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Veröffentlicht am 20.01.2024

Sechs Stoffe, die die Welt veränderten

Material World
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Mit seinem Buch "Material World" schickt Ed Conway seine Leser auf eine ebenso informative wie faszinierende Zeitreise durch Erdzeitalter und Technikgeschichte. Darüber hinaus philosophiert er über die ...

Mit seinem Buch "Material World" schickt Ed Conway seine Leser auf eine ebenso informative wie faszinierende Zeitreise durch Erdzeitalter und Technikgeschichte. Darüber hinaus philosophiert er über die Eingriffe des Menschen in Ökosysteme, über die Herausforderungen des Klimawandels und das Gut oder Böse neuer Technologien - kurzum, ein gewaltiger Rundumschlaf. Dass es ihm dabei gelingt, Platitüden zu vermeiden oder ins allzu Allgemeine abzugleiten, ist ihm hoch anzurechnen.

Conway gibt zu - er ist ein Mensch der immateriellen Welt, einer, der Technologien und Materialien unserer Alltagsgeräte ganz selbstverständlich nutzt, ohne mit deren Herstellung zu tun zu haben. Anders als viele andere hat er aber offensichtlich gründlich darüber nachgedacht - das Ergebnis ist dieses Buch.

Sand, Salz, Kupfer, Eisen, Öl und Lithium - das sind die sechs Stoffe, die laut Conway die menschliche Zivilisation entscheidend vorangetrieben haben - also keineswegs nur die wertvollen Rohstoffe, sondern auch eher vernachlässigte oder zumindest heutzutage als völlig gewöhnlich betrachtet werden.

Beim Lesen wird allerdings klar, dass die Auswahl einer Logik folgt. Conway besucht Bergwerke, Fabriken, Labore, schilder Lieferketten und zeigt die Abhängigkeit von Rohstoffquellen auf. Auch mit Blick auf die globalisierte Welt, auf Abhängigkeiten von Lieferungen - man denke nur an die ersten Monate der Covid-19-Pandemie! - ist sein Buch teils Mahnung, teils eye-opener. Dieses Buch wird sowohl denen gefallen, die sich für Technik- und Wissenschaftsgeschichte interessieren, als auch denjenigen, die sich fragen, wie wir verantwortlich den Umgang mit Rohstoffen und Energieträgern für künftige Generationen angesichts der Herausforderungen des Klimawandels angehen. Viel Stoff zum Nachdenken!

Veröffentlicht am 14.01.2024

Alte Freunde und eine Leiche

Schneesturm
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Die grüne Insel Irland ist in Triona Walshs Kriminalroman "Schneesturm" alles andere als grün - soviel verrät bereits der Titel. Inselpolizistin Cara lebt auf Innishmore, einer der Aran Islands, von der ...

Die grüne Insel Irland ist in Triona Walshs Kriminalroman "Schneesturm" alles andere als grün - soviel verrät bereits der Titel. Inselpolizistin Cara lebt auf Innishmore, einer der Aran Islands, von der ihr Vater stammt und auf der auch ihr Ehemann Cillian aufwuchs. Doch Cillian ertrank in der Silvesternacht vor zehn Jahren, als er mit seinem Bruder Seamus auf Fischfang gehen wollte. Nun wollen Cara, Seamus und vier weitere Kindheitsfreunde zum ersten Mal seit der Beerdigung wieder zusammenkomem. um gemeinsam des Toten zu gedenken. Doch das Wiedersehen verläuft anders als gedacht: Eine Leiche und ein Schneesturm, der Fähr- und Flugverkehr zum Erliegen bringt, sorgen für eine zunehmend paranoide Stimmung.

Cara ist sicher: Der Mörder ist noch immer auf der 900 Einwohner-Insel - und er ist auf der Suche nach einem Päckchen, mit dem die Tote zuletzt gesehen wird. Kennt sie ihre alten Freunde immer noch? Mancher von ihnen scheint sich nicht zum Guten verändert zu haben. Die Atmosphäre ist gereizt, ja aggressiv - und es kommen Ängste auf, dass der unbekannte Mörder die Freundesgruppe im Visier haben könnte.

Cara, die keine Kriminalbeamtin, sondern einfache Garda-Polizistin ist, will nicht warten, bis die Spuren buchstäblich kalt geworden sind, wenn die Ermittler-Profis vom Festland am Ende des Schneesturms auf Innishmore eintreffen. Doch bei ihren Ermittlungen gerät immer mehr zum Nachteil, dass sie trotz verwandtschaftlicher Bindungen an die Insel als Außenseiterin gilt, die kein Gälisch spricht und deshalb nicht wirklich dazugehört.

Als große Irland-Freundin hat mich das Setting des Romans gereizt, allerdings erschien mir manches irgendwie schwer nachzuvollziehen - da lebt Cara seit zehn Jahren auf der Insel im Haus ihrer Großmutter, ihre beiden Kinder sprechen selbstverständlich Irisch, und sie selbst verständigt sich ausschließlich auf Englisch mit den Insulanern? Auch wenn Cara nicht im Gaeltacht-Gebiet aufgewachsen ist - Gälisch ist Pflichtfach an irischen Schulen und wenn sie von Kindheit an drei Monate auf der Heimatinsel ihres Vaters verbracht hat, ist es einfach unglaubwürdig, dass sie die Sprache nicht beim Spielen mit ihren dortigen Freunden aufgeschnappt hat. Insofern ist ein wichtiger Teil des Plots für mich einfach nicht stimmig und nachvollziehbar.

Die düstere Atmosphäre im Schneesturm bei Kälte und Dunkelheit - auch der Strom ist ausgefallen - ist hingegen gut gelungen, ebenso die emotionale Achterbahnfahrt, zu der das Wiedersehen mit den alten Freunden wird. Dass auf einer so kleinen Insel Geheimnisse lange gewahrt werden können, kann ich mir dagegen nicht so gut vorstellen. Nicht alle Entscheidungen Caras fand ich nachvollziehbar - trotzdem solide-spannende Kost.

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Veröffentlicht am 12.01.2024

Mit Punktesystem zu weniger Kilos

Weight Watchers - der neue 4 Wochen Powerplan
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Mein Schwager hat mit Hilfe von Weight Watchers ordentlich an Gewicht verloren - insofern war ich neugierig auf den neuen "vier Wochen Powerplan", denn das Prinzip scheint ja zu funktionieren, so lange ...

Mein Schwager hat mit Hilfe von Weight Watchers ordentlich an Gewicht verloren - insofern war ich neugierig auf den neuen "vier Wochen Powerplan", denn das Prinzip scheint ja zu funktionieren, so lange man sich daran hält. Das Punktesystem von Weight Watchers wurde allerdings nicht näher erklärt - da wird wohl auf Anmeldung und Mitgliedschaft gerechnet. Die Botschaft, dass für schmelzende Pfunde einerseits die Kalorien, andererseits die richtigen Nährstoffe beachtet werden müssen und obendrein Bewegung empfohlen wird - das war nicht gerade überraschend.

Neugierig war ich auf die Rezepte und inwieweit sie sich von anderen Kochbüchern unterscheiden, die auf eher leichte Küche setzen. Das Buch ist aufgeteilt in Frühstück und Zwischenmahlzeiten, die sowohl süß als auch herzhaft sind - es dürfte also für jeden Geschmack etwas dabei sein. Einige der Rezepte, etwa Ofenpfannkuchen und Energieriegel, ergeben gleich einen Vorrat für mehrere Tage und dürften sich auch einfrieren lassen - das finde ich schon mal eine gute, zeitsparende Lösung.

Die Mittags-/Abendgerichte sind teilweise auch als to go fürs Büro geeignet, etwa Bowls und Salate. Ein wenig gestört hat mich, dass hier teilweise Fertigprodukte vorgeschlagen wurden. Allerdings könnte hier auch die Zeitersparnis eine Rolle gespielt haben. Insgesamt sind die Rezepte nicht sonderlich kompliziert, es gibt zahlreiche Gemüsegerichte, aber Fleisch ist nicht tabu. Auch optisch machen die Gerichte einen guten Eindruck. Gut gefällt mir, dass kein Einerlei auf dem Teller herrscht, sondern meist mehrere Gemüse-Zutaten kombiniert werden. Ich peile zwar keine Diät an, lege aber Wert auf bewusste Ernährung und habe hier ein paar neue Anregungen gefunden, mit denen ich gerne experimentiere.

Veröffentlicht am 07.01.2024

Verlorene Seelen und hoffungslose Fälle

Stille Falle
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Leonora Asker, die Protagonistin von Anders de la Mottes "Stille Falle" könnte in mancher Hinsicht eine Verwandte von Lisbeth Salander aus der "Milleniums"-Reihe sein. Zwar hat sie kein Asberger Syndrom ...

Leonora Asker, die Protagonistin von Anders de la Mottes "Stille Falle" könnte in mancher Hinsicht eine Verwandte von Lisbeth Salander aus der "Milleniums"-Reihe sein. Zwar hat sie kein Asberger Syndrom und ist auch keine Hackerin, sondern Polizistin, aber auch sie ist geprägt von einer Kindheit, die nicht gerade schwedischem Durchschnitt gehört und einer dysfunktionalen Familie. Und sie verfügt über erstaunliche Überlebenstechniken, die sie ihrem Prepper-Vater zu verdanken hat.

Leos Aufstieg in der Abteilung für Kapitalverbrechen wird jäh gebremst, als ein ehemaliger Vorgesetzter - und Ex-Lover - aus Stockholm zurückkehrt. Er übernimmt die Ermittlungen in einem Vermisstenfall um eine Unternehmertochter, der eigentlich Leos gewesen wäre. Statt dessen landet die Ermittlerin als vorläufige Abteilungsleiterin im "Dezernat für hoffnungslose Fälle". Ziemlich hoffnungslos, zumindest aber seltsam, erscheinen ihr die neuen Kollegen, die eher sinnlose Selbstbeschäftigung betreiben.

Dann aber erhält Leo das Foto einer Miniaturlandschaft - es stellt eine Szene dar, die frappant an den letzten Instagram-Post der vermissten jungen Frau erinnert. Die eigentlichen Ermittler haben sich schon an eine Theorie festgeklammert: Der Ex-, dann doch wieder Freund der Unternehmertochter, Sohn iranischer Einwanderer, hat sie in der Gewalt, soll er doch Kontakte zum kriminellen Milieu haben. Doch dann erweist sich diese Theorie aufgrund neuer Umstände als offensichtlich falsch.

Leo unterdessen stellt heimlich eigene Ermittlungen an. Sie ist überzeugt: Ihre Kollegen haben sich vorschnell auf den falschen Verdächtigen festgelegt. Doch bis diese das erkennen, hat sie bereits festgestellt, dass in die Miniatureisenbahnanlage einer Kleinstadt Figuren und Szenen eingeschmuggelt wurden. Auch ihr Amtsvorgänger war diesem Phänomen offenbar auf der Spur, als er versuchte, den Verbleib seiner seit Jahren vermissten Patentochter zu klären. Leider liegt er nach einem Herzinfarkt im Koma, so dass Leo ihn nicht kontaktieren kann. Sie ist aber überzeugt: Ein unbekannter Täter prahlt mit Entführungsfällen.

Die Leser von "Stille Falle" wissen schon früh: Die Unternehmertochter ist bei der geplanten Expedition in einen "Lost Place" entführt worden. Sie versucht nun, in einem dunklen Versteck, mehr über ihren Entführer und ihren Aufenthaltsort zu erfahren, womöglich zu fliehen. Und auch der geheimnisvolle "Troll" mit seiner unterirdischen Welt wird in einem eigenen Erzählstrang vorgestellt.

Dieser Wissensvorsprung der Lesenden ist allerdings trügerisch, denn es gibt noch manche Überraschung sowohl für Leo wie auch für die Leser. Die Ermittlungen führen die Polizistin auch in die eigene Vergangenheit und einem unverhofften Wiedersehen.

Zahlreiche Wendungen halten die Spannung im Gang, hinzu kommen die exzentrischen Eigenheiten von Leos neuen Kollegen, die gegen alle Erwartungen auch einiges zu den inoffiziellen Ermittlungen ihrer neuen Abteilungsleiterin beitragen können. Das Setting der lost places und urban exploration sorgt zudem für eine besondere Atmosphäre. Hinzu kommen die "verlorenen Seelen" , die sich um hoffnungslose Fälle kümmern sollen. Mit "Stille Falle" hat Anders de la Motte zweifellos die Grundlage einer vielversprechenden neuen Serie gelegt.

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Veröffentlicht am 07.01.2024

Drogensumpf in der Reservation?

Winter Counts
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Nur vordergründig ist "Winter Counts" von David Heska Wanbli Weiden ein Kriminalroman. Denn der Roman, der in einer Lakota-Reservation in South Dakota spielt, ist zugleich eine Abrechnung mit dem Umgang ...

Nur vordergründig ist "Winter Counts" von David Heska Wanbli Weiden ein Kriminalroman. Denn der Roman, der in einer Lakota-Reservation in South Dakota spielt, ist zugleich eine Abrechnung mit dem Umgang mit native Americans in Vergangenheit und Gegenwart. Virgil Wounded Horse, der Ich-Erzähler, entspricht nicht so ganz dem Bild des Indianers aus den Winnetou-Filmen. Er lebt von Gelegenheitsarbeiten, vor allem aber von Aufträgen als privater "Vollstrecker" von Selbstjustiz, ahndet Fälle von Vergewaltigung und anderer Taten, die die Polizei und Justiz nicht kümmert, so lange sie sich auf der Reservation abspielen.

Die meist prekären Lebensumstände sind aus Statistiken bekannt, hier werden sie mit Leben erfüllt - eine schlechte Gesundheitsversorgung, hohe Selbstmordraten, Alkoholismus, Drogen, Perspektivlosigkeit. Nicht jeder will sich damit abfinden - Virgils Freundin Marie, die sich stark mit der kulturellen Tradition der Lakota (Karl May-Lesern und Western-Zuschauern vermutlich eher als Sioux bekannt) identifiziert, möchte die Zustände ändern, angefangen mit einer besseren Ernährung. Doch sie stößt überall auf Hindernisse, durchaus auch von den "eigenen" Leuten.

Virgil, der den Sohn seiner tödlich verunglückten Schwester aufzieht, kann mit den alten Bräuchen und der Spiritualität seines Volkes nichts anfangen, doch die "Rez" ist sein Zuhause. Maries Vater, der Stammeschef, gibt ihm einen Auftrag - diesmal soll Virgil niemanden verprügeln, sondern Heroingeschäfte in der Reservation stoppen. Bald jedoch hat er ganz andere Probleme: Sein 14 Jahre alter Neffe wird wegen Drogenbesitzes verhaftet, muss mit zehn Jahren Haft in einem Gefängnis für Erwachsene rechnen. Doch ein verdeckter Ermittler bietet einen Deal mit hohem Risiko an...

"Winter Counts" ist spannend geschrieben und gibt Einblicke in eine Welt, die so gar nichts mit Wildwest-Romantik zu tun hat. Es ist auch eine Auseinandersetzung mit der Entfremdung von der eigenen Kultur, mit Bewahrung von Identität, gibt einen Einblick in die vom Medizinmann aufrechterhaltenden Traditionen, aber auch um interne Rangabstufungen, wenn es darum geht, wie "echt" jemand ist, wenn er oder sie nicht hundertprozentige Lakota-Vorfahren nachweisen kann. Weiden ist selbst Lakota, er beschönigt und idealisiert nicht, fühlt sich aber eindeutig mit der Lakota-Tradition verbunden. Sein Buch ist teilweise auch eine Anklage des Umgangs mit Indigenen, nicht nur in den USA und nicht nur auf den Völkermord in der Vergangenheit beschränkt. Sein Protagonist ist ein Held mit Macken und Fehlern, dessen Weg gerade darum spannend und glaubwürdig ist. Wer die Bücher von Richard Wagamese und W.P. Kinsella mag, wird auch dieses Buch mögen.

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