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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.06.2019

Perfekt durchkomponierter fesselnder Thriller

Die Maske der Gewalt
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Dieser Auftaktband einer Thriller-Reihe rund um den Wiener Ermittler Richard Schwarz ist nichts für Zartbesaitete. Und wer das Buch zu lesen beginnt, hat für nichts anderes mehr Zeit. Dies sei als Warnung ...


Dieser Auftaktband einer Thriller-Reihe rund um den Wiener Ermittler Richard Schwarz ist nichts für Zartbesaitete. Und wer das Buch zu lesen beginnt, hat für nichts anderes mehr Zeit. Dies sei als Warnung vorweggestellt.
Der LKA-Ermittler Richard Schwarz hat als Kind Schreckliches erlebt. Er hatte zusehen müssen, wie seine Mutter brutal ermordet wurde, während er mit schweren Verbrühungen hilflos am Boden lag. Von diesem traumatischen Ereignis sind ihm schlimme körperliche Narben und ebenso schwerwiegende seelische Narben zurückgeblieben. Er wurde von einer Zirkusfamilie liebevoll aufgenommen, trat im Zirkus auf, lernte es, seinen entstellten Körper unter einer Maske zu verbergen. Aber der unbedingte Wille, den Mörder seiner Mutter zu finden, veranlasste ihn schließlich zur Polizei-Laufbahn. Als in Wien zwei Frauenleichen gefunden wurden mit merkwürdig identischen Stichverletzungen auf ihren Körpern, setzt in einer schier aussichtslos erscheinenden Ermittlungsarbeit Richard Schwarz alles daran, den Täter zu finden. Die ebenfalls psychisch angeschlagene Gerichtspsychiaterin Theres Lend gibt Hinweise, die vielleicht weiterhelfen können. Als jedoch Sarah, seine geliebte „Schwester“ aus der Zirkusfamilie, in München entführt wird, jagt Richard Schwarz auch diesen Täter…
Der raffiniert aufgebaute Plot hält über das gesamte Buch hinweg den Spannungsbogen hoch. Und so jagt man als Leser durch die Seiten, getrieben von der Schreibekunst der Autorin, die es versteht, durch kurze Szenenwechsel, mitunter mit Cliffhangern, durch überraschende Wendungen, durch viel wörtliche Rede und durch immer wieder durchblitzenden versteckten Witz den Leser an das Buch zu fesseln. Was nur wenigen Autoren gelingt, schafft sie mühelos, nämlich jedem Protagonisten seine eigene Stimme zu verleihen, seinen eigenen Sprachduktus. J. B. Wind spielt mit Sprache, mit Sprachstilen, spielt mit Ausdruck und schafft damit einen besonders intensiven Leseeindruck. Mögen einzelne Protagonisten vielleicht etwas überzeichnet sein und ihre beschädigten Seelen allzu theatralisch und psychologisch nicht unbedingt immer stimmig in Szene zu setzen, so passt dies jedoch zum Gesamtkonzept des Buches, das einer hochdramatischen Oper gleich in einzelnen Akten und wechselnden Bühnenbildern perfekt durchkomponiert ist. Das Buch macht unbedingt Lust auf die in absehbarer Zeit erscheinenden Folgebände.

Veröffentlicht am 25.06.2019

Zerzaust und entflammt

Find mich da, wo Liebe ist
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Meine ursprüngliche Erwartung an das Buch war, eine leichte, vielleicht sogar ein wenig kitschige, locker und leicht lesbare Sommerlektüre vorzufinden. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, dass mich ...


Meine ursprüngliche Erwartung an das Buch war, eine leichte, vielleicht sogar ein wenig kitschige, locker und leicht lesbare Sommerlektüre vorzufinden. Ich war nicht darauf gefasst gewesen, dass mich die Geschichte in ihrer Intensität so komplett in ihren Bann zog, dass ich mich nicht mehr davon lösen konnte.
Grace steht als leidenschaftliche Cellistin am Beginn ihrer Karriere, bricht diesen Weg jedoch nach einer traumatischen Erfahrung rigoros ab und repariert in einem kleinen Örtchen in England Musikinstrumente. Ihr ganzes Denken und Handeln ist auf David ausgerichtet, der seit 8 Jahren ihre große Liebe ist, David, der beruflich erfolgreich, einfühlsam, liebevoll ist. Grace trifft sich mit ihm immer nur für wenige Stunden oder Tage in Paris, hat sich mit diesem Arrangement abgefunden und zweifelt keine Sekunde an David. Mit Sicherheit wird er irgendwann Frau und Kinder verlassen und das gemeinsame Leben mit ihr beginnen. Doch Grace wird durch ein unerwartetes Ereignis jäh aus ihrem ruhigen und hoffnungsfrohen Lebensgleichmaß gerissen und verliert völlig den Boden unter den Füßen…
Soweit klingt die Handlung tatsächlich nach einem üblichen Klischee: Junge Frau ist Geliebte eines verheirateten Mannes, der entgegen seiner Versprechungen die Familie nie verlassen wird. Doch die Autorin schafft es schier unbemerkt, dem Leser seine eigenen Vorurteile vor Augen zu führen und der Handlung eine unerwartete Wendung zu geben. Plötzlich befinden wir uns mitten in einer Geschichte der Selbstfindung, der wachsenden Selbstachtung, der Wertschätzung dessen, was ist, und der Gelassenheit gegenüber Unveränderbarem. Alle Protagonisten sind auf ihre besondere Art sympathisch dargestellt, weshalb es dem Leser unmöglich ist, Distanz zu wahren. Er wird unweigerlich hineingezogen in das Geschehen und erlebt die ganze Welt der Gefühle direkt mit. Die schmerzhaftesten Sätze graben sich ein wie Tattoos in die Haut. Und das Buch ist eine Hymne an die Musik! „Zerzaust und entflammt“ bleiben Nadja und Grace nach dem gemeinsamen Musizieren zurück. Und zerzaust und entflammt bleibt der Leser nach Lektüre dieses wunderbaren Buches zurück.

Veröffentlicht am 24.06.2019

Lebendig erzählter historischer Roman

Die Erleuchtung der Welt
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Biggi Rist, Autorin von Kriminalromanen, hat uns unter dem Pseudonym Johanna von Wild einen wunderbar erzählten historischen Roman geschenkt. In Kurzfassung beschreibt der Klappentext den Inhalt so: „Heidelberg, ...


Biggi Rist, Autorin von Kriminalromanen, hat uns unter dem Pseudonym Johanna von Wild einen wunderbar erzählten historischen Roman geschenkt. In Kurzfassung beschreibt der Klappentext den Inhalt so: „Heidelberg, 1427. Da Helenas Vater seine Schulden nicht bezahlen kann, verkauft er seine Tochter an einen Winzer als Magd. Dem Mädchen widerfährt Schreckliches auf dem Weingut und es flieht. Das Schicksal lässt Helena zur engsten Vertrauten von Prinzessin Mechthild von der Pfalz werden, und sie folgt ihr nach Stuttgart und Urach. Doch ihre Vergangenheit holt Helena ein, sie trifft eine falsche Entscheidung und die Freundschaft zu Mechthild wird auf eine harte Probe gestellt …“
Der Roman ist mit routinierter Feder geschrieben. Er fesselt den Leser von Anfang bis Ende. In lebendig gestalteten Szenen erleben wir hautnah die Zeit Anfang 15. Jahrhundert rund um die historische Figur Mechthild von der Pfalz, eine gebildete, fortschrittliche Frau, und die fiktive Figur Helena, Tochter armer Tagelöhner. Der Spannungsbogen spannt sich ohne Unterbrechung über das gesamte Buch. Atmosphärisch dicht und intensiv werden grausamste Geschehnisse detailreich und voller überraschender Wendungen erzählt. Die gut recherchierten historischen Hintergründe, z. B. die Machtkämpfe zwischen dem Geschlecht der Wittelsbacher und der Habsburger, die dominante Stellung der Kirche, die gewaltige Diskrepanz zwischen Arm und Reich, geben dem Roman bei aller Freiheit fantasievoller Gestaltung die nötige solide Substanz, um den aufgeschlagenen historischen Bilderbogen glaubwürdig zu machen.
Rundum lesenswert.

Veröffentlicht am 24.06.2019

Dem Körper bewusst und mit Freude Gutes tun

My Little Green Kitchen
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Das Buch ist als Herzensprojekt aus dem Bedürfnis der Autorin heraus entstanden, ihren gesundheitlichen Problemen durch pflanzliche Ernährung zu begegnen. Und genau diese persönliche Leidenschaft spürt ...


Das Buch ist als Herzensprojekt aus dem Bedürfnis der Autorin heraus entstanden, ihren gesundheitlichen Problemen durch pflanzliche Ernährung zu begegnen. Und genau diese persönliche Leidenschaft spürt man dem Buch auf jeder Seite an. Es ist wunderschön gestaltet, mit Lesebändchen versehen und auf festerem Papier gedruckt, das den regelmäßigen Gebrauch in der Küche nicht sofort übel nimmt. Unglaublich schöne Fotos bringen uns Natur und Kochergebnisse so nahe, dass wir gar nicht anders können, als uns von der Autorin mitnehmen zu lassen auf eine Reise durch das Jahr mit vielen „grünen Tipps“ und den damit verbundenen oftmals überraschenden Lieblingsrezepten. So wechseln sich zum Beispiel im Frühjahr interessante Rezepte wie Löwenzahn-Gelee ab mit Anregungen zum Gemüseanbau. Im Sommer finden wir neben Karotten-Hummus Hinweise zum Wildkräuter-Sammeln. Und so geht es liebevoll und die Natur achtend weiter durch das Jahr.
Das Buch ist viel mehr als ein reines Kochbuch. Es ist eine Liebeserklärung an all das, was uns die Natur schenkt. Und es ist eine Anregung für uns, mit Freude zu ernten, zu kochen und mit allen Sinnen zu genießen.

Veröffentlicht am 17.06.2019

Wenn zwei Autorenseelen gemeinsam erzählen

Unbarmherzig (Ein Gina-Angelucci-Krimi 2)
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Bislang hatte ich aus der Reihe rund um Kommissar Tino Dühnfort und Gina Angelucci nur einen Band gelesen (Sieh nichts Böses), und zwar mit großer Begeisterung. Genauso begeistert hatte ich gelesen Die ...


Bislang hatte ich aus der Reihe rund um Kommissar Tino Dühnfort und Gina Angelucci nur einen Band gelesen (Sieh nichts Böses), und zwar mit großer Begeisterung. Genauso begeistert hatte ich gelesen Die Vergessenen von Ellen Sandberg, dem Psedonym von Inge Löhnig. Insofern freute ich mich sehr auf das vorliegende Buch.
Worum geht es? Gina Angelucci arbeitet in der Abteilung für Cold Cases, während ihr Ehemann Tino Dühnfort die kleine Tochter Chiara betreut. Eine Radfahrerin findet in dem idyllischen Dorf Altbruck in der Nähe von München die Knochenfragmente eines Schädels. Es stellt sich heraus, dass an dieser Stelle die Gebeine von zwei Toten liegen, und zwar schon seit Jahrzehnten. Obwohl Ginas Vorgesetzter weitere Nachforschungen unterbinden will, lässt sie nicht locker, um die Identität der Toten und ihre Todesumstände zu klären. Und sie findet Verbindungen zu einer Munitionsfabrik am Ort, die während der Zeit des Nationalsozialismus Zwangsarbeiter beschäftigte. Je mehr Gina in die Thematik eintaucht, desto mehr stößt sie auf Abwehr, auf Schweigen, auf Lügen…
Inge Löhnig erzählt in gewohnt routinierter Weise den gut durchdachten, sorgfältig recherchierten Plot. Die Personen werden psychologisch nachvollziehbar und lebendig geschildert. Insofern habe ich das Buch gerne gelesen. Und doch fehlte mir etwas. Die Geschichte wird als Kriminalroman ausgewiesen, aber ich vermisse einen konstanten, vielleicht sich noch steigernden Spannungsbogen. Ich vermisse eine verwirrende Spurenlage, die den Leser auf der Suche nach dem Täter immer wieder in die Irre führt. Für keinen der Protagonisten konnte ich echte Sympathie entwickeln, sie blieben blass, manchmal sogar unglaubwürdig. So als wären sie ohne echtes Autoren-Herzblut entstanden. In kursiv gesetzten Rückblenden erfahren wir viel über die Ausbeutung der Menschen in der Heeresmunitionsanstalt während des Zweiten Weltkrieges, aber auch Eindringliches über das Schicksal des lettischen Volkes. Das sind für mich die besten Passagen des Buches. Obwohl ich eigentlich kein Freund von Zeitsprüngen bin, passen sie in diesem Buch perfekt, weil gerade sie den Kriminalroman, wenn er denn wirklich einer ist, aus der Beliebigkeit des Krimi-Genres herausheben und mit einer wichtigen politischen Stellungnahme versehen. Mir kommt es ein wenig so vor, als hätten sich Inge Löhnig und Ellen Sandberg bei diesem Buch nicht wirklich einigen können, wer von beiden denn nun eigentlich erzählen soll…