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Veröffentlicht am 28.08.2020

Mehr als nur die Tochter von …

Die Tochter des Zauberers - Erika Mann und ihre Flucht ins Leben
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„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements ...

„Wir haben uns das alle viel zu einfach vorgestellt. Den roten Teppich rollt uns hier niemand freiwillig aus. Dazu sind wir einfach zu viele, die plötzlich vor der Tür stehen und von hochdotierten Engagements träumen.“ (S. 75) Erika und ihr Bruder Klaus reisen im Herbst 1936 nach Amerika, um alles für das politisches Kabarett „Pfeffermühle“ vorzubereiten. Sie sollen Visa, Auftritte und vor allem Geld für die restliche Truppe organisieren, die mit einem anderen Schiff folgen wird. Die „Pfeffermühle“ will Amerika aufrütteln und vor den Nazis warnen. „Wenn Amerika jetzt nicht aufwacht, um sich gegen Hitler zu stellen, werden wir uns eines Tages verwundert die Augen reiben, weil wir die Chance verpasst haben.“ (S. 67) Aber schon beim ersten Dinner mit potentiellen Geldgebern wird Erika klar, dass diese kein Interesse an Hitler und Europa haben und die Amerikaner die Texte der Pfeffermühle auch in Englisch nicht verstehen würden, weil ihnen das Hintergrundwissen fehlt. Die Leute wollen unterhalten werden, nicht belehrt. Außerdem werden sie und Klaus nur auf die Rolle der Kinder von Thomas Mann reduziert. Ein eigener Kopf oder gar eine Karriere wird ihnen nicht zugestanden. Man möchte familiäre Anekdoten über den Literaturnobelpreisträger hören, keine Warnung vor dem nächsten Krieg, an den sowie niemand glaubt. Dabei ist sie so viel mehr als nur die Tochter von …

Eins vorweg, Erika und ich wären wahrscheinlich keine Freunde geworden. Dazu erscheint sie mir zu unsympathisch, manipulativ, vergnügungssüchtig, abgehoben und egoman. Sie ein echtes Luxusweibchen, hatte keine Probleme damit, sich von anderen aushalten zu lassen und im Restaurant das teuerste Gericht auf der Karte zu bestellen, auch wenn sie wusste, dass ihr Gegenüber sich das eigentlich nicht leisten konnte. Aber sie war auch sehr intelligent, leidenschaftlich, zielstrebig, selbstbewusst und durchsetzungsstark. „Meist haben zu Hause alle auf mein Kommando gehört, sogar die Eltern. Dabei musste ich nicht einmal selbst am Ruder stehen. Den Part habe ich Klaus überlassen. Mir hat das Schalten und Walten aus dem Hintergrund genügt.“ (S. 366) Sie wollte Hitler stoppen, die Welt wachrütteln und hat sogar ihren Vater dazu gebracht, endlich Stellung zu beziehen. Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von ihr und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt auch, wie umstritten Erika wegen ihres Lebensstils selbst innerhalb des Ensembles der „Pfeffermühle“ war und wie sie deswegen angefeindet wurde.

Erika scheint ein echter Freigeist gewesen zu sein: verheiratet mit einem Engländer wegen des Passes, lebt sie offen mit der Münchner Künstlerin Therese zusammen. Doch als sie in New York ankommt, lernt sie gleich zwei faszinierende Männer. Den Arzt und Schriftsteller Martin Gumpert und den Bankier Maurice Wertheim. Beide machen ihr Avancen, Maurice wird ihr Förderer, finanziert die „Pfeffermühle“ und legt ihr jeden nur denkbaren Luxus und die Welt zu Füßen. Da kann Martin nicht mithalten, aber bei ihm findet sie Ruhe und Geborgenheit. Wenn es nach Klaus geht, soll sie sich natürlich für Maurice entscheiden, aber das Herz will, was es will – und auch Therese gibt nicht so leicht auf. Ein Liebestaumel beginnt.

Die symbiotische Beziehung des Geschwisterpaares spielt in diesem Buch eine sehr große Rolle. Erika ist nur ein Jahr älter als Klaus und hat eine extrem engere Bindung zum ihm. Sie will ihm zu seinem Durchbruch als Schriftsteller verhelfen. Er lebt und arbeitet wie im Rausch, flüchtet sich immer wieder in Drogenexzesse, unternimmt Selbstmordversuche. Klaus ist menschenscheu und kann nicht offen mit seiner Homosexualität umgeben. „Tut mir leid, dass ich anders bin. Es kann halt nicht jeder so erfolgreich wie du mit beiderlei Geschlecht turteln.“ (S. 37)
So unterschiedlich Erika und Klaus auch sind, eines haben sie gemeinsam. Sie wollen endlich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters treten und als eigenständige Persönlichkeiten wahrgenommen werden. Allerdings erschien mir ihre Beziehung an einigen Stellen zu ungesund und zu eng – welches Geschwisterpaar küsst sich schon leidenschaftlich auf den Mund?!

Heidi Rehn gibt das Flair vom New York der 40er Jahre sehr anschaulich wieder, die Kunst- und Künstlerszene, in der sich Erika bewegt, den Broadway, die Shows, Kellerclubs und Nachbars, dazu kommen die vielen Berühmtheiten der damaligen Zeit (wie z.B. Vicky Baum, Billy Wilder, Kurt Weil oder die Roosevelts), denen sie begegnet. Auch das Hotel Bedford, die Sammelstelle und neuen Heimat der Emigranten (vor allem Juden), die Europa bereits verlassen hatten, wird sehr lebendig beschrieben.

Heidi Rehn zeichnet in „Die Tochter des Zauberers“ ein extrem vielschichtiges Bild von Erika Mann und lässt den Leser an allen Facetten ihres Lebens teilhaben. Sie zeigt deren umstrittenen Lebenswandel, ihren Kampf gegen Hitler und die symbiotische Beziehung mit ihrem Bruder Klaus, welche mir nicht immer gesund erschien. Und auch sonst war die bisexuelle Erika für jede Art von Beziehungen offen, konnte sich nur schwer für nur eine Person entscheiden …

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Veröffentlicht am 26.08.2020

Träume sind (Bier-)Schäume

Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis
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Colina ist Schankmädchen in einer München Wirtsstube und träumt von einem besseren Leben. Sie schafft es mit viel Dreistigkeit und Einfallsreichtum, von dem aus Nürnberg neu zugezogenen Bierbrauer Curt ...

Colina ist Schankmädchen in einer München Wirtsstube und träumt von einem besseren Leben. Sie schafft es mit viel Dreistigkeit und Einfallsreichtum, von dem aus Nürnberg neu zugezogenen Bierbrauer Curt Prank als Gouvernante für dessen Tochter Clara engagiert zu werden.
Prank will sein fränkisches Bier unbedingt auf dem Oktoberfest ausschenken – ein schnell erlassenes Gesetz verhindert das aber. Seine letzte Chance ist Claras Hochzeit mit dem Vorstandsvorsitzenden der größten Münchner Brauerei, der allerdings mehr als doppelt so alt ist wie sie. Clara entzieht sich diesem Vorhaben durch die Flucht und Colina landet wieder da, wo sie nie mehr hinwollte – als Schankmädchen auf dem Oktoberfest …

Oberwachtmeister Lorenz Aulehner ist neu bei der Kriminalabteilung der königlichen Schutzmannschaft in München. Er soll der Nachfolger des jetzigen Leiters werden und ist mit seinen Kollegen für Ruhe und Ordnung auf dem Oktoberfest zuständig, denn hinter den Kulissen kämpfen die Bierbrauer und Wirte mit harten Bandagen und unlauteren Mitteln um die Gäste und Vorherrschaft. Als es im Umfeld der Wiesn zu einigen Todesfällen kommt stellt sich die Frage, ob diese etwas mit den Ausschanklizenzen für das Fest zu tun haben.

„Oktoberfest 1900“ von Petra Grill zeichnet ein sehr authentisches Bild der damaligen Zeit und vermittelt dabei viele historische Fakten. Ich wusste z.B. nicht, dass die Ausschanklizenzen damals noch nicht an die großen Brauereien, sondern an kleine Wirte vergeben wurde, die mit dem dort erwirtschafteten Geld das restliche Jahr überbrücken mussten. Um ordentlich daran mitzuverdienen, kauften die großen Brauereien die Wirte nach und nach auf. „In ein paar Jahren gibt’s in München kein Wirtshaus mehr, das nicht einer Brauerei gehört.“ (S. 302)
Auch die Arbeitsbedingungen der Schankmädchen waren unvorstellbar. Sie schufteten täglich bis zu 18 Stunden und bekamen keinen festen Lohn, sondern nur ihr Trinkgeld. Deshalb verdienten sich was dazu, indem sie mit den männlichen Gästen schliefen.

Colina hat mich sehr beeindruckt. Sie ist zielstrebig, taff und weiß genau, was sie will – einen ordentlichen Lohn und nicht mehr von den Trinkgeldern und der Hurerei abhängig sein. Doch als sie glaubt, es endlich geschafft zu haben, wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt.
Clara ist zu Beginn eine verwöhnte und sehr naive Fabrikantentochter. Aber sie will sich nicht länger dem Willen ihres Vaters unterordnen, sondern sich ihren Ehemann selber suchen. Dass sie für ihr Glück alles riskiert und eine sehr starke, fast schon harte Persönlichkeit wird, hat mich sehr überrascht.
Lorenz Aulehner will alles richtig machen und seinen Chef beeindrucken, kann seine menschliche Seite zum Glück aber nicht ganz abschalten. Als Außenstehender hat er einen unvoreingenommenen Blickwinkel auf den Münchner Klüngel und ist noch niemandem verpflichtet.

Die Autorin erzählt die Geschichte abwechselnd aus Colinas und Aulehners Perspektive und lässt auch berühmte Persönlichkeiten wie König Otto von Bayern oder Fanny zu Reventlow auftreten. Sie schreibt sehr detailverliebt und lässt Hintergrundinformationen zur wirtschaftlichen und politischen Situation, den Frauenrechten, Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Protagonisten einfließen. Leider waren mir diese Schilderungen manchmal etwas zu ausführlich und sorgten in der an sich recht spannenden Handlung für ein paar kleine Längen. Davon abgesehen hat mich das Buch aber sehr gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 25.08.2020

Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen …

Schicksalhafte Zeiten
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„Mir fehlt Edith. … Ich habe oftmals das Gefühl, wird sind nicht vollständig ohne sie.“ (S. 290)
Nur ein Wunder kann Luise, Margot und Christa noch helfen, wenn sie Edith je wiedersehen wollen. Zum Glück ...

„Mir fehlt Edith. … Ich habe oftmals das Gefühl, wird sind nicht vollständig ohne sie.“ (S. 290)
Nur ein Wunder kann Luise, Margot und Christa noch helfen, wenn sie Edith je wiedersehen wollen. Zum Glück ist die Jüdin schon vor dem Krieg mit ihrem Mann in die Schweiz emigriert. Sie halten den Kontakt über Briefe, und in jedem schwingt die Hoffnung mit, dass der Krieg bald vorbei ist und die Nazis mit ihren menschenverachtenden Taten dann nicht mehr an der Macht sein werden – und Edith endlich nach Berlin zurückkehren kann.

Den 3. Teil ihrer Hebammensaga hat Linda Winterberg in einem besonders dunklen Kapitel deutscher Geschichte angesiedelt, dem 2. Weltkrieg. Sehr fesselnd und aufwühlend erzählt sie, wie die drei Freundinnen versuchen, sich auch in dieser Zeit ihre Menschlichkeit bewahren. „Irgendwann hat dieser Spuk ein Ende. Man muss nur irgendwie durchkommen und dabei sein Gewissen bewahren. Wir sind Hebammen, wir holen das Leben auf die Welt, wert oder unwert gibt es bei uns nicht.“ (S. 16) Die Hebammen müssen täglich miterleben, wie mit dem angeblich „unwertem“ Leben umgegangen wird. Da werden Frauen im 5. Monat zur Abtreibung gezwungen und gleichzeitig sterilisiert, weil sie nicht der Norm entsprechen. Den Ostarbeiterinnen nimmt man ihre Kinder meist direkt nach der Geburt weg und auch die zum Tode verurteilten Schwangeren in den Gefängnissen überleben die Geburt ihrer Babys nur für 6 Monate, so lange sie sie stillen.

10 Jahre sind seit dem letzten Buch vergangen. Luise ist keine Oberhebamme mehr, weil sie sich geweigert hat, in die NSDAP einzutreten. Margot konnte die Zwangssterilisationen nicht mehr ertragen und arbeitet erst als niedergelassene Hebamme, behandelt die Zwangsarbeiterinnen in den Lagern, und arbeitet später sogar als Gefängnishebamme. Als sie dort eine Bekannte entdeckt, riskiert sie ihr eigenes Leben, um diese zu retten.
Doch egal wo und unter welchen Bedingungen die Freundinnen den Schwangeren helfen (im Krankenhaus, Luftschutzkeller, Bunker, Lager oder einer Ruine), sie unterliegen immer strengster Kontrolle und müssen alles genau notieren, damit die nationalsozialistische Gesundheitspolitik eingehalten wird. Bei Nichtbeachtung droht Gefängnis und Zwangsarbeit. Die Angst vor einer Entdeckung und Anzeige schwingt immer mit – und die Angst vor den Bomben, die immer öfter fallen.
Ich habe Luise, Margot und Christa für ihrer Stärke und Courage bewundert. Sie haben stets Mitgefühl gezeigt und ihren Patientinnen so gut wie möglich geholfen, egal welcher Gesinnung oder Abstammung diese waren.

Seit dem ersten Band bin ich ein großer Fan der Hebammensaga und beeindruckt, wie anschaulich die Autorin das komplexe Thema Geburtshilfe und die besonderen Erschwernisse während des Krieges umgesetzt hat.
Das Buch zeigt aber nicht nur die Schrecken der Nazizeit und des Krieges, sondern auch die wunderbare Freundschaft und den Zusammenhalt der Freundinnen. Es ist auch eine Geschichte voller Hoffnung. Luise und Christa sind beide in „unpassende“ Männer verliebt – haben sie trotzdem eine Chance auf ihr Glück?

5 Sterne und meine Leseempfehlung (für die ganze Reihe)!

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Veröffentlicht am 24.08.2020

Trügerische Idylle

Jasmunder Geheimnisse
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Richard Grubens 4. Fall führt ihn auf die Halbinsel Jasmund auf Rügen. Er besucht seine Freundin Jette, die den Altar der Dorfkirche in Hollvitz saniert. Als er die Leiche von Susanne Ortlepp entdeckt, ...

Richard Grubens 4. Fall führt ihn auf die Halbinsel Jasmund auf Rügen. Er besucht seine Freundin Jette, die den Altar der Dorfkirche in Hollvitz saniert. Als er die Leiche von Susanne Ortlepp entdeckt, die er auf Jettes Bitte hin am Abend zuvor mit auf die Insel gebracht hat, ist ihm sofort klar, dass deren Tod kein Unfall gewesen sein kann. Dafür sind die Umstände zu ungewöhnlich. Außerdem hatte sie von einer ganz großen Entdeckung geschwärmt, die Hollvitz weltberühmt machen würde – Genaueres wollte sie ihnen am nächsten Tag erzählen.

„Jasmunder Geheimnisse“ ist die langersehnte Fortsetzung der Reihe von Anja Behn um den Kunsthistoriker Richard Gruben.
Bei seinem letzten Fall (Kalter Sand) hat er zusammen mit Jette den Tod von deren Schwester aufgeklärt. Dabei haben sie sich ineinander verliebt und sind später ein Paar geworden. Als sie jetzt für 7 Monate den Auftrag auf Rügen annimmt, ist er enttäuscht. Durch seinen kleinen Sohn ist er an Dortmund gebunden, eine Fernbeziehung wäre zu kompliziert. Außerdem hat er das Gefühl, dass Jette ihm etwas verheimlicht. „Hollvitz sollte eine Art Traumabewältigung für mich werden. Eine Herausforderung, der ich mich jeden Tag neu stellen muss. Viel Arbeit bedeutet keine Zeit zum Nachdenken.“ (S. 77)
Susanne Ortlepp arbeitete bei der Landesdenkmalpflege Schwerin und war für die Sanierung der Hollvitzer Kirche zuständig. Sie entstammte einer Politikerfamilie und wollte selbst bei der nächsten Landtagswahl antreten.

Zusammen mit Jette und dem Polizisten Bert Mulsow geht Richard der Frage nach, was Susanne eigentlich entdeckt hatte und ob der Täter verhindern wollte, dass Touristen und Fachleute das beschauliche Dörfchen überrennen oder ob er einen ganz persönlichen Grund hatte, die zukünftige Politikerin aus dem Weg zu räumen. Bei ihren Nachforschungen stoßen sie auf ein dunkles Kapitel der DDR-Geschichte. Die Besitzer des ehemaligen örtlichen Kalkwerkes und der dazugehörigen Werkssiedlung wurden damals enteignet, das Werk in ein Kinderheim umgewandelt und Bewohner grenznaher Gebiete in die Siedlung zwangsumgesiedelt.
Heute suggeriert Hollvitz wieder eine trügerische Idylle mit der Kirche als Mittelpunkt. Das Dorf liegt im Hinterland der Insel, fernab von Massentourismus uns Bauboom. Und die Bewohner wollen auch, dass das so bleibt …

Anja Behn schreibt sehr fesselnd über (alte) Schuld, Ängste, Geheimnisse und menschliche Abgründe. Die Handlung ist sehr dicht und kommt mit nur wenigen Protagonisten aus – neben Richard und Jette sind das vor allem der Pastor des Dorfes, der seine Kirche unbedingt erhalten will, die alte Ruth, deren verstorbener Mann die Ortschronik führte und an die sich Susanne wegen ihrer Entdeckung gewandt hatte, und den Nachfahren der Besitzer des Kreidewerkes, die ihren Besitz nach der Wendet rückübereignet bekamen. Dadurch erinnert der Krimi schon fast an ein Kammerspiel. Das wird durch die Konzentration auf wenige Handlungsorte, vor allem die Kirche, die Werkssiedlung und Jettes Häuschen noch verstärkt.

5 Sterne für diese starke Fortsetzung. Ich hoffe, dass Richard noch in weitere Fälle stolpern wird.

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Die erste Liebe ist grausam

This Is (Not) a Love Song
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„Bei Liebeskummer gibt es keine Abkürzung. Durch die Gefühle muss man durch.“ (S. 326)
Seit ihrer Jugend ist Zoë in ihren amerikanischen Freund Simon verliebt, der davon aber nichts weiß. Sie haben sich ...

„Bei Liebeskummer gibt es keine Abkürzung. Durch die Gefühle muss man durch.“ (S. 326)
Seit ihrer Jugend ist Zoë in ihren amerikanischen Freund Simon verliebt, der davon aber nichts weiß. Sie haben sich seit fast 20 Jahren nicht mehr gesehen, nur über Telefon, Social Media und witzige Postkarten ihres erdachten Pop-Idols Zac Scaramouche Kontakt gehalten. Als plötzlich eine Postkarte mit den Worten „… ich komme nach London, Baby.“ (S. 22) endet, schlägt Zoës Herz Purzelbäume. Sie ist Single, Simon geschieden – sollte jetzt endlich ihre Liebesgeschichte beginnen?
Doch gleichzeitig platzt auch PR-Manager Nick in ihr Leben. Ihr Herz rast definitiv jedes Mal, wenn sie ihn sieht – vor Wut, weil er ihr beruflich Probleme bereitet, oder weil sie sich zu ihm hingezogen fühlt?!

Zoë ist Journalistin der berühmten in Londoner Musikzeitschrift Re:Sound, ein echter Workaholic, die für die Musik und ihren Job brennt und sich darüber definiert. „Ich bin die erste Frau auf dem Chefredakteursposten, und ich will die Zeitschrift wieder zu dem machen, was sie mal war.“ (S. 63) Leider sinken die Verkaufszahlen immer mehr und die Herausgeber drohen damit, das Blatt einzustampfen. Zoë sieht ihre Chance in einem Interview mit ihrem Idol, der berühmten Sängerin Marcie Tyler. Die hat sich vor vielen Jahren aus dem Musikbusiness zurückgezogen, doch es geht das Gerücht um, dass sie ihr Comeback plant. An Marcie kommt sie allerdings nur über deren Manager Nick, der im Gegenzug fordert, dass Re:Sound eine Boyband hypt, die nicht zum Anspruch des Magazins passt.

„This ist (not) a Love Song” von Christina Pishiris kam als Überraschungsbuch vom Aufbau-Verlag und wäre mir aufgrund des ungewöhnlichen Titels und Covers sicher auch im Buchladen aufgefallen.
Es ist zwar eine typische, zum Teil überraschende Dreiecksgeschichte, aber ich fand es spannend mit Zoë zu rätseln, ob Nick nun Freund oder Feind ist und für wen ihr Herz wirklich schlägt. „Ich kennen niemanden, mit dem ich mich so fühle wie mit Simon.“ (S. 176)
Die Musik spielt eine zentrale Rolle. Jedem Kapitel ist ein (not) Lovesong vorangestellt und auf Spotify gibt es die Playlist zum Buch – so konnte ich beim Lesen in den alten Songs schwelgen und mich an meine Jugend erinnern seufz.
Christina Pishiris schreibt sehr humorvoll und nimmt dabei auch ihre eigene griechische Abstammung auf die Schippe. Besonders witzig fand ich die Idee mit Zoës und Simons erdachtem Pop-Idol Zac Scaramouche und den Postkarten, die sich beide in seinem Namen schicken. “Wir tanzten weiter den Fandango und benutzen einen imaginären Rockstar, um um unsere Gefühle füreinander herumzulavieren, ohne die richtigen Schritte zu wagen.“ (S. 8)
Meine Kritikpunkte sind das Hin und Her im letzten Drittel des Buches und die Teenager-Verhaltensweisen der immerhin Mitte 30jährigen Protagonisten.
3,5 Sterne.

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