vom Sternenlicht beleuchtet vor ihr und hob sich mit seinem tiefdunklen Blau kaum merklich von den schwarzen Ufern ab. Sie sah zum Werth hinüber, wo sich die Kronen der Eschen, Ulmen und des großen Ahorns wie Scherenschnitte vor dem Sternenhimmel abzeichneten. Abgesehen vom klagenden Ruf eines Käuzchens und vom Rauschen des Wassers, das die Felsen und Steine umspülte, war alles still. S.17

Gefangen von den Umschreibungen Susanne Popps, schleudert mich jede Zeile in die beschriebene Szenerie hinein. Es gelingt ihr immer wieder aufs Neue mich mit ihrem Schreibstil und einem vollends detaillierten Hintergrund-Wissen an ihrer Lektüre zu fesseln.

Dieser historische Roman beginnt im Jahr 1801 und erstreckt sich über 27 Jahre. Erzählt wird die Geschichte von Julie Winter, die eine reine, natürliche Schönheit ist, nach der sich jedermann umdreht. Sie verdreht den Männern unbewusst den Kopf. Neben ihren Bewunderern ruft dies auch einige Neider auf den Plan. So werden der jungen Frau einige, nicht unerhebliche Steine in den Weg gelegt. Geheimnisse, Unwegsamkeiten und das Schicksal selbst begleiten sie und ihre Lieben.

Neben Julie spielt der große Fluss, der Rhein eine weitere Hauptrolle. Fließend integriert die Autorin die historischen Details rund um die Schifffahrt, Fähr-Arbeiten sowie das Leben mit und an diesem imposanten Gewässer.

Historische Persönlichkeiten und fiktiven Figuren mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen und gut ausgearbeiteten Charakteren tragen durch die Geschichte und runden das Bild der Romantik ab. Die Mystik rund um den Loreley-Felsen darf dabei nicht fehlen, spielt eher eine angenehme, untergeordnete Rolle und tut der unterhaltsamen Lektüre keinen Abbruch.

Neben der Erzählung gefällt mir die Aufmachung des Romans unheimlich gut. Das Cover wirkt auf mich wie ein Magnet. Die innenliegende Karte vom Rhein und das ergänzende, umfangreiche Nachwort der Autorin helfen beim Einordnen der Ereignisse.

Ich habe Susanne Popps neuen Roman unheimlich gern gelesen. Dank der angehängten Leseprobe aus dem nachfolgenden Loreley-Roman freue ich mich sehr auf den zweiten Teil im kommenden Herbst.

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Veröffentlicht am 09.03.2024

Denkt nach, wägt ab und entscheidet!

Wir werden jung sein
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Wir werden jung sein von Maxim Leo (Kiepenheuer & Witsch)

„Ja, keine Sekunde würde ich zögern. Ich würde dieses Medikament meinen Liebsten geben! Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich die Möglichkeit ...

Wir werden jung sein von Maxim Leo (Kiepenheuer & Witsch)

„Ja, keine Sekunde würde ich zögern. Ich würde dieses Medikament meinen Liebsten geben! Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich die Möglichkeit dazu, eine Entscheidung mit dem Herz getroffen, aus Liebe, die den Verstand aushebelt!“

Dies ist keine Textstelle aus dem Buch, sondern meine Aussage. Ich habe dieses Buch gelesen und bin danach in einen emotionalen Ausnahmezustand geschlittert. Ich hätte gern meine Oma gerettet und auch meine Mama, die nur knapp drei Monate nach ihr, nachdem ich dieses Buch gelesen hatte, gestorben ist.

Maxim Leo entwirft ein Szenario, welches tatsächlich Realität werden könnte. Er schachtelt dieses Thema mit all seinen ethischen und gesellschaftlichen Fragen, mit seinen Möglichkeiten, Chancen sowie Problemen auf. Heilung, Jungsein, am Leben bleiben, Zeit haben und wofür. Doch was ist dabei ein Menschenleben wert, was ist der Preis und wie weit würden die Mächtigen gehen, um ihre Interessen und Ziele durchzusetzen? Explosives Konfliktpotential und die Möglichkeit auf eine Erzählung, die zum Nachdenken anregt und die mich noch lange beschäftigen wird.

Im Rampenlicht stehen die einzelnen Protagonisten doch letztendlich geht es doch, wie in allen Dingen, immer nur um Geld und Macht. Die gigantische Pharma-Lobby, Regierungen alle wollen etwas vom Kuchen abbekommen.
Mich haben die Schicksale der Teilnehmer dieser zusammengewürfelten Probandengruppe berührt und ich empfand es ganz wunderbar, wie der Autor nicht nur mit seinen Worten, sondern mit den Emotionen der Figuren und somit seiner Leser spielt. Der Schreibstil hat mich mitgenommen, ehrlich, authentisch, aufrüttelnd, witzig, spontan und berührend. Besonders die Dialoge fand ich spannend. Ebenso gefiel es mir, in die Gedanken von Jakob, Verena, Wenger, Miriam und Martin einzutauchen.

Fazit: Wir wissen nicht, was die Zukunft noch bereithält. Doch bewahren wir uns die Fähigkeit nicht nur bestmöglich für uns, sondern uns auch um andere und unsere Lieben zu sorgen. Dabei sollten der Verstand und das Herz im Einklang sein. Das wünsche ich mir auch von denen, die mehr zu sagen haben als ich.
Ich hoffe jedenfalls, dass Maxim Leo noch viel zu sagen hat, denn dieser Roman ist richtig gut, ein Juwel unter den guten Büchern in der Literatur!

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Rezepte sind Erinnerungen

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Der späte Ruhm der Mrs. Quinn ein Roman von Olivia Ford

„Heute backe ich einen einfachen, aber dennoch raffiniert schmeckenden Rührteigkuchen mit Trockenfrüchten. Meine Mutter hat ihn oft gemacht, wenn ...

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn ein Roman von Olivia Ford

„Heute backe ich einen einfachen, aber dennoch raffiniert schmeckenden Rührteigkuchen mit Trockenfrüchten. Meine Mutter hat ihn oft gemacht, wenn wir nachmittags Gäste zum Tee erwartet haben“, erklärte sie mit einem schnellen Blick zum Fenster. „Wenn die Butter knapp war, haben wir sie am Ende auf dem Teig verteilt, anstatt sie einzuarbeiten.“ Das Leben konnte einem Möglichkeiten nehmen, aber niemals den Einfallsreichtum. S.109

Familienrezepte zu bewahren, nach alter Tradition zu backen und zu kochen, ist eine Möglichkeit seine Lieben immer bei sich zu haben. Rezepte haben Bestand und sie schmecken nach Erinnerungen. So ergeht es der knapp 80jährigenn Jennifer Quinn, die zusammen mit ihrem Mann Bernard in einem kleinen, beschaulichen Dorf in England lebt. Der frühe Verlust der eigenen Mutter hat sie geprägt. Jenny fühlt sich eng mit ihr verbunden, wenn sie die verschiedenen Leckereien, die sie einst zusammen zubereitet haben, mit Geduld und Liebe fertigen kann. Vielleicht aus diesem Grund, überspannt die Autorin jedes Kapitel mit dem Namen einer Köstlichkeit, die im jeweiligen Abschnitt einen Platz hat. Man schaut Jennifer bei der Zubereitung über die Schulter und taucht dabei ein Stück in ihre Vergangenheit ein. Dabei gelingt ihr alles wie von selbst, nur bei einer Leckerei, stößt sie an ihre Grenzen... .
Der liebevolle Schreibstil von Olivia Ford fängt die Stimmung und Atmosphäre wunderbar ein. Die einzigartigen Charaktere unterstreichen die Geschichte und beleben den Lesefluss. All zu selbstverständliche und doch bewegende Themen bekommen durch die Erzählung um Jennifer und Bernard sowie deren Träume und unrealisierten Wünsche genügend Raum. Jennifer übermannt das gelebte Leben und die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit. Sie nimmt allen Mut zusammen und ergreift somit ihre vielleicht letzte Chance. Damit bleibt sie sich treu und stellt sich gleichzeitig einem langgehüteten Geheimnis.

Fazit: Was für ein wunderbares Buch! Einfach schön und es wärmt das Herz, unbedingt lesen oder einem lieben Menschen schenken!

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Veröffentlicht am 17.12.2023

Alte Wunden

Himmelfahrt. Höllenfahrt.
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Himmelfahrt. Höllenfahrt. Der 70er-Jahre Krimi von Michael Wagner

Die Freude auf das Herrengedeck schlug bei dessen Ankunft in eine mittelschwere Enttäuschung um. Das Wappen und der darunter befindliche ...

Himmelfahrt. Höllenfahrt. Der 70er-Jahre Krimi von Michael Wagner

Die Freude auf das Herrengedeck schlug bei dessen Ankunft in eine mittelschwere Enttäuschung um. Das Wappen und der darunter befindliche Schriftzug auf dem Glas machten ihm wieder bewusst, das es in der Pieke Andreas-Pils gab, und das war alles andere als Theos Lieblingsbier. Aber nun half es nichts. Er stürzte das Pils in drei großen Zügen hinunter und spülte mit dem Korn nach. S.34

Dieser Ausflug in die 70iger Jahre lebt von der Situationskomik und den Charakteren. Rückenschmerzpatient Theo Kettling, die pensionierte Lehrerin Liselotte Larisch und die flotte Sabine geben ein illustres Gespann ab. Die gegensätzlichen Figuren ergänzen sich hervorragend. Cleo II rundet das Gespann durch tierische Unterstützung ab. Die drei Hobby-Ermittler fangen nach dem unglücklichen Unfall der kleinen Michaela Feuer. Sie wollen sich nur mal ein bisschen umsehen und stellen dabei unbequeme Fragen, die oftmals keiner hören will und teils unbeantwortet bleiben. An alten Wunden kratzt man nicht! Doch sie lassen sich nicht abschrecken und sind bald der Wahrheit auf der Spur.

Fazit: Mich hat der Schreibstil wunderbar abgeholt und somit konnte ich eine tolle Zeit in Lüdenscheid verbringen. Ein nostalgischer Regionalkrimi mit Esprit und Witz, den ich sehr gern gelesen habe. Der 4. Band kann locker mit den Vorgängern mithalten und somit freue ich mich auf ein weiteres Abenteuer aus der Feder des Autors.

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