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Veröffentlicht am 13.03.2024

Hitzewallungen und Leichen

Morden in der Menopause
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Dass die Wechseljahre für viele Frauen keine einfache Angelegenheit ist, ist nicht völlig neu. Doch selten dürfte zwischen Hitzewallungen, Schlafproblemen und Gefühlsschwankungen die Lage so kompliziert ...

Dass die Wechseljahre für viele Frauen keine einfache Angelegenheit ist, ist nicht völlig neu. Doch selten dürfte zwischen Hitzewallungen, Schlafproblemen und Gefühlsschwankungen die Lage so kompliziert sein wie im Fall von Liv, der Protagonistin von Tine Dreyers Cozy-Krimi "Morden in der Menopause". Denn kaum bleibt die Periode aus, pflastern auf einmal Leichen den Weg der 48-Jährigen Kölnerin und dreifachen Mutter. Dabei hat sie es ja nur gut gemeint, als sie einen Drogenkauf ihres 16-jährigen verhindern wollte - eine gute Mutter kümmert sich nun mal um ihre Brut. Nur dass im Fall von Liv da plötzlich ein toter Dealer ist, dessen Leiche entsorgt werden muss. Und es bleibt, so viel darf verraten werden, nicht die letzte Leiche. Nachlassende Libido und Hormonschwankungen sind da plötzlich noch die geringeren Sorgen, so sehr die Wechseljahresbeschwerden Liv auch quälen....

"Morden in der Menopause" ist trotz der Verwendung von Eispickels und Zimmermannshämmern ein turbulenter Cozy-Krimi mit schrägem Humor, denn wenn eine eher biedere Mama plötzlich mit Zuhältern, Drogenhändlern und Rotlichtmilieu zu tun hat, dann bleiben haarsträubende Situationen nicht aus. Und all das bildet einen Kontrast zu den schwer pubertierenden Teenagern, den Schwiegereltern, die trotz mancher Altersbeschwerden keinesfalls als pflegebedürftig gelten wollen und einem Ehemann, der selbst ein paar Geheimnisse hat.

Ganz nebenbei lüftet die Autorin für diejenigen ihrer Leserinnen, denen die Erfahrung Menopause noch bevorsteht, ein paar Geheimnisse über Hormone und ihre Auswirkungen auf Stimmung, Wohlbefinden und Schlafvermögen.

Gerade da das Thema Wechseljahre sehr häufig eher verschämt behandelt wird - Frauen dürfen schließlich nicht alt wirken! - ist diese eher ungewöhnliche Herangehensweise erfrischend und unterhaltsam. Das Buch ist vielleicht keine große Literatur und will es wohl auch kaum sein. Aber Frauen im gewissen Alter können angesichts von Livs Abenteuern einen erleichterten Seufzer ausstoßen, wenn in einer schlaflosen Nacht die nächste Hitzewelle heranrollt: Schlimmer geht immer!

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Veröffentlicht am 12.03.2024

Das laute Schweigen der Mehrheit

Judenhass
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Der 7. Oktober 2023 hat mit dem Massaker der Hamas-Terroristen etwas verändert - nicht nur in Israel. In seinem Buch "Judenhass" beschreibt Michel Friedman eindrücklich, wie der Terror auch auf das Leben ...

Der 7. Oktober 2023 hat mit dem Massaker der Hamas-Terroristen etwas verändert - nicht nur in Israel. In seinem Buch "Judenhass" beschreibt Michel Friedman eindrücklich, wie der Terror auch auf das Leben deutscher Juden auswirkte - nicht allein für diejenigen, die Freunde oder Verwandte in Israel haben, sondern für das Sicherheitsgefühl und Gefühl von Zugehörigkeit in Deutschland. Er schildert Erfahrungen mit Antisemitismus - sei es rechtsextremistischem, islamistischen oder linkem - aber vor allem die Bestürzung über die Reaktionen in Deutschland. Oder, zutreffender, über den Mangel an Reaktionen.

Beim Lesen des Buchs standen mir sofort wieder viele eigene Erinnerungen und Eindrücke vor Augen - etwa am Abend des 7. Oktobers selbst, auf dem Frankfurter Römerberg. Das politische Hessen hatte mitten im Landtagswahlkampf die Wählerkamapgnen ausgesetzt, Politiker verschiedener Parteien verurteilten geschlossen den Terror. Zur spontanen Solidaritätskundgebung waren vielleicht 300 Menschen gekommen, davon mindestens die Hälfte aus der jüdischen Gemeinde. Und selbst da gab es Zwischenrufe, Angriffe auf Teilnehmer der Demo. Ein paar Wochen später erinnerte ein gedeckter Schabbat-Tisch am gleichen Ort an die nach Gaza verschleppten Israelischen Geiseln. Das Polizeiaufgebot war fast größer als die Zahl der Menschen, die ihre Anteilnahme zeigen wollten. Dafür gab es auf propalästinensischen Demos immer wieder hasserfüllte, nicht nur anti-israelische, sondern auch antisemitische Parolen.

Ich konnte nachfühlen, dass sich jüdische Menschen in Deutschland - und auch in anderen europäischen Ländern - in diesen vergangenen sechs Monaten sehr einsam gefühlt haben. Friedman zeigt sich in seinem Buch ratlos über die Gleichgültigkeit und Passivität. Wo blieb der breite öffentliche Aufschrei angesichts der grausamen Details, die in den Tagen und Wochen seit dem 7. Oktober bekannt wurden? Wo die Empörung über Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Folter - und die ekligen Jubelszenen? Wieso sind tausende bereit, gegen Abholzung und Klimawandel auf die Straße zu gehen, reagieren aber nicht auf grausamsten Terror?

Friedman schreibt hier weniger als Publizist oder Rechtsanwalt, sondern als Vater, der dachte, seine Söhne könnten die erste Generation seit langem sein, die halbwegs unbefangen in Deutschland aufwächst, trotz der täglichen Schutzmaßnahmen vor jüdischen Schulen, Kindergärten und anderen Einrichtungen im großen und ganzen ohne Angst. Den Rat, Juden sollten an bestimmten Orten keine Kippa und keinen Magen David tragen, sieht er als Kapitulation vor Hass und Antisemitismus an, als Versagen des Staates und der Politik, ein unbehelligtes Leben der eigenen jüdischen Mitbürger zu garantieren. Und er sucht die Ansprache - in "Briefen", in denen er sich an Gleichgültige, an Christen, an Jüdinnen und Juden wendet, Fragen stellt, Befindlichkeiten erklärt.

Wer die Sendungen von Michel Friedman kennt, weiß, wie pointiert und durchaus scharf er sein kann. In diesem Buch ist er nachdenklich, reflektiert, ja traurig. Das laute Schweigen der Mehrheit, die seit mehr als sechs Monaten sicherlich nicht nur den Autor verstört, hält an. Aber vielleicht trägt dieses Buch dazu bei, das Schweigen aufzubrechen. Wünschenswert wäre es.

Veröffentlicht am 07.03.2024

Die vermisste Schwester

Höllenkalt
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Nachdem ich vor kurzem "Blutrot", den zweiten Band der isländischen Autorin Lilja Sigurdadottir über die Finanzermittlerin Arora auf der Suche nach der Leiche ihrer Schwester gelesen hatte, war meine Neugier ...

Nachdem ich vor kurzem "Blutrot", den zweiten Band der isländischen Autorin Lilja Sigurdadottir über die Finanzermittlerin Arora auf der Suche nach der Leiche ihrer Schwester gelesen hatte, war meine Neugier geweckt: Wie hatte sich das alles entwickelt. Darauf gibt mir "Höllenkalt", der erste Band, der bereits im vergangenen Jahr erschien, die Antwort.

Das Buch ist auch gut, um die komplexen Familienbeziehungen und gerade das Verhältnis der Schwestern untereinander zu verstehen und auch ein besseres Bild von Arora zu gewinnen. Die Triologie - ich bin schon jetzt gespannt auf den dritten Band! - in der richtigen Reihenfolge zu lesen, ist auf jeden Fall ratsam.

Arora ist eher widerwillig und auf Druck ihrer Mutter nach Island gereist, um dort nach dem Verbleib ihrer Schwester Isafold zu forschen. Arora wurde von ihrem verstorbenen isländischen Vater zwar als das "Trollmädchen" bezeichnet, weil bei ihr die Wikingergene durchkamen, doch eigentlich identifiziert sie sich vor allem mit der englischen Herkunft ihrer Mutter, spricht isländisch mit unüberhörbarem Akzent, während die ältere Schwester Island als ihr wahres Zuhause sah.

Dass die Schwester in einer toxischen Beziehung steckte, war Arora schon lange klar. Die Ausreden über Stürze und Unfälle im Haushalt waren nicht mit den blauen Flecken und dem gebrochenen Kiefer plausibel zu machen und der Frust über Isafolds Entscheidung, immer wieder zu ihrem Freund zurückzukehren und alle Hilfsangebote auszuschlagen, hat das Verhältnis der Schwestern belastet.

Bei ihren Nachforschungen stößt Arora auf Widersprüche - warum hat Isafold plötzlich den Kontakt zur Mutter abgebrochen und auch nicht mehr auf Facebook gepostet? Hat sie Björn wirklich verlassen, wie dieser behauptet? Sigurdadottir spart auch nicht mit weiteren Verdächtigen - was hat es mit dem psychisch kranken Nachbarn auf sich, der regelrecht besessen von Isafold war?

Fragen, die ich mir beim Lesen von "Blutrot" stellte, werden hier beantwortet, ohne dass ich das Gefühl hatte, durch Band zwei zu sehr gespoilert zu sein. Auch die Beziehung Aroras zu dem Polizisten Daniel, die in "Blutrot" eine Rolle spielt, hat hier ihre Vorgeschichte. Sigurdadottir schafft es wie schon bei ihrer früheren Triologie, ihre Figuren von Band zu Band komplexer zu machen. Für mich ist schon jetzt klar, dass ich den dritten Band der Triologie keinesfalls vermissen darf.

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Veröffentlicht am 06.03.2024

Ermittlung aus dem Jenseits

Over My Dead Body
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Alles muss sie selber machen - sogar den eigenen Mord aufklären! Das ist die Erkenntnis der kürzlich verstorbenen Notfallmedizinierin Miriam Price, Hauptfigur von Maz Evans von britischem Humor durchtränkten ...

Alles muss sie selber machen - sogar den eigenen Mord aufklären! Das ist die Erkenntnis der kürzlich verstorbenen Notfallmedizinierin Miriam Price, Hauptfigur von Maz Evans von britischem Humor durchtränkten Cozy-Krimi "Over my dead body". Ich-Erzählerin Miriam hat es zu Lebzeiten ihren Mitmenschen nicht leicht gemacht. Ihre Art kommt auf andere vermutlich eher schroff und ein wenig menschenfeindlich rüber, ihr Alkoholkonsum macht es auch nicht leichter. Selbst die Mühe, sich die Namen ihrer Medizinstudentinnen zu merken, macht sie sich nicht - man kann die jungen Leute ja auch durchnummerieren.

Jetzt allerdings hat Miriam andere Probleme, abgesehen vom Tot-Sein und ihrem kürzlich erworbenen Status als Geist: So lange ihr Tod als Missgeschick gilt, ist sie gewissermaßen zu einer jenseitigen Zwischenexistenz gezwungen und kann erst in die Ewigkeit mit all ihren Freuden einziehen, wenn sie ihre ursprünglich voraussichtliche Lebenserwartung im einer Art Wartezimmer verbracht hat. Immerhin rund 50 Jahre - für so etwas fehlt Miriam einfach die Geduld.

Sie ist sicher - die Tabletten, die sie vor ihrem Tod mit reichlich Alkohol zu sich nahm, wurden ihr verabreicht. Es war Mord - kein Unfall oder Selbstmord, wie alle anderen zu glauben scheinen. Ehe der offizielle Leichenbeschauer sein Urteil fällt, muss sie also irgendwie den Täter oder die Täterin finden - gar nicht so leicht, wenn man ein Geist ist.

Da ist zum einen das Kommunikationsproblem - zwar kann Miriam verfolgen, was ihre beste Freundin, ihr Ehemann, ihr woker Bruder und andere über sie zu sagen haben, doch nur Menschen, die selbst in wenigen Tagen sterben werden, können sie sehen und hören. Dabei handelt es sich ausgerechnet um die Nachbarin, mit der Miriam jahrelang in Fehde lag. Als Witwe eines Polizeibeamten und eifrige Krimiserien-Zuschauerin hat diese allerdings ungeahnte Talente, wie Miriam widerwillig eingestehen muss.

Wie sich dieses ungleiche und ständig kabbelnde Ermittlerduo zusammenfindet und Miriam bei der Suche nach der Wahrheit auch einige schmerzliche Selbsteinsichten gewinnt - das ist höchst vergnüglich zu lesen und gleitet dabei weder ins Platte noch ins Sentimentale ab. Hinzu kommen die menschlich-allzumenschlichen Gestalten im Jenseits. Miriam wird als Geist noch so einiges andere gerade zu rücken haben als nur die Wahrheit über ihren eigenen Tod. Wie das geschieht, erzählt Evans unterhaltsam und mit trockenem Humor. Dabei nimmt sie Helikoptermütter ebenso auf die Schippe wie Über-Wokeness. Mir hat es viel Spaß gemacht, Miriam bei ihren Ermittlungen zu begleiten. Auch wenn sie ihren eigenen Fall aufklärt - irgendwie hoffe ich, dass dies nicht das letzte ist, was ich von der Geisterdetektivin zu lesen bekomme.

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Veröffentlicht am 05.03.2024

Rückblick eines Kultur-Expats

Geheimnis der Rückkehr
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Stephan Wackwitz hat was von der Welt gesehen - nicht als Tourist, sondern als Expat in Sachen Kultur für das Goethe-Institut. Mehr als ein Vierteljahrhundert lebte er in ganz unterschiedlichen Ländern, ...

Stephan Wackwitz hat was von der Welt gesehen - nicht als Tourist, sondern als Expat in Sachen Kultur für das Goethe-Institut. Mehr als ein Vierteljahrhundert lebte er in ganz unterschiedlichen Ländern, nach dem Studium in London in Tokio und New York, in Krakau, Bratislava, Tbisli und Minsk. Vom Leben im Ausland träumte er schon als Jugendlicher, wollte raus aus der schwäbischen Enge. Wie hat die Erfahrung den Blick auf die Welt, aber auch auf das eigene Land verändert? Wie ihn verändert, geprägt, genervt? Geschrieben ist das Buch nach der Rückkehr, als sich Wackwitz in Berlin eine neue Heimat schafft. Doch ist die überhaupt auffindbar nach so vielen Ortswechseln?

In seinen Erinnerungen erfahren die Leser nur begrenzt über die Lebensumstände, wer selber Auswanderungswünsche hegt und auf Tipps und Erfahrungswerte hofft, dürtte enttäuscht werden. Denn es geht vor allem um philosophierende Selbstreflektion, groß-bildungsbürgerlichen Sprachgebrauch (trotz einer kurzen marxistischen Vergangenheit), kurz, hier finden sich mehr Selbst-Analyse und Nabelschau als Betrachtungen anderer Gesellschaften und Kulturen. Es sind persönliche und personalisierte Erlebnisse und Begegnungen, die im Vordergrund stehen. Und vielleicht ist auch die Arbeitserfahrung für Wackwitz nicht so wichtig gewesen wie die Schriftstellerei.

Ich habe das Buch trotzdem mit Interesse gelesen. Offenbar waren wir sogar Ende der 90-er Jahre / Anfang der 2000-er für mehrere Jahre im gleichen Land - Wackwitz als Leiter des Goethe-Instituts in Krakau, ich in Warschau, in einer Zeit, in der ziemlich viel passierte mit der EU-Osterweiterung und dem Nato-Beitritt der baltischen und ostmitteleuropäischen Staaten.

Man kann beim Lesen erkennen, dass Wackwitz von der Aufbruchstimmung in der Region fasziniert war - es ist sicher kein Zufall, dass er in den Folgejahren immer wieder in dem Teil Europas arbeitete und lebte, der einst zum sowjetischen Machtbereich gehörte. Umso mehr verwundert es allerdings, dass in großen Strecken des Buches von Osteuropa die Rede ist - eine Verortung, die in Polen, der Slowakei und den anderen westorientierten Gesellschaften der einstigen Warschauer Pakt-Staaten ungewünscht und ungeliebt war.

Es wäre interessant gewesen zu lesen, wie die Herausforderungen für Wackwitz´ Arbeit waren, gerade angesichts des Wandels weg von den so schwer erkämpften Freiheiten, wie wir sie in den letzten Jahren etwa in Polen und Ungarn gesehen haben. Doch vieles bleibt anekdotisch, auf persönliche Freundschaften zu Künstlern und Intellektuellen bezogen. Überhaupt - wie viel Alltagserfahrung sind in dieses Vierteljahrhundert Auslandsleben eingeflossen? Da ist für mich vieles vage geblieben, zu selbstverliebt in die essayistische Form, Wahrscheinlich waren meine Leseerwartungen einfach zu verschieden von den Schreiberwartungen des Autors.