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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.09.2023

Klarheit

Die Lügnerin
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Im Folgenden lesen Sie meine Wahrheit über "Die Lügnerin" von Friedemann Karig. Meine Wahrheit, denn "die Wahrheit", das ist ein ziemlich labiles Konstrukt, wie das Buch seinem Publikum auf eindrückliche ...

Im Folgenden lesen Sie meine Wahrheit über "Die Lügnerin" von Friedemann Karig. Meine Wahrheit, denn "die Wahrheit", das ist ein ziemlich labiles Konstrukt, wie das Buch seinem Publikum auf eindrückliche Weise deutlich macht.
Clara Konrad, eine pathologische Lügnerin, befindet sich in einer Privatklinik und berichtet ihrer Therapeutin, dass sie so gut lügen könne, dass all ihre Lügen, zu Wahrheiten werden.
Das ist der Grundgedanke hinter dem Buch. Was sich in einem Satz kompakt zusammenfassen lässt, ist es in Wirklichkeit allerdings nicht. Der Autor setzt das Konstrukt der Wahrheit als Stilmittel ein und bearbeitet es auf vielschichtige Art und Weise, und übt sowohl direkt als auch zwischen den Zeilen Gesellschaftskritik.
Der Text spielt mit den Wahrnehmungen und Erwartungen der Lesenden. Dabei ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten und die verschiedenen Ebenen zu erfassen. Ich musste häufig zurückblättern, um Dinge noch einmal neu zu lesen, wenn sich später andere Erkenntnisse gegeben haben. "Die Lügnerin" ist eines dieser Bücher, die man nach dem Beenden am liebsten nochmal lesen würde, weil man sich nicht sicher ist, ob man es vollständig verstanden hat.
Vor allem aber, ist es unterhaltsame Literatur, die fesselt und herausfordert.
Ich verstehe, dass es nicht unbedingt die Absicht des Romans ist, bzw. dass er vielleicht sogar genau darauf abzielt, mir diesen Gefallen nicht zu tun: Aber am Ende hätte ich mir doch gewünscht, wenn ein wenig mehr Klarheit geschaffen worden wäre.

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Veröffentlicht am 13.09.2023

Heartache

Heartbreak
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Ich habe "Heartbreak" von Tarkan Bagci gelesen, weil die Story so interessant klang. Den Autor als Podcaster oder Medienmenschen kenne ich eigentlich kaum. Generell schrecken mich Autor*innen, die bereits ...

Ich habe "Heartbreak" von Tarkan Bagci gelesen, weil die Story so interessant klang. Den Autor als Podcaster oder Medienmenschen kenne ich eigentlich kaum. Generell schrecken mich Autor*innen, die bereits anderweitig in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten sind, eher ab, wenn es um Romane geht. Wie gut, dass mich "Heartbreak" dann tatsächlich positiv überraschen konnte.
Im Buch geht es um die beiden Protagonisten Tom und Marie.
Tom befindet sich gerade auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Sänger und Schauspieler, als er in einen Skandal hineingerät, der seine ganze öffentliche Existenz ins Wanken bringt. Marie leidet unter einer Depression und Panikstörung. Nach einem Jahr Beziehung wird sie von ihrem Freund geghostet und gerät dadurch in eine Krise. Marie und Tom treffen in einer kleinen Stadt in der Toskana aufeinander und schmieden einen Plan um sich gemeinsam aus ihren jeweiligen Miseren zu befreien.
Mir hat gefallen, dass das Buch auf so leichte und humorvolle Weise verschiedenste Reizthemen unserer modernen Gesellschaft aufgreift und erzählt. Man könnte anfangs meinen, dass es sich um einen ernsten oder tragischen Roman handelt, aber ich würde ihn sogar als Komödie bezeichnen. Dabei handelt es sich keineswegs um eine "Schnulze" und auch nicht vorrangig um eine Liebesgeschichte, sondern vielmehr um eine Geschichte über die alltäglichen Geschehnisse, die jeden Tag aus dem Hinterhalt unsere Herzen brechen können. Die unser Leben schwer machen oder uns in Krisensituationen bringen können. Man fühlt sich zwischen Marie und Tom und ihren Problemen seltsam gut aufgehoben. Manche Beschreibungen von Personen oder Ereignissen klingen für mich zu stereotyp, trotzdem lesen sich die Charaktere authentisch und sympathisch. Man kann nicht anders, als auf ihrer Seite zu sein.
Das Buch hat es geschafft eine sehr gute Balance zwischen Humor und Tiefgang zu halten.

Fazit: "Herabreak" liest sich leicht und amüsant, macht einem das Herz in Nuancen aber doch ein wenig schwer. Es ist keine klassische "Herzschmerz"-Geschichte, wie man sie bei dem Titel vielleicht erwarten könnte, es ist eher eine mehrdimensionale Auseinandersetzung damit, womit sich unsere Seelen im Ernstfall herumschlagen müssen. In diesem Sinne: Eine warmherzige Empfehlung von meiner Seite!

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Veröffentlicht am 03.09.2023

Scheideweg

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Bewertet mit 3,75 Sternen:

First of all: "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" verdient eine Nominierung in der Kategorie "Bester Buchtitel des Jahres". Finde ich grandios. Was ...

Bewertet mit 3,75 Sternen:

First of all: "Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe" verdient eine Nominierung in der Kategorie "Bester Buchtitel des Jahres". Finde ich grandios. Was das Buch betrifft, fällt meine Bewertung nicht ganz so überschwänglich, aber abschließend doch positiv aus.

Doris Knecht erzählt von einer Protagonistin in der Mitte ihres Lebens. In ihren Fünfzigern angekommen, steht sie am Scheideweg, als ihre Kinder nach dem Schulabschluss selbstständiger werden und schließlich das mütterliche Nest verlassen. Dieses ist für eine alleinstehende Person nicht mehr ausgelegt und so bleibt es nicht aus, dass auch unsere Protagonistin sich verändern muss. Sie ist gezwungen einen Blick in die Zukunft zu werfen? Was soll jetzt noch kommen? Was will ich eigentlich? Damit einhergehend drängt sich unweigerlich auch eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auf.

Die Autorin nimmt ihr Publikum mit auf eine intime Reise in das Leben und die Gedankenwelt ihrer namenlosen Protagonistin. Die Mittel, die dafür gewählt werden, sind kreativ und unterhaltsam. Ich mag den authentischen Tonfall des Textes. Er zwingt die Lesenden unweigerlich auch zu einer persönlichen Auseinandersetzung - sei es im Bezug auf eigene Eltern oder auf eigene Kinder. Obwohl das Buch bemüht ist, mich nah an sich ranzuholen, bleibt mir die Protagonistin oftmals doch fremd. Sie wird vielschichtig portraitiert, ist mir jedoch nicht immer sympathisch, in ihren Handlungen und Betrachtungen doch auch manchmal widersprüchlich. Sie macht innerhalb der Geschichte eine merkliche Entwicklung durch, mir hat es gefalle mitzuerleben, wie eine Mensch sich durch eine fraglie Lebenssituation wie ihre manövriert. Der Text hat mich zum Nachdenken angeregt, nicht immer ist es mir leicht gefallen ihn zur Hand zu nehmen. Das Buch hat einen gewissen Weltschmerz in mir hervorgerufen. Gerne habe ich es dennoch gelesen.

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Veröffentlicht am 14.08.2023

Die Ausladung

Die Einladung
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In "Die Einladung" von Emma Cline geht vorrangig gar nicht so sehr um eine Einladung, sondern viel mehr um eine Frau, die sich mit ihrem Körper Zutritt in die Welt der Reichen und Schönen erarbeitet hat, ...

In "Die Einladung" von Emma Cline geht vorrangig gar nicht so sehr um eine Einladung, sondern viel mehr um eine Frau, die sich mit ihrem Körper Zutritt in die Welt der Reichen und Schönen erarbeitet hat, und dann quasi über Nacht wieder ausgeladen wird.
Alex ist jung, schön und in einer finanziell angespannten Situation. Mit ihrem alternden Sugardaddy verbringt sie lange, sorglose Tage in seinem Haus in den Hamptons bis ein Fehltritt auf dem gesellschaftlichen Parkett zu ihrem Rauswurf aus diesem Leben führt, in dem sie nur ein Gast auf Zeit gewesen ist. Danach irrt sie ziellos durch die Gegend. Eine Art Zaungast, ein Abfallprodukt, im schrecklichsten Sinne des Wortes, dieser Gesellschaft, in der nur Materielles und Oberflächlichkeiten zu zählen scheinen.
"Die Einladung" ist ein spannendes Porträt einer Protagonistin, die sich nicht recht einfügen will in die gängigen Klischees eines Täter-Opfer-Bilds. Sie tut, was getan werden muss, um mit den für sie zur Verfügung stehenden Mitteln das beste Ergebnis zu erzielen. Dabei geht sie nicht immer den legalen oder den moralisch saubersten Weg. Der Roman lotet jedoch feinsinnig aus, wie sehr Alex' Schicksal und ihr Handlungsspielraum durch eine vorgegebene Klassenzugehörigkeit und nicht zuletzt durch ihr Dasein als Frau begrenzt werden. Wie sie trotz aller Gegenwehr doch so oft ein Spielball der Mächtigeren bleibt.
Das Buch ist auch eine Klassenstudie eines Amerikas, in dem Überdruss und eine auf unverhältnismäßigem Reichtum begründete emotionale Verwahrlosung vorherrschen, und es ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, was es bedeutet, in der heutigen Welt eine Frau zu sein. Welche Anforderungen, Klischees, Grenzen, Vorurteile, Möglichkeiten und Perspektiven damit einhergehen. Besonders gefallen an der Geschichte hat mir die Ambivalenz, mit der Alex gezeichnet ist. Sie ist nicht gut und nicht schlecht, keine Heldin, aber auch keine Schurkin. Sie ist herrlich echt, roh, verwundbar, berechnend, verschlagen, verloren, suchend.
Ich finde, das Buch ist ein großartiges und spannendes Stück Gesellschaftskritik, das einen Nerv unserer Gegenwart trifft.

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Veröffentlicht am 07.08.2023

Sommerlichtblick

Nachts erzähle ich dir alles
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Ich habe bereits das erste Buch von Anika Landsteiner gelesen und es zwar in Ansätzen für gut, aber dennoch für ausbaufähig befunden. Ich bin froh, nun ein weiteres Mal zu einem Roman der Autorin gegriffen ...

Ich habe bereits das erste Buch von Anika Landsteiner gelesen und es zwar in Ansätzen für gut, aber dennoch für ausbaufähig befunden. Ich bin froh, nun ein weiteres Mal zu einem Roman der Autorin gegriffen zu haben, denn "Nachts erzähle ich dir alles" hat mich vollständig überzeugt.
Im Buch geht es um Lea, die in Deutschland lebt, obwohl ihre Wurzeln in Südfrankreich liegen. Nach vielen Jahren kehrt sie nun in das Haus ihres Großvaters zurück, wo sie einst die Sommer ihrer Kindheit und Jugend verbrachte, um sich dort eine Auszeit von einem Leben zu nehmen, in dem sie nicht weiß, welche Richtung sie als nächstes einschlagen soll. Eines Nachts taucht im Garten dieses Hauses ein junges Mädchen auf. Am nächste Morgen ist das Mädchen tot und sein Bruder steht vor der Tür, mit hundert Fragen, in die sich die beiden nach und nach verstricken.

Die Geschichte liest sich überraschend neu, mir ist eine ähnliche Handlung so noch nicht angekommen. Der Schreibstil ist bildreich und plastisch, manchmal sind die Beschreibungen Südfrankreichs fast ein wenig klischeehaft, aber nie so, dass es eine gewisse Grenze überschreitet. Ich mag, wie die Geschichte zwischen Spannungsroman, Gegenwartsliteratur und Feminismus divergiert. Denn zwischen den Zeilen geht es immer wieder um feministische Themen, insbesondere um weibliche Selbstbestimmung, und die Gefahren, mit denen man als Frau immer zu rechnen hat. Das alles wird auf eine Weise in den Text eingewoben, die niemals aufgesetzt wirkt. Die Figuren wirken authentisch und lebensecht, ich konnte sie greifen und verstehen, was sie angetrieben hat.
Gefallen hat mir außerdem, dass Landsteiner hier den klassischen Urlaubs-/Sommerroman auf eine ganz neue Art und Weise interpretiert. Trotz der an einen Spannungsroman erinnernden Handlung und der ernsten Grundthematik bleibt ein gewisses Urlaubsflair, eine Atmosphäre, ein Feeling irgendwie greifbar. Und gleichzeitig geht dabei auch der Ernst der Thematik nicht verloren. "Nachts erzähle ich dir alles" ist wirklich eine neue Darstellung eines Genres, das man bereits zahllos oft gelesen hat, und in dieser Form wenig kennt.

Fazit:
In das warme gelbgoldene Licht des südfranzösischen Sommers getaucht, ist "Nachts erzähle ich dir alles" ein ernster, atmosphärischer Roman, hinter dem eine starke Idee steckt, die entsprechend stark umgesetzt wurde.

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