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Veröffentlicht am 16.02.2022

Wilde Wendezeit in Dresden

Im Schatten der Wende
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Es ist Herbst 1989 und es gärt in der DDR, selbst im "Tal der Ahnungslosen". Der junge Volkspolizist Tobias Falck träumt von einer Karriere bei der Kriminalpolizei, als ein "ganz strammer" Genosse dürfte ...

Es ist Herbst 1989 und es gärt in der DDR, selbst im "Tal der Ahnungslosen". Der junge Volkspolizist Tobias Falck träumt von einer Karriere bei der Kriminalpolizei, als ein "ganz strammer" Genosse dürfte dem wenig entgegenstehen. Doch zunächst einmal hat er ganz andere Sorgen, als er mit seinen Kollegen nach Leipzig geschickt wird, wo die Montagsdemonstrationen immer mehr Menschen anziehen. Wie lange wird die Staatsmacht zuschauen? Wird es eine "chinesische Lösung" geben wie wenige Monate zuvor auf dem Platz des Himmlischen Friedens? Die Angst vor einem Schießbefehl - und der eigenen Reaktion - sitzt tief bei den jungen Polizisten.

Mehr als ein Drittel von Frank Goldammers Historischem Kriminalroma "Schatten der Wende" spielt in den letzten Wochen der DDR, bis es dann eher unprätentiös so weit ist mit der titelgebenden Wende. Wenige Monate später trittt Tobias Falck seine erste Kripo-Stelle beim Kriminaldauerdienst in Dresden an. Er hofft auf eine DDR mit einem menschlichen Sozialismus, ist befremdet angesichts des plötzlichen Konsumrauschs, findet es selbst ein wenig peinlich, dass auch er sich seine 100 DM Begrüßungsgeld abgeholt hat.

Sein teils abgeklärter, teils ruppiger Chef Eddie Schmitt ist leicht genervt von dem Neuen, die Kollegin Bach ist da schon lockerer im Umgang. Als eine westdeutsche Kollegin aus Frankfurt beim Kriminaldauedienst auftaucht und die Ost-Kollegen um Unterstützung bei der Suche nach einem Auftragskiller in Diensten des Rotlichtmilieus sucht, bringt dies die Dynamik in der Amtsstube ziemlich durcheinander. Der Obstkorb als Enführungssgeschenk kommt nicht so gut an und auch sonst sind die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West beträchtlich. Davon, dass zusammenwachsen soll, was zusammengehört, kann keine Rede sein. Die West-Frau ist erschüttert angesichts der schlechten Straßen und heruntergekommenen Häuser, die Ost-Polizisten fühlen sich angesichts des nassforschen Auftretens der Kollegin in ihrem Stolz gekränkt.

Der Reiz an "Schatten der Wende" liegt vor allem darin, dass hier noch einmal die Ungewissheiten, aber auch die noch offenen Möglichkeiten zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung aufgezeigt werden. Für jüngere Leser ein Blick in eine Zeit, die ihnen vermutlich ziemlich schräg vorkommt, für die Älteren dürfte es Erinnerungen wecken an die Fragen, die sich wohl nicht nur Ostdeutsche wie Tobias Falck stellten: "Was kam jetzt auf sie zu? Was sollte aus ihnen werden, aus ihnen allen? Plötzlich war die Zunkunft offen, aber auch ungewiss. Plötzlich schien nichts mehr sicher."

Das wird an anderer Stelle noch expliziter ausgedrückt: "Es kam ihm vor, als hätte er alles verloren. Sein Land, seine Ordnung, seine Orientierung, sein gesamtes Leben, wie er es bisher gekannt hatte. Auf einmal bestand alles nur noch aus Unsicherheit. Seine Gefühle, seine Gedanken waren ein einziges Chaor, von seinem Beruf ganz zu schweigen."

Für einen, der so "stramm" war wie Tobias Falck, muss diese Erfahrung besonders einschneidend gewesen sein. Mir ist dieser Charakter dennoch eher fremd geblieben. So wenig hat er in Frage gestellt, so wenig angezweifelt, auch dort, wo er Möglichkeiten hatte, etwa im Rahmen seiner Ermittlungen auch andere Lebenswelten kennenzulernen. Und selbst die eigene Mutter "beichtet" ihm erst im Jahr 1990, dass sie mitunter Westfernsehen geschaut habe. Ist er damit eine Karrikatur, steht er real für viele DDR-Bürger seiner Generation? da fehlt mir einfach die Ost-Kompetenz. Als Blick in eine fast vergessene Zeit des Übergangs und neuer Perspektiven fand ich "Schatten der Wende" sehr spannend, auch wenn manches bei dem Fall, zu dem hier ermittelt wird, ein bißchen dick aufgetragen scheint.

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Veröffentlicht am 13.02.2022

Sucht. Doping. Rache.

Ein Grab für zwei
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Per Aspera ad Astra? Ob es für Selma Falck, Ex-Spitzensportlerin, Ex-Spitzenanwältin, wieder hinauf zu den Sternen geht, muss sich erst noch zeigen. Im Rauen, ganz unten, ist sie zu Beginn von Anne Holts ...

Per Aspera ad Astra? Ob es für Selma Falck, Ex-Spitzensportlerin, Ex-Spitzenanwältin, wieder hinauf zu den Sternen geht, muss sich erst noch zeigen. Im Rauen, ganz unten, ist sie zu Beginn von Anne Holts "Ein Grab für zwei" auf jeden Fall angekommen: In einer heruntergekommenen Wohnung in einem heruntergekommenen Stadtteil von Oslo, die Ehe kaputt, die Beziehung zu ihren Kindern zerrüttet, ihre Spielsucht hat sie nicht nur finanziell an den Abgrund, sondern auch zur Veruntreuung von Klientengeldern geführt. Beruflich und privat könnte es gar nicht mehr schlimmer kommen, als ihr einer besagter Klienten, der Unternehmensberater Jan Morell, ein Angebot macht, dass sie nicht ablehnen kann.

Gegen Morells Tochter, die Spitzendsportlerin Hege, werden Doping-Vorwürfe erhoben. Die junge Ski-Langläuferin beteuert ihre Unschuld, doch ihr Olympia-Start steht plötzlich in Frage. Sollte Selma herausfinden, wie das passieren konnte und die Heges Unschuld beweisen, verzichtet Morell auf Anzeige und zahlt ihr einen Betrag, der sie aus dem Schuldenloch befreien könnte. Trotzdem - eine zuemliche Herausforderung für die Anwältin, die aus der verwahrlosten Wohnung hinaus, ohne die Infrastruktur eines Anwaltbüros, die Wahrheit herausfinden muss. Ihr einziger Verbündeter dabei ist ihr bester Freund, der obdachlose und psychisch labile Einers.

Dann werden auch noch Dopingvorwürfe gegen einen anderen Ski-Langläufer laut, der unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden wird. Für Selma auch eine persönliche Angelegenheit: Der junge Sportler war ihr Patensohn und der Sohn ihrer besten Freundin.

All das könnte eigentlich schon für einen kniffeligen Sportthriller ausreichen, doch Holt sattelt noch darauf auf: In einem zweiten Erzählstrang erlebt ein Mann seinen persönlichen Alptraum, eingesperrt in einem Kerker, in dem die Wände buchstäblich näher rücken. Er hat keine Ahnung wer ihn gefangen hält und warum, doch die Situation treibt ihn nahezu um den Verstand.

In der von Katja Bürkle gesprochenen Hörbuchfassung sind diese Szenenwechsel, die ja nicht etwa durch ein verändertes Schriftbild oder Kapitel abgegrenzt werden, zunächst ein bißchen plötzlich, und die Zusammenhänge ergeben sich nicht sofort Zumal es noch eine weitere Ebene gibt, nämlich das sogenannte Drehbuch, das akkustisch immerhin durch Papierrascheln und Tastaturgeräusche abgesetzt ist.

Es ist deshalb schon von Vorteil, "Ein Grab für zwei" in längeren Abschnitten zu hören, um diese verschiedenen Ebenen und den Gesamtzusammenhang zu durchschauen. Das fällt aber nicht nur wegen der angenehmen Erzählstimme leicht, sondern auch wegen der von ihren eigenen Dämonen geplagten Hauptfigur. Dass Selma aufgrund eines Sportunfalls nicht mehr in der Lage zu weinen ist, scheint orgendwie passend für diesen komplizierten Charakter.

Ein sauberer Sport, der sich als Zerrbild seiner selbst entlarvt, subtiler Rassismus in der norwegischsten aller Sportarten, Intrigen, Sucht, und Doping: Auch für Nicht-Wintersportler wird es hier spannend. Der dunkle skandinavische Winter und die Schneeglätte, auf der sich die Protagonisten bewegen, scheint da geradezu symbolisch für ihr Innenleben. Vielschichtig und mit wuchtigen Sprachbildern überzeugt "Ein Grab für zwei" und weckt große Erwartungen auf die nächsten Ermittlungen von Selma Falck. Angesichts der vielen unterschiedlichen Facetten ihrer Hauptfigur hat die Autorin nach dem vielversprechenden Serienauftakt jedenfalls viel Raum für weitere Entwicklungen gelassen.

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Veröffentlicht am 11.02.2022

Held wider Willen

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
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Michael Hartung, Ossi, Ex-Eisenbahner, Ex-Braunkohlenmalocher, erfolgloser Videothekenbetreiber mit dem Hang zu ein paar Bieren zu viel, ist eine eher unwahrscheinliche Heldenfigur. Bis er eines abends ...

Michael Hartung, Ossi, Ex-Eisenbahner, Ex-Braunkohlenmalocher, erfolgloser Videothekenbetreiber mit dem Hang zu ein paar Bieren zu viel, ist eine eher unwahrscheinliche Heldenfigur. Bis er eines abends Besuch von einem ehrgeizigen Journalisten erhält, der die Story seines Lebens wittert, passend zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Hartung sei es doch gewesen, der eine Massenflucht der Passagiere eines S-Bahn-Zuges ermöglichte, indem er eine ganz bestimmte Weiche gen Westen stellte. Ein Held, Stasi-Verhör und Untersuchungshaft inklusive.

Hartung hört sich zu Beginn von Maxim Leos "Der Held von Bahnhof Friedrichstraße" diese Schilderung schon fast vergessener Ereignisse verblüfft an. Klar, da war was mit einer Weiche gewesen, Blöde Verwechslung, ziemlich peinlich. Er hatte mal wieder ein bißchen zuviel getrunken und obendrein verpennt. Und dann war da auch noch ein Bolzen abgebrochen und irgendwie war eine S-Bahn in den Westen gelangt. Aber scharfes Stasi-Verhör? Er hat nur nebelhafte Erinnerungen, doch der Journalist sieht nur die große Schlagzeile und die Chance auf einen Journalistenpreis, der die bislang eher stockende Karriere beflügeln könnte. Dort, wo er hellhörig werden sollte, hört er weg. Und Hartung, dessen Einwände mit jedem über den Tisch geschobenen Geldschein leiser werden, weiß am Ende gar nicht mehr, wie das eigentlich war. Seine Einwände werden leiser. Darauf noch ein Bier.

Es kommt, wie es kommen muss: Die Reportage über den Helden vom Bahnhof Friedrichstraße macht Wellen in der Medien- und Politikwelt. Hartung wird zum Held wider Willen. Talkshows, Interviews, ein Gespräch mit dem Bundespräsidenten und sogar eine Ansprache im Bundestag soll er halten. Er kann nicht mehr zurück. Und auch der Journalist beruhigt sein Gewissen: Vielleicht sei nicht alles hundertprozentig wahr, ein bißchen ausgeschmückt halt, aber Hartung hat nun mal diese Weiche gestellt. Und wenn er jetzt mit Gewissensbissen und Korrekturen rausrückt, dann war´s das. Es gibt keine größere Todsünde im Journalismus als eine gefälschte Geschichte, auch wenn sie einen Journalistenpreis einbrachte. Von diesem Sündenfall gibt es kein Zurück.

"Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße" spart nicht mit ironischen Seitenhieben auf die Welt der Medien, der Politik und all jener, die von dem Geflecht dieser Welten mit Stiftungen, hauptberuflich Betroffenen und der Daueraufgeregtjeit der modernen Gesellschaft leben. Hartung, bei all seinen Schwächen eigentlich eine ehrliche Haut, ist hier ein Fremdkörper, der gerade deshalb als so wunderbar authentisch vereinbart wird. Der Kontrast zwischen den Freunden aus Hartungs Kiez und der neuen Welt, in der er sich plötzlich wiederfindet, könnte gar nicht größer sein. Wie findet er aus all diesen Verwirrungen wieder hinaus?

Ein bißchen ist es eine Wendezeit-Köpenickiade, die hier geschildert wird mit einem Helden wider Willen. Auch die anhaltenden Unterschiede zwischen West und Ost, die Mauer in den Köpfen beim Blick auf den jeweils anderen, die Sieger- und Verlierergeschichten, bringen ungeachtet allen Humors auch ernstere Themen zur Sprache. Höchst unterhaltsam, eingängig geschrieben und bei aller Leichtigkeit durchaus bissig und zum Nachdenken anregend.

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Zimmermädchen unter schlimmen Verdacht

The Maid
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Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose ...

Sympathische Hauptfigur mit kleinen Marotten, ein paar herzerwärmende und ein paar schurkische Charaktere, ein toter Tycoon im Nobelhotel sowie Drogenhandel und Erpressung - all das bringt Nita Prose in höchst gelungener Weise in ihrem Debütroman "The Maid" unter ein (Hotel-)Dach. Molly Gray, 25 Jahre alt und Zimmermädchen im Regency, klingt eher wie eine 75-Jährige mit ihrer manchmal betulich-gewählten Ausdrucksweise. Was kein Wunder sein dürfte, denn die junge Frau ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, hat ihre Eltern nie kennengelernt unf führt eim höchst zurückgezogenes Leben.

Enge Freunde hat sie nicht, hatte sie nie, was vielleicht auch an ihrer hundertprozentigen Ehrlichkeit und ihrer Probleme, Zwischentöne, Ironie oder Sarkasmus zu erkennen oder die Mienen ihrer Mitmenschen zu deuten. Molly, die vermutlich an einer Form von Autismus leidet, aber nicht erklärt, was sie "anders" macht als ihre Mitmenschen, Seit dem Tod der geliebten Großmutter ist Molly noch einsamer als ohnehin, auch wenn Mr Preston, der Hotelportier, ein väterliches Auge auf sie hält. Heimlich schwärmt sie für den Barkeeper Rodney, doch der übersieht sie meist ebenso wie die meisten anderen Menschen - wobei es für ihren Job als Zimmermädchen eigentlich schon fast ideal ist, gewissermaßen mit den Tapeten der von ihre sauber gehaltenen Zimmer zu berschmelzen. Und sauber sind die Räume, wenn Molly mit ihnen fertig - zurückgebracht in den Zustand höchster Perfektion, wie sie selbst sagt.

Ein Hotel wie das Grand Regency hat viele Stammgäste, und dazu gehört auch das Ehepaar Black - er ist ein Immobilientycoon, Giselle seine zweite und 35 Jahre jüngere Ehefrau, die Anteil an Mollys Leben nimmt und für sie nicht nur wie eime Freundin ist, sondern dank üppiger Trinkgelder eine große Hilfe für das schlecht bezahlte Zimmermädchen, das nur mit großen Mühen das Geld für die Miete aufbringen kann. Ausgerechnet Mr Black liegt eines Tages tot in der Suite, die Tür zum Safe steht offen und ein Kissen fehlt.

Für die Polizei ist Molly im Nu die Hauptverdächtige. Nach dem Motto: Der Mörder ist vielleicht nicht immer der Gärtner, sondern auch mal das Zimmermädchen. In dieser schweren Krise muss Molly erst einmal erkennen, wer ihre wahren Freunde sind, während sie notgedrungen selbst ermittelt, um ihre Unschuld zu beweisen.

Dieser Cozy Krimi mag manchmal etwas märchenhaft daher kommen, wozu auch Mollys Art passt, die einfach nicht ganz von dieser Welt ist. Doch wo ihr Abgeklärtheit und Härte im täglichen Überlebenskampf abgeht, geht sie mit den Werten ihrer geliebten Gran, der beruflich perfektionierten Gabe, Schmutz aufzustöbern und zu beseitigen, und mit einer kleinen Gruppe von Helfern auf die Suche nach der Wahrheit.

Ein liebenswertes Stück spannender Unterhaltung für alle, die Wert auf ein happy end legen und ein Herz für Misfits haben.

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Veröffentlicht am 08.02.2022

Plädoyer für Geschlechtergerechtigkeit

Frauen ins Amt!
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Vor wenigen Tagen endete die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs, des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland, den ich wie die beiden vorangegangenen in meinem Hauptberuf beobachtete. ...

Vor wenigen Tagen endete die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs, des Reformprozesses der katholischen Kirche in Deutschland, den ich wie die beiden vorangegangenen in meinem Hauptberuf beobachtete. Die engagierten, auch emotionalen Diskussionen, das Ringen um Veränderungen - das ist dort schon spannend.

Vielleicht ist es für viele Menschen in der heutigen, säkularisierten Gesellschaft eine Randdiskussion - die Rolle der Kirchen im Alltag ist lämgst nicht mehr wie zu den Zeiten unserer Großeltern. Und angesichts des Ausmaßes des Missbrauchsskandals, der Vertuschungen und Mängel bei der Aufarbeitung könnte man vielleicht sagen, dass das Vertrauen längst weg ist. Und doch - in den Foren und Diskussionen wird um eine andere Kirche gestritten. Besonders fallen dabei immer wieder die Stimmen engagierter, kluger und beharrlicher Frauen auf, die Rechte einfordern und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Dass da ganz selbstverständlich der Gendersternchen-Knacklaut mitgesprochen wird und es öffentliche Outings queerer Delegierter gibt, zeigt, wie es auch sein könnte.

In dem von Schwester Philippa Rath herausgegebenen "Frauen ins Amt!" sind auch zahlreiche Beiträge von Synodalen zu finden - von vielen Männern, und gewissermaßen als Kontrapunkt, von drei Frauen. Philippa Rath, eine resolute und selbstbewusste Benediktinerin, hat sich für ein Schuldbekenntnis der Kirche auch gegenüber den Frauen ausgesprochen.

In dem Buch lässt sie allerdings andere sprechen beziehungsweise schreiben. Theologen, ob nn Priester, Ordensmitglieder oder Laien, begründen, warum die - in Ämtern und Hierarchie - ausschließlich männlich geprägte Kirche sich selber schadet und auf Potenzial verzichtet, wo sie selbst durch Frauen religiös und spirituell geprägt wurden und wie sie die Ausbremsung von Frauen und Mädchen erlebt haben - angefangen von der Diskussion über Ministrantinnen vor einigen Jahrzehnten bis zur Zusammenarbeit mit Gemeinde- oder Pastoralreferentinnen, die ungeachtet ihre Qualifikation, ihres Charismas und ihrer Fähigkeiten amgesichts der geltenden Strukturen nur bis zu einem bestimmten Punkt kommen, aber nicht darüber hinaus.

Bleibt es auch so? Sowohl in diesem Buch als auch in den Diskussionen der Synodalversammlung zeigt sich ein anderes Meinungsbild, auch wenn manche der Männer nach eigenem Eingeständnis Jahrzehnte brauchten, bis ihnen die Ungerechigkeit in der Behandlung der Geschlechter klar wurden.. Aber die Entscheidungen für die katholische Kirche werden - und das dürfte das größte Problem auf dem Weg zu einem Wandel sein - immer noch im Vatikan getroffen.