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Veröffentlicht am 14.07.2025

Der weltweite Aufstieg der Rechten

Die globale Rechte
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Ein Abriss der Geschichte, Ideologie und Entwicklung der globalen Rechten - das ist ein umfangreiches Thema. Marcel Lewandowsky beschränkt sich in seinem Buch "Die globale Rechte" auf 143 Seiten - mehr ...

Ein Abriss der Geschichte, Ideologie und Entwicklung der globalen Rechten - das ist ein umfangreiches Thema. Marcel Lewandowsky beschränkt sich in seinem Buch "Die globale Rechte" auf 143 Seiten - mehr als ein Abriss kann es also nicht sein. Dennoch, als kompakter Einstieg in die Thematik ist dieses Sachbuch sicherlich gut geeignet und bietet Ansatzpunkte zum Weiterlesen.

Auch wenn der Autor die weltweite Entwicklung zeigt - Trumps Aufstieg und die MAGA-Bewegung in den USA, das politische Erbe des Faschismus in Italien, die rechtskonservativen Regierungen in Polen unter der PiS und in Ungarn anhaltend unter Victor Prban, die Entwicklung in Russland unter Wladimir Putin - ist doch ein Schwerpunkt die Geschichte rechter und rechtspopulistischer Parteien in Deutschland.

Dabei zeigt er nicht nur die Entwicklung von der Weimarer Republik über das Dritte Reich bis in die Bundesrepublik, sondern gibt auch der Frage Raum, wie mit rechten Parteien umzugehen sei. Funktioniert der Konsens der demokratischen Parteien, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten? Und was folgt, wenn konservative Parteien versuchen, rechte Wählerstimmen zu bekommen, indem sie deren Positionen näherrücken? Vieles von dem, was Lewandowsky schildert, sehen die Leser*innen längst im politischen Alltag.

Das Buch regt zum Nachdenken an - was bedeutet die Existenz rechter Parteien und die Reibung an ihnen für die demokratische Gesellschaft? Bei wem schrillen schon die Alarmglocken und wer denkt noch, es sei alles nicht so schlimm? Dabei macht der Autor deutlich, dass Minderheiten sich bereits bedroht fühlen, wenn andere, die weniger ein Feindbild rechter Parteien abgeben, noch beschwichtigen. Zugleich führt er an Beispielen der jüngsten Vergangenheit die Auswirkungen auf Justiz, Medien, und eine funktionierende Gewaltenteilung vor Augen, wenn rechte Parteien an die Macht kommen.

Veröffentlicht am 14.07.2025

Claire und ihr Hammer

My Life as a Serial Killer
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Wenn Claire durch Menschen buchstäblich hindurchblicken kann und sie gewissermaßen als Geister wahrnimmt, hat das nichts Gutes zu bedeuten. Denn Claire, künstlerisch begabt und auch durchaus ambitioniert, ...

Wenn Claire durch Menschen buchstäblich hindurchblicken kann und sie gewissermaßen als Geister wahrnimmt, hat das nichts Gutes zu bedeuten. Denn Claire, künstlerisch begabt und auch durchaus ambitioniert, hat mörderische Impulse und sieht keinerlei Sinn darin, sie nicht auszuleben. In Joanna Wallaces "My Life as a Serial Killer" hinterlässt sie eine Blutspur und blickt zurück auf eine mörderische Laufbahn, die im zarten Alter von sieben Jahren begann. Damals lernte sie den besonderen Nutzen eines Hammers kennen, ein Werkzeug, dass sie seitdem gerne bei sich führt.

Ein Mensch hat Claire bedingungslos geliebt, einschließlich ihrer finsteren Seite - ihr vor kurzem verstorbener Vater, der in den letzten Jahren seines Lebens an präseniler Demenz litt. In dieser Lage macht Claire etwas, was eigentlich nicht ihrer Art entspricht: Sie schließt sich einer Trauergruppe an, kurz nach dem letzten Mord, wegen dem sie dummerweise erpresst wird - von einem weiteren Mitglied der Gruppe.

Irgendwie klar, dass das für die Erpresserin nicht gut enden kann. Doch irgendwie hat noch jemand Wissen von Claires Aktivitäten. Hat die Trauer sie unvorsichtig gemacht? Können die Durchschnittsmenschen, wie Claire die Normalos um sich herum nennt, doch komplexer sein als gedacht und ihre dunkle Seite wahrnehmen? Und wie viele Menschen muss sie noch umbringen, bis sie endlich ihre Ruhe hat?

"My Life as a serial killer" hat bitterbösen britischen Humor und durchaus komische Seiten, wenn Claire quasi im Plauderton als Ich-Erzählerin übers Morden erzählt und Betrachtungen über die seltsame Welt der Durchschnittsmenschen anstellt. Klar, so richtig sympathisch ist eine Serienkillerin nicht. Die Frage, wer als nächstes dran glauben muss und ob Claire endgültig enttarnt wird, sorgt aber dennoch für spannende Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 06.07.2025

Alles in Auflösung

Die Unbehausten
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Das marode Haus, das über der Journalistin Willa und ihrer Familie zusammenzustürzen droht, ist symbolisch für die Ungewissheiten und Zerfallserscheinungen in Barbara Kingsolvers Roman "Die Unbehausten": ...

Das marode Haus, das über der Journalistin Willa und ihrer Familie zusammenzustürzen droht, ist symbolisch für die Ungewissheiten und Zerfallserscheinungen in Barbara Kingsolvers Roman "Die Unbehausten": alles ist irgendwie in Auflösung. Beruflich, Privat und Politisch.

Denn Willa bekommt als Journalistin die Auswirkungen der Medienkrise zu spüren. Die einstige Zeitschriftenredakteurin muss nun als Freelancerin über die Runden kommen. Ihr Mann, ein Universitätsprofessor, hofft auch mit über 50 noch vergeblich auf eine Festanstellung. Tochter Tig, zu der Willa seit Jahren ein konfliktbeladenes Verhältnis hat, driftet scheinbar ziellos durchs Leben und ist gerade wieder in die Familie zurückgekehrt. Sohn Zeke, ehrgeiziger Harvard-Absolvent mit enormen Studienschulden, erlebt eine private Tragödie. Seine Freundin hat Suizid begangen, das gemeinsame Kind ist erst wenige Wochen alt. Zeke geht auf emotionale Distanz zu dem Baby, das in Willas Obhut kommt. Aus einem Provisorium wird ein Dauerzustand.

Dabei fordert bereits der schwerkranke Schwiegervater Zeit, Aufmerksamkeit und Pflege. Mit seiner nicht immer einfachen Persönlichkeit und seiner Vorliebe für einen populistischen, aggressiven Politiker, der nur als "Megafon" bezeichnet wird und an Donald Trump erinnert, ist der Schwiegervater für Willa mitunter schwer zu ertragen. Dass ein Handwerker das Haus als nicht mehr zu retten bezeichnet, ist ein zusätzlicher Schlag. Ist die Familie demnächst obdachlos?

Willa hofft auf historischen Wert des Gebäudes und Fördermittel für eine Renovierung. Sie beginnt zu recherchieren und stößt auf die Spur der Naturforscherin Mary Treat. Treat war eine ungewöhnliche Frau, die im Austausch mit Charles Darwin und anderen Wissenschaftlern stand, eine Autodidaktin, die in der Kleinstadtgesellschaft eher skeptische beäugt wird.

Hier setzt die zweite Erzählebene der "Unbehausten" ein, denn auf dem Grundstück, auf dem jetzt Willa und ihre Familie leben, lebte einst der Lehrer Thatcher mit seiner Ehefrau, Schwiegermutter und Schwägerin. Das Haus ist ähnlich marode und als Lehrer mit Einjahresvertrag kann Thatcher seiner Frau nicht den Lebensstandard bieten, an den sie in ihrer Jugend gewohnt war. Als Thatcher, der an der Schule wegen seiner Reformvorschläge und naturwissenschaftlichen Denkens im bibeltreuen Milieu isoliert ist, Mary Treat kennenlernt, findet er eines Geistesverwandte.

Die Handlung wechselt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit und folgt den Protagonisten im Abstand von 150 Jahren durch eine Welt, in der es keine Gewissheiten mehr gibt beziehungsweise alles Neue abgelehnt wird. Dieser Wechsel ist reizvoll, wie auch der Kampf gegen Windmühlen Sympathien für die Romanfiguren weckt, die sich im Verlauf des Buches weiterentwickeln und an Tiefe gewinnen.

"Die Unbehausten" zeigt Welten voller Widersprüche und Ungewissheiten und den Versuch von Individuen, ihre Würde und Authentizität zu wahren angesichts widriger äußerer Umstände.

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Veröffentlicht am 05.07.2025

Club der Möchtegern-Witwen

Very Bad Widows
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Geld oder Liebe, das ist gewissermaßen das Motto in Sue Hincenbergs Cozy-Krimi "Very bad widows", wobei: sehr weit her ist es ja nicht mehr mit der Liebe in den Ehen von Pam, Nancy und Shalisa. Die vierte ...

Geld oder Liebe, das ist gewissermaßen das Motto in Sue Hincenbergs Cozy-Krimi "Very bad widows", wobei: sehr weit her ist es ja nicht mehr mit der Liebe in den Ehen von Pam, Nancy und Shalisa. Die vierte Freundin im Bunde, Marlene, ist frisch verwitwet und seitdem unternehmungslustiger denn je. Zudem kann sie sich mit dem Geld aus der Lebensversicherung ihres Mannes einen Lebensabend im sonnigen Florida gönnen.

Beneidenswert, vor allem, da sich die Frauen seit einigen Jahren schwer einschränken müssen. Denn Pams Ehemann hatte sich bei einer Investition gründlich verspekuliert, und dabei auch die anderen drei befreundeten Paare, die seinem Finanzratschlag gefolgt waren, in die Geldknappheit gestoßen. Die Freundschaft hatte den finanziellen Niedergang überstanden, in den Ehen herrschte seitdem allerdings deutliche Abkühlung.

Marlenes neues Leben führt das Ehefrauen-Trio auf unschöne Gedanken: Haben nicht auch die eigenen Gatten eine hohe Lebensversicherung abgeschlossen? Und könnte man nicht, mit ein bißchen Nachhilfe, in den Status der wohlhabenden Witwe aufrücken? Selbst Hand anlegen wollen die Frauen nicht, doch der salvadorianische Herrenfriseur Hector, so wird gemunkelt, ist in Sachen Auftragsmord nicht unerfahren...

Was Pam, Nancy und Shalisa nicht wissen können: Ihre Ehemänner sind selbst bereits Kunden bei Hector. Sie gehen nämlich davon aus, dass das Garagentor, das auf dem Kopf ihres kürzlich verstorbenen Freundes niedergegangen ist, nicht zufällig dort gelandet war. Denn zusammen mit Marlenes verstorbenen Gatten hatten die Männer geplant, durch jahrelange Manipulation der Automaten in dem Casino, in dem zwei von ihnen arbeiteten, wieder zu Geld zu kommen. Das Projekt stand schon kurz vor dem Abschluss, mit neun Millionen Dollar auf Offshorekonten. Geld, das vielleicht auch wieder zu mehr Leben in den jeweiligen Ehen führen könnte. Doch kürzlich wurde das Casino von einer indischen Holding mit Verbindungen ins organisierte Verbrechen übernommen. Die Männer sind sicher: Man ist ihnen bereits auf der Spur. Also soll Hector ihre mutmaßlichen Killer außer Gefecht setzen.

Dieses Szenario ist lediglich der Ausgangspunkt - es wird noch wesentlich turbulenter zwischen verletzter Liebe, Reue und Wut. Eine Ehetherapie wäre womöglich nützlicher gewesen, auch wenn sie die Geldprobleme nicht gelöst hätte. Dann aber wäre Hincenbergs Buch bei weitem nicht so kurzweilig. Auch wenn die Ehedramen öfter ein wenig überzeichnet sind, ist "Very bad widows" ausgesprochen unterhaltsam.

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Veröffentlicht am 03.07.2025

Einsamlkeit in Zeiten des Klimawandels

Die Rettung
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Eines ist bei den Romanen von Charlotte McConnaghy garantiert: Die Natur spielt eine Hauptrolle, mit großartigen Beschreibungen von Landschaft, Flora und Fauna, mit einem aufmerksamen Blick und einer ruhigen ...

Eines ist bei den Romanen von Charlotte McConnaghy garantiert: Die Natur spielt eine Hauptrolle, mit großartigen Beschreibungen von Landschaft, Flora und Fauna, mit einem aufmerksamen Blick und einer ruhigen Erzählweise. Das ist auch in ihrem neuen Buch, "Die Rettung" nicht anders.

Der Titel ist zutreffend und doch auch wieder nicht. Denn in der Tat wird die schwerverletzte Rowen nach einem Schiffbruch gerettet. Doch die einsame Insel zwischen Australien und Antarktis, auf der nur noch der verwitwete Forscher Dominic mit seinen drei Kindern lebt, ist bereits durch den Klimawandel verloren. Der Meeresspiegel steigt, der Saatbunker, in dem Saaten seltener, teils bereits ausgestorbener Pflanzen für künftige Generationen aufgelöst werden, kann nicht aufrechterhalten bleiben. Dominic betreibt die Abwicklung, nachdem die Wissenschaftlerteams die Insel bereits verlassen haben.

Zwischen Pinguinen, Robben und Seeelefanten herrscht zunächst spannungsvolles Misstrauen zwischen Rowen und Dominic. Beide spüren, der/die andere hat Geheimnisse. Wieso sind Funkverbindung zur Außenwelt und Stromversorgung abgebrochen? Warum hat sich die 17-jährige Tochter zu einem isolierten Leben in einem Bootsschuppen nahe der Robbenkolonie entschlossen? Rowen will das Schicksal ihres Ehemannes aufklären, der als Wissenschaftler auf der Insel lebte. Dominic will seine Familie schützen - um welchen Preis und vor welcher Gefahr?

Zugleich sind Rowen und Dominic zwei zutiefst einsame Menschen, die zwischen Misstrauen und wechselseitiger Anziehung gefangen sind. Und dann sind da noch die 18, 17 und neun Jahre alten Kinder, die durch das einsame Leben auf der Insel zu ungewöhnlichen Persönlichkeiten heranwachsen und im Falle des Jüngsten erstmals eine Frau als mögliche Mutterfigur erleben. Wobei Rowen, die bewusst kinderlos geblieben ist, über den anhänglichen Neunjährigen mit seinem enzyklopädischen Wissen über Pflanzen zunächst gar nicht erfreut ist.

McConnaghy schafft es, subtile Spannung aufzubauen: Kommt die größte Gefahr von außen oder von innen? Werden Geheimnisse gelüftet, und mit welchen Konsequenzen? Rückblenden erklären die Vergangenheit der Protagonisten und zeigen, wie sie zu denen wurden, die sie sind, wo ihre Verletzlichkeiten liegen. Wer die Autorin kennt, weiß: Spannung ist hier nie reißerisch, dennoch hat "Die Rettung" Thriller-Elemente eines locked space Dramas mit Naturgewalten und verborgenen Wahrheiten. Das Ende ist ebenso schmerzhaft wie konsequent.

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