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Veröffentlicht am 18.02.2018

Die Last der Freiheit

Das Gewicht der Freiheit
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Wer ist Florian Burkhardt? Einer der es geschafft hat. Einer, der das Bedürfnis hat, anderen zu gefallen. Einer, der tief gestürzt ist und sich wieder aufgerappelt hat.

Florian Burkhardt dürfte von allem ...

Wer ist Florian Burkhardt? Einer der es geschafft hat. Einer, der das Bedürfnis hat, anderen zu gefallen. Einer, der tief gestürzt ist und sich wieder aufgerappelt hat.

Florian Burkhardt dürfte von allem ein wenig sein: ein Selfmademan, ein Selbstdarsteller und ein Stehaufmännchen. Eines ist er aber heute nicht mehr: ein Getriebener. Wie er es geschafft hat, sein Leben auf der Überholspur zu verlassen und eine Angststörung in den Griff zu bekommen, beschreibt Florian Burkhardt in seinem neuen Buch „Das Gewicht der Freiheit„.

Auch wenn das Buch die Gattungsbezeichnung „Roman“ trägt: es ist rundum eine Auto-Biographie. Florian Burkhardt erzählt aus seinem Leben. Wie er mit 21 ins Flugzeug steigt und in die USA fliegt, um Schauspieler zu werden. Wie er stattdessen im zweiten Anlauf erfolgreiches Model wird (ohne allerdings viel dabei zu verdienen). Wie er seine Karriere abbricht und mit 23 ikarusgleich abstürzt, sich wieder aufrappelt. Wie er kurzfristig als Lehrer arbeitet, um dann wieder nach seiner Bestimmung zu suchen. Wie er sich selbst zum Internetexperten und Website-Gestalter weiterbildet. Wie er sich nach einem Zusammenbruch zurückzieht und den Kontakt zur Außenwelt abbricht. Wie er seine Angststörung Stück für Stück wieder in den Griff bekommt.

Im Schnelldurchlauf begleitet man als Leser Florian Burkhardt bei seiner Karriere, die doch nichts anderes ist als der Vorbote für seinen großen Absturz. Wo er erfolgreich ist, übernimmt er sich und muss mühsam lernen, seine Grenzen zu akzeptieren. Florian Burkhardt beschreibt dabei zumeist recht nüchtern, was er erlebt. Egal ob in der Modebranche oder in der psychiatrischen Anstalt: es ist kein emotionaler Blick auf das Leben, sondern eher ein nüchterner, abgeklärter. Nur an wenigen Stellen sind deutliche Bewertungen zu finden. So sieht Burkhardt rückblickend das Modeln als Versuch, die Jugend hinauszuzögern, um nicht erwachen werden zu müssen.

Was das Buch ausmacht ist meines Erachtens die Art, wie es geschrieben ist. Wer jammernd noch anklagend, sondern beschreibend. Als Leser kann man ihn beobachten, ohne vereinnahmt zu werden.

Sprachlich ist die Autobiographie alles andere als anspruchslos. Besonders da, wo es um die Befreiung aus Zwängen geht, schildert Florian Burkhardt seine Gefühle sehr bildhaft, metaphernreich. Und auch der Zusammenbruch ist sprachlich sehr intensiv dargestellt, sodass man selbst als Leser in einen Sog gerät. „Das Gewicht der Freiheit“ ist somit kein Buch, das sich nur an Leser richtet, die wissen wollen, wie es in der Welt der Models zugeht (und wie nicht). Es ist vielmehr ein Buch, das sich vorwiegend an die richtet, die miterleben wollen, wie ein junger Mann sich mit seinem Leben und seinen Zielen auseinandersetzt.

Veröffentlicht am 17.02.2018

Unschärfe als Methode

Ernst Volland
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Martin Luther King steht da. Hält eine Rede. Erkennbar ist er nur schemenhaft, das Bild ist unscharf. Der Künstler Ernst Volland hat das Bild verfremdet. Seine Methode: die Unschärfe. In dem Band „Eingebrannte ...

Martin Luther King steht da. Hält eine Rede. Erkennbar ist er nur schemenhaft, das Bild ist unscharf. Der Künstler Ernst Volland hat das Bild verfremdet. Seine Methode: die Unschärfe. In dem Band „Eingebrannte Bilder“ findet sich ein Querschnitt aus Ernst Vollands künstlerischem Werk. Versehen ist das Ganze mit umfangreichen Erläuterungen, sei es als Sekundärliteratur, Interview oder persönlicher Annäherung.

In seinen jüngsten Werken lässt Volland die Bilder sprechen. In einem Interview sagt er selbst dazu: „Ich brauche keinen Text, im Gegensatz zu anderen Künstlern, die als Bildtitel daneben schreiben, was der Betrachter sehen soll. Aufgabe des Künstlers ist es, ein Bild
herzustellen. Ich gebe ein Bild vor und lasse mich davon überraschen, was der Betrachter wahrnimmt. Der Betrachter bleibt allein mit der Frage, warum sich bestimmte Bilder in das Gehirn einbrennen, wieso man sie nicht vergessen kann.“

Volland arbeitet sich also an Bildmotiven ab, an die man sich erinnert, die einem bekannt vorkommen, die in die Geschichte eingegangen sind. Ob Drittes Reich, Hitler oder Hiroshima: Vollands Weg der Verfremdung ist die Unschärfe. Und der Betrachter stellt sich die Frage: Was macht das Bild aus? Auf Bildtitel verzichtet Volland weitgehend, ein H steht für Hitler, ein MM für Marilyn Monroe.

Freilich sind in „Eingebrannte Bilder“ auch ältere Bilder Vollands abgedruckt mit Bildtiteln, die daneben stehen, mit klaren Aussagen. Die Bildcollagen etwa, wo auf der linken Seite die Aufnahme eines Profilbilds eines Häftlings zu sehen ist mit der Nummer 78056, ihm steht auf der rechten Seite das Bild eines Soldaten gegenüber, das einem Ehrenmal entstammt. Beide blicken sich in die Augen. Oder: drei Bilder, links und rechts Leichenberge aus den Konzentrationslagern des Dritten Reiches, dazwischen das Ehrenmal für gefallene Soldaten.

Dem gegenüber wirken die politischen Bilder Vollands, die den 70er Jahren entstammen, weit weg und wenig professionell. In unnötiger Ausführlichkeit werden juristische Auseinandersetzungen wie z.B. mit Jägermeister dargestellt, aber auch die Ausführungen zu Volland und der RAF wirken heute doch sehr angestaubt. Hier hätte man sich doch eher eine historische Einordnung gewünscht als ausführliche Darstellungen juristischer Auseinandersetzungen. Schließlich ist nicht mehr alles so aktuell wie das Bild „Freiheitsstatue“ von 1983, das auch als Titelbild abgedruckt ist.

Lächerlich wirkt im Vergleich zum anfänglich gezeigten jüngeren Werk der „Fotocomic Hitler“ (Hitler auf dem Weg zum Einkaufen…) und die Aktion, wie Gott und wie der Teufel aussieht. Volland schickt ein selbst gezeichnetes „Kinderbild“ an kirchliche Stellen und fragt (als ratlose Eltern) an, wie Gott, wie der Teufel aussehe. Die Antworten sind (leider) auch noch abgedruckt. Für mich hat da mein Bild von Volland sehr gelitten. Dagegen hätte ich mir gewünscht, dass die Buntstiftbilder Vollands mehr gewürdigt würden.

Veröffentlicht am 10.02.2018

Die gebrochenen Herzen der Frauen...

Die Herzen der Männer
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Wie wird ein Mann ein Mann? Nickolas Butler spürt in seinem neuen Roman „Die Herzen der Männer“ dem nach, was einen Mann ausmacht. Dazu begibt sich der amerikanische Schriftsteller in die Welt der Pfadfinder, ...

Wie wird ein Mann ein Mann? Nickolas Butler spürt in seinem neuen Roman „Die Herzen der Männer“ dem nach, was einen Mann ausmacht. Dazu begibt sich der amerikanische Schriftsteller in die Welt der Pfadfinder, eine Männergesellschaft.

Drei Geschichten, die lose miteinander verbunden sind, erzählt Nickolas Butler, um sich dem Mysterium des Männerherzens zu nähern. Drei Geschichten in drei Generationen.

Die erste Geschichte spielt 1962. Der 13-jährige Nelson fährt ins Pfadfinderlager, wo er zwar eifrig dabei ist, Pfadfinderabzeichen zu machen, von den anderen allerdings belächelt und drangsaliert wird. Nur einen Freund hat er dort: Jonathan. Um eben diesen Jonathan geht es dann in der zweiten Geschichte, die 1996 spielt. Jonathan fährt nun mit seinem Sohn Trevor zum Pfadfinderlager. Unterwegs stellt er ihm seine Freundin und neue Frau vor und macht sich über Trevors Liebe zu Rachel lustig. Und genau diese Rachel ist die Hauptfigur der dritten Geschichte, die im Jahr 2019 angesiedelt ist. Ihr Mann, Trevor, ist inzwischen gestorben. Den gemeinsamen Sohn Thomas zieht sie allein auf – und fährt mit ihm – wie soll es anders sein – ins Pfadfinderlager. Das wird inzwischen von Nelson geleitet.

Was Nickolas Butler dort zu finden glaubt – es ist mir verborgen geblieben. Es ist schwer, in „Die Herzen der Männer“ einen roten Faden zu finden. Am ehesten noch geht es in den drei Geschichten ums Erwachsenwerden, um das Ende einer mehr oder weniger behüteten Kindheit. Um die Frage, was männlich ist. Der kleine Nelson muss erkennen, dass petzen nicht männlich ist. Trevor muss erkennen, dass er eine andere Auffassung von Liebe hat als sein Vater, der ihm Naivität vorwirft und ihn in ein Striplokal schleppt. Und Thomas? Er muss erkennen, dass er der Mann im Haus ist.

Dann geht es um Väter, vor allem um welche, die sich aus dem Staub machen. Und es geht um auseinandergerissene Familien. Nelsons Vater verlässt die Familie, ebenso Trevors Vater, und Thomas‘ Vater ist tot. Und so geht es in Butlers Buch genauso um die Herzen der Frauen, die gebrochen werden. Butler hätte sein Buch genauso „Die Herzen der Frauen“ nennen können. Schließlich sind es sie, die von – zumeist ihren eigenen – Männern ohne Respekt behandelt werden.

Dann kann man sich mit Nickolas Butler noch die Frage stellen, was es braucht, dass aus einem Jugendlichen ein Mann wird. Die Orientierung ohne Kompass? Die Fähigkeit, Feuer zu machen? Oder die Erfahrung in einem Striplokal? Oder genügt gar ein Smartphone, wie es die dritte Geschichte andeutet? So kommt schließlich auch der Wandel der Zeit mit seinem Verständnis von Männlichkeit, Liebe und Familie zur Sprache.

Zu guter letzt könnte man das Buch auch als Entwicklungsroman lesen. Nelson taucht in allen drei Geschichten auf, wird vom Pfadfinder zum Leiter des Pfadfinderlagers und stirbt schließlich auch dort. Freilich verschwindet Nelson gerade im zweiten Teil im Hintergrund.

Oder will der Roman gar auf die Gefahren einer reinen Männergesellschaft hinweisen? Schließlich wird Nelson in der ersten Geschichte gezwungen, in eine Latrine zu tauchen, Trevor wird gezwungen, seine Ideale zu hinterfragen (die aber dennoch tragen…) und in der letzten Geschichte kommt es gar zu einer Vergewaltigung.

Sehr amerikanisch ist, dass es in allen drei Geschichten um Helden geht. Während in der ersten Geschichte der Leiter des Pfadfinderlagers als Kriegsheld gefeiert wird, gilt in der zweiten Trevors Vater als Kriegsheld, ein Elitesoldat, und in der letzten Geschichte wird der 16-jährige Thomas selbst zum Helden, als er seiner Mutter zur Hilfe eilt.

Und irgendwie geht es in dem Buch dabei auch um den Verlust von Freundschaft und um Männer, die einem mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und natürlich auch darum, wie eine Gesellschaft ihre Werte verliert.

„Die Herzen der Männer“ ist ohne Frage ein vielschichtiges Buch. Das macht es zweifelsohne interessant, allerdings lässt es bei mir auch viele Fragezeichen zurück. An manchen Stellen (vor allem im mittleren Teil) gibt es deutliche Längen und überzogen Dargestelltes, was zum Querlesen einlädt. Insgesamt aber gelingt es Nickolas Butler den Leser mit hineinzunehmen in eine fremde Welt, deren Sinn immer mehr verloren zu gehen scheint.

Veröffentlicht am 27.01.2018

Ein Wohlfühlbuch...

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
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Ein Plattenladen im England der 1980er Jahre: hier spielt Rachel Joyces neues Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie„. Ein Buch, das mich sehr gespalten zurückgelassen hat. Auf der einen Seite ...

Ein Plattenladen im England der 1980er Jahre: hier spielt Rachel Joyces neues Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie„. Ein Buch, das mich sehr gespalten zurückgelassen hat. Auf der einen Seite ist da das Talent von „Mister Frank“, dem es gelingt, allen Menschen die Art von Musik zu empfehlen, die sie gerade brauchen. Und so gelingt es ihm, seine Mitmenschen zu verzaubern. Dabei lernt der Leser jede Menge Musik kennen. Und vor allem ihre Wirkung auf Menschen. Denn Musik kann man nicht analysieren, Musik berührt einen einfach. Sagt Mister Frank.

Aber: An einigen Stellen war mir dieses Talent zu fabel-haft, also: zu zauberhaft und viel zu wenig realistisch. Frank gelingt es mit seinen Musiktipps immer wieder, kleine Wunder zu vollbringen. Dagegen steht die recht realistische Handlung: ein großes Investmentunternehmen will die kleinen Läden der Unity Street weghaben, um etwas Großes aufzubauen. Frank hat zudem damit zu kämpfen, dass er den Siegeszug der CD nicht mitmachen will und weiterhin nur Schallplatten verkauft, was ihn an den finanziellen Ruin bringt. Eine Mischung aus nüchterner, deprimierender Realität und magischem Realismus, die für mich an einigen Stellen so gar nicht zusammengepasst hat.

Das zeigt sich auch in der Sprache des Romans. Da gibt es schöne, bildhafte Stellen. Etwa wenn über Frank – ein wenig überladen – gesagt wird: „Er steckte nicht mehr im Schleudergang der Liebes-Waschmaschine, sondern hing schon fröhlich zum Trocknen auf der Leine.“ Und dann kommen plötzlich Sätze, in denen in Comicsprache erzählt wird: „Strahl, strahl, strahl“ und „schnauf, schnauf“. Aha.

Ohne die Musik wäre es eine ziemlich lahme Geschichte, die da von Rachel Joyce erzählt wird: Frank verliebt sich hoffnungslos in eine Frau in Grün, traut sich kaum sie anzusprechen, hilft ihr mit seinem Talent für Musik aus einer Lebenskrise heraus, vorsichtig kommen sie sich Stück um Stück näher – und so weiter. Hinzu kommt, dass zum Schluss hin die Handlung im Schnellvorlauf erzählt wird inklusive einem Zeitsprung von 20 Jahren.

Liest man Rachel Joyces Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie“ als Wohlfühlbuch, das in die Magie der Musik einweiht, so kann man es mit großem Gewinn lesen. Darüber hinaus allerdings hat das Buch recht wenig zu bieten und wirkt recht unsolide zusammengekleistert.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Ermittlungen im rechtsradikalen Milieu

M
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Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich ...

Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich zudem recht zäh vom Fleck.

Dabei geht es zunächst sehr spannend los: Eine Frau kommt in die Detektei Liebergesell und lässt einen vermissten Freund suchen. Schnell landet der Detektiv und Ex-Kommissar Tabor Süden bei seiner Suche im rechtsradikalen Milieu. Schnell gibt es einen ersten Toten, ein Kollege von Tabor Süden. Doch ab diesem Moment bewegt sich die Handlung nur noch zäh voran. Tabor Süden ist zwar gefühlt ständig unterwegs, doch es geht zunehmend um Verstrickungen von Kripo, LKA und Verfassungsschutz, um verdeckte Ermittler und um neue und alte Nazis. Und auch die Auftraggeberin gerät in den Fokus der Ermittlungen.

Friedrich Ani verirrt sich zudem immer mehr im Innenleben seiner Figuren. Tabor Südens Behäbigkeit wird immer wieder beschrieben, dann die Chefin, die um ihren toten Sohn trauert. Ermittlungserfolge: eher Zufallssache. Man hat das Gefühl, dass ein Schleier über der ganzen Ermittlung liegt, der alles verlangsamt und eine große Lethargie hervorruft. Die rechtsradikale Szene im Buch wirkt deutlich fitter und durchtriebener als es die Detektei jemals sein kann.

Das ist schade, denn das tut dem Plot des Kriminalromans nicht gut, so sehr auch die Personen dadurch plastischer werden. Zudem bleiben manche Seiten außen vor: Was es mit der Auftraggeberin auf sich hat, erfährt man von ihr selbst kaum, es sind Außenstehende, die über sie berichten, was ihren Charakter nicht gerade überzeugender wirken lässt. Wie gefährlich das rechtsradikale Netzwerk ist, kann man nur vermuten. Das gilt übrigens auch für den Titel: man kann nur vermuten, was er bedeuten soll. Zu dem Film „M“ von Fritz Lang lassen sich keine Verbindungen herstellen, bleibt nur die Stadt München als Ort des Geschehens.

Das Hörbuch selbst ist gut gesprochen, Süden und seine Leute wirken genauso behäbig und unnahbar wie sie beschrieben sind.