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Veröffentlicht am 21.05.2018

Xiaolu wird erwachsen

Der freie Vogel fliegt, Band 3
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„Der freie Vogel fliegt“ ist eine Comic-Reihe mit (mindestens) sechs Bänden, in der ein 16-jähriges Mädchen namens Xiaolu die Hauptrolle spielt. Mir gefällt der chinesische Comic (bzw. Manhua) sehr gut, ...

„Der freie Vogel fliegt“ ist eine Comic-Reihe mit (mindestens) sechs Bänden, in der ein 16-jähriges Mädchen namens Xiaolu die Hauptrolle spielt. Mir gefällt der chinesische Comic (bzw. Manhua) sehr gut, daher will ich nun hier auch die Bände 2 und 3 kurz besprechen.

Die Geschichte von Xiaolu geht weiter. Nachdem in Band 1 vor allem die Scheidung der Eltern und die schlechte schulische Leistung thematisiert wurden, wird Xiaolu nun langsam erwachsener.

Xiaolus Ausflüge in die Welt der Fantasie sind keine Fluchten mehr aus der Realität, zumindest nur noch selten. Es sind inzwischen daraus Verhaltens-Taktiken geworden. Die braucht sie auch, denn immer noch schwärmt sie für einen Jungen, traut sich aber nicht, ihn anzusprechen. Da braucht es schon Taktiken, um ihn ja nicht ansprechen zu müssen…

Obwohl Xiaolu selbst sich nicht traut, ihren Schwarm anzusprechen, fühlt sie doch sehr mit ihren – neuen – Freundinnen mit, wenn die sich zoffen, ihre Beziehungen auseinander gehen.

Xiaolu muss einiges wegstecken: wie oft Beziehungen in ihrer Umgebung scheitern, belastet sie sehr. Dann wird eine Freundin von ihr schwanger, ihre Cousine nimmt sich das Leben.

Den beiden Autorinnen, Jidi und Ageng, gelingt es, diese ernste Seiten in Xiaolus Leben so zu verpacken, dass sie überzeugend wirken. Die Sicht Xiaolus entspricht dem, was Jugendliche in China in den 1980er Jahren denken. Es gibt keinen weisen Erzähler, der aus seinen Fehlern gelernt hat, keine rückblickenden Wertungen.

Wie bereits im ersten Band, haben mir auch hier die Bilder sehr gefallen. Die Bilder transportieren die Stimmung. Xiaolus Trauer, die Verzweiflung ihrer Cousine: überzeugend in Bilder umgesetzt. Xiaolus Entschlossenheit, ihrer Freundin beizustehen: herrlich komisch im Karate-Stil dargestellt. Xiaolus Scheu, ihren Schwarm ansprechen: grandios grotesk umgesetzt.

Für die kommenden Bände gibt es genügend Cliffhanger, die einer Auflösung bedürfen. Allerdings wird in „Der freie Vogel fliegt“ nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern viele. Dies hat zwar den Nachteil, dass es viele lose Fäden mit vielen offenen Fragen gibt, aber zugleich auch den großen Vorteil, dass man einiges über das Leben Jugendlicher in China erfährt.

Veröffentlicht am 11.05.2018

Von Lügen- und anderen Räubergeschichten

Metamorphosen oder Der goldne Esel
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Lügengeschichten, Schwänke, Räuberpistolen: all das findet sich in Apuleius‘ „Metamorphosen„. Der 400. Band der „Anderen Bibliothek“ begibt sich auf schwankhaft-komische Wege.

Man folgt Lucius nach Thessalien, ...

Lügengeschichten, Schwänke, Räuberpistolen: all das findet sich in Apuleius‘ „Metamorphosen„. Der 400. Band der „Anderen Bibliothek“ begibt sich auf schwankhaft-komische Wege.

Man folgt Lucius nach Thessalien, und bereits unterwegs werden ihm so einige Lügengeschichten von gleichsam Reisenden aufgetischt. Wie gut, dass Lucius da nicht an einem Stück Käsekuchen erstickt ist!

An Johann Peter Hebels Schwänke erinnern die Geschichten, die Lucius in Hypata bei einem Geizhals namens Milo erlebt. Mit Hinterlist kommt Milo drumherum, dem Gast ein Essen anzubieten. Was Lucius allerdings mit der Magd Photis macht, entspricht nicht mehr ganz dem, was man bei Hebel lesen kann.

Schwankhaft ist auch die Totenwache, die Thelyphron hält, weil es ein einfacher Verdienst zu sein scheint – freilich: weit gefehlt, denn die Witwe hat andere Pläne. Hat sie doch ihren eigenen Mann umgebracht. Dass ein Toter für kurze Zeit wieder auferweckt wird, damit muss man bei Apuleius rechnen. Schließlich tauchen Hexen, ägyptische Propheten, Magier, Drachen und vieles mehr in seinen Geschichten auf.

Nach derlei eher komischen Geschichten, wird aus den „Metamorphosen“ eine rechte Abenteuergeschichte, denn Lucius, zum Esel verzaubert, wird von Räubern verschleppt und ist nolens volens im zweiten, großen Teil des Buches mit einer Räuberbande unterwegs. Dabei muss Lucius, der Esel, Schreckliches erleben, mehrfachst entkommt er nur knapp dem Tod oder der Kastration. Die Freiheit kommt schließlich erst, nachdem die Räuberbande fliehen muss. Hat sie doch zuvor den Ehemann einer entführten Tochter aus reichem Haus unwissentlich zu ihrem Räuberhauptmann erkoren. Freilich wechselt der Esel noch einige Male den Besitzer, bevor er zum Menschen zurückverwandelt wird.

Eingeflochten sind auch hier immer wieder Lagerfeuer-Geschichten, allerdings weniger schwankhafte, die griechischen Sagen nehmen hier breiten Raum ein, allen voran die Geschichte von Amor und Psyche wie auch die von Charite.

Dem Weg des Lucius folgt man gern, wenn es auch nicht immer leicht ist, ihm zu folgen. Allerdings gewöhnt man sich mit der Zeit daran, dass die Handlung immer wieder von allerlei Geschichtenerzählern unterbrochen wird. Auch habe ich die leicht antiquierte Übersetzung mit der Zeit liebgewonnen. „Ich halte den Vorschlag für ersprießlich, stelle ihn euch aber völlig anheim“ – ebenso „apostrophiert“ Lucius das Mädchen und überführt die „Unfläter“. Da fällt es kaum noch auf, dass das Buch noch in der alten Rechtschreibung gedruckt ist. Wie gesagt: man gewöhnt sich an den Stil der Übersetzung recht schnell und freut sich an solchen Formulierungen.

Sehr hilfreich sind die Anmerkungen, die am Ende des Buches abgedruckt sind und vor allem Sagenfiguren erklären, die einem so nicht unbedingt geläufig sind. Ebenso führt ein Vorwort in Buch und Autor ein – für mich war es fast schon zu ausführlich, die vielen Verweise auf Motive, die anderswo noch in der Literatur auftauchen, hätte ich nicht gebraucht.

Gestaltet ist der Band sehr kunstvoll. Bilder verzieren die einzelnen Kapitel, die Innenseiten des Umschlags sind – dem Untertitel gemäß – in Gold gehalten. Auch das Papier ist von besonderer Qualität und ein Lesebändchen gehört natürlich auch dazu.

Alles in allem sind Apuleius‘ „Metamorphosen“ ein großer Lesespaß. Mir haben es dabei vor allem die Geschichten, die Lucius erlebt, als er als Esel sein Dasein fristet, angetan.

Veröffentlicht am 03.05.2018

Liebevoll erzählte Geschichte eines Mädchens in China

Der freie Vogel fliegt, Band 1
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Xiaolu hat es nicht leicht. Die Hauptfigur des Comics „Der freie Vogel fliegt“ von Jidi und Ageng geht in der westchinesischen Stadt Chengdu auf die Mittelschule. Da sie – vor allem in Mathematik – schlechte ...

Xiaolu hat es nicht leicht. Die Hauptfigur des Comics „Der freie Vogel fliegt“ von Jidi und Ageng geht in der westchinesischen Stadt Chengdu auf die Mittelschule. Da sie – vor allem in Mathematik – schlechte Noten hatte, kommt sie auf diese Schule, die einen Schwerpunkt auf Kunst und Gestaltung hat. Dort hat sie die typischen Probleme eines Teenagers in China: jede Menge Stress in der Schule, dann Stress mit Lehrern und Eltern, das erste Verliebtsein und schließlich eine deftige Auseinandersetzung mit einer Klassenkameradin.

Der erste Band dieser Comicreihe, die auf (mindestens) sechs Bände angelegt ist, konzentriert sich auf Xiaolus Schulzeit und rückblickend auf ihre Kindheit. Bei aller Schwere besticht der Comicband durch die faszinierende Leichtigkeit des Erzählens. Xiaolu lebt in ihrer eigenen Welt, in der ihre Lieblingscomicfiguren ihr zur Hilfe kommen. Liebevoll wird man als Leser in Xiaolus Gefühlswelt hineingenommen und erlebt ihre Gefühlsschwankungen mit. Man sieht sie leiden, wenn ihre Lehrerin sie runtermacht. Und genauso sieht man sie vor Freude springen, als sie sich verliebt. Allerdings – das ist ein kleines Manko des Bandes – ist die Schrift vor dunklem Hintergrund zum Teil nicht gut zu lesen.

Tolle Bilder, farbenprächtig und detailverliebt, setzen die Handlung in Szene. Dabei kann man auch ihren Tagträumen beiwohnen und ihrer ersten Liebe. Mit ironischem Unterton erzählen Jidi und Ageng, wie Xiaolu ihrem Auserkorenen hinterherspioniert.

Mit knapp 25 Euro ist der Comic etwas teuer geraten, allerdings ist er auch zweisprachig, sodass er mit dem deutschen und dem chinesischen Teil (sie folgen aufeinander) auf insgesamt knapp 300 Seiten kommt. Zudem sind auch Erklärungen abgedruckt und wer chinesisch lernt, erhält am Schluss sogar ein chinesisch-deutsches Vokabular zum Comic.

Eine kleine Warnung sei ausgesprochen: Hat man den ersten Band gelesen, will man unbedingt weiterlesen – denn wie es mit Xiaolu und ihrem Auserkorenen weitergeht, will man ja schließlich wissen…

Veröffentlicht am 28.04.2018

Spannendes Jugendbuch über unangepasste Jugendliche im Dritten Reich

Bis die Sterne zittern
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Die Meuten – das sind Jugendliche, die sich im Dritten Reich nonkonform verhielten – statt HJ-Uniform trugen sie kurze Lederhosen und karierte Hemden. „Bündische Jugend“ nannten sie sich selbst. Etliche ...

Die Meuten – das sind Jugendliche, die sich im Dritten Reich nonkonform verhielten – statt HJ-Uniform trugen sie kurze Lederhosen und karierte Hemden. „Bündische Jugend“ nannten sie sich selbst. Etliche Gruppen gab es in Leipzig, bis sie 1939 durch die Gestapo zerschlagen wurden.

Während die Edelweißpiraten und die Swing Kids inzwischen schon bekannt sind, kennt man diese Leipziger Gruppen kaum. Umso erfreulicher ist es, dass nun ein Jugendbuch erschienen ist, das diese Leipziger Jugendbewegung zum Thema hat: Johannes Herwigs Jugendbuch „Bis die Sterne zittern“.

Hauptperson ist der 16-jährige Harro. Eher zufällig wird er Mitglied einer Leipziger Clique. Doch bald wird für ihn aus der bloßen Freude am Rebellieren bitterer Ernst. Aus Lausbubenstreichen werden politische Aktionen, die die Staatsmacht immer gründlicher beobachtet. Harro selbst ist sehr überzeugend dargestellt. Er wird zwar als überzeugter Gegner des Dritten Reiches dargestellt, der alle staatliche Propaganda durchschaut, doch ist er keineswegs sakrosankt. Im Gegenteil: er muss seine Erfahrungen machen – auch mit Mädchen. Bei vielen Entscheidungen Harros, z.B. auch die, aus der Hitlerjugend auszutreten, fragt man sich, wie wohlüberlegt sie überhaupt ist.

Was eine Clique ausmacht, die Mischung aus bloßer Rebellion und politischer Aktion, wird in „Bis die Sterne zittern“ deutlich. Man spürt auch die Recherche, die hinter dem Buch steht. Selbst Kinderspiele der damaligen Zeit sind recherchiert. Die Handlung hat mich nicht ganz so stark überzeugt. Es bleiben viele lose Enden zurück. Harro als Jugendlicher, der auf dem Weg ins Erwachsenenleben ist, ist gut getroffen. Aber wie es mit ihm weitergeht: man kann es nicht einmal erahnen. Und irgendwie fehlt der Geschichte in wenig der Pepp. Für mich liegt das vor allem an der gewählten Ich-Perspektive: da kann man eben als Erzähler nicht über die Grenzen der vorgegebenen Perspektive des Jugendlichen hinaus. Man erfährt wenig von den besorgten Eltern, wenig von den Beobachtungen der Gestapo usw. Und die Sprache ist (vor allem am Ende von Kapiteln) viel zu lyrisch, als dass sie zu einem Jugendlichen passt. Ein auktorialer Erzähler hätte eher nicht zu diesen Schwächen geführt. Der Ich-Erzähler ist sich selbst im Weg: schöne, lyrische Formulierungen wirken aus dem Mund Harros einfach fehl am Platz.

Fazit: „Bis die Sterne zittern“ ist ein Jugendbuch, das die Zeit des Dritten Reichs aus der Sicht einer unangepassten Jugendgruppe lebendig werden lässt. Ein klein wenig hat die Handlung unter der Absicht, die Leipziger Meuten vorzustellen, gelitten. Dennoch war es eine gute, bereichernde Lektüre.

Veröffentlicht am 15.04.2018

Bibelarbeit nach der lectio divina

Süßer als Honig, kostbarer als Gold
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40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn ...

40 Bibel-Meditationen sind in dem Band von Jan Johnson versammelt. Johnson bedient sich dabei der Methode der lectio divina. Sprich: sich erst mit dem Text auseinandersetzen, ihn verstehen, dann über ihn meditieren - das ist das Vorgehen.

Das ist bestimmt kein schlechter Ansatz, doch überzeugt hat mich das Buch dennoch nicht.

Da ist zum einen das immer gleichbleibende Vorgehen - was auch eine Stärke sein könnte. Doch die Texte im Buch zur Einstimmung und zur Frage nach dem, was man selbst vom Bibeltext mitnimmt - sie sind immer gleich formuliert. Heißt: Man liest es eben irgendwann nicht mehr und macht sich selbst seine Gedanken. Vorstellen könnte ich mir, dass die Bibeleinheiten bei Gruppen besser funktionieren. 

Zum Teil sind die Ideen, "Mäuschen" zu spielen, hilfreich, oft sind sie aber wenig bis gar nicht umsetzbar. Wer will sich schon den Gesichtsausdruck Jesu vorstellen? Oder Jakobus? Wie soll das gehen? Genauso die Aufforderung, sich Philippi vorzustellen, oder eine Synagoge zur Zeit Jesu - ohne Hintergrundinformationen ist das meines Erachtens nicht leistbar.

Zwar gelingt es der Autorin an einigen Stellen immer wieder, die Eintönigkeit der immer gleichen Art von Einführungen und Aufgaben zu durchbrechen, doch ist einfach zu viel Potenzial dadurch verloren. Es gibt keine Fokussierung auf eine Frage, auf ein Thema bei den ausgewählten - zumeist recht langen - Bibeltexten. Trotz aller Erklärungen wird man mit dem Text und der Frage, was er für einen selbst sagen kann, allein gelassen. Für die Meditation als solche ist man sich selbst überlassen. Das ist schade. Denn die Ansätze dieses Meditationsbuches sind eigentlich nicht verkehrt. Nur wird daraus nichts gemacht.