Profilbild von frenx

frenx

Lesejury Star
offline

frenx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit frenx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.01.2018

Ein Wohlfühlbuch...

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
0

Ein Plattenladen im England der 1980er Jahre: hier spielt Rachel Joyces neues Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie„. Ein Buch, das mich sehr gespalten zurückgelassen hat. Auf der einen Seite ...

Ein Plattenladen im England der 1980er Jahre: hier spielt Rachel Joyces neues Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie„. Ein Buch, das mich sehr gespalten zurückgelassen hat. Auf der einen Seite ist da das Talent von „Mister Frank“, dem es gelingt, allen Menschen die Art von Musik zu empfehlen, die sie gerade brauchen. Und so gelingt es ihm, seine Mitmenschen zu verzaubern. Dabei lernt der Leser jede Menge Musik kennen. Und vor allem ihre Wirkung auf Menschen. Denn Musik kann man nicht analysieren, Musik berührt einen einfach. Sagt Mister Frank.

Aber: An einigen Stellen war mir dieses Talent zu fabel-haft, also: zu zauberhaft und viel zu wenig realistisch. Frank gelingt es mit seinen Musiktipps immer wieder, kleine Wunder zu vollbringen. Dagegen steht die recht realistische Handlung: ein großes Investmentunternehmen will die kleinen Läden der Unity Street weghaben, um etwas Großes aufzubauen. Frank hat zudem damit zu kämpfen, dass er den Siegeszug der CD nicht mitmachen will und weiterhin nur Schallplatten verkauft, was ihn an den finanziellen Ruin bringt. Eine Mischung aus nüchterner, deprimierender Realität und magischem Realismus, die für mich an einigen Stellen so gar nicht zusammengepasst hat.

Das zeigt sich auch in der Sprache des Romans. Da gibt es schöne, bildhafte Stellen. Etwa wenn über Frank – ein wenig überladen – gesagt wird: „Er steckte nicht mehr im Schleudergang der Liebes-Waschmaschine, sondern hing schon fröhlich zum Trocknen auf der Leine.“ Und dann kommen plötzlich Sätze, in denen in Comicsprache erzählt wird: „Strahl, strahl, strahl“ und „schnauf, schnauf“. Aha.

Ohne die Musik wäre es eine ziemlich lahme Geschichte, die da von Rachel Joyce erzählt wird: Frank verliebt sich hoffnungslos in eine Frau in Grün, traut sich kaum sie anzusprechen, hilft ihr mit seinem Talent für Musik aus einer Lebenskrise heraus, vorsichtig kommen sie sich Stück um Stück näher – und so weiter. Hinzu kommt, dass zum Schluss hin die Handlung im Schnellvorlauf erzählt wird inklusive einem Zeitsprung von 20 Jahren.

Liest man Rachel Joyces Buch „Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie“ als Wohlfühlbuch, das in die Magie der Musik einweiht, so kann man es mit großem Gewinn lesen. Darüber hinaus allerdings hat das Buch recht wenig zu bieten und wirkt recht unsolide zusammengekleistert.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Ermittlungen im rechtsradikalen Milieu

M
0

Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich ...

Ein wenig enttäuscht hat er mich zurückgelassen, Friedrich Anis Kriminalroman „M“ – der 19. Tabor-Süden-Roman. Nicht nur, dass am Schluss nicht alles schlüssig aufgelöst wird, die Handlung bewegt sich zudem recht zäh vom Fleck.

Dabei geht es zunächst sehr spannend los: Eine Frau kommt in die Detektei Liebergesell und lässt einen vermissten Freund suchen. Schnell landet der Detektiv und Ex-Kommissar Tabor Süden bei seiner Suche im rechtsradikalen Milieu. Schnell gibt es einen ersten Toten, ein Kollege von Tabor Süden. Doch ab diesem Moment bewegt sich die Handlung nur noch zäh voran. Tabor Süden ist zwar gefühlt ständig unterwegs, doch es geht zunehmend um Verstrickungen von Kripo, LKA und Verfassungsschutz, um verdeckte Ermittler und um neue und alte Nazis. Und auch die Auftraggeberin gerät in den Fokus der Ermittlungen.

Friedrich Ani verirrt sich zudem immer mehr im Innenleben seiner Figuren. Tabor Südens Behäbigkeit wird immer wieder beschrieben, dann die Chefin, die um ihren toten Sohn trauert. Ermittlungserfolge: eher Zufallssache. Man hat das Gefühl, dass ein Schleier über der ganzen Ermittlung liegt, der alles verlangsamt und eine große Lethargie hervorruft. Die rechtsradikale Szene im Buch wirkt deutlich fitter und durchtriebener als es die Detektei jemals sein kann.

Das ist schade, denn das tut dem Plot des Kriminalromans nicht gut, so sehr auch die Personen dadurch plastischer werden. Zudem bleiben manche Seiten außen vor: Was es mit der Auftraggeberin auf sich hat, erfährt man von ihr selbst kaum, es sind Außenstehende, die über sie berichten, was ihren Charakter nicht gerade überzeugender wirken lässt. Wie gefährlich das rechtsradikale Netzwerk ist, kann man nur vermuten. Das gilt übrigens auch für den Titel: man kann nur vermuten, was er bedeuten soll. Zu dem Film „M“ von Fritz Lang lassen sich keine Verbindungen herstellen, bleibt nur die Stadt München als Ort des Geschehens.

Das Hörbuch selbst ist gut gesprochen, Süden und seine Leute wirken genauso behäbig und unnahbar wie sie beschrieben sind.

Veröffentlicht am 25.01.2018

Kabarett á la Andreas Rebers

Anarchophobie - Die Angst vor Spinnern
0

„Vielleicht leidet ein Schalke-Fan viel mehr als ein Flüchtling, der ertrinkt, weil das Leid beim Schalke-Fan schon viel länger anhält — als der Flüchtling die Luft.“ Philip Simon liebt es, zu provozieren. ...

„Vielleicht leidet ein Schalke-Fan viel mehr als ein Flüchtling, der ertrinkt, weil das Leid beim Schalke-Fan schon viel länger anhält — als der Flüchtling die Luft.“ Philip Simon liebt es, zu provozieren. Monologartig nimmt er in seinem Programm „Anarchophobie“ das politische Geschehen aufs Korn.

Dabei repräsentiert er das moralische Kabarett im Stil eines Andreas Rebers. Philip Simon ist ein wenig zynisch, ein wenig ironisch, aber immer politisch. Auch wenn einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt wie bei dem anfangs zitierten Vergleich: zum Nachdenken regt Simon allemal an. Nicht nur, weil Simon Zahlen nennt (z.B. 350 Frauenhäuser in Deutschland), bevor er das Frauenbild von Nordafrikanern mit dem des Bachelors vergleicht.

An einigen Stellen gelingt es Philip Simon freilich nicht, das Niveau eines Andreas Rebers zu halten. Zum Beispiel, wenn er das Lied „Ich geh mit meiner Laterne“ umformuliert zu „Ich geh mit meiner Granate“. Das ist genauso wenig witzig wie sein Gag, dass Bildzeitungsleser immer weiterscrollen würden, wenn am Ende der Bild-Internetseite nicht stehen würde „Sie haben das Ende der Seite erreicht“.

Zu den Stärken von Simons Programm gehören die Ausführungen zu Flüchtlingen, Klimawandel und Bio-Wahn. Wenn Simon sagt, es werde in Europa ein Pfandflaschensystem für Flüchtlinge installiert, dann trifft er in Blick auf das Dubliner Abkommen den Nagel auf den Kopf. Wenn Simon hinterfragt, warum im Landkreis Dachau die Tafeln kein Essen für Flüchtlinge ausgeben wollen, wo es doch gar keine entsprechende Nachfrage gebe, erkennt Simon einen – vorherrschenden – Ton der Fremdenfeindlichkeit. Nur selten wird er dabei zum echauffierten Oppositions-Politiker.

Zu Philip Simons Programm gehört es, dass man nicht alles, was er sagt, gut finden kann. Einmal, weil einem das Lachen im Hals stecken bleibt, aber auch, weil man nicht alles richtig finden kann, was Simon provozierend in die Welt setzt. Philip Simon will anecken, keine Frage. Und immer wieder gelingt ihm das auch.

Mich hat an Simons Programm vor allem fasziniert, wie es ihm immer wieder gelingt, die großen Themen runterzubrechen auf die Welt im Kleinen und wie er immer wieder seinen Zuhörern zumutet, die Perspektive zu wechseln, wenn er etwa von der Angst von Muslimen spricht, die sich in christliche Länder trauen. Da verzeiht man Philip Simon auch manche wenig gelungene Albernheit.

Veröffentlicht am 04.01.2018

Äußerst schwer lesbar

Kultur
0

Was ist Kultur? Was soll Kultur sein? Wie entwickelt sie sich? Terry Eagleton geht in seinem Buch „Kultur“ diesen Fragen nach. Ich muss zugeben: ich habe mir etwas anderes von diesem Buch erwartet. Eine ...

Was ist Kultur? Was soll Kultur sein? Wie entwickelt sie sich? Terry Eagleton geht in seinem Buch „Kultur“ diesen Fragen nach. Ich muss zugeben: ich habe mir etwas anderes von diesem Buch erwartet. Eine Streitschrift, ein Plädoyer. Doch „Kultur“ ist nichts anderes als eine essayistisch verfasste wissenschaftliche Abhandlung, die zudem äußerst schwer lesbar ist.

Bräsig kommt sie an vielen Stellen daher. Die vielen flapsigen Beispiele, die Eagleton, teilweise wohl um zu provozieren, anführt, machen das Buch nur an wenigen Stellen lesenswerter. Was fehlt, ist eine rote Linie, die durch das Buch führt. Es gibt allenfalls Stichwortverknüpfungen an manchen Stellen, eine ausgefuchste Argumentation ist Fehlanzeige. Bei all den Ausführungen, die in die Breite gehen, ist es überhaupt schwer, in „Kultur“ eine Argumentationslinie zu finden.

Da sieht Eagleton kulturpessimistisch den Tod der Geisteswissenschaften am Horizont, unterstellt dem Kapitalismus „Hybridität“, also Vermischung und Pluralität zu forcieren, und kommt zu dem Schluss, dass die Kultur ihre Unschuld verloren habe. Doch was er selbst bei all dem, was er von anderen zitiert und reflektiert dagegensetzt, bleibt verschwommen. Er legt wert darauf, dass es auch eine Notwendigkeit der Einheitlichkeit bzw. Gemeinsamkeit zur Identitätsfindung bedarf, kritisiert die fehlende Diskussion über Solidarität und Gerechtigkeit. In seiner Argumentation gegenüber den romantischen Nationalisten ist Eagleton dann plötzlich die Vielfalt wieder wichtig. Dann hangelt er sich an Edmund Burke, Johann Gottfried Herder und Oscar Wilde entlang, um einen Kulturbegriff des „sozialen Unbewussten“ zu manifestieren, spricht auch von der harmonisierenden Wirkung der Kultur. In den letzten beiden Kapiteln will Eagleton schließlich ein modernes Kulturkonzept beleuchten – doch modern ist daran wenig. Überwiegend geht es um die Industrialisierung und die damit einhergehende Angst vor Kulturverlust.

Als Leser bin ich ratlos zurückgeblieben. Was mir Eagleton sagen will: ich weiß es nicht. So gar nicht.

Sicher, ich bin mehr denn je mir bewusst, dass Kultur ein äußerst vielschichtiger Begriff ist, der kaum fassbar ist. Und ja, dass die Populärkultur zu kritisieren ist, inklusive der Anbindung an kapitalistische Kulturindustrie, ist nichts Neues. Aber was soll nun werden? Mehr Hochkultur will Eagleton nicht. Ein Verzicht auf Massenkultur ebenso wenig. Mehr Werte, ja. Mehr Gerechtigkeit. Vielleicht auch unbewusst im Sinne des „sozial Unbewussten“.

Mag sein, dass Eagletons Buch für Kulturwissenschaftler spannend zu lesen ist mit seiner Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff. Mich hat es nicht angesprochen.

Veröffentlicht am 03.01.2018

Für junge Leser geschrieben

Ikarus fliegt
0

„Ikarus fliegt“ von Sally Christie hat eine große Stärke: es ist für 12-Jährige aus der Sicht eines Zwölfjährigen erzählt. Keine abgehobene Erwachsenenperspektive prägt das Buch. Alex, die Hauptfigur, ...

„Ikarus fliegt“ von Sally Christie hat eine große Stärke: es ist für 12-Jährige aus der Sicht eines Zwölfjährigen erzählt. Keine abgehobene Erwachsenenperspektive prägt das Buch. Alex, die Hauptfigur, schildert seine Sicht der Dinge, und dazu gehört auch, dass er selten so richtig den Durchblick hat.

Während man am Anfang bei „Ikarus fliegt“ noch den Eindruck hat, es handle sich um eine typische Anti-Mobbing-Geschichte, weil Alex ständig darüber philosophiert, auf welche Art und Weise man nicht zum Opfer in der Klasse wird, entwickelt sich das Buch immer mehr zu einer Geschichte um Freundschaft und Mut. Denn ein Mitschüler aus Alex‘ Klasse verteilt heimlich Zettel, die sagen: Ein Junge wird fliegen, wie Ikarus. Und schnell wird klar: Alex‘ Strategie, möglichst nicht aufzufallen, kann bald nicht mehr funktionieren.

Überzeugend ist dabei vor allem die Darstellung, wie zaghaft Freundschaft entsteht. Denn Alex findet heraus, von wem der Zettel stammt und will bei dem Abenteuer Ikarus mitmachen und zwischen den beiden Jungen entsteht nach und nach eine zaghafte Freundschaft. Die Gefahr sieht Alex zunächst nicht.

Dass am Schluss des Buches noch aus einer zweiten Perspektive erzählt wird, um die Handlung zu einer guten Auflösung zu bringen, ist schade. So braucht es doch den deus ex machina, der in die Handlung eingreift. Dabei ist es gerade die Frage, ob der Flug des „Ikarus“ nun gut ausgeht, die für Spannung sorgt. Da bleibt es nicht aus, dass man als Leser ein wenig enttäuscht zurückbleibt.

Fazit: Ein Buch, das für junge Leser bis 12 spannend ist, älteren dürfte die Handlung zu konstruiert und die Charaktere nicht nah genug sein.