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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.10.2020

Herzensbuch

Das Jahr ohne Worte
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Sich zu verlieben ist, als würde man Zirkusartisten dabei zusehen, wie sie durch die Luft wirbeln, sich drehen und rollen, immer mit dem Risiko, in den Tod zu stürzen (…).

In ihrem Debütroman Das Jahr ...

Sich zu verlieben ist, als würde man Zirkusartisten dabei zusehen, wie sie durch die Luft wirbeln, sich drehen und rollen, immer mit dem Risiko, in den Tod zu stürzen (…).

In ihrem Debütroman Das Jahr ohne Worte erzählt Syd Atlas eine ergreifende Liebesgeschichte, die sich genau so vor wenigen Jahren zugetragen hat. In einem Café im Prenzlauer Berg lernt Syd den Filmemacher Theo kennen. Er ist alleinstehend, charismatisch und sie weiß, dass sie diese Art von Liebe, die sie beide verbindet, vermutlich nur einmal erleben wird. Sie bekommen ein Kind, ziehen zusammen und alles scheint in ihrer kleinen Patchworkfamilie perfekt – bis Theo immer eine schwerwiegende Diagnose erhält: ALS [amyotrophe Lateralsklerose]. Von Tag zu Tag baut Theo ab, körperlich und emotional, doch Syd kämpft dafür, ihr gemeinsamen Glück bis zum letzten Tag aufrecht zu erhalten – bis sie eines Tages eine furchtbare Entdeckung macht.

Dieses Buch hat mich auf einer Achterbahn der Gefühle begleitet, ließ mich lachen und weinen, aus Ergriffenheit genauso wie vor Erschütterung. Mit einfachen Worten, kleinen lustigen Anekdoten und scheinbar nebensächlichen Bemerkungen hat Syd Atlas eine authentische, zutiefst emotionale Liebesgeschichte geschrieben, ungeschönt und ehrlich. Die Geschichte lebt von ihrer Zwanglosigkeit und Situationskomik, einem harmonischen Erzählfluss, ist emotions- und spannungsgeladen und umgibt den Leser von Beginn an wie eine herzliche Umarmung. Die Stärke und Zuversicht, mit der Syd und Theo mit der Diagnose umgehen, es den Kindern schonend beibringen, nie die Hoffnung aufgeben und dabei ganz sie selbst bleiben, hat mich beeindruckt und bewegt, ja geradezu bewundert. Durch meine Arbeit in der Neurologie konnte ich mich im Hinblick auf die medizinischen Aspekte und Perspektiven noch besser in die Protagonisten einfühlen – was es für mich zu einem ganz besonderen Herzensbuch macht, über das ich auch in Zukunft noch nachdenken werde.

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Ein Meisterwerk

Zugvögel
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Man kann die Wirkung eines Lebens an dem messen, was es gibt und hinterlässt, aber man kann sie auch an dem messen, was es der Welt wegnimmt.

Zugvögel ist der Debütroman von Charlotte McConaghy, zu dem ...

Man kann die Wirkung eines Lebens an dem messen, was es gibt und hinterlässt, aber man kann sie auch an dem messen, was es der Welt wegnimmt.

Zugvögel ist der Debütroman von Charlotte McConaghy, zu dem sie von ihrer Passion zur Natur und Tierwelt sowie den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels inspiriert wurde; eine Ode an die wilden Geschöpfe dieser Erde und eine Geschichte über die Wege, die wir für die Menschen gehen, die wir lieben.
Von klein auf an war Franny wild und frei, zog die Natur und Vögel den Menschen vor, war beinahe selbst einer von ihnen; ein Zugvogel. Als die letzten Seeschwalben allmählich zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin ihnen zu folgen, und findet sich inmitten der ungewöhnlichen Crew der Sanghani, einem der letzten Fischerboote, wieder. Den Naturgewalten der weiten Meere ausgeliefert, sind nur die Vögel ihr Kompass und leiten sie, doch vor ihrer Vergangenheit kann Franny nicht fliehen. Auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit, ihren Ängsten und auf der Suche nach Erlösung wird ihre letzte Reise zum Überlebenskampf.

Mit einfühlsamen Worten und intensiven Gefühlen beschreibt die Autorin die tragische Geschichte der jungen Franny Stone. In verschiedenen Zeitebenen folgt man der jungen Frau, die früh ihre Eltern verloren hat und bei ihrer Großmutter in Australien aufwachsen musste. Auf der Suche nach ihrer Herkunft kehrt sie sich Jahre später zurück nach Irland um nach ihrer verschollenen Mutter zu suchen, und trifft dort auf den Ornithologen und Professor Niall Lynch, den sie kurz darauf heiratet; für ihn begibt sie sich schließlich auch auf die letzte Reise der Seeschwalben, mit einem klaren Ziel vor Augen. Die humorvolle Beschreibung der exzentrische Fischercrew bringt ein nie dagewesenes Licht in Frannys Zerrissenheit, und beschert der Geschichte ein abwechslungsreiches Erzähltempo. Zwischen den Zeilen, fast schon beiläufig, spricht die Autorin intensive Themen an; ohne plakativ zu wirken werden die Emotionen fühlbar, erwischen den Leser aus dem Hinterhalt. Für all den Schmerz, die Gefühle von Verlust, Vereinsamung, Hoffnung findet McConaghy die richtigen Worte zur rechten Zeit, und hat damit ein großartiges Buch geschaffen, das mich wirklich beeindruckt und meinen Erfahrungsschatz bereichert hat.

Vielen Dank an den Fischer-Verlag!

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Veröffentlicht am 12.10.2020

Schöne Fortsetzung

Hiding Hurricanes
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Zeig den Leuten, wer du wirklich bist. Niemand muss dich in- und auswendig kennen, um dich nicht leiden zu können, also kannst du genauso gut ehrlich und frei sein.

Hiding Hurricanes ist der dritte Band ...

Zeig den Leuten, wer du wirklich bist. Niemand muss dich in- und auswendig kennen, um dich nicht leiden zu können, also kannst du genauso gut ehrlich und frei sein.

Hiding Hurricanes ist der dritte Band der Fletcher-University-Reihe von Tami Fischer. Lenny James führt ein gefährliches Doppelleben: tagsüber unscheinbare Studentin, nachts verführerische Tänzerin. Um ihr Geheimnis zu wahren, gibt sie sich tagsüber unnahbar und trägt unförmige Kleidung, lässt niemanden an sich heran – besonders ihren besten Freund und heimlichen Schwarm Creed. Doch als dieser eines Abends in dem Nachtklub auftaucht, in dem sie arbeitet und einen privaten Tanz bei ihrem Alter Ego „Daisy“ bucht, bricht sie ihre Regeln, gibt sich dem Verlangen hin und küsst ihn. Vollkommen in ihren Bann gezogen, verliebt sich Creed in die geheimnisvolle Tänzerin und versucht, sie näher kennenzulernen – weiß er doch nicht, dass es sich bei „Daisy“ um seine beste Freundin handelt.

Ich stehe diesem Buch sehr zwiespältig gegenüber. Der Schreibstil von Tami ist wirklich wunderschön, sie beschreibt die Protagonisten herzlich und eingehend, sodass man sich gut in ihre Beweggründe, ihre Vergangenheit, ihre gegenwärtigen Aktionen einfühlen kann. Der Spannungsaufbau ist optimal gewählt, wenn auch ersichtlich, aber nichtsdestotrotz fesselnd und schafft bereits einen guten Übergang zum Folgeband. Doch leider zog sich die Handlung phasenweise arg in die Länge und manche Charaktere und ihre klischeehafte, aufreißerische Art zu sprechen und zu agieren nervten mich. Doch meine Kritikpunkte sollen keineswegs Tami angekreidet werden, merke ich doch, dass ich dem Genre entwachsen bin.
Insgesamt ein solider und packender New Adult-Roman und ein aufregender Ausflug zurück zur Fletcher University.

Herzlichen Dank an Droemer Knaur!

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Humorvoller und liebenswürdiger Auftakt

The Brooklyn Years - Was von uns bleibt
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The Brooklyn Years - Was von uns bleibt ist der Auftakt einer neuen Reihe aus der Feder von New Adult-Queen Sarina Bowen. Es ist die Geschichte von Leo Trevy, der neu ins Team der Brooklyn Bruisers kommt ...

The Brooklyn Years - Was von uns bleibt ist der Auftakt einer neuen Reihe aus der Feder von New Adult-Queen Sarina Bowen. Es ist die Geschichte von Leo Trevy, der neu ins Team der Brooklyn Bruisers kommt - und mit ihm eine Menge Erinnerungen und Gefühlsstürme. Vor Jahren war er mit Georgia Worthington, die nun als Pressesprecherin bei eben diesem Verein arbeitet, auf der High School ein Paar, und er hat sie all die Jahre nicht vergessen. Doch nicht nur das Wiedertreffen mit seiner alten Liebe bereitet ihm Schwierigkeiten: Auch der neue Coach des Teams, Georgias Vater, hat es auf ihn abgesehen, nachdem er seiner Tochter vor Jahren das Herz gebrochen zu haben scheint.

Mit wunderbar humorvollem und empathischem Schreibstil überzeugt Sarina Bowen ein weiteres Mal. Sie hat mit Georgia und Leo zwei wunderbare Protagonisten geschaffen, die zugleich tollpatschig, aber unglaublich liebenswert sind, und einem einfach ans Herz gehen. Sie beide haben eine bewegte gemeinsame Vergangenheit, die im Laufe der Geschichte immer weiter aufgeklärt wird und erschüttert und bestürzt - sowohl, was den Vorfall selbst angeht als auch, wie Georgia ihn verarbeitet.

Ich hatte eine wunderbare Zeit mit den beiden, habe mich gefreut, das Team kennenzulernen und auch auf bekannte Gesichter aus anderen Büchern der Autorin zu treffen, und doch merke ich, dass ich dem Genre langsam entwachse. Manche Handlungen sind sehr überspitzt dargestellt, überhastet, nicht realistisch. Keinesfalls kann dies der Autorin negativ angekreidet werden, sollen diese Romane doch zum Wohlfühlen und Wegträumen einladen.

Danke für diese schöne Leserunde und lasst den Puck los, die Spiele beginnen!

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Fesselnd und mysteriös

Böse
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In Böse - Die Psychologie unserer Abgründe führt die Kriminalpsychologin Julia Shaw in die psychologischen Hintergründe von Serienmördern wie Jack the Ripper oder Psychopathen wie Charles Manson ein, zeigt ...

In Böse - Die Psychologie unserer Abgründe führt die Kriminalpsychologin Julia Shaw in die psychologischen Hintergründe von Serienmördern wie Jack the Ripper oder Psychopathen wie Charles Manson ein, zeigt jedoch auch auf, mit welchen alltäglichen Abgründen wir selbst uns umtreiben. Gewaltfantasien, Machtmissbrauch - sind wir selbst insgeheim auch "böse"? Mithilfe psychologischer Fallstudien und neusten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen erklärt sie, warum wir handeln, wie wir handeln, in welchen Teilen des Gehirns sich dieses "Böse" entspinnt, wie wir damit umgehen.

Anders, als der Titel annehmen lässt, existiert dieses "Böse" für Shaw allerdings nur als subjektives Konzept, lässt es sich doch nicht objektiv nachweisen. Sie beschreibt eingehend und provokativ, untersucht unterschiedliche Gewalttaten, Verstöße gegen soziale Normen und erörtert beide Seiten der Debatte, sodass der Leser sich selbst eine Meinung bilden kann. Der Schreibstil ist eingehend, teilweise von Fachbegriffen gespickt, die ein gehobenes Gesamtbild erzeugen, und doch merkt man, dass sie - weil es sich um massentaugliche Literatur handelt - die beschriebenen Wesenszüge und Diskussionen nur oberflächlich behandelt. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht, bin ich doch sehr an Psychologie interessiert und daran, auch Unbekanntes selbstständig weitergehend zu recherchieren. Dieser Kritikpunkt kann daher nicht gänzlich der Autorin zugeschrieben werden.

Insgesamt finde ich das Buch gerade im Zuge der True Crime-Bewegung im Podcast- und Unterhaltungsbereich sehr informativ und interessant, wurde zum Reflektieren angeregt und konnte vieles mitnehmen.

Herzlichen Dank an Heyne für das Rezensionsexemplar!

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